Donnerstag, 10. April 2014

Jan Delay: An Rande der Egalität

Jan Delay
„Hammer und Michel“

(Universal)

Was denn, was denn? Nicht so weit her mit dem hiesigen Humorverständnis? Jan Delay, eigentlich als Rap-Pionier, B-Boy und Soulman eingeplant, hat plötzlich erklärt, all das „flasht nicht mehr“, er wolle zukünftig in Rock machen und zwar so richtig. Lederjacke auf’s Cover, alberner Titel dazu, kurz mal reingezappt – das Urteil des königlich feuilletonistischen Plattengerichts ließ nicht lange auf sich warten: Er kann es nicht! Dabei scheint irgendwie verloren gegangen, dass der letzte, der die Proklamationen des Herrn Eisfeldt ernst nimmt der Herr Eisfeldt selber ist. Im rosafarbenen Anzug für’s Promofoto nach Wacken – der Herr winkt nicht mit dem Zaunspfahl, sondern mit der Pommesgabel und platziert den Mittelfinger schon mal vorausschauend auf dem eigenen Album – „Nehm ‘nen großen Schluck Volvic und geb‘ Euch ‘nen kompletten Vollfick!“.

Man muss sich nicht mal anstrengen um zu merken, dass der Versuch in Sachen Rock spaßbedingt nur einer von vielen ist, denn natürlich hat er den Soul und den Funk behalten, natürlich verschwindet das nicht, nur weil die Disko No. 1 um einen Tourmucker von Opa Udo aufgestockt wurde. Er kann ja gar nicht anders, muss irgendwo hin mit seiner „Liebe“ für alles, da kriegt selbst Uli Hoeneß ein Stück von ab, Hippiescheiße, Stromgitarre, Backround mit Schmackes, funktioniert prächtig. Böser Witz klappt auch noch, zum flotten Beat der „Dicken Kinder“ („Gurke auf dem Burger reicht nicht aus für ‘nen wohlgeformten Körper“) ebenso wie zum schnalzenden Orgelsound von „Sie kann nicht tanzen“. Delay läßt sich halt noch ein paar fette Riffs dazupacken, schmeckt einfach besser.

Er war ja schon immer ein großer und begnadeter Vereinfacher im Dienste des Pop, ohne dabei Stil und Haltung aus dem Blick zu verlieren, wer ihn jetzt trotzdem einen Konsensheini schimpft, der vergisst schnell, dass es zu einem guten Song mit Botschaft auch ein paar Leute braucht, die ihn hören wollen. Und wenn er‘s dann auf seine Weise rüberbringt – was sollte daran falsch sein? Gut, über die Sinnsuche im Schweinerockfetzen der „Scorpions-Ballade“ darf man sicher diskutieren und – klar – gab’s auch schon mal originellere Stücke als „Nicht eingeladen“ oder „Action“.

Aber es bleiben eben auch die hübschen Zeilen vom „Nieselregen-Innenleben“ („Hertz 4“) hängen, wo der einsame Schmetterling im Bauch an Depression zugrunde geht. Oder die ungewohnt grüblerischen Momente im Abspann – „Ein Königreich für Effenbergs Gehirn … Ich brenn das Kino bis auf die Mauern runter und schick die Gedanken raus zum spielen“ („Kopfkino“), die Nähe zu Schnodderschnauze Lindenberg ist hier fast mit den Händen zu greifen. Auf dem Weg zu dessen legendärer, egaler Wurstigkeit ist Delay mit knapp vierzig jedenfalls schon eine große Strecke vorangekommen, ob’s am Ende zu einem eigenen Musical reicht, wird man sehen. Beste Unterhaltung hat aber auch schon diese Platte zu bieten. http://www.jan-delay.de/

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