VCMG „Ssss“ (Mute Records)
Fast noch interessanter als die Platte selbst sind hier eher die Nebengeräusche. Da veröffentlichen zwei der bekanntesten Köpfe des Synthiepops der 80er Jahre, Vince Clarke und Martin Gore, unter dem schlichten Kürzel VCMG ein Technoalbum, das, will man den beiden glauben, ausschließlich unter Zuhilfenahme neuzeitlicher Kommunikationsmittel, also Mailverkehr und Filesharing, geboren, konzipiert und entwickelt worden ist – kein Proberaum, kein nächtelanges Abhängen und Jammen. Clarke, Gründungsmitglied von Depeche Mode und schon nach einem Jahr und einem Album wieder verabschiedet, in der Folge tätig bei Yazoo, The Assembly und seit einiger Zeit maßgeblicher Schöpfer der plüschigen Klänge von Erasure – nach eigener Auskunft in Sachen Techno ein blutiger Anfänger, schickt also seine ersten Ideen an Gore. Anderthalb Wochen später dessen Zusage, an dem Projekt mitzuarbeiten. Gore, seit dem Abgang von Clarke der kreative Genius bei Depeche Mode und wohl auch deren Lebensversicherung, wiederum seit Jahren vertraut mit Techno und all seinen Spielarten („has been in my blood for ages“), gibt dem Ganzen in kürzester Zeit die nötigen Impulse, Entwürfe wandern hin und her, Feinschliff, Labelsegen, ein komplettes Album ohne Sichtkontakt – reife Leistung.
Genaugenommen haben die beiden Herren bis zu ihrer neuerlichen Zusammenarbeit nicht viel mehr als die zehn Stücke des Debütalbums „Speak & Spell“ gemeinsam zu verantworten, ein einziger Instrumentaltitel ist mit „Any Second Now“, der B-Seite zum Dauerbrenner „Just Can’t Get Enough“, aus dieser Zeit überliefert. Danach: Funkstille, man ging getrennte Wege, dauerhafte Jugendfreundschaft Fehlanzeige. Dass dieses Album hier nun trotzdem so klingt, als hätten sich Clarke und Gore über Jahre nicht aus den Augen verloren, spricht zum einen für die unleugbaren Wurzeln und Gemeinsamkeiten der beiden, nicht weniger aber für Professionalität und unprätentiösen Umgangsstil – es passte offenbar, auch nach drei Jahrzehnten, der Topf noch zum Deckel.
Natürlich bleibt „Ssss“ trotzdem ein Nischenprodukt, ein Technoalbum mit knapp sechzig Minuten Laufzeit am Stück zu hören, wird jedermanns Sache nicht werden. Was man bekommt: durchgängig temporeichen Beat ohne Trancegeschwurbel, punktierte Drumsets, synthetische Melodien, die von Meistern ihres Fachs komponiert wurden, vertraut und doch weit entfernt von den jeweiligen Betätigungsfeldern der beiden. Der Verzicht auf jeglichen Gesang, in dieser Sparte durchaus üblich und abgesehen von der winzigen Andeutung verfremdeter Stimmen bei „Skip This Track“ konsequent, wirkt keinesfalls störend und hat auch bei Clarke zu neuer Erkenntnis geführt: „I realised that the way you make the music emotional is not by having a torrid lyric or anything like that, the way you get emotion is by pure sound…“ Streitbar, keine Frage, auf den Sound dieses Albums aber trifft der Satz zweifellos zu.
Hier wirkt alles wie aus einem Guß, die bekannteren Stücke „Spock“, „Single Blip“ und „Bendy Bass“ sind perfekt austarierte Dancetracks, der Einstieg mit „Lowly“ könnte nicht besser gelingen und selbst das faserige „Aftermath“ fügt sich stimmig ins Konzept. Und wenn jemand aus dem einen oder anderen Song Bezüge zu den Frühwerken des Synthiepops erkennen will, so sei ihm dies unbenommen, für das Verständnis des Ganzen ist es unerheblich. Viele Worte also um eine Platte ohne Worte – es geht auch kürzer: Feinkost. http://mute.com/artists/vcmg
Fast noch interessanter als die Platte selbst sind hier eher die Nebengeräusche. Da veröffentlichen zwei der bekanntesten Köpfe des Synthiepops der 80er Jahre, Vince Clarke und Martin Gore, unter dem schlichten Kürzel VCMG ein Technoalbum, das, will man den beiden glauben, ausschließlich unter Zuhilfenahme neuzeitlicher Kommunikationsmittel, also Mailverkehr und Filesharing, geboren, konzipiert und entwickelt worden ist – kein Proberaum, kein nächtelanges Abhängen und Jammen. Clarke, Gründungsmitglied von Depeche Mode und schon nach einem Jahr und einem Album wieder verabschiedet, in der Folge tätig bei Yazoo, The Assembly und seit einiger Zeit maßgeblicher Schöpfer der plüschigen Klänge von Erasure – nach eigener Auskunft in Sachen Techno ein blutiger Anfänger, schickt also seine ersten Ideen an Gore. Anderthalb Wochen später dessen Zusage, an dem Projekt mitzuarbeiten. Gore, seit dem Abgang von Clarke der kreative Genius bei Depeche Mode und wohl auch deren Lebensversicherung, wiederum seit Jahren vertraut mit Techno und all seinen Spielarten („has been in my blood for ages“), gibt dem Ganzen in kürzester Zeit die nötigen Impulse, Entwürfe wandern hin und her, Feinschliff, Labelsegen, ein komplettes Album ohne Sichtkontakt – reife Leistung.
Genaugenommen haben die beiden Herren bis zu ihrer neuerlichen Zusammenarbeit nicht viel mehr als die zehn Stücke des Debütalbums „Speak & Spell“ gemeinsam zu verantworten, ein einziger Instrumentaltitel ist mit „Any Second Now“, der B-Seite zum Dauerbrenner „Just Can’t Get Enough“, aus dieser Zeit überliefert. Danach: Funkstille, man ging getrennte Wege, dauerhafte Jugendfreundschaft Fehlanzeige. Dass dieses Album hier nun trotzdem so klingt, als hätten sich Clarke und Gore über Jahre nicht aus den Augen verloren, spricht zum einen für die unleugbaren Wurzeln und Gemeinsamkeiten der beiden, nicht weniger aber für Professionalität und unprätentiösen Umgangsstil – es passte offenbar, auch nach drei Jahrzehnten, der Topf noch zum Deckel.
Natürlich bleibt „Ssss“ trotzdem ein Nischenprodukt, ein Technoalbum mit knapp sechzig Minuten Laufzeit am Stück zu hören, wird jedermanns Sache nicht werden. Was man bekommt: durchgängig temporeichen Beat ohne Trancegeschwurbel, punktierte Drumsets, synthetische Melodien, die von Meistern ihres Fachs komponiert wurden, vertraut und doch weit entfernt von den jeweiligen Betätigungsfeldern der beiden. Der Verzicht auf jeglichen Gesang, in dieser Sparte durchaus üblich und abgesehen von der winzigen Andeutung verfremdeter Stimmen bei „Skip This Track“ konsequent, wirkt keinesfalls störend und hat auch bei Clarke zu neuer Erkenntnis geführt: „I realised that the way you make the music emotional is not by having a torrid lyric or anything like that, the way you get emotion is by pure sound…“ Streitbar, keine Frage, auf den Sound dieses Albums aber trifft der Satz zweifellos zu.
Hier wirkt alles wie aus einem Guß, die bekannteren Stücke „Spock“, „Single Blip“ und „Bendy Bass“ sind perfekt austarierte Dancetracks, der Einstieg mit „Lowly“ könnte nicht besser gelingen und selbst das faserige „Aftermath“ fügt sich stimmig ins Konzept. Und wenn jemand aus dem einen oder anderen Song Bezüge zu den Frühwerken des Synthiepops erkennen will, so sei ihm dies unbenommen, für das Verständnis des Ganzen ist es unerheblich. Viele Worte also um eine Platte ohne Worte – es geht auch kürzer: Feinkost. http://mute.com/artists/vcmg
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