Eine hübsche Sache ist momentan bei NPR gepostet - unter dem Topic "So You Think You're A Superfan" hat die Seite eine bunte Mischung eingesandter Bilder veröffentlicht, auf denen sich aufdringliche Fans schamlos um die Hälse ihrer angehimmelten Stars winden - da kann man nur froh sein, wenn man weiß, dass sich im privaten Bildarchiv nichts vergleichbares finden läßt und man nicht Gefahr läuft, auf Facebook von einem peinlichem "Du wurdest auf folgendem Foto markiert"-Hinweis auf der Pinnwand überrascht zu werden. Kurz innehalten muß man allerdings bei Bild 8 der Sammlung - hier lautet die Frage: War Hape Kerkeling 1977 schon derart umtriebig unterwegs oder hat Günter Wallraff damals undercover auch in der Musikszene ermittelt? Rätsel, ungelöste ... Eine weitere Lektion in Sachen übertriebener Anhänglichkeit und aufgekündigtem Selbstwert kann man übrigens noch immer bestens anhand der Filmdoku "The Posters Came From The Walls" lernen, unangenehmer- aber bezeichnenderweise auch am Beispiel des exemplarischen Depeche-Mode-Fans. Nichts für schwache Nerven, weiß Gott.
Donnerstag, 31. März 2011
Gehört_259
The Kills „Blood Pressures“ (Domino)
Macht man sich die Mühe und versucht sich an einer Bilanz, welche die derzeitige Relevanz der Bands abbildet, die um die Jahrtausendwende glorreich und hoffnungsvoll zur Rettung des Indierocks aufgebrochen sind, so fällt diese, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht eben postiv aus. Coldplay, die Killers und die Kings Of Leon ans Stadion und den weichgespülten Massengeschmack verloren, Interpol, Maximo Park und BRMC ohne kreative Schubkraft, eher Nischenprodukte, den White Stripes und den Libertines mangelte es an Ausdauer oder Überlebenswillen. Nun mag das eine sehr vereinfachte Darstellung sein, doch angesichts der Tatsache, dass sich kürzlich auch noch die Strokes in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet haben und somit allein Arcade Fire der Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und größtmöglicher Ansprache gelungen ist, kann man ermessen, wie groß die Sehnsucht nach der einen, der guten Nachricht, wie hoch die Erwartung an das neue Album der Kills ist.
Macht man sich die Mühe und versucht sich an einer Bilanz, welche die derzeitige Relevanz der Bands abbildet, die um die Jahrtausendwende glorreich und hoffnungsvoll zur Rettung des Indierocks aufgebrochen sind, so fällt diese, von wenigen Ausnahmen abgesehen, nicht eben postiv aus. Coldplay, die Killers und die Kings Of Leon ans Stadion und den weichgespülten Massengeschmack verloren, Interpol, Maximo Park und BRMC ohne kreative Schubkraft, eher Nischenprodukte, den White Stripes und den Libertines mangelte es an Ausdauer oder Überlebenswillen. Nun mag das eine sehr vereinfachte Darstellung sein, doch angesichts der Tatsache, dass sich kürzlich auch noch die Strokes in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet haben und somit allein Arcade Fire der Spagat zwischen künstlerischem Anspruch und größtmöglicher Ansprache gelungen ist, kann man ermessen, wie groß die Sehnsucht nach der einen, der guten Nachricht, wie hoch die Erwartung an das neue Album der Kills ist.
In der Zweckgemeinschaft der Nullerbands waren Alison Mosshart und Jamie Hince seit jeher als enfant terribles verschrien, paßten nicht so recht dazu – zu sperrig, zu plakativ, zu viel Kalkül und zu viel Trotz. Zumindest letzteres erweist sich nun als willkommene Eigenart, denn auch bei der nunmehr vierten Platte lassen sich die beiden in ihrem Stil nicht beirren – „Blood Pressures“ ist weder elektronisch aufgehübscht noch dem Formatfunk geopfert. Der Großteil des vorliegenden Materials ist herrlich kratziger, knochiger Bluesrock, sorgfältig geschreddert und gewohnt dunkel eingefärbt.
„Satellite“ und „Heart Is A Beating Drum“ poltern kraftvoll, das etwas gedrosselte „DNA“ gefällt mit schönen Stop-and-Go-Riffs. Etwas versöhnlicher klingen die Kills bei „Baby Says“ und der vergleichsweise schlichten Piano-Nummer „The Last Goodbye“, da möchte einem fast warm um‘s Herz werden. Das hält natürlich nicht lange an – Mosshart schüttelt einen mit ihrer beherzten und bissigen Beziehungslyrik kräftig durch (Damned If She Do), zuweilen gibt’s auch einen ordentlichen Tritt von hinten (You Don’t Own The Road), nie bösartig, immer kampfbereit. Weniger Gekreisch als bei ihrem Nebenprojekt Dead Weather, was den Songs aber eher gut tut. In Summe ein ordentliches Album, kompromißlos, unverdrossen, kein Grund also, weshalb einem um diese Band bange sein sollte. http://www.thekills.tv/
Mittwoch, 30. März 2011
Gehört_258
The Weeknd „House Of Balloons“
Einer der häufigsten Vorwürfe, den Netzrezensenten um die Ohren gehauen bekommen, lautet, sie würden sich ohnehin mindestens drei Viertel ihres angeblichen Fachwissens im Web zusammenklauen, das Ganze im besten Falle formschön arrangieren und schlussendlich als ihr Werk deklarieren und herumstolzieren lassen – mehr als ein milder Hauch von KTG durchweht also all diese Beiträge. Nun, ehrlicherweise muss man sagen, dass da nicht viel Falsches dran ist. Nein, wirklich nicht.
Einer der häufigsten Vorwürfe, den Netzrezensenten um die Ohren gehauen bekommen, lautet, sie würden sich ohnehin mindestens drei Viertel ihres angeblichen Fachwissens im Web zusammenklauen, das Ganze im besten Falle formschön arrangieren und schlussendlich als ihr Werk deklarieren und herumstolzieren lassen – mehr als ein milder Hauch von KTG durchweht also all diese Beiträge. Nun, ehrlicherweise muss man sagen, dass da nicht viel Falsches dran ist. Nein, wirklich nicht.
Was aber, wenn dem gierigen Hobbyschreiberling selbst die üblichen Bezugsquellen versiegen? Keine Klugscheisserei möglich ist? Wenn selbst einschlägige Onlinemagazine gestehen müssen, sie wüßten auch nicht so ganz genau, wer sich nun zum Beispiel hinter dem in den letzten Wochen blitzgehypten Projekt The Weeknd verbirgt? Es gibt demnach nicht mehr als eine Stadt – Toronto, einen Namen - Abel Tesfaye und einen Download. Was gleich zur nächsten Frage führt: Kann, was nix kostet, wirklich gut sein? Das wiederum ist nicht so schwierig zu beantworten, seit Radiohead weiß man, dass Beachtliches auch für lau hergehen kann, manchmal.
Und das Beachtliche entfacht hier bei „House Of Balloons“ einen zweifellos erstaunlichen Sog – synthetisch vervollkommneter Rhythm & Blues, komplett entschleunigt, strudeltief und betäubend, soulfull, wunderbar. Hier läßt sich alles Zeit, bedächtig und dunkel kriecht ein Track nach dem anderen aus dem Wunderhorn. Bezugsgrößen en masse: Leftfield, Portishead, Tricky, Burial und Morcheeba, von allem etwas und doch ein großes Stück auf eigenen Beinen. Träge gerapte Drogenbeichten, mantraartige Gesänge, einschmeichelnd, verführerisch wie die Droge selbst – der Sound ähnlich geheimnisvoll und hypnotisch wie beispielsweise bei den bislang unübertroffenen The XX (verdammt nah dran: „The Knowing“).
Der Zweiteiler aus Titelsong und „Glass Table Girls“ mit einem ganz und gar bezaubernden Zitat von Siouxsie Sioux „Happy House“, der Anschluß bleischwer – auch der fast achtminütige, behäbige Tank „The Party And The After Party“ läßt einen sprachlos zurück – Massive Attack hätten es wahrlich nicht besser machen können. Nach deren Meisterwerk „Heligoland“ ist das hier ein mehr als schlüssiger und würdiger Zwilling, Tesfaye hat Ideen im Überfluß und genügend Seele und Hirn für eine ganz große Platte, die genügend Potential hat, das Establishment gehörig durcheinander zu wirbeln. Mit dem Download sollte man sich also beeilen, sonst kommt noch wer auf die Idee, das Geschäftsmodell nachteilig zu überarbeiten. Hier geht’s lang: http://the-weeknd.com/.
Freitag, 25. März 2011
Gehört_257
Bodi Bill „What?“ (Sinnbus)
Empfehlungen der deutschen Depeche-Mode-Website unter dem Topic ‚Electro-News‘ sind, das hat die Vergangenheit gezeigt, mit äußerster Vorsicht zu genießen, auch wenn man sich dem Synthiepop gegenüber sonst recht aufgeschlossen zeigt. Ist die Gemeinde dort doch nicht gerade für ihre übermenschliche Toleranz und geschmackliche Flexibilität bekannt – offiziell geduldet waren bisher nur EBM-Senioren wie Front 242, Nitzer Ebb und De/Vision oder heimlich belächelte Plagiatoren wie Camouflage oder Hurts.
Der Tip zur Berliner Kapelle Bodi Bill war aber nun gerade dort zu finden, wo sich gestylte Hardcore-Devotees gegenseitig ihrer Einzigartigkeit versichern, weichgespülte Blaupausen sind sie deshalb noch lange nicht. Vom rockistisch verbrämten Weg, den die großen Brüder Gahan und Gore eingeschlagen haben, sind Fabian Fenk, Alex Amoon und Anton K. Feist glücklicherweise um Längen entfernt, Gitarren verirren sich in ihre Tracks nur sehr selten und eher als behutsames Accessoire. Die Stärke der Hauptstädter liegt klar beim feingliedrigen, sorgsam verfrickelten Elektropop, der sich ohne Probleme auch am heimischen Laptop bewerkstelligen läßt, wenn – ja wenn man, wie die drei, die nötigen Ideen und das entsprechende Know How hat.
Klanglich läßt sich das am besten mit den Kölnern von MIT vergleichen, auch wenn bei Bodi Bill noch eine Spur mehr Feinarbeit und Detailverliebtheit herauszuhören ist, Eigenschaften, die sie im Übrigen auch mit den Weilheimern von Notwist teilen dürften. Melancholische Grundstimmung, Tanzbarkeit nicht zwingend, sondern als mögliche Option – wenn doch mal Parallelen zu den englischen Gründervätern herauszuhören sind, dann erschöpft sich das in kleinen Geräuschen und Sequenzen. Dankenswerterweise nutzen sie dafür auch eher die „experimentelle“ Ära der Vorbilder, das metallische Klimpern in „Pyramiding“ und „And Patience“ kann man bei genauerem Hinhören vielleicht „Pipeline“ oder „Shame“ von „Construction Time Again“ zuordnen.
Schlechtes gibt es über „What?“ eigentlich nicht zu sagen, selbst ein Song wie „Hotel“, vorschnell als Schwachstelle ausfindig gemacht, wird durch den stimmlich kontrastierenden Gastbeitrag von Josephin Thomas hörenswert. Der Abschluß mit Zweiteilung und Überlänge („Friends“) ist feinstes Clubfutter, satt, auf Bewegung getrimmt und beileibe nicht plump dahingewummert. Kein Zweifel also: Fettes Plus für Berlin.
http://www.bodibill.de/
Empfehlungen der deutschen Depeche-Mode-Website unter dem Topic ‚Electro-News‘ sind, das hat die Vergangenheit gezeigt, mit äußerster Vorsicht zu genießen, auch wenn man sich dem Synthiepop gegenüber sonst recht aufgeschlossen zeigt. Ist die Gemeinde dort doch nicht gerade für ihre übermenschliche Toleranz und geschmackliche Flexibilität bekannt – offiziell geduldet waren bisher nur EBM-Senioren wie Front 242, Nitzer Ebb und De/Vision oder heimlich belächelte Plagiatoren wie Camouflage oder Hurts.
Der Tip zur Berliner Kapelle Bodi Bill war aber nun gerade dort zu finden, wo sich gestylte Hardcore-Devotees gegenseitig ihrer Einzigartigkeit versichern, weichgespülte Blaupausen sind sie deshalb noch lange nicht. Vom rockistisch verbrämten Weg, den die großen Brüder Gahan und Gore eingeschlagen haben, sind Fabian Fenk, Alex Amoon und Anton K. Feist glücklicherweise um Längen entfernt, Gitarren verirren sich in ihre Tracks nur sehr selten und eher als behutsames Accessoire. Die Stärke der Hauptstädter liegt klar beim feingliedrigen, sorgsam verfrickelten Elektropop, der sich ohne Probleme auch am heimischen Laptop bewerkstelligen läßt, wenn – ja wenn man, wie die drei, die nötigen Ideen und das entsprechende Know How hat.
Klanglich läßt sich das am besten mit den Kölnern von MIT vergleichen, auch wenn bei Bodi Bill noch eine Spur mehr Feinarbeit und Detailverliebtheit herauszuhören ist, Eigenschaften, die sie im Übrigen auch mit den Weilheimern von Notwist teilen dürften. Melancholische Grundstimmung, Tanzbarkeit nicht zwingend, sondern als mögliche Option – wenn doch mal Parallelen zu den englischen Gründervätern herauszuhören sind, dann erschöpft sich das in kleinen Geräuschen und Sequenzen. Dankenswerterweise nutzen sie dafür auch eher die „experimentelle“ Ära der Vorbilder, das metallische Klimpern in „Pyramiding“ und „And Patience“ kann man bei genauerem Hinhören vielleicht „Pipeline“ oder „Shame“ von „Construction Time Again“ zuordnen.
Schlechtes gibt es über „What?“ eigentlich nicht zu sagen, selbst ein Song wie „Hotel“, vorschnell als Schwachstelle ausfindig gemacht, wird durch den stimmlich kontrastierenden Gastbeitrag von Josephin Thomas hörenswert. Der Abschluß mit Zweiteilung und Überlänge („Friends“) ist feinstes Clubfutter, satt, auf Bewegung getrimmt und beileibe nicht plump dahingewummert. Kein Zweifel also: Fettes Plus für Berlin.
http://www.bodibill.de/
Donnerstag, 24. März 2011
Gehört_256
Peter Bjorn And John „Gimme Some“ (Startime International)
Das Schöne an Bands wie Peter (Morén) Bjorn (Yttling) And John (Eriksson) ist der Umstand, dass sie auf eine sehr angenehme Art, wie wahrscheinlich nur die Schweden es können, durch jedes griffige Raster fallen. Dass Menschen aus einem Land, welches die Lebensform des bestialischen Serienkillers zu höchster literarischer Weihe geführt hat, einen solch unbeschwerten musikalischen Stil pflegen, verwundert nur auf den ersten Blick. Denn schließlich hat dieses Land in Sachen Pop über die Jahre eine mehr als beachtliche Bandbreite abgedeckt, stecken die Fähnchen doch durchweg bei Erfolgsmodellen wie ABBA, Mando Diao, den Cardigans, Hives oder eben auch Ace Of Base und Roxette.
Wer Peter Bjorn And John und ihr widerhakenbewährtes „Young Folks“ vor fünf Jahren nicht wahrgenommen hat, musste sich schon für eine thoreuau’sche Randexistenz entschieden haben – kaum ein Song kam im Original, als Sample, Werbeuntermalung oder eingedeutschte Verwurstung öfter über den Äther und brachte den dreien jede Menge Kredit und Aufmerksamkeit. Klang jedoch das dazugehörige Album „Writer‘s Block“ noch recht „indie“, so kann davon auf dem aktuellen Album keine Rede mehr sein. Hier geht es eher um rauh gespielten und lustvollen Gitarrenpop – die Akkorde laufen ihnen dabei locker vom Griffbrett, „Dig A Little Deeper“, „Second Chance“, „Breaker Breaker“ und „I Know You Don’t Love Me“, alles wunderbar schwungvoll, mal 60’s, mal eine Dekade später, den Bezug zu den allgegenwärtigen Wavepopzeiten halten sie offenbar, besten Dank, für ausreichend abgearbeitet.
Dann schon lieber dreckig – „Black Book“ ist kurz, hart – Post Punk rules. Es scheppert also gewaltig auf „Gimme Some“ und die Raffinesse und Lässigkeit, mit der das Trio einen Song nach dem anderen heraushaut, als wäre weiter nichts dabei, läßt einen staunen. Die Herren Gallagher und Casablancas jedenfalls sollten sich trotz des milden Wetters besser etwas wärmer anziehen, denn das Album mit dem besten Rock’n Roll des Jahres 2011 kommt – Stand jetzt – nicht aus Manchester oder New York, sondern eben Stockholm.
http://peterbjornandjohn.com/blog/
Das Schöne an Bands wie Peter (Morén) Bjorn (Yttling) And John (Eriksson) ist der Umstand, dass sie auf eine sehr angenehme Art, wie wahrscheinlich nur die Schweden es können, durch jedes griffige Raster fallen. Dass Menschen aus einem Land, welches die Lebensform des bestialischen Serienkillers zu höchster literarischer Weihe geführt hat, einen solch unbeschwerten musikalischen Stil pflegen, verwundert nur auf den ersten Blick. Denn schließlich hat dieses Land in Sachen Pop über die Jahre eine mehr als beachtliche Bandbreite abgedeckt, stecken die Fähnchen doch durchweg bei Erfolgsmodellen wie ABBA, Mando Diao, den Cardigans, Hives oder eben auch Ace Of Base und Roxette.
Wer Peter Bjorn And John und ihr widerhakenbewährtes „Young Folks“ vor fünf Jahren nicht wahrgenommen hat, musste sich schon für eine thoreuau’sche Randexistenz entschieden haben – kaum ein Song kam im Original, als Sample, Werbeuntermalung oder eingedeutschte Verwurstung öfter über den Äther und brachte den dreien jede Menge Kredit und Aufmerksamkeit. Klang jedoch das dazugehörige Album „Writer‘s Block“ noch recht „indie“, so kann davon auf dem aktuellen Album keine Rede mehr sein. Hier geht es eher um rauh gespielten und lustvollen Gitarrenpop – die Akkorde laufen ihnen dabei locker vom Griffbrett, „Dig A Little Deeper“, „Second Chance“, „Breaker Breaker“ und „I Know You Don’t Love Me“, alles wunderbar schwungvoll, mal 60’s, mal eine Dekade später, den Bezug zu den allgegenwärtigen Wavepopzeiten halten sie offenbar, besten Dank, für ausreichend abgearbeitet.
Dann schon lieber dreckig – „Black Book“ ist kurz, hart – Post Punk rules. Es scheppert also gewaltig auf „Gimme Some“ und die Raffinesse und Lässigkeit, mit der das Trio einen Song nach dem anderen heraushaut, als wäre weiter nichts dabei, läßt einen staunen. Die Herren Gallagher und Casablancas jedenfalls sollten sich trotz des milden Wetters besser etwas wärmer anziehen, denn das Album mit dem besten Rock’n Roll des Jahres 2011 kommt – Stand jetzt – nicht aus Manchester oder New York, sondern eben Stockholm.
http://peterbjornandjohn.com/blog/
Mittwoch, 23. März 2011
Abändern 2011 *Update
Jetzt, da das offizielle Tracklisting draußen ist, kann man noch mal einen ganz entspannten Blick auf das werfen, was da an nochmaligen Remixen aus dem Depeche-Mode-Gesamtwerk im Juni auf den Hörer, der eventuell auch ein Käufer, vielleicht aber auch nur ein Sauger ist, zukommt. 37 Tracks auf drei CD's oder 6 Vinylscheiben, 13 davon sind auf das aktuelle Jahr datiert und somit wirklich neu, den Rest hat der Sammler ohnehin schon. Aufmerksamkeit verdienen die ausgewählten Titel, so es ältere Songs sind (Leave in Silence, Puppets, Tora! Tora! Tora!, A Question Of Time) und die Namen derer, die sich daran mühen, so sie liebenswerte Bekannte sind (Alan Wilder/Ex, Vince Clark/Ex). Über die befürchteten Schwachstellen (House, Prydz, etc.) wurde hier schon referiert, deshalb lassen wir's besser gut sein und warten auf den Sommer. Für Statistiker: hier.
Dienstag, 22. März 2011
Gehört_255
William Fitzsimmons „Gold In The Shadow“ (Gronland)
Soll keiner sagen, er hätte sich nicht schon zu der einen oder anderen Folge einer x-beliebigen Notaufnahmenserie hinreißen lassen – wer es nicht wie der Autor selbst zum glühenden Verehrer der ersten Staffeln von Emergency Room geschafft hat, nahm dann später eben bei Private Practice oder meinenthalben Scrubs auf der Couch Platz, manchem reichte ja auch schon „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ oder „Klinik unter Palmen“ für den wöchentlichen Kick. Nichts zu sagen im Übrigen auch gegen die gefühlige OP-Show „Grey’s Anatomy“, die leider irgendwann in paranormale Zwischenwelten abglitt, deren treue Zuschauer aber in Sachen William Fitzsimmons einen Wissensvorsprung vorweisen können. Denn für genau diese Serie wurden zwei seiner bisher bekanntesten Songs, „Passion Play“ und „Please Don’t Go“ ausgewählt und fanden dort schnell ein heimeliges Plätzchen.
Fitzsimmons‘ Geschichte klingt, nebenbei bemerkt, selbst wie aus dem Drehbuch einer herzerwärmenden Überseeweekly entlehnt – als Sohn eines blinden Ehepaares brachte er sich die zum Musizieren nötigen Instrumente allesamt selbst bei, versetzt mit etwas elektronischem Zierrat gelingt ihm so seit einiger Zeit eine bezaubernde Spielart des Folk. Durchaus verwandt mit der leisetreterischen und versponnenen Kunst eines Nick Drake, nahe auch beim ebenso großen und leider ebenso toten Elliot Smith, haben diese Songs wirklich etwas Goldenes, Glänzendes, insofern verspricht der Albumtitel nicht zu viel. Die Texte, behutsam, nach innen gekehrt und fast andächtig, untermalt er ähnlich wie ein James Yuill mit zeitgemäßer und wohl dosierter Synthetik, doch bittet er nicht wie dieser zum Tanz, sondern lädt eher zum Mitsummen und entspannten Sinnieren ein. Für „Let You Break“ springt ihm noch Leigh Nash vom One-Hit-Wonder Sixpence Non The Richer zur Seite.
Nichts hier was weh, vieles dagegen dabei, was gut tut. Vielleicht nicht gerade die Platte, die man sich für den wilden Sommer erwartet hat, aber schließlich hat auch der laue Abende, die eines Soundtracks bedürfen. Und wer dann diesen Mann zur Hand hat, dem muß um die Choreographie derselben nicht bange sein.
http://www.williamfitzsimmons.com/
Soll keiner sagen, er hätte sich nicht schon zu der einen oder anderen Folge einer x-beliebigen Notaufnahmenserie hinreißen lassen – wer es nicht wie der Autor selbst zum glühenden Verehrer der ersten Staffeln von Emergency Room geschafft hat, nahm dann später eben bei Private Practice oder meinenthalben Scrubs auf der Couch Platz, manchem reichte ja auch schon „Das Krankenhaus am Rande der Stadt“ oder „Klinik unter Palmen“ für den wöchentlichen Kick. Nichts zu sagen im Übrigen auch gegen die gefühlige OP-Show „Grey’s Anatomy“, die leider irgendwann in paranormale Zwischenwelten abglitt, deren treue Zuschauer aber in Sachen William Fitzsimmons einen Wissensvorsprung vorweisen können. Denn für genau diese Serie wurden zwei seiner bisher bekanntesten Songs, „Passion Play“ und „Please Don’t Go“ ausgewählt und fanden dort schnell ein heimeliges Plätzchen.
Fitzsimmons‘ Geschichte klingt, nebenbei bemerkt, selbst wie aus dem Drehbuch einer herzerwärmenden Überseeweekly entlehnt – als Sohn eines blinden Ehepaares brachte er sich die zum Musizieren nötigen Instrumente allesamt selbst bei, versetzt mit etwas elektronischem Zierrat gelingt ihm so seit einiger Zeit eine bezaubernde Spielart des Folk. Durchaus verwandt mit der leisetreterischen und versponnenen Kunst eines Nick Drake, nahe auch beim ebenso großen und leider ebenso toten Elliot Smith, haben diese Songs wirklich etwas Goldenes, Glänzendes, insofern verspricht der Albumtitel nicht zu viel. Die Texte, behutsam, nach innen gekehrt und fast andächtig, untermalt er ähnlich wie ein James Yuill mit zeitgemäßer und wohl dosierter Synthetik, doch bittet er nicht wie dieser zum Tanz, sondern lädt eher zum Mitsummen und entspannten Sinnieren ein. Für „Let You Break“ springt ihm noch Leigh Nash vom One-Hit-Wonder Sixpence Non The Richer zur Seite.
Nichts hier was weh, vieles dagegen dabei, was gut tut. Vielleicht nicht gerade die Platte, die man sich für den wilden Sommer erwartet hat, aber schließlich hat auch der laue Abende, die eines Soundtracks bedürfen. Und wer dann diesen Mann zur Hand hat, dem muß um die Choreographie derselben nicht bange sein.
http://www.williamfitzsimmons.com/
Schade, FCB ...
... aber Christoph Daum, sympathischster aller Ballsporttrainer, nimmt sich, wie man so schön sagt, selbst vom Markt. Soll heißen, er heuert bei der Frankfurter Eintracht an und macht das Rennen um die letzte offene Stelle in der heißbegehrten Bundesliga noch spannender. Es bleiben also noch im Spiel:
- Peter Neururer
- Peter Neururer
- Friedel Rausch
- Jürgen Röber
- Klaus Topmöller
- Rudi Gutendorf
- Werner Lorant.
Ach ja, fast vergessen: Lothar Matthäus. So, lieber Hamburger Sportverein, nun mußt Du Dich entscheiden - wer ist Dein Herzblatt?
Meine Frau sagt ... [10]
... dass es durchaus auch für diesen Blog von Vorteil sein kann, mal die eine oder andere Kinderzeitschrift durchzublättern, stößt man dabei doch ab und zu auf ein feines Liedchen. Wie eben auf den niedlichen Dancepop von Mnemonic Sounds (Keeping It Quiet) aus Portland, die noch dazu mit putzigen Videoanimationen punkten können. Pssst, Remix ist besser ...
Montag, 21. März 2011
Kamera läuft ...
Diese Meldung in einem Blog zu lesen, der nicht einmal eine Karte von Mittelerde als Hintergrund aufweisen kann, dessen Initiator auch nicht Maphrambuloil heißt, mag etwas befremden. Doch obacht – es soll auch stinknormale Erdenbewohner geben, die zumindest Tolkiens Triologie „Der Herr der Ringe“ leidenschaftlich verehren und die letzten Verwicklungen im Zusammenhang mit der Verfilmung des Frühwerkes „Der kleine Hobbit“ mit Sorge verfolgt haben. Für die und alle übrigen Ork- oder wahlweise Elbenfreunde heute nun die erfreuliche Nachricht: Es wird gedreht, seit heute. Und zwar wieder in Neuseeland, wieder unter der Ägide von Peter Jackson, mit dabei zudem Elijah Wood (Frodo), Cate Blanchet (Galadriel), Ian McKellen (Gandalf), Andy Serkis (Gollum) und Christopher Lee (Saruman), Bilbo Beutlin wird in seiner jugendlichen Erscheinung nicht von Ian Holm, sondern von Martin Freeman (The Office) verkörpert. Das ganze soll dann – natürlich auch in 3D – zweigeteilt 2012/2013 in die Kinos kommen. Na denn man los ...
http://derhobbit-film.de/
http://derhobbit-film.de/
Mittwoch, 16. März 2011
Gehört_254
The Dodos „No Color“ (Wichita)
Nach wenigen Minuten des vierten Albums der Dodos aus dem stets gutgelaunten San Francisco wird klar, wer gerechterweise von den beiden Bandmitgliedern den Hauptteil der Erlöse einstreichen dürfte. Nicht Meric Long, dessen Stimme die Songs allein nicht über die komplette Distanz tragen könnte, sondern Partner Logan Kroeber am Schlagzeug macht sich um den Sound des Duos verdient, hämmert dieser doch schon beim ersten Stück, dem furiosen „Black night“, so infernalisch drauflos, dass man sich berechtigte Sorgen um’s Equipment machen muss.
Knüppelfolk möchte man das nennen, was die zwei da fabrizieren, klänge es nicht so albern, vielleicht auch Midlake für die Moshpit, in jedem Falle drehen die Dodos den handelsüblichen Folk gehörig durch die Rhythmusmaschine und nehmen dem Hörer so die Möglichkeit, nach der Hälfte der Platte wie üblich sanft zu entschlummern. Wach bleiben heißt die Devise, nicht nur beim hochnervösen „Sleep“ („I cannot sleep, I cannot think, I cannot dream“), und es fällt nicht schwer. Dabei sollte man sich nicht täuschen lassen – selbst solche Sachen wie „Don’t Try And Hide It“, das anfangs ganz harmlos schnurrt, wird ab der Mitte im besten Sinne gnadenlos verkloppt.
Dass es dabei nicht langweilig wird, man also trotz akuter Trommelfellgefährdung trotzdem am Ball bleibt, liegt daran, dass Long und Kroeber wirklich feine Melodien um das anhaltende Getrommel herumbauen und die Gitarren zudem dreckig genug sind, um dem guten alten Indierock zu genügen. „Hunting Season“ ist so Programm und Traditionspflege zugleich, das traumhafte „Companions“ läßt einem mit seinen verfremdeten Flamencogitarren sogar ein wenig Platz zum Atmen. „No Color“ zeigt auf eindrückliche Weise, wie mit einfachen Mitteln Energie und Wohlklang zusammenfinden können, ohne gleich die komplette Rockhistorie plündern zu müssen.
http://www.dodosmusic.net/
Nach wenigen Minuten des vierten Albums der Dodos aus dem stets gutgelaunten San Francisco wird klar, wer gerechterweise von den beiden Bandmitgliedern den Hauptteil der Erlöse einstreichen dürfte. Nicht Meric Long, dessen Stimme die Songs allein nicht über die komplette Distanz tragen könnte, sondern Partner Logan Kroeber am Schlagzeug macht sich um den Sound des Duos verdient, hämmert dieser doch schon beim ersten Stück, dem furiosen „Black night“, so infernalisch drauflos, dass man sich berechtigte Sorgen um’s Equipment machen muss.
Knüppelfolk möchte man das nennen, was die zwei da fabrizieren, klänge es nicht so albern, vielleicht auch Midlake für die Moshpit, in jedem Falle drehen die Dodos den handelsüblichen Folk gehörig durch die Rhythmusmaschine und nehmen dem Hörer so die Möglichkeit, nach der Hälfte der Platte wie üblich sanft zu entschlummern. Wach bleiben heißt die Devise, nicht nur beim hochnervösen „Sleep“ („I cannot sleep, I cannot think, I cannot dream“), und es fällt nicht schwer. Dabei sollte man sich nicht täuschen lassen – selbst solche Sachen wie „Don’t Try And Hide It“, das anfangs ganz harmlos schnurrt, wird ab der Mitte im besten Sinne gnadenlos verkloppt.
Dass es dabei nicht langweilig wird, man also trotz akuter Trommelfellgefährdung trotzdem am Ball bleibt, liegt daran, dass Long und Kroeber wirklich feine Melodien um das anhaltende Getrommel herumbauen und die Gitarren zudem dreckig genug sind, um dem guten alten Indierock zu genügen. „Hunting Season“ ist so Programm und Traditionspflege zugleich, das traumhafte „Companions“ läßt einem mit seinen verfremdeten Flamencogitarren sogar ein wenig Platz zum Atmen. „No Color“ zeigt auf eindrückliche Weise, wie mit einfachen Mitteln Energie und Wohlklang zusammenfinden können, ohne gleich die komplette Rockhistorie plündern zu müssen.
http://www.dodosmusic.net/
Dienstag, 15. März 2011
Gehört_253
The Strokes „Angles“ (Sony)
Dass es die Strokes im Jahre 10 nach ihrem Debüt „Is This It“ nicht würden einfach haben, dürfte ihnen selbst, aufgeweckte, clevere Kerlchen, die sie sind, klar gewesen sein. Und da in dem Jahr, in welchem wieder zentnerweise Elogen auf den Erstling zusammengeschustert werden – in etwa: Wo warst Du, als ... – sowieso alles nur vergleichend gedacht und gesagt wird, haben sich die fünf wohl gedacht: Warum nicht gleich alles anders machen, wenn wir doch ohnehin keine Chance haben gegen uns selbst?
Nun, die Überraschung ist ihnen gelungen, über das Ergebnis läßt sich trefflich diskutieren. At first: The Strokes are getting funky! Wirklich, das hätte man zum Einstieg (Machu Picchu) eher nicht erwartet, dass Casablancas mit Micky-Maus-Stimme, begleitet von seltsam anmutenden Backroundchören, Steinruinen feiert. Dabei zeigt sich aber auch gleich, dass den Strokes ihre Fähigkeit, ein unverschämt eingängiges Riff über eine Songlänge zu reiten, auch beim vierten Album noch nicht abhanden gekommen ist – gut so, aber auch egal. Nach kurzer und eher vernachlässigbarer Klischeepflege (Under Cover Of Darkness) geht’s vogelwild weiter: eigenartige Softmetal-Anleihen und Kastratengekreisch (Two Kinds Of Happiness), feiner – tja, Indierock für „You’re So Right“, viel Synthie, weniger Gitarren, all das zeigt, wie sehr Casablancas entgegen allem Geunke noch immer die Hosen anhat, denn ähnliche Spielereien hatte er auf seinem Solowerk „Phrazes For The Young“ schon ins Herz geschlossen und der Rest der Band mochte ihm offenbar folgen.
Es gibt singspielartige Szenarien und Reminiszenzen an Slade und die Rockopern von Queen (Gratisfaction) und natürlich ist das für den hartgesottenen Strokes-Fan, sollte es ihn denn noch geben, schon arg schwer zu verdauen. Was soll der denn bloß mit einem Ungeheuer wie „Metabolism“ anfangen, wie klarkommen mit all den Tempowechseln, dem Georgel und Geheule? Der Band scheint das herzlich egal zu sein, außer der erwähnten Erwartungsfutter zu Beginn gibt es auf „Angles“ keinen Song, der mit früheren vergleichbar wäre. Selbstverliebt und abgehoben vielleicht, extrovertiert sowieso, die Jungs scheinen sich zu denken: „Wenn schon gehen, dann mit dem großen Knall“ – das ist mutig, albern, abgefahren und sicher kein dauerhaftes Erfolgsmodell. Dass sie damit durchkommen, darf bezweifelt werden, unvorstellbar auch, diesen Stil über mehrere Alben zu strecken. Einzige Möglichkeit also: Das Ende, aber ein lustiges.
http://new.thestrokes.com/
Dass es die Strokes im Jahre 10 nach ihrem Debüt „Is This It“ nicht würden einfach haben, dürfte ihnen selbst, aufgeweckte, clevere Kerlchen, die sie sind, klar gewesen sein. Und da in dem Jahr, in welchem wieder zentnerweise Elogen auf den Erstling zusammengeschustert werden – in etwa: Wo warst Du, als ... – sowieso alles nur vergleichend gedacht und gesagt wird, haben sich die fünf wohl gedacht: Warum nicht gleich alles anders machen, wenn wir doch ohnehin keine Chance haben gegen uns selbst?
Nun, die Überraschung ist ihnen gelungen, über das Ergebnis läßt sich trefflich diskutieren. At first: The Strokes are getting funky! Wirklich, das hätte man zum Einstieg (Machu Picchu) eher nicht erwartet, dass Casablancas mit Micky-Maus-Stimme, begleitet von seltsam anmutenden Backroundchören, Steinruinen feiert. Dabei zeigt sich aber auch gleich, dass den Strokes ihre Fähigkeit, ein unverschämt eingängiges Riff über eine Songlänge zu reiten, auch beim vierten Album noch nicht abhanden gekommen ist – gut so, aber auch egal. Nach kurzer und eher vernachlässigbarer Klischeepflege (Under Cover Of Darkness) geht’s vogelwild weiter: eigenartige Softmetal-Anleihen und Kastratengekreisch (Two Kinds Of Happiness), feiner – tja, Indierock für „You’re So Right“, viel Synthie, weniger Gitarren, all das zeigt, wie sehr Casablancas entgegen allem Geunke noch immer die Hosen anhat, denn ähnliche Spielereien hatte er auf seinem Solowerk „Phrazes For The Young“ schon ins Herz geschlossen und der Rest der Band mochte ihm offenbar folgen.
Es gibt singspielartige Szenarien und Reminiszenzen an Slade und die Rockopern von Queen (Gratisfaction) und natürlich ist das für den hartgesottenen Strokes-Fan, sollte es ihn denn noch geben, schon arg schwer zu verdauen. Was soll der denn bloß mit einem Ungeheuer wie „Metabolism“ anfangen, wie klarkommen mit all den Tempowechseln, dem Georgel und Geheule? Der Band scheint das herzlich egal zu sein, außer der erwähnten Erwartungsfutter zu Beginn gibt es auf „Angles“ keinen Song, der mit früheren vergleichbar wäre. Selbstverliebt und abgehoben vielleicht, extrovertiert sowieso, die Jungs scheinen sich zu denken: „Wenn schon gehen, dann mit dem großen Knall“ – das ist mutig, albern, abgefahren und sicher kein dauerhaftes Erfolgsmodell. Dass sie damit durchkommen, darf bezweifelt werden, unvorstellbar auch, diesen Stil über mehrere Alben zu strecken. Einzige Möglichkeit also: Das Ende, aber ein lustiges.
http://new.thestrokes.com/
Montag, 14. März 2011
1:2
Man muß gewiss kein Zenbuddhist sein um zu wissen, dass es nach solchen Spielen besser ist, etwas runterzukühlen, drüber zu schlafen und dann die fälligen Zeilen zu schreiben. Gern möchte man trotzdem auf Gott und die Welt schimpfen, wie nach solch einer grandiosen und spielbestimmenden Leistung am Ende solch ein Ergebnis stehen kann – allein: die beiden Dinger haben sich die Jungs selbst reingemacht. Zwei gravierende Abwehrfehler, zwei Gegentore, über das angebliche Linientor muss man sich auch nicht weiter aufregen – aus dem Sechspunkte- ist leider ein Nullpunktespiel geworden. Das ist jammerschade, aber leider selbstverschuldet. Bleibt die inständige Hoffnung, dass sich St. Pauli in Frankfurt etwas cleverer anstellt und die wirklich respektable Form halten kann. Forza St. Pauli!
Sonntag, 13. März 2011
Hören+Sehen
Interpol, Zenith, München, 12. März 2011
Irgendwann hat es ja soweit kommen müssen, und dass es erst bei diesem Konzert passierte, ist dann schon fast wieder eine gute Nachricht. Der Zauber ist weg. Interpol spielen im nahezu ausverkauften Münchner Zenith für ihr viertes Album auf und es ist ein ganz normales Rockkonzert, dank des Veranstaltungsortes nicht mal ein besonders gutes. Absehbar war das allemal – es ist schwer genug, über nunmehr zehn Jahre die unbestreitbar hohe Qualität ihrer Alben auf die Bühne zu bringen, besonders dann, wenn die letzte Station ihrer (Münchner) Karriere von klein über mittel, etwas größer, nun groß, also Orange House, Muffathalle, Tonhalle und Zenith, sie in eine zugige Eisenscheune zwingt, ein Gebäude also, dessen Akustik selbst für eine Dorfkirmes als bedenklich einzustufen wäre.
Da hilft es auch nichts, die Regler schon vom ersten Ton an bis an den oberen Grenzbereich zu schieben und Sam Fogarinos Schlagwerk so in den Vordergrund zu steuern, dass neben dem brachialen Wummern vom Rest der Band kaum etwas zu hören ist. Die Songs – zu oft gehört, um über die Setlist überrascht zu sein, wenigstens wurde zwischen alt und neu recht gut gemischt. Wenn man vieles schon zu gut kennt, entscheiden ja oft Nuancen über Wohl und Wehe, leider erliegen auch Interpol an diesem Abend der Versuchung, das Tempo für Bekanntes eine Spur zu stark anzuziehen und so bekommen Klassiker wie „Hands Away“, „Evil“, „Not Even Jail“ und „Slow Hands“ einen unnötig hochgepitchten Beigeschmack.
Gut gelungen dagegen die verlängerte Version von „Lights“, einem der Höhepunkte des neuen Albums – in tiefrotes Licht getaucht, konnte der Song die Intensität der Studioversion erstaunlicherweise ohne Mühe mitgehen. Mit „Obstacle“, „Untitled“ und „The New“ gab’s gleich drei Großtaten vom unerreichten Frühwerk „Turn On The Bright Lights“ am Stück, dankbar goutiert von denjenigen, die schon etwas länger an Bord sind. „Rest My Chemistry“, zweifellos ein Stück neuerer Interpol-Essenz, schaffte ebenso mühelos den Brückenschlag zum Publikum. Dass Sänger Paul Banks, verziert mit modischem Kurzhaarschnitt, weniger introvertiert, sondern für seine Verhältnisse fast ausgelassen gestimmt war, nahm man auch gern zur Kenntnis.
Am Bass mittlerweile ja Brad Truax – nun ja, man sieht ihn und weiß, was ihm zum Charismatiker und Paradiesvogel Carlos Dengler fehlt, keine abseitige Aura, kein Befremden, einfach ein fehlerloses und punktgenaues Set und doch irgendwie traurig. Es wird, man weiß es jetzt umso mehr, vieles davon abhängen, wie der zum Trio geschrumpften Band ihr nächstes Album, ihr erstes ohne Dengler, gelingen mag. Live möchte man ihnen paradoxerweise mehr Erfolg nicht wünschen - noch größere Hallen sind kaum vorstellbar, ohne deutlich an Qualität einzubüßen, dafür war dieses Konzert Beweis genug.
Freitag, 11. März 2011
Dear NME ...
Nachdem der NME in seiner aktuellen Ausgabe mit dem Titel
„100 Gigs you shouldt have been at“ protzt, muss man mich als Listenfreund natürlich nicht lange bitten. Flugs daheim die Kartenstapel gesichtet, aschenputtelmäßig aussortiert und fertig sind die ganz persönlichen TOP 15:
15/Die Skeptiker, Klubhaus Fritz Heckert, Karl Marx Stadt, 1989
DDR-Punk, „Jajaja“, „Pierre & Luce“ und „Dada in Berlin“, Brille an der Garderobe sicherheitshalber abgegeben (kluge Entscheidung, das);
14/Robbie Williams „Escapology“, Olympiastadion, München, 2003
“Let me entertain you“ – kein Zweifel, das konnte er – damals noch mit Coolness-Faktor, heute Erinnerung an längst vergessene Zeiten;
13/Rollins Band „Weight-Tour“, KGB, Barcelona, 1995
tausend durchgeknallte Katalanen bejubeln das Tier beim Gewichtestemmen, schwarze Shorts am Ende und „You know, I’m a liar!“;
12/Kaltfront, AJZ, Karl-Marx-Stadt, 1989
Besseres gab es kaum made in GDR, trister Klub im Plattenbau, fabelhaftes Tape, „Ich bin nicht dein Objekt“ – diesseits der Mauer ungeschlagen;
11/Rammstein „Herzeleid“, Nachtwerk, München, 1996
15/Die Skeptiker, Klubhaus Fritz Heckert, Karl Marx Stadt, 1989
DDR-Punk, „Jajaja“, „Pierre & Luce“ und „Dada in Berlin“, Brille an der Garderobe sicherheitshalber abgegeben (kluge Entscheidung, das);
14/Robbie Williams „Escapology“, Olympiastadion, München, 2003
“Let me entertain you“ – kein Zweifel, das konnte er – damals noch mit Coolness-Faktor, heute Erinnerung an längst vergessene Zeiten;
13/Rollins Band „Weight-Tour“, KGB, Barcelona, 1995
tausend durchgeknallte Katalanen bejubeln das Tier beim Gewichtestemmen, schwarze Shorts am Ende und „You know, I’m a liar!“;
12/Kaltfront, AJZ, Karl-Marx-Stadt, 1989
Besseres gab es kaum made in GDR, trister Klub im Plattenbau, fabelhaftes Tape, „Ich bin nicht dein Objekt“ – diesseits der Mauer ungeschlagen;
11/Rammstein „Herzeleid“, Nachtwerk, München, 1996
auch ein Stück Osten, wenn auch ein mittlerweile vereinnahmtes, Flammenwerfer über hitziger Moshpit, genial und gruselig;
10/PJ Harvey „To bring you my love“, Große Freiheit, Hamburg, 1995
10/PJ Harvey „To bring you my love“, Große Freiheit, Hamburg, 1995
Polly sowieso unvergessen, aber auch der mies gelaunte Tricky mit “Maxinquaye“ und Martina Topley-Bird den Tränen nahe waren die Show wert;
9/“Friedenswoche der Berliner Jugend“, Radrennbahn Weißensee, 1988
The Wailers, Rainbirds und James Brown – unglaublich, aber nach den Rainbirds sind wir quasi abgezogen, wer wollte schon den alten schwarzen Mann sehen (!?), Menschenmassen, die nur noch an gleicher Stelle von Springsteen getoppt wurden;
8/Laurel Aitken, Atomic Café, München, 2003
9/“Friedenswoche der Berliner Jugend“, Radrennbahn Weißensee, 1988
The Wailers, Rainbirds und James Brown – unglaublich, aber nach den Rainbirds sind wir quasi abgezogen, wer wollte schon den alten schwarzen Mann sehen (!?), Menschenmassen, die nur noch an gleicher Stelle von Springsteen getoppt wurden;
8/Laurel Aitken, Atomic Café, München, 2003
schwarzer Urvater des Ska trifft auf spaßbereite Skins und meistert es bravourös – Legende;
7/Interpol „Turn On The Bright Lights“, Orangehouse, München, 2002
geschätzt 100 (!) Fans erleben eine Band im Frühstadium ihres Erfolgs, zur besten ihrer Platten das beste Konzert von einigen;
6/Sonic Youth „Washing Machine“, Muffathalle, München, 1995
sicher nicht ihre beste Platte, übertrifft aber selbst das „Daydream Nation“-Konzert ein paar Jahre später, fantastisches Soundgewitter, Vorprogramm: Stereolab;
5/The Cult, Ulm, Arts & Crafts, 1994
The Cult hatten eine wunderbare Platte im Gepäck, aber Mother Tongue sind live einfach kaum zu schlagen – Vorband schlägt Hauptact, selten erlebt;
4/The White Stripes „White Blood Cells“, Feierwerk, München, 2001
vor 300 Zuschauern noch vor allem Hype, ohne „Seven Nation Army“ oder „The Hardest Button“, aber schon umwerfend intensiv;
3/Swans, Strom Linienclub, München, 1995
danach nichts lauteres mehr erlebt, Gira und Jarboe noch gemeinsam auf der Bühne, den Club gab’s danach nicht mehr lange, Cornershop im Vorprogramm (niedlich);
2/Phillip Boa „Hair“, Werner-Seelenbinder-Halle, Berlin, 1989
ganze sechs Wochen vor dem Mauerfall, Boa als arrogantes Arschloch ungeschlagen, wurde danach leider nicht besser,„Container Love“ eine Hymne;
1/Fugazi, Fabrik, Hamburg, 1995
da ging und geht nichts drüber, selten bei einem Konzert so verausgabt und am Rande der absoluten Erschöpfung wie da, ausgelassene Glückseeligkeit, hält ewig.
http://www.nme.com/magazine
7/Interpol „Turn On The Bright Lights“, Orangehouse, München, 2002
geschätzt 100 (!) Fans erleben eine Band im Frühstadium ihres Erfolgs, zur besten ihrer Platten das beste Konzert von einigen;
6/Sonic Youth „Washing Machine“, Muffathalle, München, 1995
sicher nicht ihre beste Platte, übertrifft aber selbst das „Daydream Nation“-Konzert ein paar Jahre später, fantastisches Soundgewitter, Vorprogramm: Stereolab;
5/The Cult, Ulm, Arts & Crafts, 1994
The Cult hatten eine wunderbare Platte im Gepäck, aber Mother Tongue sind live einfach kaum zu schlagen – Vorband schlägt Hauptact, selten erlebt;
4/The White Stripes „White Blood Cells“, Feierwerk, München, 2001
vor 300 Zuschauern noch vor allem Hype, ohne „Seven Nation Army“ oder „The Hardest Button“, aber schon umwerfend intensiv;
3/Swans, Strom Linienclub, München, 1995
danach nichts lauteres mehr erlebt, Gira und Jarboe noch gemeinsam auf der Bühne, den Club gab’s danach nicht mehr lange, Cornershop im Vorprogramm (niedlich);
2/Phillip Boa „Hair“, Werner-Seelenbinder-Halle, Berlin, 1989
ganze sechs Wochen vor dem Mauerfall, Boa als arrogantes Arschloch ungeschlagen, wurde danach leider nicht besser,„Container Love“ eine Hymne;
1/Fugazi, Fabrik, Hamburg, 1995
da ging und geht nichts drüber, selten bei einem Konzert so verausgabt und am Rande der absoluten Erschöpfung wie da, ausgelassene Glückseeligkeit, hält ewig.
Gehört_252
J Mascis „Several Shades Of Why“ (Subpop)
Der Mann muss glücklich sein. Zumindest stellt man sich das vor, denn keiner seiner Anhänger würde jemals von ihm oder seiner Combo Dinosaur jr. die komplette Neuerfindung geschweige denn eine revolutionäre Idee erwarten. Bei einer Band wie Portishead zum Beispiel, die/der eine Platte aller zehn Jahre reicht, wird schon Monate im Voraus orakelt und menetekelt, welche innovativen Glanztaten sich wohl beim neuen Album Bahn brechen werden. Anders J Mascis – setzt sich hin, holt die Klampfe raus und nörgelt gar prächtig los.
Nun gut, das ist eine arg verkürzte Darstellung, die dem, mittlerweile stark ergrauten, Mittvierziger sicherlich nicht gerecht wird, impliziert sie doch, er hätte sich mit „Several Shades Of Why“ keine große Mühe geben müssen. Hat er aber doch, denn bis zum fünften Song darf die Vermeidung jeglicher elektrisch verstärkten Gitarre als eine Art Selbstkasteiung gelten, erst bei „It’s done“ kann man etwas aufatmen und Mascis lässt die Tiere, wenn auch noch vorsichtig, von der Leine. Der Titelsong dagegen hat eine Qualität, die auf den ersten Blick befremdlich erscheint, behutsame, zuckersüße Streicher geben dem Lied beinahe etwas Barockes und man ertappt sich dabei, anerkennend und gedankenverloren zu nicken – Respekt, Alter.
Ab der Mitte ist aber, wie erwähnt, der Bann gebrochen, man hat ihn wieder, den alten Kauz und mit ihm das gewohnte und liebgewonnene Stilmittel des ausufernden Feedbacks. Nicht selten sind ja die Lieder von Mascis die besten, die auch am längsten dauern (mit Ausnahme des schändlich verunstalteten, weil apprupt beendeten Cure-Covers „Just Like Heaven“), so auch hier – „Can I“ mäandert herrlich dahin und man ist bereit für den Treueschwur: So lange dieser Mann weiter unerschrocken solche Stücke verabreicht, will man ihm niemals die Gefolgschaft kündigen. Dass ihm mit Kurt Vile mittlerweile ernsthafte Konkurrenz im Nacken sitzt, sollte da kaum stören.
http://jmascis.com/
Der Mann muss glücklich sein. Zumindest stellt man sich das vor, denn keiner seiner Anhänger würde jemals von ihm oder seiner Combo Dinosaur jr. die komplette Neuerfindung geschweige denn eine revolutionäre Idee erwarten. Bei einer Band wie Portishead zum Beispiel, die/der eine Platte aller zehn Jahre reicht, wird schon Monate im Voraus orakelt und menetekelt, welche innovativen Glanztaten sich wohl beim neuen Album Bahn brechen werden. Anders J Mascis – setzt sich hin, holt die Klampfe raus und nörgelt gar prächtig los.
Nun gut, das ist eine arg verkürzte Darstellung, die dem, mittlerweile stark ergrauten, Mittvierziger sicherlich nicht gerecht wird, impliziert sie doch, er hätte sich mit „Several Shades Of Why“ keine große Mühe geben müssen. Hat er aber doch, denn bis zum fünften Song darf die Vermeidung jeglicher elektrisch verstärkten Gitarre als eine Art Selbstkasteiung gelten, erst bei „It’s done“ kann man etwas aufatmen und Mascis lässt die Tiere, wenn auch noch vorsichtig, von der Leine. Der Titelsong dagegen hat eine Qualität, die auf den ersten Blick befremdlich erscheint, behutsame, zuckersüße Streicher geben dem Lied beinahe etwas Barockes und man ertappt sich dabei, anerkennend und gedankenverloren zu nicken – Respekt, Alter.
Ab der Mitte ist aber, wie erwähnt, der Bann gebrochen, man hat ihn wieder, den alten Kauz und mit ihm das gewohnte und liebgewonnene Stilmittel des ausufernden Feedbacks. Nicht selten sind ja die Lieder von Mascis die besten, die auch am längsten dauern (mit Ausnahme des schändlich verunstalteten, weil apprupt beendeten Cure-Covers „Just Like Heaven“), so auch hier – „Can I“ mäandert herrlich dahin und man ist bereit für den Treueschwur: So lange dieser Mann weiter unerschrocken solche Stücke verabreicht, will man ihm niemals die Gefolgschaft kündigen. Dass ihm mit Kurt Vile mittlerweile ernsthafte Konkurrenz im Nacken sitzt, sollte da kaum stören.
http://jmascis.com/
Donnerstag, 10. März 2011
Gehört_251
Kurt Vile „Smoke Ring For My Halo“ (Matador)
Ach herrje, Platten wie diese lassen einen immer so wahnsinnig alt aussehen. Denn mit ihnen merkt man unweigerlich, wie viele Jahre wieder ins Land gegangen sind seit der Zeit, da solche Musik mal als das Maß aller Dinge galt: Grunge, von vielen schon als das nächste Revival angekündigt, während die 80er noch gnadenlos ausgeweidet werden, Grunge ohne Krach, J Mascis und Evan Dando lassen freundlich grüßen.
Kurt Vile – Achtung, Wikiwitz: „Not to be confused with Kurt Weill” – Ex-War-On-Drugs-Mitglied, kommt mit so herrlich verschlurftem Gitarrengedengel daher, dass man “Smoke Ring For My Halo” gar nicht mehr weglegen mag. Das Schuldeingeständnis der, zumindest meinerseits madonnenhaft verehrten, Kim Gordon verwundert deshalb keineswegs: “Guilty because I listen to it too much..." Frühere Wurzeln mag der eine oder andere eher beim fabelhaften Nikki Sudden als bei Nick Drake verorten, wiewohl der Bezug zu den frühen 90ern schon offensichtlich scheint. Für die aktuellen Songs wird dann auch gern mal Thurston Moore an die Saiten gebeten, auch wenn ausnahmslos alle Stücke als Einmannkapelle funktionieren.
Hinter der üppigen Haargardine verbirgt sich nebenbei ein recht gescheiter Kopf – auch wenn die Texte größtenteils recht düster ausgefallen sind („Society is my friend, it makes me laugh, down in a cool bloodbath“), so scheint ihm auch abgründiger Humor nicht ganz fremd zu sein. Für das herrliche „On Tour“ gibt’s einen kurzen Blick ins Tagebuch: „I wanna write my whole life down, burn it down to the ground, I wanna sing at the top of my lungs for fun, scream annoyingly ‘cause that’s just me, being me, being free.” Auch wegen solcher Zeilen ahnt man, dass da wieder einer von zwei Seiten brennt und dass der Reiz, den seine Lieder ausstrahlen, auch einen etwas morbiden Beigeschmack hat. Bleibt zu hoffen, dass sich Vile von Dylan nicht nur die lebensbitteren Lyrics, sondern auch dessen unbedingten Behauptungswillen abgeschaut hat ...
http://www.kurtvile.com/
Ach herrje, Platten wie diese lassen einen immer so wahnsinnig alt aussehen. Denn mit ihnen merkt man unweigerlich, wie viele Jahre wieder ins Land gegangen sind seit der Zeit, da solche Musik mal als das Maß aller Dinge galt: Grunge, von vielen schon als das nächste Revival angekündigt, während die 80er noch gnadenlos ausgeweidet werden, Grunge ohne Krach, J Mascis und Evan Dando lassen freundlich grüßen.
Kurt Vile – Achtung, Wikiwitz: „Not to be confused with Kurt Weill” – Ex-War-On-Drugs-Mitglied, kommt mit so herrlich verschlurftem Gitarrengedengel daher, dass man “Smoke Ring For My Halo” gar nicht mehr weglegen mag. Das Schuldeingeständnis der, zumindest meinerseits madonnenhaft verehrten, Kim Gordon verwundert deshalb keineswegs: “Guilty because I listen to it too much..." Frühere Wurzeln mag der eine oder andere eher beim fabelhaften Nikki Sudden als bei Nick Drake verorten, wiewohl der Bezug zu den frühen 90ern schon offensichtlich scheint. Für die aktuellen Songs wird dann auch gern mal Thurston Moore an die Saiten gebeten, auch wenn ausnahmslos alle Stücke als Einmannkapelle funktionieren.
Hinter der üppigen Haargardine verbirgt sich nebenbei ein recht gescheiter Kopf – auch wenn die Texte größtenteils recht düster ausgefallen sind („Society is my friend, it makes me laugh, down in a cool bloodbath“), so scheint ihm auch abgründiger Humor nicht ganz fremd zu sein. Für das herrliche „On Tour“ gibt’s einen kurzen Blick ins Tagebuch: „I wanna write my whole life down, burn it down to the ground, I wanna sing at the top of my lungs for fun, scream annoyingly ‘cause that’s just me, being me, being free.” Auch wegen solcher Zeilen ahnt man, dass da wieder einer von zwei Seiten brennt und dass der Reiz, den seine Lieder ausstrahlen, auch einen etwas morbiden Beigeschmack hat. Bleibt zu hoffen, dass sich Vile von Dylan nicht nur die lebensbitteren Lyrics, sondern auch dessen unbedingten Behauptungswillen abgeschaut hat ...
http://www.kurtvile.com/
Dienstag, 8. März 2011
Gehört_250
Elbow „Build A Rocket Boys!“ (Universal)
Guy Garvey ist ja eher eine markige, handfeste Erscheinung, eine also, mit der man eher das Modell britischer Landmann verbindet – erdverbunden, Knickerbocker, Öljacke, kariertes Flanell vielleicht, links die Axt, rechts den Spaten, grimmiger Blick allenthalben. Dass dieser Mann in der Lage ist, zarter Poesie einen so verträumten und oft kammermusikalischen Rahmen zu geben, verwundert den Laien. Und selbst der eingeschworene Fan, „The Seldom Seen Kid“ noch im Ohr, mag sich irritiert fragen, woher der Mann nach diesem grandiosen Vorgängeralbum die Chuzpe nimmt, mit „Build A Rocket Boys!“ gegen die Erwartungen der Branche zu arbeiten.
Denn nach dem vollen, pulsierenden und leidenschaftlichen Vorwerk hatte man wohl eher erwartet, Garvey und Kollegen würden dem Erfolgsrezept noch die eine oder andere Tonspur hinzufügen, alles noch komplexer verbasteln. Nichts dergleichen: „We tried to ignore the excitement of the big stages ... concentrated as always on making a record that would leave the listener somewhere other than [where] it found them“ lautet die Maxime und die acht Minuten zu Beginn sind die Vertonung dazu. Nörgelnde Gitarre, vorsichtig noch, erst nach der Hälfte ein quietschfiedeles Synthiemotiv , dann Orchester, breit, groß, ausladend. Bis bei „Neat Little Rows“ kurzzeitig wieder Leben in die Bude kommt, wird die Kulisse aber streng heruntergedimmt und gnadenlos reduziert. Und auch nach dem kraftvoll stampfenden Ausreißer kehrt Garvey dem Lauten wieder den Rücken, fast so als hätte er Angst, etwas Zerbrechliches zu zerstören. Es bleibt dies die Platte der leiseren, der besinnlichen Töne, der monoton geschlagenen Pianotasten, hier mal ein Horn, da eine Streichersequenz, alles untergeordnet der nach wie vor überragenden Stimme des Meisters selbst.
Verirrt sich mal ein lauteres Schlagwerk in einen Song wie bei „High Ideals“, wird es schnell auf ein Handclapping zurechtgestutzt und auch das Roxette-Riff, nebenbei eine sehr amüsante Idee, läßt sich nur kurz blicken. „Lyrically“, so Garvey, „this is a record about the ups and downs of being young through the eyes of someone who loved and hated it all at the same time“ – er hätte die Platte in Anlehnung an Schätzchen Adele also durchaus auch „22“ nennen können – für solche Spielereien ist er aber wohl einen Tick zu alt. Irgendwie hat man später das Gefühl, er möchte sich selbst in vergangenen Zeiten Trost zurufen, wenn er für „Open Arms“ versichert: „We got open arms for broken hearts, like yours my boy, come home again“. Ein leises Album, dass man gern laut hören darf, erst dann nämlich fängt einen der wohl dosierte Sound ein, erst dann ist man – glücklicherweise – endgültig verloren.
http://www.elbow.co.uk/
Guy Garvey ist ja eher eine markige, handfeste Erscheinung, eine also, mit der man eher das Modell britischer Landmann verbindet – erdverbunden, Knickerbocker, Öljacke, kariertes Flanell vielleicht, links die Axt, rechts den Spaten, grimmiger Blick allenthalben. Dass dieser Mann in der Lage ist, zarter Poesie einen so verträumten und oft kammermusikalischen Rahmen zu geben, verwundert den Laien. Und selbst der eingeschworene Fan, „The Seldom Seen Kid“ noch im Ohr, mag sich irritiert fragen, woher der Mann nach diesem grandiosen Vorgängeralbum die Chuzpe nimmt, mit „Build A Rocket Boys!“ gegen die Erwartungen der Branche zu arbeiten.
Denn nach dem vollen, pulsierenden und leidenschaftlichen Vorwerk hatte man wohl eher erwartet, Garvey und Kollegen würden dem Erfolgsrezept noch die eine oder andere Tonspur hinzufügen, alles noch komplexer verbasteln. Nichts dergleichen: „We tried to ignore the excitement of the big stages ... concentrated as always on making a record that would leave the listener somewhere other than [where] it found them“ lautet die Maxime und die acht Minuten zu Beginn sind die Vertonung dazu. Nörgelnde Gitarre, vorsichtig noch, erst nach der Hälfte ein quietschfiedeles Synthiemotiv , dann Orchester, breit, groß, ausladend. Bis bei „Neat Little Rows“ kurzzeitig wieder Leben in die Bude kommt, wird die Kulisse aber streng heruntergedimmt und gnadenlos reduziert. Und auch nach dem kraftvoll stampfenden Ausreißer kehrt Garvey dem Lauten wieder den Rücken, fast so als hätte er Angst, etwas Zerbrechliches zu zerstören. Es bleibt dies die Platte der leiseren, der besinnlichen Töne, der monoton geschlagenen Pianotasten, hier mal ein Horn, da eine Streichersequenz, alles untergeordnet der nach wie vor überragenden Stimme des Meisters selbst.
Verirrt sich mal ein lauteres Schlagwerk in einen Song wie bei „High Ideals“, wird es schnell auf ein Handclapping zurechtgestutzt und auch das Roxette-Riff, nebenbei eine sehr amüsante Idee, läßt sich nur kurz blicken. „Lyrically“, so Garvey, „this is a record about the ups and downs of being young through the eyes of someone who loved and hated it all at the same time“ – er hätte die Platte in Anlehnung an Schätzchen Adele also durchaus auch „22“ nennen können – für solche Spielereien ist er aber wohl einen Tick zu alt. Irgendwie hat man später das Gefühl, er möchte sich selbst in vergangenen Zeiten Trost zurufen, wenn er für „Open Arms“ versichert: „We got open arms for broken hearts, like yours my boy, come home again“. Ein leises Album, dass man gern laut hören darf, erst dann nämlich fängt einen der wohl dosierte Sound ein, erst dann ist man – glücklicherweise – endgültig verloren.
http://www.elbow.co.uk/
Montag, 7. März 2011
Gehört_249
Wye Oak „Civilian“ (City Slang)
Schon einigermaßen erschreckend, wie oft man in den letzten Tagen regelrecht gezwungen wird, Liam Gallagher als Stilmittel einer Rezension zu verwenden. Gut, bei Beady Eye war natürlich kein Auskommen, aber dass er einen auch bei Radiohead und, hier aktuell, dem wunderbaren Noisefolkduo Wye Oak aus Baltimore in den Ring zwingt, sollt einem doch zu denken geben. In einem Interview mit der Netzplattform The Quietus machte sich der Mann nämlich kürzlich seinen Gedanken über Thom Yorkes neuestes Werk gewohnt lautstark Luft: „"I heard that f* Radiohead record and I just go, 'What?!’ I like to think that what we do, we do f* well. Them writing a song about a f* tree? Give me a f* break! A thousand year old tree? Go f* yourself!”
Mangel an Deutlichkeit kann man ihm jedenfalls nicht vorwerfen, auch wenn ihm die eine oder andere Windung mehr gut zu Gehirn stehen würde – sei’s drum. Man fragt sich nun vielleicht, was Mr. Gallagher von Wye Oak halten mag, denn Jenn Wasner und Andy Stack haben ihre Vorliebe für alte Baumriesen gleich im Bandnamen verewigt. Eine Meinung zu „Civilian“ kann sich natürlich, das ist jetzt keine große Überraschung, trotzdem auch der bilden, der es nicht so mit tausendjährigen, knorrigen Tief- oder Flachwurzlern hat.
Dass Wye Oak eine angenehm selten gehörte Mischung aus zartem, berückendem Folk und knochenbrechender Bluesgitarre auf ihrem mittlerweile dritten Longplayer zelebrieren, macht sie jedenfalls mehr als nur interessant. Nach einem eher traditionellen, zurückhaltenden Einstieg auf flauschigen Midlake-Pfaden haut einen das mächtige „Holy Holy“ regelrecht aus den Latschen. Ein Riff, wie es Thurston Moore nicht besser fräsen könnte, eröffnet eine – zumindest mal für dieses Jahr – neue Hymne des Indierock. Bei „Dogs Eyes“ gibt’s ein ähnlich trockenes Gitarrenbrett, allerdings im Wechselspiel mit einer eher versponnen-freundlichen Melodie. Im Titelstück, so schön, dass es beinahe schmerzt, treffen einen die hart angerissenen Saiten wie ein überraschender und doch willkommener Platzregen.
Mehr davon, „Plains“ und „Hot As Day“ – auch bei Wye Oak hat man, ähnlich hier den White Stripes oder den Black Keys, das Gefühl, dass sie zu zweit ein so hohes Maß an Vielfalt, Komplexität und Kraft zu erreichen vermögen, dass ein Mehr an Personal diesen Zauber unweigerlich zerstören würde. Und am Ende gelingt den Zweien dann noch so ein akkustisches Zauberstück (Doubt): “If you should doubt my heart, remember this, that i would lie to you if I believed it was right to do ...” Ohne Zweifel ist das eine ganz und gar prächtige Platte geworden, und was Liam Gallagher dazu sagen wird, ist – man ahnt es schon – nicht wirklich wichtig …
http://www.wyeoakmusic.com/
Schon einigermaßen erschreckend, wie oft man in den letzten Tagen regelrecht gezwungen wird, Liam Gallagher als Stilmittel einer Rezension zu verwenden. Gut, bei Beady Eye war natürlich kein Auskommen, aber dass er einen auch bei Radiohead und, hier aktuell, dem wunderbaren Noisefolkduo Wye Oak aus Baltimore in den Ring zwingt, sollt einem doch zu denken geben. In einem Interview mit der Netzplattform The Quietus machte sich der Mann nämlich kürzlich seinen Gedanken über Thom Yorkes neuestes Werk gewohnt lautstark Luft: „"I heard that f* Radiohead record and I just go, 'What?!’ I like to think that what we do, we do f* well. Them writing a song about a f* tree? Give me a f* break! A thousand year old tree? Go f* yourself!”
Mangel an Deutlichkeit kann man ihm jedenfalls nicht vorwerfen, auch wenn ihm die eine oder andere Windung mehr gut zu Gehirn stehen würde – sei’s drum. Man fragt sich nun vielleicht, was Mr. Gallagher von Wye Oak halten mag, denn Jenn Wasner und Andy Stack haben ihre Vorliebe für alte Baumriesen gleich im Bandnamen verewigt. Eine Meinung zu „Civilian“ kann sich natürlich, das ist jetzt keine große Überraschung, trotzdem auch der bilden, der es nicht so mit tausendjährigen, knorrigen Tief- oder Flachwurzlern hat.
Dass Wye Oak eine angenehm selten gehörte Mischung aus zartem, berückendem Folk und knochenbrechender Bluesgitarre auf ihrem mittlerweile dritten Longplayer zelebrieren, macht sie jedenfalls mehr als nur interessant. Nach einem eher traditionellen, zurückhaltenden Einstieg auf flauschigen Midlake-Pfaden haut einen das mächtige „Holy Holy“ regelrecht aus den Latschen. Ein Riff, wie es Thurston Moore nicht besser fräsen könnte, eröffnet eine – zumindest mal für dieses Jahr – neue Hymne des Indierock. Bei „Dogs Eyes“ gibt’s ein ähnlich trockenes Gitarrenbrett, allerdings im Wechselspiel mit einer eher versponnen-freundlichen Melodie. Im Titelstück, so schön, dass es beinahe schmerzt, treffen einen die hart angerissenen Saiten wie ein überraschender und doch willkommener Platzregen.
Mehr davon, „Plains“ und „Hot As Day“ – auch bei Wye Oak hat man, ähnlich hier den White Stripes oder den Black Keys, das Gefühl, dass sie zu zweit ein so hohes Maß an Vielfalt, Komplexität und Kraft zu erreichen vermögen, dass ein Mehr an Personal diesen Zauber unweigerlich zerstören würde. Und am Ende gelingt den Zweien dann noch so ein akkustisches Zauberstück (Doubt): “If you should doubt my heart, remember this, that i would lie to you if I believed it was right to do ...” Ohne Zweifel ist das eine ganz und gar prächtige Platte geworden, und was Liam Gallagher dazu sagen wird, ist – man ahnt es schon – nicht wirklich wichtig …
http://www.wyeoakmusic.com/
Gefunden_91
Da muss ein fetter Dank an den Ciri gehen, denn kein Mensch kann ahnen, dass in einem Interview zwischen Alexa Hennig von "Huch, ich habe kein Hösschen an!" Lange und Gem Archer und Liam Gallagher (ja die) in der FAS (genau da) wirklich witzige Dinge passieren können. Kostprobe? Also, der Archer: "Mit einem Mal war mir klar: Jazz-Musik ist rund, Soul-Musik hat Ecken." Oder der Gallagher: "Ich glaube, du wirst immer wieder geboren, so lange bis du ein paar Sachen wirklich gecheckt hast. Es gibt Leute, die sehr früh sterben, die müssen wiederkommen. Kinder und so weiter. Wenn du mit neun Jahren stirbst, musst du wiederkommen." Aber jetzt kommt's, aufgepaßt - die Lange: "Wie fühlt sich das an, eine solch außerordentliche musische Begabung zu haben?" Völlig angstfrei, das alles. Der Hammer! Selber lesen: hier.
Gefunden_90
Natürlich diskutieren sie bei Bayern jetzt all' die taktischen Problemchen im Zusammenhang mit der T-Frage nach dem lustigen Motto "Wann fliegt der Holländer?" Irgendwann werden sie aber entdecken, dass die Misere damit begann, dass Mario Gomez vom 80er-Revival Wind bekommen hatte und daraufhin sein Haarbändchen in die Ecke pfefferte, um fortan mit einer noch schlimmeren Frisur auch den letzten Fan zu vergraulen ...
Freitag, 4. März 2011
Schietkram!
Gerade erst hatte die Süddeutsche nach einigen verdienten Verrissen und kleineren Irrtümern den Hamburger Tatort mit Mehmet-("Mir scheint die Sonne aus dem Arsch")-Kurtulus völlig zutreffend zum einzig rettenden Lichtblick in der ansonsten unglaublich drögen öffentlich-rechtlichen Krimi-Reihe geadelt, da meldet der Kress-Report auch schon, dass Kurtulus als verdeckter Ermittler Cenk Batu nurmehr noch zweimal den großen Schweiger geben wird, dann will er den Job schon wieder an den Nagel hängen ...
Gehört_248
R.E.M. „Collapse Into Now“ (Warner)
Auch wenn man R.E.M. grundsätzlich mit Respekt und aller gebotenen Hochachtung begegnet, darf man die vollmundigen Ankündigungen von Band und Plattenfirma ruhig mit einer gesunden Skepsis betrachten. Bis zu ihrem letzten wirklich großen Werk „Up“ aus dem Jahr 1998 haben die Mannen um Michael Stipe einen schier unerschöpflichen Vorrat an bravourösen Songs angehäuft, mit dem sie getrost mehrere Tage am Stück konzertieren könnten, ohne dass sie Gefahr liefen sich zu wiederholen oder hörbar an Qualität einzubüßen. Seltsamerweise wirken ihre Platten aber seit der Jahrtausendwende wie unsichere Gehversuche auf unbekanntem Terrain, etwas orientierungslos die Songs und manchmal auch beliebig, was erstaunlich ist für eine Formation, die wie kaum eine andere die 80er und 90er Jahre geprägt hat und vor Selbstvertrauen eigentlich nur so strotzen sollte.
Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Möglicherweise ist der klassische R.E.M.-Song ihnen ein wenig zum Gefängnis geworden, denn so gut sie diese gefühlvollen und zu Herzen gehenden Midtempo-Nummern wie die aktuellen „Überlin“, „Everyday Is Yours To Win“ und „Walk It Back“ noch immer hinbekommen, es bleibt ihnen offenkundig nicht mehr als sie immer wieder aufs Neue zu perfektionieren und selbst bei den treuesten Anhängern sollte nach einiger Zeit ein gewisses Sättigungsgefühl eintreten. Versuchen sie andererseits, aus dem selbst verordneten Korsett auszubrechen – das Paradebeispiel „Monster“ liegt nun schon einige Jahre zurück – dann klingt das nicht selten bemüht und steif. Die beiden ersten Stücke, „Discoverer“ und „All The Best“, sind sicher als muntere Aufwecker gedacht, leider klingt bei Feingeistern wie Michael Stipe das rockige manchmal eine Spur ordinär. Auch das krachige „Alligator Aviator ...“ macht da keine Ausnahme – spaßig gemeint, klingt es doch eher hölzern und sperrig und steht wohl für das, was R.E.M. schon bei besagtem „Monster“ unter „Punk“ (miss)verstanden.
Wie es gelingen kann, zeigt das Trio am Ende der Platte: „That Someone Is You“ erinnert mit seiner forschen Unbekümmertheit an die großen Zeiten von „Murmur“ und „Reckoning“, anschließend setzt sich Stipe mit Marlon Brando zum Pow-Wow an das Feuer, an dem auch Bob Dylan und Johnny Cash schon miteinander klönten. Ganz zum Schluss noch das obligatorische Duett mit Patti Smith („Blue“), ein feiner Song, unterlegt mit elektrischem Gitarrenfeedback, das so ebenfalls beim grandiosen „Leave“ vom 96er Album „New Adventures in Hi-Fi“ eine passende Veredelung war.
Übrigens: Sollte sich die musikalische Untermalung bei R.E.M. dauerhaft als wenig erbaulich erweisen, dann würde ich die Lyrics von Michael Stipe immer noch ungesehen in Buchform kaufen, denn wenigstens da hat der Popwelt größter Melancholiker noch meilenweit die Nase vorn. Wer schreibt schon noch so schöne Zeilen wie „The winners write the rulebooks, the histories and lullabies“ (Marlon Brando) oder „With the restraint of New Order covers, young marble giants, I sat quietly waiting ... and with the fury lock of Sharon Stone Casino, Scarface, Al Pacino, '74 Torino, waiting for someone else to make the first move,..“ (That Someone Is You). Deshalb und weil sie sich noch immer rührend am Weltschmerz abarbeiten und trotzdem grundsympathische Kerle geblieben sind – deshalb ist auch diese Platte keine schlechte.
Auch wenn man R.E.M. grundsätzlich mit Respekt und aller gebotenen Hochachtung begegnet, darf man die vollmundigen Ankündigungen von Band und Plattenfirma ruhig mit einer gesunden Skepsis betrachten. Bis zu ihrem letzten wirklich großen Werk „Up“ aus dem Jahr 1998 haben die Mannen um Michael Stipe einen schier unerschöpflichen Vorrat an bravourösen Songs angehäuft, mit dem sie getrost mehrere Tage am Stück konzertieren könnten, ohne dass sie Gefahr liefen sich zu wiederholen oder hörbar an Qualität einzubüßen. Seltsamerweise wirken ihre Platten aber seit der Jahrtausendwende wie unsichere Gehversuche auf unbekanntem Terrain, etwas orientierungslos die Songs und manchmal auch beliebig, was erstaunlich ist für eine Formation, die wie kaum eine andere die 80er und 90er Jahre geprägt hat und vor Selbstvertrauen eigentlich nur so strotzen sollte.
Über die Gründe dafür kann man nur spekulieren. Möglicherweise ist der klassische R.E.M.-Song ihnen ein wenig zum Gefängnis geworden, denn so gut sie diese gefühlvollen und zu Herzen gehenden Midtempo-Nummern wie die aktuellen „Überlin“, „Everyday Is Yours To Win“ und „Walk It Back“ noch immer hinbekommen, es bleibt ihnen offenkundig nicht mehr als sie immer wieder aufs Neue zu perfektionieren und selbst bei den treuesten Anhängern sollte nach einiger Zeit ein gewisses Sättigungsgefühl eintreten. Versuchen sie andererseits, aus dem selbst verordneten Korsett auszubrechen – das Paradebeispiel „Monster“ liegt nun schon einige Jahre zurück – dann klingt das nicht selten bemüht und steif. Die beiden ersten Stücke, „Discoverer“ und „All The Best“, sind sicher als muntere Aufwecker gedacht, leider klingt bei Feingeistern wie Michael Stipe das rockige manchmal eine Spur ordinär. Auch das krachige „Alligator Aviator ...“ macht da keine Ausnahme – spaßig gemeint, klingt es doch eher hölzern und sperrig und steht wohl für das, was R.E.M. schon bei besagtem „Monster“ unter „Punk“ (miss)verstanden.
Wie es gelingen kann, zeigt das Trio am Ende der Platte: „That Someone Is You“ erinnert mit seiner forschen Unbekümmertheit an die großen Zeiten von „Murmur“ und „Reckoning“, anschließend setzt sich Stipe mit Marlon Brando zum Pow-Wow an das Feuer, an dem auch Bob Dylan und Johnny Cash schon miteinander klönten. Ganz zum Schluss noch das obligatorische Duett mit Patti Smith („Blue“), ein feiner Song, unterlegt mit elektrischem Gitarrenfeedback, das so ebenfalls beim grandiosen „Leave“ vom 96er Album „New Adventures in Hi-Fi“ eine passende Veredelung war.
Übrigens: Sollte sich die musikalische Untermalung bei R.E.M. dauerhaft als wenig erbaulich erweisen, dann würde ich die Lyrics von Michael Stipe immer noch ungesehen in Buchform kaufen, denn wenigstens da hat der Popwelt größter Melancholiker noch meilenweit die Nase vorn. Wer schreibt schon noch so schöne Zeilen wie „The winners write the rulebooks, the histories and lullabies“ (Marlon Brando) oder „With the restraint of New Order covers, young marble giants, I sat quietly waiting ... and with the fury lock of Sharon Stone Casino, Scarface, Al Pacino, '74 Torino, waiting for someone else to make the first move,..“ (That Someone Is You). Deshalb und weil sie sich noch immer rührend am Weltschmerz abarbeiten und trotzdem grundsympathische Kerle geblieben sind – deshalb ist auch diese Platte keine schlechte.
Mittwoch, 2. März 2011
Gehört_247
Beady Eye „Different Gear, Still Speeding“ (Indigo)
Während ich dies hier schreibe, komme ich mir ein wenig so vor wie der Großmeister des ostfriesischen Autorenfilms Otto Waalkes. Nicht weil ich schon so lichtes, dünnes Haupthaar hätte oder mich in unbeobachteten Momenten mit meinem Fön unterhielte. Sondern weil sich, ist einer der beiden Gallaghers im Spiel, fast zwangsläufig, wie in einer von Waalkes‘ cineastischen Glanztaten, ein Engel und ein Teufel in Miniaturformat auf meine Schulter setzen. Und letzterer schreit so laut, dass sein Widerpart kaum zu verstehen ist, auf mich ein: „Hau sie in die Pfanne! Und nicht zu knapp! Haben doch eh‘ alle einen an der Waffel! Sind sowas von vorgestern! Will keiner hören!“
Wie gesagt, vom Engel habe ich noch nichts gehört und so ganz ohne sorgsam gepflegte Vorurteile komme auch ich nicht aus. Was die Frage aufwirft, wie objektiv lässt sich eine Platte beurteilen, die federführend von einer arroganten Dumpfbacke wie Liam Gallagher verantwortet wird? Gar nicht, sonnenklar. Über die zeitgeschichtliche Bedeutung des Oasis-Nachfolgers kann man sicher trefflich streiten, Fakt ist jedoch, dass ich mich, wie wohl viele, diesem Album mit neugierigem Schaudern und der quasi voyeuristischen Hoffnung auf maximales Scheitern nähere.
Und enttäuscht werde. Kein Absturz, kaum Zumutung und schon gar kein Grund zur Schadenfreude. Dass „Different Gear...“ reinster Retrobeat ist, die vollkommene Rückwendung zu den Glanzzeiten des Rock’n Roll also, dürfte keine große Überraschung sein – wer wegweisend Neues erwartet hatte, muss ein ahnungsloser Tropf sein. Hat man das einmal kapiert, macht das Album dann sogar Spaß. Eine kleine Einschränkung gleich zu Beginn: Der Einstieg folgt dem Motto „Gefällt Euch nicht? Ich spiel‘s trotzdem!“, denn „Four Letter Words“ ist uninspirierter, breitbeiniger Schweinerock und wenn wir gerade dabei sind, zu dieser ärgerlichen Kategorie zählt auch „Standing At The Edge ...“ als verunglückte Kopie des famosen „Get Back“ (dennoch sollte es keinen wundern, wenn Liam demnächst behaupten würde, gerade diese beiden Songs seien das Größte, was er jemals geschrieben habe).
Egal, denn das soll’s mit den Verfehlungen auch schon gewesen sein, der Rest der Platte kommt erstaunlich frisch daher. „Millionair“, „The Roller“, „Wind Up Dream“, allesamt gut abgehangene Gitarrenbretter, schön getreten auch das Manifest „Beatles And Stones“ („Well it beats me mama, I just want to rock and roll, I'm gonna stand the test of time like Beatles and Stones“) – den Verweis auf eine ähnlich gelagerte Kuschelversion von The House Of Love würden Beady Eye sicher müde belächeln. „Bring The Light“ ist einem Oasis-Song wohl noch am nächsten, bei „For Anyone“ ist entspanntes Schlendern angesagt und für „Kill For A Dream“ und „The Beat Goes On“ werden die Beatles auf durchaus erträgliche Weise beliehen. Als persönlicher Favorit dann noch das quengelige „Three Ring Circus“, die psychedelischen Schlieren bei „The Morning Son“ hätten im Gegensatz zum weit spannenderen „Wigwam“ gern etwas kürzer ausfallen dürfen.
Wenn Liam Gallagher in einem Interview behauptet, die Platte würde mit einem Lied weniger etwas humpeln, dann entspricht das zwar seinem Selbstverständnis, darf aber getrost bezweifelt werden. Ansonsten: Wenn vieles auf „Different Gear...“ eine Nummer kleiner geraten ist als noch bei den letzten, recht fragwürdigen, gemeinsamen Veröffentlichungen zusammen mit seinem Bruder Noel, dann hilft das der Platte deutlich. Die ganz großen Songideen sucht man wohl auch vergeblich. Dass Beady Eye aber jenseits aller großmäuligen Versalien und Imperative durchaus für ordentliches Entertainment taugen, das ist wahrscheinlich für viele die schmerzhafteste Überraschung.
http://www.beadyeyemusic.com/
Während ich dies hier schreibe, komme ich mir ein wenig so vor wie der Großmeister des ostfriesischen Autorenfilms Otto Waalkes. Nicht weil ich schon so lichtes, dünnes Haupthaar hätte oder mich in unbeobachteten Momenten mit meinem Fön unterhielte. Sondern weil sich, ist einer der beiden Gallaghers im Spiel, fast zwangsläufig, wie in einer von Waalkes‘ cineastischen Glanztaten, ein Engel und ein Teufel in Miniaturformat auf meine Schulter setzen. Und letzterer schreit so laut, dass sein Widerpart kaum zu verstehen ist, auf mich ein: „Hau sie in die Pfanne! Und nicht zu knapp! Haben doch eh‘ alle einen an der Waffel! Sind sowas von vorgestern! Will keiner hören!“
Wie gesagt, vom Engel habe ich noch nichts gehört und so ganz ohne sorgsam gepflegte Vorurteile komme auch ich nicht aus. Was die Frage aufwirft, wie objektiv lässt sich eine Platte beurteilen, die federführend von einer arroganten Dumpfbacke wie Liam Gallagher verantwortet wird? Gar nicht, sonnenklar. Über die zeitgeschichtliche Bedeutung des Oasis-Nachfolgers kann man sicher trefflich streiten, Fakt ist jedoch, dass ich mich, wie wohl viele, diesem Album mit neugierigem Schaudern und der quasi voyeuristischen Hoffnung auf maximales Scheitern nähere.
Und enttäuscht werde. Kein Absturz, kaum Zumutung und schon gar kein Grund zur Schadenfreude. Dass „Different Gear...“ reinster Retrobeat ist, die vollkommene Rückwendung zu den Glanzzeiten des Rock’n Roll also, dürfte keine große Überraschung sein – wer wegweisend Neues erwartet hatte, muss ein ahnungsloser Tropf sein. Hat man das einmal kapiert, macht das Album dann sogar Spaß. Eine kleine Einschränkung gleich zu Beginn: Der Einstieg folgt dem Motto „Gefällt Euch nicht? Ich spiel‘s trotzdem!“, denn „Four Letter Words“ ist uninspirierter, breitbeiniger Schweinerock und wenn wir gerade dabei sind, zu dieser ärgerlichen Kategorie zählt auch „Standing At The Edge ...“ als verunglückte Kopie des famosen „Get Back“ (dennoch sollte es keinen wundern, wenn Liam demnächst behaupten würde, gerade diese beiden Songs seien das Größte, was er jemals geschrieben habe).
Egal, denn das soll’s mit den Verfehlungen auch schon gewesen sein, der Rest der Platte kommt erstaunlich frisch daher. „Millionair“, „The Roller“, „Wind Up Dream“, allesamt gut abgehangene Gitarrenbretter, schön getreten auch das Manifest „Beatles And Stones“ („Well it beats me mama, I just want to rock and roll, I'm gonna stand the test of time like Beatles and Stones“) – den Verweis auf eine ähnlich gelagerte Kuschelversion von The House Of Love würden Beady Eye sicher müde belächeln. „Bring The Light“ ist einem Oasis-Song wohl noch am nächsten, bei „For Anyone“ ist entspanntes Schlendern angesagt und für „Kill For A Dream“ und „The Beat Goes On“ werden die Beatles auf durchaus erträgliche Weise beliehen. Als persönlicher Favorit dann noch das quengelige „Three Ring Circus“, die psychedelischen Schlieren bei „The Morning Son“ hätten im Gegensatz zum weit spannenderen „Wigwam“ gern etwas kürzer ausfallen dürfen.
Wenn Liam Gallagher in einem Interview behauptet, die Platte würde mit einem Lied weniger etwas humpeln, dann entspricht das zwar seinem Selbstverständnis, darf aber getrost bezweifelt werden. Ansonsten: Wenn vieles auf „Different Gear...“ eine Nummer kleiner geraten ist als noch bei den letzten, recht fragwürdigen, gemeinsamen Veröffentlichungen zusammen mit seinem Bruder Noel, dann hilft das der Platte deutlich. Die ganz großen Songideen sucht man wohl auch vergeblich. Dass Beady Eye aber jenseits aller großmäuligen Versalien und Imperative durchaus für ordentliches Entertainment taugen, das ist wahrscheinlich für viele die schmerzhafteste Überraschung.
http://www.beadyeyemusic.com/
Dienstag, 1. März 2011
Dave macht den Horst
Schade schade - dabei hätte man den Mann mit dem hochgekrempelten Sakko gern mal live gesehen, Pustekuchen. Dave Pajo, vor nicht allzu langer Zeit als Ersatz für Carlos Dengler bei Interpol als Bassist vorgestellt, hat schon wieder das Weite gesucht und möchte gern mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Ah ja. Neu dabei jetzt für die Shows: Brad Truax. Und wenn Google nicht lügt, dann ist das ganz eine coole Sau*.
* Möglicherweise habe ich auch nicht lang genug nach adäquatem Bildmaterial gesucht ...
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