Mas Ysa
„Seraph“
(Downtown)
Eine der spannendsten, weil wandlungsfähigsten Elektronikplatten kommt in diesem Jahr von einem Kanadier. Die Nationalität allerdings ist bei Thomas Arsenault alias Mas Ysa wohl nur noch auf dem Papier verzeichnet – in Montreal geboren, wuchs der Mann in Sao Paulo auf und studierte in Ohio Moderne Komposition, bevor es ihn in den New Yorker Stadtteil Brooklyn verschlug, wo er seine musikalische Sozialisation erlebte. Gerade mal dreißig Jahre alt, hat Arsenault schon mit Künstlern wie EMA, Deehunter, Dolorean und Purity Ring zusammengearbeitet – nun endlich erscheint sein Debüt. An diesem erstaunt neben Reife und Professionalität vor allem sein Facettenreichtum, sein Projekt auf einen bestimmten Stil festzulegen ist deshalb nur schwer möglich. Erinnern Sound und Performance von Mas Ysa in den leisen und zarten Momenten an Hochkaräter wie James Blake, Tom Krell’s How To Dress Well, SOHN oder zuweilen sogar Antony Hegarty, gehen seine Stücke doch weit über den zeitgemäßen, kammermusikalischen RnB hinaus. So gibt es dunkel stampfende Wave-Beats („Seraph“), analoge Synthloops an der Grenze zu EDM/EBM und überhaupt viel(fältige) Percussions („Running“).
Arsenaults Stimme wirkt dabei keineswegs kühl oder unnahbar, es scheint, als ob er sie bewusst in Grenzbereiche führen will, wo die Leidenschaft sie auch mal schrill klingen lässt oder sich gar überschlägt. An anderer Stelle wiederum kommt sie so samtweich daher, dass man sich über die spanischen Gitarrenakkorde, Saxophon- und Panflöteneinlagen, die sich dazugesellen, gar nicht groß wundert. Es stört ja auch gar nicht, es passt einfach dazu. Ebenso die Unterstützung durch Nicole Miglis von Hundred Waters, die zwei Songs („Gun“/„I Have Some“) mit eingesungen hat, beides schillernde Pop-Perlen der Extraklasse. Diese Lust am Ausprobieren und Verschränken verschiedener, gern auch mal gegensätzlicher Stile teilt Arsenault vielleicht am Ehesten mit Anthony Gonzalez aka. M83, auch wenn dieser den Süßstoffgehalt seiner Werke manchmal etwas zu großzügig bemisst.
Am kräftigsten diskutiert wurde im Übrigen der Track „Suffer“, eine vergleichsweise harsche Abrechnung mit all seinen Verflossenen („all my long-lost girlfriends should suffer”), die er in die Worte fasst: "I don't want another one, I don't wanna learn nobody's touch. She won't want to drink this much, fuck her.“ Textzeilen, die wenig Spielraum für Interpretationen zulassen, die Arsenault aber wie folgt relativiert: “I’m not proud of the person in that song, but the lyrics come from me, so it’s a version of me, but it’s angry and hateful and jealous and drunk. … It’s not a nice sentiment to say, and I don’t aspire to feel that way. I just wanted to preserve the drama, so I could move on.” Auch das also – neben der gefühlvollen Ode an seine eigene Mutter (“Margarita”, Update: Video) – eine Seite, die überrascht, dazu angetan, Widersprüchlichkeiten und Angriffspunkte zu pflegen und das künstlerische Profil zu schärfen. Und allemal reizvoller als die mittlerweile zu einer Art Dauerbalz verkommene, konturenarme Endlosschleife von The Weeknd. http://www.masysa.com/
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