Guy Garvey
„Courting The Sqall“
(Polydor)
Irgendwie erscheint einem Guy Garvey stets wie ein lebender Widerspruch in sich. Geht man nach der Statur, dem Erscheinungsbild des Sängers der Indiekombo Elbow, dann würde man eher vermuten, Garvey fälle tagsüber in den Wälder rund um seine Heimatstadt Manchester Bäume reihenweise mit bloßen Händen und in seiner Freizeit über er sich wahlweise im Schwergewichtsboxen oder Rugby. Dass der große, bärtige Mann aber eine unglaublich bezaubernde Stimme sein Eigen nennt und mit dieser seit Jahren die Herzen und Knie weich und die Augen feucht macht wie kaum ein anderer – das mag man auf den ersten Blick gar nicht glauben. Gerade hat er sein erstes Soloalbum veröffentlicht und weil die Songs darauf so persönlich wie selten geworden sind, wollte er sie nicht seiner Band anvertrauen (oder zumuten) und hat sie, „rough and ready“, wie er dem Guardian mitteilte, in kurzen neun Wochen geschrieben und eingespielt.
Es geht darin, das ist nun nicht wirklich neu, vor allem um Frauen. Also um Garveys Sorgen und Nöte mit ihnen, um Träume, Ängste, Wünsche, auch um Glücksgefühle und natürlich um das Laster Alkohol, dem Garvey, das gibt er unumwunden zu, noch immer zu leicht und in zu großen Mengen nachzugeben bereit ist. Man hätte sich vielleicht an der einen oder anderen Stelle mehr Mut von ihm gewünscht, so wie er ihn zum Beispiel im schmissigen Opener „Angela’s Eyes“, für den Bigband-Sound von „Harder Edges“ oder für das ebenso forsche „Belly Of The Whale“ offenbart. Deshalb sind die restlichen Stücke keineswegs schlecht, höchstens mal etwas blass geraten – viel Piano, viel Gefühl, er kann und will nicht raus aus seiner Haut. Das Duett mit Jolie Holland („Electricity“) ist schön, bei „Yesterday“ zeigt man bereitwillig die erwarteten Reflexe (s.o.) und auch die schweren, dunklen Bläser erfüllen ihren Zweck. Nicht die insgeheim erhoffte Überraschung, gleichwohl eine gelungene Platte.
28.11. Berlin, Postbahnhof
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen