Kelis
„Food“
(Ninja Tune)
Die Frage, ob solch eine Komplettumkehr wirklich zu erwarten war, lässt sich mit einem klaren ‚Jein‘ beantworten, oder vielleicht mit der Feststellung: Wenn überhaupt, dann am ehesten von ihr. Kelis Rodgers liebt die Herausforderung, den Widerspruch – schon ihre beiden ersten Singles „Caught Out There“ und „Good Stuff“ – das wütende Gebell „I hate you so much right now!“ gegen den smoothen Rollerscater-Pop – hätten gegensätzlicher kaum ausfallen können. Und nachdem sie mit ihrem letzten Album „Flesh Tone“ dem gänzlich glattproduzierten Diskotrash gefährlich nahe kam, hat sie sich nun eine ordentliche Bigband geschnappt und macht nun – ja: Vintage-Soul, so retro wie’s nur irgendwie geht. Dass das Ganze nicht aufgesetzt klingt, dafür sorgt schon ihre eigentümliche Stimme – man hatte fast schon vergessen, was für einen brüchigen, erdigen Klang sie hat, die erstenTakte von „Breaktfast“ rufen einem all das schnell wieder in Erinnerung.
Nun also „Food“. Schon auf „Tasty“, ihrem letzten Megaseller, ging’s ja schon im weitesten Sinne um das leibliche Wohl, allerdings standen dort Ice Tea und Milk Shake für eine betont lustvolle Komponente. Hier nun, so hört man, solle es um die menschenverbindende Wirkung von Essen im Allgemeinen gehen, um Zusammenhalt, Besinnung auf Ursprüngliches, Archaisches. Und tatsächlich klingen einige Songs der Platte nach dem uramerikanischen Großfamilienereignis, dem Barbecue und man hat schnell ein paar passende Bilder zu den satten Bläsersets, dem klassischen 70er-Soul auf dem Schirm. Den gibt es mal zu flirrenden Bongobeats und „Shake what your mama gave ya“ bei „Jerk Ribs“ und „Cobbler“, mal mit funkigem Backround („Hooch“) und später mit viel, viel Drama („Runnin‘“) und Klassenbewußtsein („Dreamer“).
Doch nirgendwo, nicht beim gefühlingen Cover von Labi Siffre’s „Bless The Telephone“ und auch nicht mit den fast branchentypischen Morricone-Zitaten („Change“), brilliert Kelis so sehr wie bei „Friday Fish Fry“, einem Blues-Rock-Stomper der Extraklasse – die Stimme am Anschlag, nahe bei Janis Joplin, musicalhafter Männerchor und knarzender Gitarrentwang, die Band jamt sich zur Höchstform und lädt zur Zeitreise. Keine Frage, für Kelis war „Do the Unexpected“ die weitaus bessere Entscheidung als ein bequemes „Weiter so“ und ganz offensichtlich hat sich die Partnerschaft mit dem ausgefuchsten Klangmagier David Sitek bestmöglich ausgezahlt. Natürlich wünscht man sich dieses Programm nun eher für die kleinen, verschwitzten Nachtclubs dieser Welt, wenn das nicht zu haben ist – vielleicht reicht es ja auch, die Platte mal beim nächsten Freiluftgrillen auszupacken, wäre doch mal einen Versuch wert, oder!? http://www.iamkelis.com/
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