Montag, 31. August 2015

Destroyer: Nimmermüde

Destroyer
„Poison Season“
(Merge)

“I’m now supposed to be attracting the ears of people who have more in common with my daughter than have in common with me” (SPIN), ein Satz, in den sich viel Wehmut packen läßt, wenn man das Leben nicht gerade so aufgeräumt reflektiert wie Daniel Bejar. Der Mann also, dem es unter dem Moniker Destroyer seit gut fünfundzwanzig Jahren gelingt, seine Anhänger (welchen Alters auch immer) mit unermüdlicher Neugier und dem damit verbundenen Facettenreichtum seiner Musik zu begeistern. Kaum eines seiner mittlerweile zehn Studioalben gleicht dem anderen, die stilistische Vielfalt verblüfft immer wieder – hatte er noch vor vier Jahren mit seinem bisherigen Meisterstück „Kaputt“ dem Synthpop der 90er auf bemerkenswert zarte Weise zu erneuter Blüte verholfen, tauscht er nun für „Poison Season“ die soften Beats und klassischen Songstrukturen gegen konzertante Scores und fulminanten Bigbandsound.

Die Dichtheit und Komplexität der aktuellen Stücke hat mit der Anzahl der verwendeten Instrumente und Tonspuren deutlich zugelegt, viele von ihnen erinnern deshalb nicht selten an die Kompositionen von Rufus Wainwright oder Ben Folds. Geklammert wird die Platte vom dreigeteilten „Times Square“, einer schwelgerischen Liebererklärung, mal Kammermusik, dann in der Vollversion als opulentes Orchesterwerk mit sattem Blech plus anschmiegsamem Saxophon und süffigen Streichern zum finalen Fadeout. Bejars Songs sind auf anspruchsvolle Art vollgepackt – schwungvolle Nummern wie das wild flackernde „Dream Lover“, jazzy hier („Forces From Above“), als Moritatenbegleitung dort („Hell“), bei „Archer On The Beach“ liefern sich Gitarre und Sax einen ausgeglichenen Wettstreit, „Midnight Meet The Rain“ wiederum kommt mit 70er-Reminiszenzen und Psychrockanleihen daher.

Um keine Idee verlegen, läßt der gebürtige Kanadier den Zuhörer erst im letzten Drittel etwas Zeit zum Atemholen – „Solace’s Bride“, „Bangkok“ und „Sun In The Sky“ klingen vergleichsweise zurückhaltend und laid back. Trotzdem: Ganz offensichtlich bereitet es Bejar und seiner kleinen Band viel Vergnügen, die neuen Stücke zu gleichen Teilen mit wunderbaren Melodien und künstlerischer Extravaganz zu füllen, dass dies nicht danebengeht, ist wohl zu gleichen Teilen seiner jahrelangen Erfahrung und der Qualität seines Songwritings und der Mitmusiker geschuldet. Für die nachfolgende Tour haben Destroyer vor allem kleinere Clubs und Theaterbühnen gewählt, man darf gespannt sein, mit welchem Aufwand und Personal Bejar das aktuelle Album zu präsentieren gedenkt. http://www.mergerecords.com/destroyer

09.11.  Luzern, Südpol
10.11.  Lausanne, Le Romandie
11.11.  St. Gallen, Palace
12.11.  Wien, Szene
13.11.  München, Kammerspiele
14.11.  Köln, Luxor
15.11.  Berlin, Lido

Motörhead: Sympathieträger

Wenn sich die Hochkultur, also das Feuilleton, um den Heavy Metal kümmert, ist strengste Vorsicht geboten - zu oft lädt der Nerd, gekleidet in ein frisch gebügeltes Mötley-Crüe-Shirt von Amazon, zur Fremdscham ein und verkriecht sich hernach schnell wieder hinter das Airbook. Die Süddeutsche Zeitung ist solcher Umtriebe weniger verdächtig, sie weiß um die Gefahr und kokettiert damit. Zudem gebührt ihr das Verdienst, vor Jahren in einer ihrer Wochenend-Ausgaben Lemmy Kilmister zu dem wunderschönen Bekenntnis genötigt zu haben, er werde ganz sicher nicht einfach tot umfallen, sondern bestenfalls verpuffen. Ebenjener hat gerade mit seiner Band Motörhead das gefühlt zweiundneunzigste Album vorgelegt, "Bad Magic" heißt es und einmal mehr zeigt Kilmister allen Lutschern, wie er sein Handwerk versteht. Und weil die SZ behauptet, die beste Nummer der Platte wäre eine Cover-Version des Stones-Klassikers "Sympathy For The Devil", gibt es diese hier zum Gehör - so unrecht haben sie (schon wieder) nicht.

Ha The Unclear: Post Promotion

Über den Sinn und Unsinn sogenannter Lyric-Clips kann man prächtig streiten - neben dem Teaser gehören diese mittlerweile zur großen Familie häufig genutzter Promo-Skills und nicht selten sind es lieblos gemachte Vorboten der eigentlichen Videos. Das gilt keinesfalls für diesen Film des neuseeländischen Quartetts Ha The Unclear, zumal es hier gar nicht um Vorab-, sondern eher um Postpromotion geht - ihr Album mit dem hübschen Titel "Bacterium, Look At Your Motor Go" ist schon im vergangenen Jahr erschienen. Die Bilder zu "Growing Mould" sind eine liebevolle Zusammenstellung des Textes mittels gängiger Magazin-Ästhetik, der leichte Folk-Pop dazu scheint mehr als stimmig. Mehr vom Album u.a. bei Bandcamp.

Sonntag, 30. August 2015

Foals: Ungebremst

Foals
„What Went Down“

(Warner)

Das gleich vorweg: Es gibt sicher so Einiges, was man den Foals und ihrem neuen Album vorhalten könnte. Wer allerdings gerade jetzt mit Vorwurf kommt, die Indie-Kapelle aus Oxford habe ihre Wurzeln und die Ursprünglichkeit ihres Debüts „Antidotes“ aus dem Jahr 2008 verraten, der kommt damit reichlich spät um die Ecke. Denn schon ihre zweite Platte „Total Life Forever“ hatte den Schwenk in Richtung Breitwandrock wenigstens angedeutet, wenn nicht sogar schon vollzogen und gemessen an dieser ist das aktuelle Werk sogar noch um einige Takte gelungener. „Drive my car without the brakes“ heißt es in „Mountains At My Gates“, einer der fettgerifften Vorabsingles, und genau das ist es, was Yannis Philippakis und seine Bandkollegen mit einem Großteil der Songs versuchen: ungebremst mit zweihundert Stundenkilometern und ohne Schalldämpfer über die Strecke – da muß freilich, um im Bild zu bleiben, so mancher feine Zwischenton zwangsläufig auf der Strecke bleiben.

Wer die Foals deshalb gleich mit den tatsächlich im Mittelmaß gescheiterten Killers oder Kings Of Leon in einen Topf werfen will, tut ihnen sicher unrecht, denn im Gegensatz zum überproduzierten Einerlei der Genannten läßt sich bei dem Quintett ein deutliches Mehr an Leidenschaft und weniger unglaubwürdiges Pathos erkennen. Gerade hat Frontmann Philippakis dem NME eine Erklärung für seinen Antrieb in den Block diktiert: “I wanted to tap into my inner madman and feel like I was channelling some sort of fevered creature. I wanted to relish the mania, and what ended up happening – looking back at certain passages in some songs – is pretty intense in a way that I wouldn't have ever been able to plan.” Ein Bemühen, das man den Stücken unschwer anhören kann.

“Albatross”, “Snake Oil” und “Midnight Swimmers” – ebenso wie das Titelstück allesamt dick polternde und ordentlich elektrifizierte Rocknummern, denen Melodie und Sentiment nicht verboten sind. Manchmal wird es etwas süßlich, dem einen oder anderen Chorus hätte vielleicht eine Blitzdiät nicht geschadet. Wo „London Thunder“ das richtige Maß an Gefühligkeit findet, überziehen „Give It All“ und „Lonely Hunter“ um einige Längen. Dennoch: Wie die Foals brachialen Psychrock, eingängigen Synthpop und die fiebrigen Beats früherer Tage (es sind leider nicht so viele) miteinander verknüpfen, bleibt eine Klasse für sich und ist, auch in der Stadionversion, immer noch sehr (v)erträglich. Dass bei den bisherigen vier Alben auch ansatzweise keine Niete dabei ist, darf man der Band jedenfalls als Verdienst gutschreiben, der eine oder andere Wermutstropfen wird dadurch zwar nicht kleiner, fällt aber vielleicht etwas weniger ins Gewicht. www.foals.co.uk

08.09.  Berlin, Kesselhaus

Freitag, 28. August 2015

Kagoule: Lautes Wunder

Kagoule
„Urth“

(Earache Records)

Zugegeben, die Angst, dass das doch noch grob schief geht, war nicht eben klein. Schließlich gibt es nicht wenige Beispiele, wo die grandiosen Vorabmeldungen eine Euphorie befeuern, die zunächst die Erwartungen in ungesunde Höhen treiben und dann der jähe Absturz folgt, weil der Rest all dem nicht zu folgen vermag. Es ging ja um nicht weniger, als der Heimstatt Robin Hood’s neben den Sleaford Mods einen weiteren grandiosen Triumph zu beschehren. Und was soll man sagen: Keine Enttäuschung, nicht die kleinste, nirgends. Das Trio Kagoule, im vergangenen Jahr via Nischenlabel Earache Records, das eigentlich auf zünftigen Metal spezialisiert, auf der Bildfläche aufgetaucht, liefert mit seinem Album „Urth“ ein wirklich phänomenales Erstlings-Werk ab – einfach, kraftvoll und spannungsgeladen bis zum letzten Ton. Dass hier der gute und schon etwas in die Jahre gekommene Grunge-Sound der 90er zu neuer Blüte kommt, ist dabei nur gerecht, besaßen doch Nirvana und die Smashing Pumpkins der Frühzeit (zwei der auffälligsten Bezugsgrößen der drei) ein solches Übermaß an Energie und Inspiration, dass auch mehr als zwanzig Jahre später für talentierte Nachahmer wie Kagoule noch genug übrig sein sollte. Stücke wie „Gush“, „Glue“, „Open Mouth“ oder „It Knows It“ könnten problemlos auf einem Meilenstein wie „Gish“ Platz finden, zähe und dreckige Riffs, durch Pausen und Tempiwechsel gekonnt gebrochen, dunkel scheppernde Drums, es nölt und kreischt und klirrt ganz wunderbar und weckt tatsächlich die allerbesten Erinnerungen. Die Stimme von Cai Burns mehrheitlich ein stolpernder Sprechgesang, seltenener sind die Ausbrüche, auch Lucie Hatter am Bass schnappt sich mal das Mikro („Made Of Concrete“). Alles wirkt angenehm unperfekt und nicht inszeniert an dieser Band, einzig das ausgefallene Artwork ihrer sämtlichen Veröffentlichungen, für dessen Manufaktur Drummer Lawrence English verantwortlich zeichnet, möchte eine künstlerische Eigenständigkeit betonen. Diese Platte jedenfalls ist – wie gern schreibt man Kagoule den Satz jetzt nach Erscheinen ins Stammbuch – ein lautes und unprätentiöses Wunder. https://kagoule.bandpage.com/

14.09.  Zürich, Kinski
15.09.  Lausanne, Le Romandie Rock Club
18.09.  Berlin, Magnet
25.09.  Düsseldorf, Zakk Club
26.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
27.09.  Leipzig, Ilses Erika
30.10.  Köln, Blue Shell

British Sea Power: Seegang

Ein neues Album von British Sea Power ist wahrlich keine Überraschung, dieses aber schon: Laut Clash hat die Band ihre neue Platte, den Nachfolger von "Machineries Of Joy", mit einem kompletten Orchester, hauptsächlich aus Blechbläsern bestehend, aufgenommen - "See Of Brass" der bezeichnende Titel und "Heavenly Waters" ist die erste Single, um die Verträglichkeit zu testen.

Mittwoch, 26. August 2015

Django Django: Quietschbunt

Verspielt und farbenfroh - etwas anderes hatte man von Django Django auch nicht erwartet: Im Video zur aktuellen Single "Pause Repeat" passiert so einiges, man muss nur eben aufpassen, dass man nicht den Anschluss verliert und all die quietschbunten Bilder über die dreineinhalb Minuten geregelt bekommt. Der Song gehört natürlich zum hübschen Album "Born Under Saturn" aus dem Frühjahr.

Protomartyr: Neues aus Detroit

Eine neue Hörprobe gibt es auch vom bald erscheinenden Album der Post-Punk-Kombo Protomartyr aus Detroit - deren neuestes Werk "The Agent Intellect" soll ja, wie hier berichtet, am 9. Oktober via Hardly Art in den Handel kommen und nach "Why Does It Shake?" gibt's nun "Dope Cloud" im Stream.

Petite Noir: Eigenwillig

Das wird nicht nur den Mitteldeutschen Rundfunk freuen, sondern auch all jene, die an der Musik von Yannick Ilunga alias Petite Noir schon vor Zeiten Gefallen gefunden haben: Seine neueste Single heißt "MDR" und ist nach "Best" wieder ein eigenwilliger Kracher geworden. Das Album "La Vie Est Belle/Live Is Beautiful" dann endlich am 11. September bei Domino Records.

Dienstag, 25. August 2015

Palace Winter: Stilisten

Einen dicken Pluspunkt bekommen Palace Winter, australisch-dänisches Indie-Duo, schon mal für ihre Coverentwürfe. Ältere Herren im natürlichen Lebensraum - Strand, Appartement, das hat schon einen gewissen Stil. Respekt verdient aber auch der Sound, der am ehesten vielleicht an Adam Granduciel und The War On Drugs erinnert, rauhe Stimme, lässige Gitarren, gar keine schlechte Sache. Hier zwei Songs zum Reinkommen - die etwas ältere Single ""Time Machine" und das wunderbare "Menton", gerade erst ins Netz gelangt. Am 2. Oktober werden Carl Coleman und Caspar Hesselager ihre neue EP "Medication" veröffentlichen - man darf gespannt sein.

Beach House: Unbeschreiblich

Beach House
„Depression Cherry“

(PIAS/Bella Union)

Dass Musik, die leicht und beschwingt daherkommt, auch mühsame Arbeit bedeuten kann, ist kein großes Geheimnis (#Binsenweisheit), auch Beach House aus Baltimore haben das feststellen müssen. Nach ihrem fabelhaften Album „Bloom“ war es auch für Victoria Legrand und Alex Scully Zeit für eine längere Arbeitspause – kein Lied wollte mehr entstehen, der Akku war leer. Dass dann wiederum ein Ort namens Bogalusa im amerikanischen Bundesstaat Louisiana die Inspiration und Arbeitsfreude zurückbrachte, birgt schon eine gewisse Komik und läßt selbst die beiden herzlich lachen (INTRO) – schließlich bedeutet der Ortsname im Indianischen soviel wie „Dunkle Wasser“ und ließe sich herrlich zu einer bedeutungsschweren Promostory verbauen. Doch aus Untiefen mussten Beach House den Stoff für ihre Songs noch nie heben, sie finden die Themen eher beiläufig und weniger spektakulär: "Love, pain, getting older, dealing with loss, letting go“ – so einfach kann das sein und das ist dann auch der Grund, weshalb das Duo weiterhin so wundervolle Musik zustande bringt. Sie sind wach und uneitel genug, das Naheliegende zu nehmen und besitzen ein seltenes Gespür für das spannende Miteinander von traumhafter Heiterkeit und schwerblütiger Melancholie.

Und so ist auch „Depression Cherry“ wieder eine großartige Platte geworden – auch hier finden sich bittersüßeste Melodien, verbaut in den Sound von Gitarrenwänden, die im milden Licht der Selbstvergessenheit funkeln. Viel hat sich im Vergleich zum Vorgänger nicht geändert, es bleibt auch auf dem aktuellen Opus dicht und voll, sparsame Elektronik klackert zuweilen hinter angerauhten Hooklines, mehrstimmige Chöre geben dem Ganzen gern mal etwas Feierliches („Days Of Candy“), an anderer Stelle schwingt ein scheinbar endlose Klangschleife dem geliebten Fadeout entgegen („PPP“). Hypnotisch, verträumt, verführerisch – derartiges Vokabular ließe sich noch reichlich finden, man sollte auch nicht vergessen, den „Space Song“ und die Grandezza von „Bluebird“ zu erwähnen und müsste am Ende trotzdem die Waffen strecken. Die Größe eines solchen Werkes bemisst sich bei aller Wortdrechselei doch nur am Widerhall, den die Musik bei einem jeden Hörer selbst zu finden vermag, ob sie also etwas anstoßen, etwas zum klingen bringen kann. Das macht die Stücke von Beach House so besonders, macht sie im wahrsten Wortsinn einfach nur unbeschreiblich schön. http://www.beachhousebaltimore.com/

04.11.  Köln, Gloria
14.11.  Hamburg, Kampnagel
16.11.  Berlin, Huxley's
17.11.  München, Freiheiz
18.11.  Lausanne, Les Docks

Line And Circle: Mondän

R.E.M. tauchen gar nicht auf, wenn Line And Circle ihre Einflüsse benennen, sondern ein buntes Potpourri aus Grace Kelly, Erik Satie und Lord Byron. Dennoch können die fünf aus Los Angeles nicht verhehlen, dass Michael Stipe und seine Vorruhestandskollegen aus Athens zumindest zum engeren Kreis der Vorbilder zählen müssen, so luftig und charmant läßt sich das an. "Like A Statue", der Song, den Line And Circle gerade über Stereogum ins Rennen geschickt haben, stammt vom Album "Split Figure" und wird am 2. Oktober bei Grand Gallop erscheinen.

Montag, 24. August 2015

FANS: Dranbleiben

Gerade erst hatten wir die FANS aus Yorkshire für ihr unbekümmertes Herangehen gelobt und den Song "Born Into" bereitwillig gepostet, da schicken sie schon den nächsten ins Rennen wie um zu beweisen, dass mit ihnen auch weiterhin zu rechnen sein wird - stimmt, hört man! Im September dann die komplette EP...

Sexwitch: Hexenkult

Das also steckte hinter den kryptischen Bildern von Natasha Khan: Ein neues Album ist zwar auf dem Weg, aber keinesfalls eines von Bat For Lashes, sondern das Debüt ihres Projektes Sexwitch, mit dem sie gerade via Pitchfork um die Ecke gekommen ist und das überraschenderweise auch ein Festival bespielte. Zusammen mit ihren Kollegen von TOY und dem Produzenten Dan Carey ist das Ganze als eine Art Psych-Folk-Ding angelegt - das selbstbetitelte Album soll am 25. September bei BMG erscheinen und mit "Helelyos" darf auch schon mal probegehört werden.

Dr. Dre: The other side of the coin

Dr. Dre
„Compton“

(Interscope)

Wer den wiederaufflammenden Rassenunruhen in den USA überhaupt etwas Positives abgewinnen möchte (Vorsicht: Minenfeld!), der darf zumindest konstatieren, dass der einst darniederliegende, sich in ödem Bling-Bling-Machismo erschöpfende Hip Hop an diesen Konflikten Sinne und Konturen geschärft hat. Man spürt wieder so etwas wie Relevanz, Wachheit, auch Wut und Aggressivität natürlich – jeder, der geglaubt hatte, mit einem schwarzen Präsidenten würden sich solche üblen Dinge nicht mehr wiederholen, sondern irgendwann, ganz Besonnenheit, Ratio und Vernunft, von selbst verschwinden, sieht sich nun getäuscht. Und selbst leicht abgehalfterte Stars wie 50 Cent oder Xzibit, die sich vor Jahren noch als Tanzbären bereitwillig am Nasenring (also: Klischee) durch die mediale Arena ziehen ließen, merken plötzlich, dass sie vielleicht etwas zu bequem, etwas zu satt geworden sind und nun doch die Hand beißen müssen, die ihnen über lange Zeit ihren Luxus mitfinanziert hat. Nicht so schön, aber das war Aufklärung ja nie.

Und wer gedacht hat, nach Kendrick Lamar, A$AP Rocky, Drake, D’Angelo und Earl Sweatshirt hätte der Vorrat an Superlativen für dieses bewegte Jahr bereits aufgebraucht sein müssen, der sieht sich getäuscht und darf für Altmeister und Produzenten-Legende Dr. Dre noch einmal draufsatteln. Denn „Compton“, eigentlich als Soundtrack konzipiert,  ist ein so schillerndes, vielschichtiges und natürlich auch bissiges Werk geworden, das den Vergleich mit ähnlich apokalyptischen Geniestreichen wie Kanye Wests „My Beautiful Dark Twisted Fantasy“ oder eben Lamar’s „To Pimp A Butterfly“ nicht scheuen muss. Man kommt nicht umhin, sich im Zuge der Veröffentlichung die alten Sachen von NWA oder Dre’s Solowerk „The Chronic“ anzuhören und muss anerkennen, dass bei allem Respekt vor den alten Sachen ein Quantensprung zur Neuzeit herauszuhören ist. Das betrifft natürlich nicht so sehr die drastische, kompromisslose Wortwahl und auch die nicht unbedingt die Düsternis, sondern die kunstvolle Vermengung verschiedenster Stile.

Davon gibt es auf „Compton“ eine Menge und Dre schafft es auf beeindruckende Weise, sie zu einem überaus lebendigen, regelrecht pulsierenden Ganzen zu formen, kantig, nervös, überdreht und voller Überraschungen. Wo auf ganz frühen Alben die dumpf pochende Straightness Attitüde und Klangbild bestimmte und furchteinflößendes Wummern Ehrensache war, überzeugt die heutige Rapgeneration mit einer inspirierten Mixtur aus Psychrock, Knochenblues, Dub, Metall-Riffs, werden sanfte Pianoklimpereien und opulente Chöre mit dronigen Synths gekreuzt. Hier steht deshalb fetter Soul („It’s All On Me“) neben trickreich geloopten Soundpatterns („Genocide“), trifft Doom („Deep Water“) auf die ganz breite Filmscore-Palette („One Shot One Kill“).

Überhaupt – die Gäste: Snoop Dog macht es nicht unter dem best track of all und selbst Dre-Zögling Eminem steht ihm mit seinen scharf geschliffenen Stakkato-Rhymes in nichts nach. Dazu noch Lamar selbst, Marsha Ambrosius, Anderson Paak, King Mez und viele mehr, Schüler, Wegbegleiter, Kollegen, Buddies, ein vielstimmiger Chor der Enttäuschung, der Anklage und des Zorns an und auf die Unbelehrbarkeit der Exekutive und Justiz. So wie die dazugehörige Doku „Straight Outta Compton“ gerade in den Kinos, so schließt auch dieses Album von Dr. Dre einen historischen Kreis, weckt Erinnerungen, zieht Schlüsse, schafft Bezüge und macht auch Mut für die, die ihn gerade ganz gut brauchen können. In der Überfülle, dem „Was geht!?“ im Subtext von „Compton“ schwingt also – wer will es ihm verdenken – auch eine kräftige Portion Stolz mit. https://www.drdre.com/

Freitag, 21. August 2015

Chk Chk Chk: Fernabfrage

Die ersten Hörproben waren ja schon ein wirklicher Leckerbissen, nun schieben Chk Chk Chk für einen Teil davon ein Video hinterher: "Freedom '15" stammt vom sehnlichst erwarteten neuen Album "As If", das am 16. Oktober bei Warp Records erscheint, im Clip gesellen sich zum Sänger und Bandgründer Nic Offer noch die beiden reizenden Damen Yolanda Harris Dancy und Taletha Manor für einen Skype-Chat. Auf der Liste der Tourtermine, welche gerade bekannt gegeben wurden, fehlt Deutschland zwar, aber was nicht ist, kann oder muss schließlich noch werden.

Viola Beach: Stadt, Land, Fluß

Es macht immer wieder Spaß, sich im Zuge der Recherche einen Ort von der Landkarte zu picken und ein klein wenig nachzulesen, ob er denn eine Pointe hergeben könnte. Im Falle der Herkunft des britischen Indierock-Quartetts Viola Beach ist das tatsächlich der Fall - die Jungs nämlich kommen aus dem mittelgroßen Städtchen Warrington. Dort wurde nicht nur Ian Brown, legendärer Sänger der Stone Roses, geboren, sondern verübte die IRA ein Attentat, bei dem ein drei- und ein zwölfjähriger Junge ums Leben kamen. Darüber wiederum gibt es ein Lied mit dem Titel "Zombie" und das stammt von der Band The Cranberries - wer jetzt immer noch überlegen muss, dem ist wohl nicht zu helfen. Viola Beach jedenfalls hört man sehr genau an, woher sie kommen und das ist in diesem Falle ein klarer Standortvorteil - "Swings And Waterslides" ist ihre Debütsingle.

Wanda: Wiederholte Kontaktaufnahme

Was zum Liebhaben für's Wochenende - natürlich ein Video von Wanda: "Bussi" heißt das neue Album und "Bussi Baby" die erste Single, hier nun der dazugehörige Clip. Ansonsten: Leider warten bis Anfang Oktober...

Donnerstag, 20. August 2015

Frittenbude: In Tagen wie diesen

Frittenbude
„Küken des Orion“
(Audiolith)

Irgendwo war neulich ein recht kluger Artikel zu lesen, in dem der Menschheit, hier im speziellen der westeuropäischen, zum besseren Wohlbefinden dringend angeraten wurde, endlich den Schwierigkeitsgrad der gesellschaftlichen Gesamtgemengelage als dauerhaften Zustand zu akzeptieren und nicht ständig über Gewesenes zu lamentieren. Das bewahre einen, so der Autor, vor rosabebrillter Glorifizierung der Vergangenheit und mache die Menschen letztendlich freier und auch glücklicher. Allein – wie das anstellen? Auch Martin Steer, Johannes Rögner und Jakob Häglsperger mühen sich seit Jahren auf ihren Alben mit Erklärungen, Deutungen, Empfehlungen und dem Versuch, der allgemeinen Verunsicherung eine Orientierung oder doch wenigstens eine Heimat zu geben (und das Schöne daran wieder ist, dass diese man diese Heimat herrlich gut tanzen kann). Öffentlich um kein klares Statement, keine Ansage verlegen, tun sie sich in ihren Song mit all den Sinnbildern und Metaphern deutlich schwerer – der Leitfaden für die Unentschlossenen ist selbst ein unentschlossener.

Daran ändert sich auch auf dem vierten Album nicht viel. Zu bratzigen Synths und klopfenden Drums gibt’s zunächst einmal mehr die klassische Rave-Sause, es pumpt und böllert gerade im ersten Drittel ganz ordentlich, Rögners nicht eben sehr wandlungsfähige Stimme treibt die Stücke Takt um Takt, die Küken marschieren, die Helden zersplittern, alles ein Schlachtfeld, viel bleibt nicht übrig. Drumherum – Ratlosigkeit, vage Versuche, das Unfassbare in Worte zu zwingen, die Welt im Zerrspiegel, nichts wie es aussieht, das alltägliche mediale Bildergewitter übersetzt in sich überschlagende Satzfetzen und im Hintergrund raunt Dirk von Lowtzow seine Verse (was einem ganz gut zu Passe kommt, weil da endlich mal einer Luft holt und etwas Drehzahl rausnimmt). Zitate zuhauf, Sterne, Helden und Ärzte, wo sie selbst nicht weiterkommen.

Freilich auch Höhepunkte: Das Liebes- und Trostlied „Pádme“ ist ganz großes Gefühl, wo einem ganz schummerig wird, gerade weil selbst die einfachsten Weisheiten nicht immer trösten können und man plötzlich ganz blank dasteht: „Es ist einfach so und es ist wie es ist und wie es ist, ist es richtig.“ Und natürlich „Die Möglichkeit eines Lamas“ – Küchenbuddhismus vielleicht, aber schön gedacht und gesungen, das wippt und hüpft und muss gar nicht mehr. Und wenn einem „The Striz“ etwas zu simpel und unbeholfen, hölzern daherkommt, macht „Rave ist kein Hobby“ wieder eine gute Figur, da wird nicht groß geredet, da macht der Beat die Musik – auch wenn andere „Ferris“ haben, müssen sich die Fritten nicht verstecken. Wollte man ein Fazit ziehen, so ist das beileibe keine schlechte Platte, nach Nachtigall, Katze und Delphin bleibt das Küken aber tatsächlich eines und ein Stück weit hinter den Erwartungen zurück. Sie sollten es mal wieder mit größeren Tieren probieren … http://schandenschmuck.de/

Banoffee: Gehaltvoll

Zugegeben, es ist gar nicht so einfach, im täglichen Wust an Neuveröffentlichungen den Überblick zu behalten, aber wir wollen mal nicht klagen, schließlich ist ja genau das der Deal - Orientierung zu geben, wo's andere nicht schaffen. So darf man zum Beispiel Martha Brown alias Banoffee (Yep, wie Banoffee Pie ...) gern mal auf dem Radar behalten, denn ihre Musik klingt so entspannt und poppig wie geheimnisvoll und zart, eine nicht eben häufige Kombination. Hier schon mal der House-Trip "With Her", zur bald erscheinenden EP gehören im übrigen auch die älteren Stücke "Ninja" und "Reign Down".

Diet Cig: Bitte wenden!

Ordentliches Gerocke kommt heute mal aus New York und zwar vom Duo Diet Cig. Alex Luciano und Noah Bowman haben etwas früher im Jahr schon ihre Debüt-EP "Over Easy" abgeliefert und vor ein paar Wochen noch die ebenso hübsche Single "Sleep Talk" - am 18. September soll nun via Father/Daughter Records die komplette Double-A-7" erscheinen und dazu gehört nun mal auch die andere Seite "Dinner Date" - bittesehr.

Barotti vs. Gomma: Versprechen

Diejenigen, die den Mann für nicht weniger als die letzte verbliebene Lebensversicherung der Hauptstadt halten, werden es ohnehin schon wissen, alle anderen dürfen sich trotzdem freuen: Marco Barotti, schillernder Dandy und Ausnahmeerscheinung der Kunstszene, wird am 20. November bei Gomma Records sein neues Album "Rising" veröffentlichen, welches er gemeinsam mit Freunden während eines Marokko-Trips aufgenommen und später in Berlin zum Ende gebracht hat. Die ersten vier kurzen Hörproben sind schon mal ein großes Versprechen, das zweifellos im Herbst mehr als eingelöst wird.

Mittwoch, 19. August 2015

Expert Alternations: Kleinkunst

Ein schönes Stück gutgelaunter Schrammelkunst findet sich gerade bei Kanine Records: Dort nämlich werden die Expert Alternations, ein Indie-Trio aus Baltimore, am 30. Oktober ihr Debüt "You Can't Always Be Liked" (wie wahr) veröffentlichen - zwölf kleine, feine Gitarrensongs, gesungen mit einer Stimme, die immer einen Halbton daneben zu liegen scheint, einen ersten Vorgeschmack gibt hier schon mal die Single "The Past And You".

A Forest: Nachfolger

Mit Sicherheit eines der interessanteren Bandprojekte: A Forest, dreiköpfiges Kreativkollektiv aus Leipzig bzw. Berlin, bestehend aus Arpen, Fabian Schuetze und Friedemann Pruss, war im vergangenen Jahr mit dem Debüt "Grace" schon länger im Gespräch, nun legen sie mit der EP "5 Fruits/The Kings Speech" nach. Die 12" enthält neben den beiden genannten Songs noch zwei Remixe von Klinke auf Cinch und Tilmann Jarmer. Bestellen und anhören kann man sich das Ganze via Bandcamp oder auch live auf einer ausgedehnten Tour quer durch die Lande - hier gibt's noch dazu den Video zu "5 Fruits", gedreht von Tobias Schuetze.

02.10.  Rostock, Peter Weiss Haus
07.10.  Dresden, Scheune
09.10.  Leipzig, Täubchenthal
10.10.  Görlitz, Kühlhaus
15.10.  Augsburg, Bedroomdisco
16.10.  Chemnitz, Atomino
17.10.  Hildesheim, Bischofsmühle
21.10.  Dortmund, Sissikingkong
22.10.  Göttingen, Nörgelbuff
23.10.  Hamburg, Kleiner Donner
25.10.  Berlin, Badehaus Szimpla

RITUAL: Im Schwitzkasten

Dem traumhaften Song folgt nun also auch ein Video: "Josephine" von Ritual, dem Londoner Trio, kann einen emotional schon ganz schön in den Schwitzkasten nehmen, hier nun der aktuelle Clip, Regie bei dem puristischen Werk führte Matt Watkins.

Royal Headache: Symbolismus vs. Rock'n Roll

Royal Headache
„High“

(What’s Your Rupture?)

Es war so schnell keine Auskunft darüber zu bekommen, ob Royal Headache ausgewiesene Fans von Bernd und Hilla Becher sind. Das deutsche Künstlerpaar hat sich über Jahrzehnte einen Namen gemacht, indem es alte Industrieanlagen, Tagebaue und vor allem unzählige Wassertürme in schlichtem Schwarz/Weiß fotografierte – die Parallele: Auch die beiden LP der Australier zieren solche beeindruckenden Ungetüme. Vielleicht sind aber die Bezüge nicht ganz so verschieden, denn diese Kolosse aus Stahl und Beton versinnbildlichen wie wenige andere Industriebauten eine Zeit, in der Produktion, Arbeit, Werkstatt noch mit den Händen zu greifen waren, während wir heute über Computerwolken, Datenportale und virtuelle Banken reden – die Probleme, die diese in der Gesellschaft hinterlassen, sind allerdings die selben wie vor den Zeiten des Umbruchs. “I’ve been in there and it’s really beautiful. It’s a weird tranquil glade around this ugly industrial structure. It seems to symbolise something about inner-west life“, so Sänger Shogun im Guardian über das Covermotiv, aus diesem Humus schöpft also auch die Band. Das Quartett spielt auf dem zweiten Album immer noch einen erfrischend unkomplizierten Garagesound zwischen dem Punk von The Clash, der Melodik der Kinks und dem Geschrammel der britischen Wedding Present, sie machen es sich nicht schwerer als nötig und legen dennoch jede Menge Herzblut in ihre Songs. Grob verschränkte Gitarrenbretter, selten hardrockig wie „Carolina“, eher alternativ und schnell, „Need You“ klingt wie die Beatles auf 45rpm und später gibt’s mit „Love Her If I Tried“ auch noch einen hübschen Textbezug zu den Monkeys und ihrem „Believer“. Alles zusammen eine sehr gelungene Platte – really rockin‘ stuff. http://royalheadache.com.au/

Figs Vision: Zeitschlaufen

Ein geradezu episches Werk hat das Artpop-Duo Figs Vision aus L.A. zu einem älteren Stück nachgelegt: Der Song "Little Man" stammt vom 2014 erschienenen Album "Mother", nun gibt es zu diesem auch ein Video, in dem sich die Zeit etwas verschlauft und man schon aufpassen muss, um den Anschluss nicht zu verlieren. Gedreht hat das Team von UNA Project zusammen mit Jake Saner, wer das komplette Album hören will, kann das hier auch gleich noch nachholen.



BOY: Schönheit auf Repeat

Boy
„We Were Here“

(Groenland Records)

Dass wahre Schönheit tatsächlich nur im Auge des Betrachters resp. Ohr des Zuhörers liegen soll, das mag man angesichts des neuen Albums von BOY nicht recht glauben. Irgendwo muss sich doch eine universelle, objektive Komponente unterbringen lassen, die besagt, dass in Ausnahmefällen zum einen schon die Schöpfer auserlesener Momente spüren, was sie da im besten Sinne angerichtet haben und dass weiterhin in sehr seltenen Fällen nichts und niemand den Zauber jener Momente in Zweifel ziehen kann und darf. Valeska Steiner und Sonja Glass, das schweizerisch-hanseatische Joint-Venture, von dem hier die Rede ist, verfügen ja über eine gewisse Übung, was solche Prädikate angeht – schon vor vier Jahren war es kaum möglich, den zarten und geschmeidigen Tönen ihres Debüts „Mutual Friends“ zu entkommen, keine Kaffee-Lounge, keine Nachtbar, nicht mal ein Spa, niemand konnte und wollte ohne diese fabelhafte Platte auskommen. Dass das mit dem neuen, zweiten Album nicht viel anders sein wird, haben die beiden schon früh ahnen können – „schön“ sei die Zeit des Tourens, vor allem nach Amerika und Japan, gewesen, „schön“ auch der lange Aufenthalt im Studio, „schön“ sogar der Kontakt mit dem Labelboß Grönemeyer, der ihnen jeglichen Erfolgsdruck nehmen konnte.

Kein Wunder also, dass sich daraus wiederum nur „Schönes“ entwickeln konnte. Doch wer „schön“ mit „unverändert“ gleichsetzt, der fehlt, denn BOY haben sehr wohl einige Schrauben gedreht auf dem Weg zum stets so schwierigen Nachfolger. „We Were Here“ erscheint im Vergleich zu „Mutual Friends“ voller und vielschichtiger, anstelle der reduzierten, oft akustischen Klänge treten nun facettenreiche Synthesizer-Spuren, raumgreifende, schillernde Gitarren – ihre größten Pfunde wiederum, die ausgefeilten Melodien und Steiners sanfte Stimme, haben sie sich bewahrt. Nicht mehr als neun Titel sind es denn geworden, diese dafür aber allesamt von bestechender Qualität. Das Reisen nimmt naturgemäß im Leben einer Band großen Platz ein, warum das also nicht zum Hauptthema der Platte machen. Hotels, Mega-Cities, Schlaflosigkeit – „checking in and checking out, nothing to write home about“, die Licht- und die Schattenseiten des steilen Aufstiegs angerissen. Wenig Kontroverses, dafür viel Gefühl und sparsam dosierte Ironie, „I’ll cry rivers and oceans, before I’ll get over it“, man hört einen neuen, lakonischen Unterton und er gefällt. Ein schlechtes Gewissen muß man ob des Wohlgefühls jedenfalls nicht bekommen, nach einer guten halben Stunde ist es ohnehin schon wieder vorbei – ab dann hilft nur noch die „Repeat“-Taste. http://www.listentoboy.com/

Dienstag, 18. August 2015

Peaches feat. Kim Gordon: Knochenbrecher

Die Paarung hat jetzt nicht wirklich überrascht, gab es doch zwischen Peaches und Kim Gordon in der Vergangenheit schon reichlich Berührungspunkte - Gender, Role-Models, Riot Grrrls, New Feminism oder einfach nur die Vorliebe für Punk, Noise und den Clash of Styles. Nun also die Kollaboration für Peaches' neues Album "Rub", das am 25. September erscheinen wird - für "Close Up" schlüpft Gordon in die Rolle der gelangweilten Wrestling-Trainerin und Peaches mimt die reichlich unerfahrene Schülerin. Alles etwas hölzern und bemüht, dafür gibt es reichlich Körperflüssigkeiten und der Song pumpt ohnehin ganz ordentlich. Regie führte im Übrigen Vice Cooler, selbst Musiker und Performer, der schon für Deerhoof, Lee Ranaldo, Male Bonding und Mastodon hinter der Kamera stand - für Peaches hat er schon "Burst" verantwortet.

Deafheaven: Wassermusik

Deutlich spannender: Die neue und erste Single von Deafheaven zum Album "New Bermuda" - ganze achteinhalb Minuten feinster, markerschütterndernder Gitarrenlärm, was kann es Schöneres geben (Einspruch abgelehnt!) - voilá: "Brought To The Water".

New Order: Once upon a time

Nun gibt es also die neue Single von New Order auch in bewegten Bildern: Zu sehen ist im Clip zu  "Restless" eine zeitgemäße Version der Legende um Excalibur, das sagenumwobene Schwert des König Artus, gedreht hat das Team von NYSU, dei schon für die Wild Beasts, Philip Selway (Radiohead) und VCMG (Martin Gore/Vince Clarke) aktiv waren. "Music Complete", das dazugehörige Album, wird wie angekündigt am 25. September bei Mute Records erscheinen.

SCRNS: Dreimal fein

Wir beginnen den Tag spät, aber um so schöner: Max Petrek alias SCRNS ist Produzent in bzw. aus Minneapolis und hat gerade seine neue EP "Lavender" fertig. Zu dieser gehören drei feine Electro-Arbeiten mit Namen "Lavender", "Peach" und "Sticky", raus geht das Ganze via Cascine Records und als Stream natürlich gleich hier vor Ort.

Montag, 17. August 2015

Deerhunter: Schlangenbiss

Na das will doch sicher niemand verpassen: Deerhunter, Indiehelden um Bradford Cox, können am 16. Oktober via 4AD mit einem neuen Album aufwarten. "Fading Frontier" wird der Nachfolger von "Monomania" heißen und neben ein paar Liveterminen gibt es mit "Snakebite" auch schon mal einen ordentlichen Schluck aus der Pulle samt Video und das passende Cover von John Divola.

14.11.  Genf, L'usine
15.11.  Zürich, Rote Fabrik
16.11.  Heidelberg, Kulturhaus Karlstorbahnhof
18.11.  Berlin, Lido


The Chemical Brothers: Mad Max reloaded

Nicht ganz so kuschelig wie die Chvrches präsentieren sich - soundgemäß - The Chemical Brothers: Im Streifen zur Single "Sometimes I Feel So Deserted" geht es, wie sollte es anders sein, ziemlich endzeitmäßig zu Sache, Treibstoff spielt eine nicht ganz unwesentliche Rolle und auch wenn der Film da aufhört, wo es am spannendsten ist, lohnt sich der Mad-Max-Ausflug allemal. Regie führte Ninian Doff, der Track stammt vom gerade erschienenen Album "Born In The Echoes".

Chvrches: Unfreiwillige Paten

Bis zum Beweis des Gegenteils müssen wir erst einmal von einem "Dumme-Jungen-Streich" ausgehen: In den Credits zum neuen Video der Chvrches bei Vevo sind mit Nick Cave und Warren Ellis für die Regie zwei so prominente wie unwahrscheinliche Namen eingetragen. Man traut den beiden streitbaren Grindermännern ja so einiges zu, aber diesen Streifen?! Nun, jedenfalls ist der Film in den Farben der Saison der Band, also Rosa/Blau gehalten, der Sound ist so fein wie eh und je ...

Sonntag, 16. August 2015

Rammstein: Triumph bei Micky Maus

Keine andere Nation ist so begeisterungsfähig, wenn es um die vordergründig teutonische Kravallmusik von Rammstein geht wie die Vereinigten Staaten - man muss sich nur die Konzertmitschnitte ihrer Tourneen anschauen um zu ermessen, wie enthusiastisch dieses (in diesem Falle vornehmlich weiße Volk) dem größten deutschen Rockexport dort textsicher und frenetisch zujubelt. Ob der (unsereinem geläufige) Hintersinn der Songs ebenso verstanden wird, ist zunächst einmal Nebensache. Nun jedenfalls zollen Till Lindemann und Kollegen der Verehrung erneuten Tribut und veröffentlichen eine weitere Livedokumentation, bestehend aus drei Filmen: "Live From Madison Square Garden" als Konzertmitschnitt, den Directors Cut von "Rammstein in Amerika" und das 'Making Of' des Albums "Liebe ist für alle da". Erscheinen soll die DVD am 25. September - nachfolgend das entsprechende Material zu Einstimmung.





Metric: Heilsamer Umgang

Nur um Missverständnissen vorzubeugen: Hier, also in der aktuellen Single "The Shade", ist keine Rede davon, dass Emily Haines nicht genug von allem bekommen kann. Die Frontfrau der Indie-Popper Metric ist vielmehr der Meinung, dass man die Augen vor täglichen Flut an Bildern und Klängen nicht verschließen sollte, sondern ein offensiver Umgang damit ganz heilsam sein kann: "Pictures, videos and graphics permeate our consciousness all hours of the day ... Humanity and nature caught in patterns and loops of beauty, destruction, and decay. When I say, 'I want it all,' this is what I'm talking about. Look at the world around you. Don't shy away from what you see, even if it's ugly. Own up to yourself and be prepared to be thrown your share of shade." Das Album "Pagans In Vegas" kommt immer noch am 18. September.


Samstag, 15. August 2015

You Are Number Six: Sommerschlußverlauf

Als Spielverderber entpuppt sich gerade Théo Lefebvre aka. You Are Number Six: Der junge Mann aus Montpellier, der kürzlich erst seine EP "Lensflares" veröffentlicht hat, will offenbar das Ende des Sommers einleuten und taufte deshalb seinen neuesten Track gleich "Summer Ends". Quatsch natürlich, Lefebvre möchte die Synthakkorde selbstredend als Aufruf verstanden wissen, die nächsten Wochen ausgiebig zu genießen, bevor der triste Herbst dem warmen Treiben ein Ende macht. Oder so...

Without: Nur keine Häme

Tja, wer hätte gedacht, dass ein Satz wie "Eh, das klingt ja total 90er!" als Belobigung verstanden werden will und, mehr noch, diese Musik auch noch straffrei angehört werden darf. Das Elektronik-Duo Without aus Guernsey von den Britischen Kanalinseln geht mit genau diesem Slogan hausieren und nennt dazu Paul Simon und R. Kelly als Inspirationen. Was vor Jahren also noch Grund zur strikten Ignoranz war, hat sich heute zum Qualitätshinweis gewandelt - die EP "Cheap Touch", die gerade bei Steve Aokis Dance Label Dim Mak erschienen ist, atmet so verdammt viel Sommerfrische, dass gewiss niemand traurig oder sauer sein muss.

Freitag, 14. August 2015

Familienalbum # 12: Widowspeak

Zugegeben, dem Cover von Widowspeak können die meisten der folgenden nicht das Wasser reichen, aber nach Durchsicht des Materials zum neuesten Familienalbum haben wir auch gelernt: Pferde haben es nicht leicht beim Hüllendesign. Denn wenn sie den Betrachter schon nicht von Motorhauben, Bettwäschen, verunglückten Tattoos oder Wendy-Heftchen anstarren, dann landen sie in der Regel weichgezeichnet auf mäßig gestalteten Platten. Ausnahmen? Hier. Bewusst auf Fotokunst beschränkt, haben folgende Bands oder Künstler für ihre Alben etwas mehr als das Übliche gewählt, wie immer von oben nach unten und von links nach rechts. Und - ja, der Song von Widowspeak ist aktuell und kann sich ebenfalls hören lassen.

Widowspeak "All Yours", White Horse "Timmy With Teeth", Creepoid "Horse Heaven", Brother Dege "How To Kill A Horse", Trvth "Black Horse Plague", Trent Dabbs "The Way We Look At Horses", Katy Perry "Dark Horse", The Outsiders "Need To Breathe", GusGus "Arabian Horse" (2x), Chadwick Stokes "The Horse Comanche", Cassetteboy "Dead Horse", Bonaparte "My Horse Likes You"

G.Rag und die Landlergschwister: Raub mit Schwung

Andere ermatten im Sonnenschein und suhlen ihre schwitzenden Körper in der Hitze - nicht so die Damen und Herren von Gutfeeling Records: Dort nämlich ist man mehr als umtriebig und kündigt für die nächsten Wochen Großes an. Für den 18. September nämlich ist die nächste gemeinsame Platte von G.Rag und den Landlergschwistern geplant und die heißt, nächste Provokation für alle Durchhänger, "Schwung" - von selbiger gibt es nachfolgend schon mal den hübschen Brass "Joshua". Doch damit nicht genug - am 4. September wiederum veröffentlicht das Label, einer guter Tradition folgend, wieder eine 7" mit zwei Coverversionen (Erinnerung: Kraftwerk/Model), diesmal gibt es "Der Räuber und der Prinz" von D.A.F. (bislang nur live zu sehen) und den Rocksteady-Klassiker "Liquidator" - das in Zusammenarbeit mit Schamonimusik und in edlem Siebdruck-Cover.

FKA twigs: Hysteria

Immer wieder ein Ereignis: FKA twigs hat mit der Ankündigung, bald käme via Young Turks eine neue EP, erneut für hysterische Umtriebigkeit gesorgt. "M3LL155X", so der Name, wird ganze fünf neue Stücke enthalten, das Cover des Kurzformats ist allein schon ein Hingucker, viel mehr aber noch das 16-minütige Video zum Release, das man sich hier anschauen kann. Bei Vimeo gibt's dann noch das deutlich kürzere Filmchen des Tracks "Glass And Patron", ansonsten addieren wir noch "Figure 8", "I'm Your Doll", "In Time" und "Mothercreep".


Donnerstag, 13. August 2015

HEALTH: Selbsthörend

Hammeralbum, Hammersong - HEALTH haben zu "Stonefist" von "Death Magic" einen Videoclip ins Netz gestellt, gedreht haben ihn Naked Faces - viel mehr gibt es dazu eigentlich nicht zu sagen.

Have You Ever Seen The Jane Fonda Aerobic VHS?

Die Finnen sind, ähnlich wie die Gallier, ein freundliches, aber sehr wunderliches Volk. Wer die Filme von Aki Kaurismäki gesehen hat, der weiß das. Das trifft im Übrigen auch auf das Thema Musik zu, obwohl wir hier mal nicht über die Leningrad Cowboys sprechen wollen und auch nicht von der Menge an furchterregenden Doom-, Trash-, Black- und Speed-Metal-Bands, die in diesem Land ihren natürlichen Lebensraum gefunden zu haben scheinen. Reden wir lieber über witzige Namen, also: Le Corps Mince de Françoise, Faenimal Arm, Eläkeläiset, Freud Marx Engels And Jung, The Jasser Arafats (also doch Metal), Kuolemanlaakso und natürlich Kuunkuiskaajat. Noch nicht lustig genug? Dann haben wir noch was ganz Frisches hereinbekommen: Have You Ever Seen the Jane Fonda Aerobic VHS? nennt sich tatsächlich ein Trio aus dem beschaulichen Kouvola, ihre letzte Single hieß "Do The (Shämäläin)" und nun soll im September via VILD Recordings das Album "Teenage Sweetheart" erscheinen. Wir sind gespannt...

Slum Sociable: Für alle Fälle

Weil das Wetter hier keine Anstalten macht, sich zu ändern, braucht es dringend Nachschub in Sachen Poolsound meets Longdrink: Die Musik des australischen Duos Slum Sociable ist wie gemacht für diese Kombi, tricky, laid back und sehr, sehr entspannend. Edward Quinn und Miller Upchurch aus Melbourne hatten erst kürzlich mit "Anyway" ein Achtungszeichen gesetzt, nun kommt "All Night" hinterher - wenn's also am Pool mal wieder etwas länger dauern sollte... Die dazugehörige EP "TQ" erscheint dann am 9. Oktober bei iTunes.



I Dream Of Wires: Kabelträume

Es kommt nicht von ungefähr, dass - wie gerade im Wirtschaftteil der Süddeutschen Zeitung zu lesen war - Dieter Döpfer, Chef der Doepfer Musikelektronik GmbH aus München, darüber klagt, dass seine kleine aber feine Firma mit den Lieferwünschen zu analogen Synthesizern gar nicht mehr nachkommt. Da stehen also Hans Zimmer, Kraftwerk und sogar La Brass Banda Schlange, um sich eines dieser sagenhaften Geräte ins Studio zu holen. Elektronische Klänge boomen also zur Zeit und nicht erst seit EDM, da passt es gut, dass Robert Fantinatto und Jason Amm gleich einen ganzen Film über das Thema gedreht haben. "I Dream Of Wires" kommt mit dem Slogan "Modular Synthesizers Change Everything" daher und läßt eine ganze Reihe von Szenegrößen zu Wort kommen - mit dabei u.a Trent Reznor (Nine Inch Nails), Gary Numan, Vince Clarke, Chris Carter (Throbbing Gristle), Daniel Miller, Carl Craig, Flood, Cevin Key (Skinny Puppy) und Factory Floor. Laufen wird die Dokumentation zunächst bei Netflix, ein erster Trailer steht schon bei Vimeo bereit.

Ryan Adams vs. Taylor Swift: Seine Version

Zu Taylor Swift oder auch Ryan Adams darf man durchaus geteilter Meinung sein - der eine hält sie für eine opportunistische Dumpfbacke und ihn für ein Genie, für andere wiederum ist sie ein durchaus begabtes Popidol und er ein maßloser und kapriziöser Aufschneider. So what!? Dass Adams allerdings gerade mit viel Tammtamm eine komplette Neueinspielung des Erfolgsalbums "1989" des All American Sweathearts vorbereitet, muss man uneingeschränkt begrüßen - solche Feldversuche (siehe The Flaming Lips vs. Miley Cyrus) sind allemal spannender als das bloße Weiterso. Ein Cover zum Cover gibt es (oben) seit heute auch schon und auf Adams' Twitter-Account kann man sich zu einigen Songs schon die ersten Soundschnipsel anhören - grandios! Noch grandioser wäre, wenn Frau Swift mit ihrer Version von "Gold" oder "Heartbreaker" kontern würde ...


Mittwoch, 12. August 2015

Quentin Tarantino vs. Ennio Morricone: Erste Bilder

Okay, wer wollte behaupten, dass das nichts mit Musik zu tun hätte? Hallo - immerhin hat Sir Ennio Morricone den Soundtrack zum neuen Tarantino komplett allein bewerkstelligt und das ist wohl Grund genug, den ersten Trailer von "The Hateful Eight" auch hier zu präsentieren. Mit dabei Kurt Russell, Tim Roth, Samuel L. Jackson, Jennifer Jason Leigh und und und. Wen darüberhinaus das genaue Storyboard interessiert, der darf hier weiterstudieren.

Chvrches: Endlosschleife

"Never Ending Circles" ist gewiß nicht doppeldeutig gemeint, der Umstand, dass der neue Song der Chvrches wie ein alter klingt, erscheint vor diesem Hintergrund allerdings ein klein wenig spaßig. Egal, Song Nummer zwei vom neuen Album "Every Open Eye" (VÖ 25.09.) der Glasgower Synthpopper macht soeben die Runde und klingt trotz aller Rückverweise keineswegs schlecht.