Montag, 20. August 2018

Death Cab For Cutie: Beschwingte Sanftmut

Death Cab For Cutie
„Thank You For Today“
(Atlantic)

Vielleicht ist es tatsächlich so, daß etwas nicht „zu schön“ sein kann. Aber die Frage wird kommen. Denn die Songs von Death Cab For Cutie finden sich (vermutlich) seit jeher am häufigsten auf solchen Playlists und Mixtapes, die mit Stimmigkeit, Harmonie und Schönheit punkten wollen. Solche Lieder wollen gefallen und genau das möchte man ja irgendwie auch, wenn man sie verlinkt, teilt oder (Achtung: Steinzeitwort) aufnimmt. Und auf den Alben der Band, ob nun wie der Großteil vom ehemaligen Gitarristen Chris Walla oder, wie die letzten beiden, von Rich Costey produziert, klebte ja immer der imaginäre Sticker „Popmagie“ drauf, so rund, so geschmeidig und eingängig waren fast alle der darauf befindlichen Stücke. Sie nicht zu mögen war geradezu unmöglich, ihnen Gefallsucht oder übertriebene Perfektion vorwerfen zu wollen, schien unangebracht und vermessen. Die Befürchtung, nach Wallas Abgang würde sich daran Grundlegendes ändern, zerstob mit „Kintsugi“ nach wenigen Minuten, und wird sich, das können wir vorwegnehmen, auch jetzt nicht bestätigen.

Denn in Ben Gibbard hat das Quintett aus Washington noch immer einen der besten, weil geschmackssichersten Songwriter des amerikanischen Indiepop in seinen Reihen und in Costey einen Mann an den Reglern, der – laut Gibbard – den unbestechlichen, objektiven Blick von außen in die Produktion einbringt und weiß, was gut ist für ein DCFC-Album und was eher nicht. Und so auch mit dem neunten Album die Geschichte der Band als Konstante im besten Sinne fortschreibt. Natürlich sind sie älter geworden, Gibbard ist knapp über die vierzig gerutscht und sieht sich, wie er gern sagt, in der Mitte des Lebens. Und möchte von dort aus, wie wahrscheinlich viele andere in diesem Alter auch, gern ein wenig mehr Dankbarkeit und Achtsamkeit in seinen Songs anklingen lassen. Dass diese dennoch keinerlei kitschige Erbaulichkeit verströmen, liegt wohl am sicheren Gespür und Verantwortungsbewußtsein des Künstlers für sein Werk. Und zu gleichen Teilen am Sound der Band selbst. Denn beschauliche Akustik findet hier eher am Rande statt.



Der Großteil der Stücke federt frisch und mit den gewohnt perlenden Gitarrenhooks ausgerüstet durchs Programm. Es mag auch an Gibbards Timbre liegen, dass man nicht eben selten an Neil Tennant und seine Pet Shop Boys denken muß. Die lakonische Melancholie tut ein Übriges, wenn Vergangenem nachgetrauert („Gold Rush“), über schmerzliche Veränderungen sinniert wird („I Dreamt We Spoke Again“/“You Moved Away“). Freundschaften werden gefeiert, die seltenen Augenblicke der Glückseligkeit sowieso und manchmal kippt Gibbards Gefühligkeit mitsamt der Grundierung dann doch kurz, wie bei „Northern Lights“, ins Liebliche. Auch der Schluß mit „60 And Punk“ kramt doch in allzu bekannten Sozialklischees („There's nothing elegant in being a drunk, it's nothing righteous being 60 and punk. But when you're looking in the mirror do you see, that kid that you used to be?“). Geschenkt, mißmutiges Kriteln und Granteln kann einem hier schnell als neunmalgescheit oder Neid ausgelegt werden. Es ist gut, Songs mit beschwingter Sanftmut und leiser Ironie wie diese zu haben. An Gelegenheiten, da man sie gut brauchen kann, wird es, das weiß wohl auch Gibbard, mit zunehmendem Alter nicht mangeln. https://deathcabforcutie.com/

06.02.  Köln, Live Music Hall
07.02.  Berlin, Astra Kulturhaus
09.02.  Hamburg, Große Freiheit

Far Caspian: Rückbesinnung

Bäume, Wälder, solche Dinge sind ja seit einiger Zeit wieder stark im Kommen. Nun gut, momentan sind sie eher am Abbrennen. Aber die Rückbesinnung auf Natur, Ursprünglichkeit und den Ruf der Wildnis haben mit der zeitgleichen Beschleunigung des Digitalen in unserem Leben wieder an Bedeutung gewonnen - es muß ja nicht immer gleich Thoreau's "Walden" sein, das zur Nachahmung drängt, ein Gang durch den Forst nebenan tut es zunächst auch. Das britische Trio Far Caspian scheint da Ähnliches im Sinn zu haben, Nadelhölzer zieren ihre Plattenhüllen, ein Song nennt sich gar "Let's Go Outside" und wenn man weiß, dass ihre Heimatstadt Leeds eine prosperierende Industriestadt mit über 400.000 Einwohnern ist, dann kann man das durchaus nachvollziehen. Der atmosphärische Folkrock auch ihrer aktuellen Single "The Place", der ein wenig an Formationen wie Grizzly Bear oder Band Of Horses erinnert, verführt jedenfalls zum Innehalten und Durchatmen. Und das kann bei all der Hektik um einen herum ja kaum schaden.

Samstag, 18. August 2018

Parquet Courts: Britain first [Update]

Parquet Courts
„Wide Awake“

(Rough Trade)

Würde man einen Europäer fragen, wer ihm in der Not denn näher stände – der verpeilte Brexit-Brite oder der fehlgeleitete Amok-Amerikaner, er würde wohl doch zum zwar bemitleidenswerten, aber doch humor- und kulturvollen Inselbewohner tendieren. Lustigerweise tut das der Amerikaner manchmal auch, denn ab und an kommt einem eine Band in die Quere, die zwar aus Übersee stammt, aber englischer nicht klingen könnte. So auch Parquet Courts. Schon das letzte Album des Quartetts aus Texas, das unter dem schönen Namen „Human Performance“ 2016 erschien, mischte auf unterhaltsame Weise schmissigen Punk, psychedelischen Spätsechziger-Rock und feine Popideen und auch jetzt sind es vornehmlich die Stranglers und vor allem The Clash, an die einen Andrew Savage und Kollegen erinnern.



Auf einem Foto des Independent, gerade zu einem Interview erschienen, sieht man die Jungs mit vor’s Gesicht geschlagenen Händen sitzen und natürlich stehen da die Assoziationen Schlange: Können sie das Elend im eigenen Land nicht mehr mit ansehen, sind sie des Chaos unter Trump müde oder wollen sie besser die Augen verschließen, sich besser verstecken vor der Dumm- und Dumpfheit politischer Meinungshoheit in Washington, ganz nach dem kleinkindlichen Motto: Wenn ich keinen sehe, sieht mich auch niemand? Mitnichten, die Parquet Courts haben schon sehr viel Spaß am Proklamieren und Insistieren. Schon beim fabelhaften „Total Football“ nutzen sie einen Begriff aus dem holländischen Ballsport-Lehrbuch, um den Hörern ihre Idee von Gemeinschaft und Zusammenhalt näher zu bringen. In rauflustiger Stimmung geht es weiter – „Almost Had To Start A Fight/In And Out Of Patience“, jetzt wollen sie wissen, was denn besser ist, zuschlagen oder zurückweichen, Konfrontation oder Kompromiss.



Bei „Normalization“ geht es um die Frage, an was wir uns denn noch gewöhnen sollen/dürfen, wo wir die Grenze ziehen, wo Schluß ist mit lustig. Armut, Gewalt, Selbstbetrug, nicht gerade die lustigsten Themen, aber genau die richtigen für eine Punkband wie sie. Der Sound, den Produzent Danger Mouse veredelt hat, hält viele Facetten bereit – von schnell und hart, funky und poppig bis zu den schleppenden Dubsound-Anleihen bei „Before The Water Gets Too High“, zwischendrin mit „Freebird II“ ein Ausflug zu den Beatles, eine schunkelnde Todesbetrachtung samt Kinderchor und am Ende sogar ein wunderbare, einigermaßen optimistische Ode an die Zärtlichkeit: „Nothing reminds the mind of power like the cheap odor of plastic, leaking fumes we crave, consume, the rush it feels fantastic. But like power turns to mold, like a junkie going cold I need the fix of a little tenderness.“ Die besten Briten, die Amerika gerade zu bieten hat. https://parquetcourts.wordpress.com/

04.07.  Berlin, Festsaal Kreuzberg
05.07.  Hamburg, Molotow
17.07.  Düdingen, Bad Bonn
18.11.  Köln, Gebäude 9
19.11.  München, Ampere
20.11.  Frankfurt, Brotfabrik

Update: Nachgereicht gehört von dieser vortrefflichen Band auf alle Fälle das Video zur aktuellen Single "Freebird II".

Donnerstag, 16. August 2018

Christine And The Queens: Je nach Sichtweise

Und noch einmal gönnt sie uns einen Einblick: Am 21. September erscheint "CHRIS", das neue Album von Christine And The Queens und mit "Girlfriend/Damn, Dis-Moi" und "Doesn't Matter" haben wir bereits zwei Stücke davon gehört. Nun kommt mit "5 Dollars" als drittes hinterher und bietet wieder frische Beats, geschmeidigen, funkigen Pop und ein Video von Colin Solal Cardo mit reichlich Spaß und/oder Irritationen, je nachdem, wie man's mit der Hauptdarstellerin hält.

Black Belt Eagle Scout: Rollenverständnis

Wer bei Bild und Name Assoziationen in Richtung amerikanischer Ureinwohner (wir Europäer sagen der Einfachheit halber meist Indianer) hat, liegt so falsch nicht: Denn Katherine Paul ist tatsächlich in einer Reservation der Swinomish-Indianer im Bundesstaat Washington geboren und aufgewachsen. Seit gut zehn Jahren lebt die queere Künstlerin und radikale Feministin in Portland und macht dort unter dem Namen Black Belt Eagle Scout ziemlich beachtliche Musik. Aufgewachsen in der Tradition des spirituellen Gesangs ihrer Urahnen, kam sie später zunächst mit ein paar Bootlegs und VHS-Tapes von Hole und Nirvana in Kontakt - das sollte sie nachhaltig beeinflussen. Erste eigene Versuche startete sie in einer Art Rock'n Roll-Camp für Mädchen, 2014 erschien dann ihr selbstbetiteltes Debütalbum. Der Nachfolger wird nun beim renommierten Label Saddle Creek erscheinen, "Mother Of My Children" wird natürlich hauptsächlich von Pauls Erfahrungen, von ihrem Selbstverständnis als amerikanische Ureinwohnerin in den USA dieser Tage handeln. Und nach der ersten Singleauskopplung "Soft Stud" gibt es hier und heute"Just Lie Down" zu hören.

Mudhoney: Kein Entkommen [Update]

Da kann man jetzt wirklich nicht so tun, als ob es keine Nachricht wäre: Mudhoney haben sich vor über dreißig Jahren in Seattle gegründet, sie haben zeitgleich mit Nirvana die Welt elektrisiert, waren im Gegensatz zu Kobain und Konsorten aus naheliegenden Gründen aber bis heute durchgehend auf Sendung und sind mit kleinen Unterbrechungen auch immer ihrem Label Sub Pop treu geblieben. Man könnte also sagen, Sänger Mark Arm ist ein Traditionalist im besten Sinne, einer, der weitermacht, auch wenn's schwer fällt. Weil er einen Sinn darin sieht. Gerade haben die Herren für den 28. September das zehnte Studioalbum angekündigt, "Digital Garbage" folgt tatsächlich ganze drei Dekaden nach dem Debüt "Superfuzz Bigmuff". Und der Zustand der Welt gibt der Band Anlaß genug, nicht nachzulassen. Denn natürlich arbeiten sich Arm, Turner, Maddison und Peters an den aktuellen Verwerfungen in ihrer Heimat ab, kommentieren sie wenig überraschend den beklagenswerten Zustand der Zivilgesellschaft, an dem beileibe nicht nur ein Donald Trump schuld ist.

In den Liner-Notes des Labels kommentiert der Sänger seine Meinung zum medialen Overflow, auf den sowohl der Albumtitel als auch der Track "Kill Yourself Live" anspielen, wie folgt: „Ich bin nicht auf Social Media, also ist meine Erfahrung etwas begrenzt, aber die Leute scheinen wirklich Bestätigung in der Art zu finden - und dann gibt es Facebook Live, wo Leute Folter und Mord gestreamt haben, oder, im Fall von Philando Castile, von einem Polizisten ermordet wurden. Während des Schreibens dieses Liedes habe ich darüber nachgedacht, wie man, wenn man einmal etwas online gestellt hat, es nicht mehr wegwischen kann. Es wird immer da sein - auch wenn es niemand ausgräbt, es schwebt immer noch irgendwo da draußen." Diesen Dingen zu entkommen ist für ihn nicht möglich: „Ich hätte wirklich gerne Songs darüber geschrieben, wie man einfach am Strand rumhängt und einen schönen Urlaub macht, aber ... das macht wahrscheinlich keinen tollen Rock aus.“ Hier schon mal mit "Paranoid Core" eine erste Hörprobe vorab.

13.11.  Berlin, Festsaal Kreuzberg
14.11.  Hamburg, Fabrik
15.11.  Köln, Gebäude 9
16.11.  Luzern, Schuur
17.11.  Vevey, Rocking Chair
19.11.  Frankfurt, Zoom
20.11.  München, Strom
25.11.  Wien, Arena

Update: Mit "Kill Yourself Live" gibt es hier nun den zweiten Song vom Album.



Mittwoch, 15. August 2018

Annabel Allum: Ohne Unterlass

Songs in erstaunlich schneller Abfolge - und tatsächlich kein schlechter dabei. Das kann nun wirklich nicht jede/r von sich behaupten, Annabel Allum schon. Die überaus talentierte Londonerin veröffentlicht ihre Stücke in einem Turnus, dass selbst wir nicht hinterherkommen - zuletzt waren hier "Beat The Birds", "Rascal" und das fabelhafte "Em(ily)" zu hören, alle von aktuellen ihrer EP "Sorry I'm Not Perceptible". Nun gleich wieder eine weitere Arbeitsprobe, "Fear Naught" steht vorerst für sich allein. Wer möchte, kann sich außerdem die gelungene BBC-Live-Session anschauen, weil aber ein Video keinen Auftritt vor Ort ersetzen kann, hoffen wir immer noch auf ein paar baldige Reisetermine.

Cat Power: Zurück zu den Wurzeln [Update]

Wer Attila heißt, gebürtiger Portugiese und von Beruf Lehrer ist, der hat den 5. Oktober ohnehin dick im Kalender angestrichen, doch nun dürfen sich auch alle anderen (und das sollte allem Ermessen nach die große Mehrheit sein) diesen Tag vormerken. Dann nämlich erscheint via Domino Records das neue Album von Cat Power - wahrlich ein wunderbare Nachricht. Die Haare sind wieder lang, das Gesicht ist schmaler geworden als noch zu Zeiten des Vorgängers "Sun" von 2012. "Wanderer" heißt das neue Werk, elf neue Stücke wird es enthalten (eines davon ein Duett mit Lana Del Rey) und ein erster Teaser zeigt die Künstlerin in karger Landschaft, laut Auskunft von Chan Marshall werden wir viel Folk und Blues zu hören bekommen.

28.10.  Berlin, Astra Kulturhaus

Update: Man sieht sie zwar nicht, aber sie ist dabei - das Duett mit Lana Del Rey ist passenderweise ein Song namens "Woman", begleitet von einer reinen Frauenband. Konsequent.



Idles: Der Reim zur Zeit

"Islam didn't eat your hamster,
Change isn't a crime,
So won't you take my hand, sister
And sing with me in Time"

Ach, wenn wir nur ein Poesiealbum früherer Tage überreicht bekämen, in das man so lustige Gedichte hineinschreiben konnte wie das mit den vier Ecken und der Liebe (oder so) - wir würden diesen ganz und gar ernst gemeinten Spruch aus "Great", dem neuesten Song der Idles, dick und fett buchstabieren, einfach weil er so gut in die Zeit passt. Die Band aus Bristol kommt ja bekanntermaßen (und man kann das gar nicht oft genug wiederholen) bald mit ihrem zweiten Album "Joy As An Act Of Resistance" auf den Markt und bislang kennen wir die Singles "Samaritans", "Danny Nedelko" und "Colossus". Und weil wir sie kennen, wird nichts anderes als das nächste Meisterwerk erwartet. Hier jedenfalls schon mal das Video von Theo Watkins und allgemein die Empfehlung, ab und an mal bei Twitter eines ihrer Haikus zu lesen. Entspannt den Tag ungemein, wirklich.

Schlachthofbronx: Isarwummern

Foto: Sebastian Kempff/Mucbook
Da braucht es nicht viele Worte, sondern eigentlich nur eines: Bass. Und vielleicht kann auch Helena Hauff - siehe vorheriger Post - mit der Scheibe etwas anfangen. Denn das Münchner DJ-Duo Schlachthofbronx hat eine neue 7" am Start - "Dun Dem/Sound Bad" kommt auf ZamZam Sounds und weil das Label um die Nöte und Sorgen der Käufer weiß, gibt es gleich noch eine kleine Anleitung dazu: "Both tunes were tested, worked, and reworked through Schlachthofbronx’ non-stop global touring schedule. Results in the dance speak for themselves – we think you’ll have trouble knowing which side to reach for first. Do you want a sound system missile, or a sound system bomb??" Na, wenn das mal kein Service ist...

Dienstag, 14. August 2018

Helena Hauff: Prinzipiell anachronistisch

Helena Hauff
„Qualm“

(Ninja Tune)

Instrumental-Alben haben es bei der breiten Masse nicht immer einfach, sind so etwas wie die Stiefkinder im Musikbusiness. Immer dann, wenn sich Grenzbereiche berühren, wird es schwer, konsequent zu bleiben und es finden sich tatsächlich nur wenige Künstler, die mit einer Mischung aus Stilbewußtsein, Trotz und Stolz der Versuchung widerstehen, dann doch den einen oder anderen Gaststar ins Studio respektive ans Mikrophon zu laden. Selbst Post-Rock-Ikonen wie Mogwai haben sich in den letzten Jahren Stück für Stück von der allzu rigiden Genre-Definition verabschiedet, Stuart Braithwaite und Barry Burns singen mittlerweile selbst und ihre Gefolgschaft nimmt es ihnen nicht allzu krumm. Unter Techno-DJs, auch den deutschen, ist ein Beharren auf puristischen Prinzipien eher weniger gefragt, altgediente Stars der Szene wie Hell oder Westbam glänzen schon seit längerem mit honorigen Leihstimmen, Chris Liebing brachte sich gerade mit Polly Scattergood an seiner Seite in Erinnerung.

Dagegen wirkt eine Platte wie die vorliegende von Hamburgs DJane Helena Hauff geradezu anachronistisch. Was aber nicht weiter schlimm ist. Denn zum einen hat die junge Frau durch ihre steile Karriere genügend Selbstbewußtsein getankt, um sich von Skeptikern und Trendsettern nicht weiter irritieren zu lassen. Zum anderen paßt ihre Beharrlichkeit bestens ins Bild vom düsteren Electropunk, einem Etikett, dass sich im Ausland gut vermarkten läßt – mürrischer Blick, femme fatale, neo-gothy, das kommt (wie gerade im The Guardian und in der SZ zu lesen) beim Leser des Feuilleton gut an. Hauff mit der Kippe im Mundwinkel, den Blick konzentriert auf ihre beiden Plattenteller gerichtet - dieses Bild vor Augen, liest sich ein Satz wie der folgende besonders gut: „Hauff steht auf diese Rotzigkeit, die fast etwas Punkmäßiges hat, als würde die Platte um einen ausgestreckten Mittelfinger kreisen (SZ).“



Trotzdem versteht sie es, dieses Bild an geeigneter Stelle zu brechen, so wie ihr ab und an doch ein Lächeln am Pult entwischt. Gerade auch auf dem aktuellen Album finden sich beileibe nicht nur die dunklen, dronig-übersteuerten Töne, die ihre Spielart von Minimal-Techno, EDM und Acid-House charakterisieren. Vornehmlich in der zweiten Hälfte von „Qualm“, dem Nachfolger des Debüts „Discreet Desires“ aus dem Jahr 2015, bewegt sich der Sound desöfteren sehr melodiös über wabernde Flächen und irrlichternde Punkturen tief hinein in den tanzbaren Synthpop der 80er. Nach dem doch ziemlich wuchtigen Beginn, bei dem man schnell die kurzgeschnittene Bildfolge ineinanderkippender Hochhaussilhouetten grauer Industrievorstädte vor Augen hat, entwickeln Tracks wie „Hyper-Intelligent Genetically Enriched Cyborg“ und das vergleichsweise kurze Titelpaar „Qualm/No Qualms“ kurz darauf deutlich mehr Wärme.

Wer Hauffs famose Remix-Arbeiten für Pankow oder The Klinik im Ohr hat, dem wird vor allem „Panegyric“ gefallen, ein Stück, dass sich wie viele vorher bei der so simplen wie genialen Basslinie von (wahlweise) Bauhaus‘ „Bela Lugosi’s Dead“ oder „I Wanna Be Your Dog“ von den Stooges bedient. Dazu passt ihr Kommentar in besagtem Guardian-Interview, sie könne mit der Bezeichnung „retro“ eigentlich ganz gut leben, für sie bedeute das keineswegs eine Abqualifizierung ihrer Arbeit: “Ich kann mich an nichts erinnern, was neu, wirklich neu war, das nicht so klang, als sei es vorher nicht schon einmal gemacht worden.“ Das Statement einer Dreißigjährigen, durch deren Hände schon einige Platten gegangen sind und das all jenen nicht schmecken wird, die immer noch und jedes Mal wieder meinen, sie hätten gerade das Rad (hier: Rock/Pop) neu erfunden. Sehr ehrlich, deshalb sympathisch und angenehm aus der Zeit. http://helena-hauff.com/

Tess Parks And Anton Newcombe: Zeit genommen

Anton Newcombe ist ein vielbeschäftigter Mann. In den letzten vier Jahren hat er immerhin drei Studioalben zusammen mit seiner Band The Brian Jonestown Massacre veröffentlicht, ein viertes soll im Winter folgen, er setzte sich mit The Third Sound zum Videodreh in ein Auto und werkelte zusammen mit The Limiñanas an deren Album. Wenn einer wie er sich also Zeit nimmt, zum wiederholten Male eine Koproduktion in Angriff zu nehmen, dann muß da auch was dran sein. 2015 nämlich stand Newcombe erstmals mit Tess Parks für die gemeinsame Platte "I Declare Nothing" im Studio, nun soll eine weitere folgen. Aufgenommen haben die zwei in des Altmeisters Cobra Studios in Berlin, zur ersten Single "Right On" wiederum wurde in Londons Straßen von Ruari Meehan gedreht - so kann es weiteregehen.

18.11.  Berlin, Urban Spree

Drahla: Lust auf mehr [Update]

Neues Material aus Leeds, genauer von dem Trio Drahla. Wir hatten die drei ja letztens im Februar erwähnt, damals auf ihre EP "Third Article" und ihre Touren mit Ought und Metz verwiesen - sie sind seitdem nicht weniger bekannt geworden. Nun also steht ein neuer Track im Netz, "Twelve Divisions Of The Day" und zwar aus Anlaß ihres Signings beim Indie-Label Captured Tracks. Das Stück wummert einem schön kräftig entgegen, soll am 20. Juli auf Vinyl erscheinen und bringt die Band hoffentlich auch bald mal über den Kanal nach Deutschland - wir wären sicher dabei.

Update: Deutschland-Termine gibt es zwar noch immer keine, aber wenigstens können wir uns mit dem Video zur aktuellen Single "Twelve Divisions Of The Day" trösten. Dranbleiben!



Neonschwarz: Mittelfinger hoch!

Haben wir das eben richtig verstanden - sie wollen raus aus Hamburg?! Aus der City, wo's immer regnet? Nee, schon klar, ganz so ernst können das Marie Curry, Johnny Mauser, Captain Gips und Spion Y von Neonschwarz nicht meinen, denn die alte Hanse ist ja schließlich die Schatzstadt des Rapquartetts. Also ging's eher um einen guten Reim für die neue Single "Maradona", die gerade die Sommerrunde macht, denn am 12. Oktober ist schließlich Releaseday für "Clash", das neue Album bei Audiolith. Und weil's im neuen Song ohnehin weniger um's Wohnen geht als um die Freundschaft und was sie alles aushalten kann/muß, werden wir die Worte mal nicht auf die Goldwaage legen und einfach bis zum Herbst weiterfeiern. Auch wenn wir nicht im Norden sitzen, aber richtig beste Freunde gibt's schließlich hier unten im Süden genauso viele.

Viagra Boys: Überraschen lassen [Update]

Wo wir gerade bei den billigen Scherzen sind - hier kommt noch so einer. Denn diese vertrauenserweckenden Herren aus dem schwedischen Örtchen Södermalm (ein Wortspiel, dass manchem in Bayern jetzt wieder gefallen wird) nennen sich tatsächlich Viagra Boys. Klar, dass das Punk ist. Und nicht ganz so ernst gemeint sein kann. Ganz so trashig kommt die Musik der Band allerdings nicht daher. Der Bass ist zwar ziemlich dominant, aber wir hören eben auch Bläserblech und anderes Artfremdes, ein paar Spuren The Fall oder Talking Heads vielleicht. Klingt toll - drei Stücke gibt es aktuell zu hören, neben "Sports" auch noch die Tracks "Jungle Man" und "Beijing Taxi", sehr speziell, das alles. Ein Albumdebüt ist in Arbeit...

Update: ... und wohl schon beschlossene Sache: "Street Worms", so der Name der Platte, ist für den 28. September in Planung und die Single "Sports" erhält umgehend einen ziemlich unterhaltsamen Clip - wir gehen sofort live runter auf den Center Court One.



Eliza Shaddad: Wider besseren Wissens [Update]

Da ist fast schon Vorsicht angesagt, denn die zügellose Schwärmerei könnte einem irgendwann auch als Stalking oder gekaufte Liebedienerei ausgelegt werden. Dennoch werden wir nicht müde, die Londoner Künstlerin Eliza Shaddad auf das Ausgiebigste zu loben - gerade hat das Mädchen ihre neue Single "My Body" samt Video von Joe McCrae ins Netz gestellt, das Album "Future" soll via Beatnik Creative in ebenjener näheren Zukunft erscheinen. Der Song beschreibt, so die Sängerin, das Gefühl, vom eigenen Körper hinters Licht geführt zu werden, zu wissen, dass man oft besser allein klarkommt und dann doch dem Zweifel nachzugeben, wider besseren Wissens.

Update: Auf der einen Seite ist man froh um jeden Ton, den Eliza Shaddad uns von ihrem zukünftigen Album probieren läßt, auf der anderen Seite will man so immer nur mehr davon haben - ein Teufelskreis. Hier nun die aktuelle Single "This Is My Cue".


Montag, 13. August 2018

Iceage: Saufen, Lieben, Krieg und Tod [Update]

Iceage
„Beyondless“

(Matador)

Also in den 70ern war das so: Auf die Frage, was denn auf eine gute Rockplatte gehört, gab’s nicht viel zu überlegen – Saufen, Lieben, Krieg und Tod, die Reihenfolge spielte dabei eine untergeordnete Rolle, ebenso die Ausgewogenheit. Hauptsache, es war alles dabei. Keine Ahnung, ob man das heute noch so beantworten würde, die Dinge sind ja viel komplizierter geworden (was nicht wirklich stimmt), vielleicht müsste man nur noch ergänzen: irgendwas mit Medien. Wie auch immer, die dänische Band Iceage, lange nach den wilden Siebzigern gegründet, hätte wohl auch vor knapp fünfzig Jahren mit ihrem aktuellen, vierten Album Erfolg gehabt. Und zwar nicht nur, weil es so klingt, als wäre es in einem der legendären Aufnahmestudios in London, Detroit, New York oder Hamburg aufgenommen worden (tatsächlich war es dann doch das schwedische Göteborg), sondern weil eben jene angesprochenen Zutaten enthält, die das Leben wahlweise so verdammt schwer oder wunderbar einfach machen können und also universell und ohne zeitliche Grenzen gelten.



Angefangen bei „Hurrah“, einem würdigen Anti-Kriegs-Böller: „Dancing to the sound of the enemy's guns, boogie as we drop one by one“, hier wird weder mit blutiger Bildsprache noch mit Sarkasmus gespart, hier bekommt die selbst- und waffenverliebte Männlichkeit (sorry, da gibt es leider keine Ausreden) mit all ihren dummen Ritualen und Lügenmärchen mal ordentlich eine vor den Latz geknallt. Liebe gibt’s natürlich an allen Ecken, mal zusammen mit dem trotzigen Popsternchen Sky Ferreira („Pain Killer“), später auf der Suche nach Trost und Realness im knapp sechsminütigen „Catch It“. Gesoffen und angemessen gejammert wird bei „Thieves Like Us“, der Tod wiederum (und die Medien irgendwie auch) linsen in „Showtime“ auf denkbar gruselige Weise ins Bild, wenn der hoffnungsvolle Jungstar sich auf offener Bühne den Kopf wegschießt – und das Publikum einigermaßen sauer auf das abrupte Ende reagiert: „What a selfish swine!“



Anders als gerade bei den ebenso hoch gehandelten Arctic Monkeys haben Iceage alles richtig gemacht: Auch sie nämlich haben sich vom Sound früherer Tage hörbar entfernt – kein Hardcore mehr, dafür knackige Bläser, Bluesgitarren und Streicherdrama. In den Songs von „Beyondless“ stecken aber eben nicht nur Ambition und Mut, sondern auch wunderbare Melodien, glaubhafter Straßendreck an den Hacken (hier wirkt nichts aufgesetzt, hier stimmt die Attitüde noch) und für einen so herrlich kraftvollen Stampfer wie „Plead The Fifth“ mitsamt den abgefahrenen Lyrics müssen andere Jahre klöppeln. Daß einem ganz am Ende beim Titelsong tatsächlich U2 und „With or Without You“ einfallen, ist dann quasi das Sahnhäubchen – das kommt einem so wunderbar schräg, so krass vor, als wäre man selbst unter Einnahme bewußtseinserweiternder Substanzen mit im Studio gewesen. Was soll man da noch groß drumherum reden – ein Hammeralbum! http://iceagecopenhagen.eu/

31.08.  Hamburg, Off The Radar Festival
15.09.  Berlin, Bi Nuu
03.11.  Zürich, Rote Fabrik

Update: Für das Video zur aktuellen Single "Under The Sun" haben Iceage mit dem japanischen Künstler Azuma Makoto zusammengearbeitet - die Installation, aufgenommen im Frühjahr in Tokio, nennt sich passenderweise "Crazy Garden x Iceage".

Freitag, 10. August 2018

Tomberlin: Simple Things

Tomberlin
„At Weddings“
(Saddle Creek)

Es ist gar nicht so einfach, mit der Ernsthaftigkeit dieses Mädchens klarzukommen. Weil darin so viel Traurigkeit, Schmerz und Enttäuschung mitschwingen, dass es wirklich schwer auszuhalten ist. Sarah Beth Tomberlin ist gerade mal 23, sie ist in der Provinz von Kentucky als Tochter eines Baptistenpfarrers und mithin sehr christlichen Eltern aufgewachsen und man kann nicht behaupten, daß sie damit sonderlich glücklich war. Von einer fürsorglichen Cousine hat sie, die sonst nur religiöse Lieder zu hören bekam, die ersten Einblicke in Sachen Indiepop erhalten, Arcade Fire, Bright Eyes, Dashboard Confessional – es war eine Befreiung. Und ein Ansporn, selbst dergleichen zu schreiben und diesen Weg auch gegen den Argwohn und die Skepsis ihrer Eltern weiter zu gehen. Dass ihr Lebenslauf eine Musik hervorgebracht hat, der eine entwaffnende Klarheit innewohnt, hat wohl auch Owen Pallett schnell begriffen und ihr Debütalbum produziert, nicht zu ihrem Schaden. Denn der anrührende Folkpop von Tomberlin ist von einer beeindruckenden Zartheit, wie man sie von einem Nick Drake kennt und der Sound ähnlich stripped to the bones, so als würde alles Überflüssige die nachdrücklichen Wirkung dieser zehn Songs unweigerlich zerstören.



Und doch – diese Zeilen: “And there is a war in my mind, because I wanted to be near you. But I love you, yes I love you or I’m trying to”, singt sie in “Untiteled 1”, einem von mehreren Liebesliedern, die zugleich leidenschaftlich und zerrissen klingen. Später dann in “You Are Here” fährt sie fort mit ihren unbedingten, rückhaltlos ehrlichen Bekenntnissen, wenn sie Zuneigung und Zweifel zugleich gesteht, weil es sie zum Geständnis drängt und sie doch keine falschen Hoffnungen wecken will. So einfach die Stücke mit Gitarre, Piano und ein paar Streichern geraten sind, so nahe gehen sie einem. Wie sie in “A Video Game” Schutz und Stärke bieten möchte, wenn der Freund oder die Freundin in einer Zweitwelt verloren zu gehen drohen. Wie sie mit ihrer christlichen Erziehung, dem Frauenbild, der ihr zugewiesenen Rolle hadert – nicht wütend, sondern bemerkenswert deutlich und überlegt: “And to be a woman is to be in pain and my body reminds me almost every day, that I was made for another, but I don’t want to know that, cause it happened once and I always look back.”



Wie Tomberlin die Liebe als zwiespältiges Erlebnis besingt, das zeugt von erstaunlicher Reife, die man in diesem Alter wohl eher selten zu hören bekommt Sie reflektiert wohl schon sehr lange die elterliche, konfessionelle Erziehung und themaitisiert sie in ihren Liedern behutsam, aber doch ungeschönt. Besonders eindrücklich wohl in “Self-Help” gegen Ende: Auch hier keine Drums, aber doch merklich rauere Noisegitarren und Sirenenklänge, dazu verstörende Suizidfantasien (“The heart is a heavy coffin, where I lay down everyone I love …”), es gibt wohl trotz aller Aufgeräumtheit auch bei ihr noch Phasen, in denen sie schwer an ihren Gedanken trägt und sich selbst nicht mag (“The cat doesn't even like me these days and I can't blame her she is right in her ways”). Was Wunder. Wichtig sei ihr, sagte sie dem Fader, dass Menschen, die ähnliche Probleme wie sie haben, ihr zuhören. Und akzeptieren lernen, dass man nicht alles klären kann im Leben, zumindest nicht immer sofort. Dass miteinander reden hilft, oder – so platt es in “February” am Ende klingen mag – einfach nur mal des anderen Hand zu halten. Simple things eben. Große Platte. http://www.tomberlinmusic.com/

Italia 90: Giftige Töne

Als wir im Mai 17 das erste mal von der Londoner Kapelle Italia 90 berichteten, haben wir uns noch ziemlich lange mit dem Namen des Quartetts aufgehalten, einfach weil das witzig war und viel hergab. Der Hinweis auf ihre Debüt-EP fiel damals etwas knapp aus, wir werden das jetzt nachholen. Und wollen doch eher auf Zukünftiges verweisen, denn heute abend ist Realeaseparty. Leider nicht in Deutschland, sondern im Londoner Klub Windmill Brixton - gefeiert wird die Veröffentlichung der neuen Single "Tourist Estate", ein krachendes Noisemonster voller giftiger Töne und Worte. Die Band hat ja kürzlich in Berlin ihren Einstand gegeben, es bleibt zu wünschen, daß sie recht bald den Rest des Landes nachholen. Wir werden dabei sein, garantiert.



She Drew The Gun: Keine hohlen Phrasen

Widerstand regt sich an allen Ecken und Enden, so auch in Liverpool. Von dort stammt bekanntermaßen Louisa Roach, dort hat sie ihre Band She Drew The Gun gegründet. Vor zwei Jahren gab es von der Formation das mehr als respektable Debütalbum "Memories Of The Future" zu hören, danach eine ganze Reihe von neuen Songs und Remixen. Am 5. Oktober nun soll bei Skeleton Key Records die Folgeplatte erscheinen, "Revolution Of Mind" wurde von James Kelly (The Coral) produziert, die erste Single nennt sich "Resister" und lenkt den Blick unweigerlich auf die politischen Inhalte in Roach's Arbeit. Nicht schwer für eine/n Briten/in in diesen Zeiten möchte man meine, der studierten Psychologin Roach geht es dabei um die Gender-Debatte, das Hinterfragen gesellschaftlicher Regeln, um die "Bewaffnung mit Wissen", kurz um "die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft, mögliche Welten, Solidarität, Liebe, die friedliche, kunstvolle Revolution". Sieht man ihren entschlossenen Blick, dann weiß man, daß das alles bei ihr keine hohlen Phrasen sind, sie meint es ernst.

Marteria vs. Casper: Ultimate Tischtennis

Gut, das ist dann wieder so ein Heiteres-Promiraten-Ding, das spielt der Song "Supernova" erst mal nicht so ganz die wichtigste Rolle: Marteria und Casper (gern auch #Casperia) haben den zweiten Song ihres Albums "1982" mit einem hübschen Filmchen verlinkt, bei dem sich die Stars und Sternchen die Klinke (oder besser den Tischtennisschläger) in die Hand geben. Denn was wie Ultimate Fighting aussieht, ist eigentlich nur ein harmloses Match mit zwei Kellen und einem Plastikbällchen. Eigentlich, denn enden tut es doch mit Blut, Tränen und ein paar herausgeschlagenen Zähnen. Nette Idee, das. Ach ja, wer außer Ansgar Brinkmann, K.I.Z., Dendemann, Thorsten Legat, Lena Meyer-Landrut und Felix Brummer noch andere Nebendarsteller zählt, bekommt von den beiden Herren sicher ein Like extra.

Donnerstag, 9. August 2018

Element Of Crime: Fabelhaft

Fast übersehen, unverzeihlich: Element Of Crime werden am 5. Oktober ein neues Album veröffentlichen, "Schafe, Monster und Mäuse" wird es heißen und es ist anzunehmen, dass es sich eher nicht um einen vergnügten Gang durch die Geschichte der Zoologie handelt, sondern eher um fabelhafte Tierwesen, die wir selber jeden Tag im übertragenen Sinne mit uns herumtragen. Den inneren Schweinehund beispielsweise, Albtraum-Monster, lammfromme Wölfe in Schafspelzen, solche Sachen. Nachdem Sven Regener ja mittlerweile mit Vorliebe zweigleisig arbeitet - hier einen Song, dort ein Buch - freut man sich wirklich mal wieder auf eine komplette Liedsammlung, mit "Lieblingstiere und Lieblingsfarben" liegt das letzte Album ja auch schon wieder knapp vier Jahre zurück. Eine erste Single ist mit "Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang" auch schon seit letzter Woche käuflich zu erwerben, obendrauf gibt es in diesem Jahr auch noch ein paar Livetermine.

30.08.  Dresden, Junge Garde
31.08.  Halle, Preisnitzinsel
01.09.  Osterholz/Scharmbeck, Freigelände an der Stadthalle
02.09.  Braunschweig, Kultur im Zelt
07.09.  Rostock, IGA-Park
08.09.  Magdeburg, Festung Mark

Mittwoch, 8. August 2018

Love A: Tour vor Einschluss

Unserentwegen auch gern in dieser Reihenfolge: Die Post-Punk-Kapelle Love A aus Trier (und Köln und Hamburg) wird sich in den Monaten November und Dezember dieses Jahres noch einmal auf Reisen begeben, bevor ein längerer Studioaufenthalt für die Aufnahmen zum neuen Album geplant ist. Ihr letztes, "Nichts ist neu", ist im Mai 2017 erschienen, von diesem stammt auch der beigefügte Song "Die Anderen". Neues Material dann hoffentlich bald nach dem Einschluss.

03.11.  Mannheim, Forum ('Wir sind die Toten' Fest)
23.11.  Oberhausen, Pressure Air Festival
24.11.  Dresden, Groove Station
06.12.  München, Feierwerk
07.12.  Zürich, Dynamo
08.12.  Stuttgart, JuhaWest
21.12.  Trier, Ex-Haus
22.12.  Trier, Ex-Haus



Matthew Dear: Plüschgewitter

Manches potentielle Lieblingsalbum erkennt man schon von weitem. Soll heißen - nach den ersten Tönen. Davon gibt es hier genügend, es fehlte eben nur noch die Klammer drum. Mit der heutigen Meldung ist diese nun auch da: Matthew Dear, einer der smartesten und bestaussehendsten Musiker dieses Planeten, hat nach langer Pause wieder eine neue Platte am Start - "Bunny" heißt das pinke Ding (VÖ 12. Oktober via Ghostly International) und wenn wie gesagt nicht alles täuscht, wird es ein sehr schönes. Schon die erste Auskopplung "Bad Ones", ein Duett mit Tegan And Sara, war ein ganz feiner Pop-Track, das anschließende "Modafinil Blues" dann dunkler, abgründiger und nun kommen als Doppelschlag noch die Stücke "Echo" und "Bunny's Dream" hinzu. Und wer sich fragt, warum der Nachfolger von "Beams" aus dem Jahr 2012 diesen eigenartigen Titel trägt, bekommt hier gleich noch die Antwort des Künstlers selbst serviert: "Warum Bunny? Grundsätzlich mag ich einfach wie das Wort aussieht und klingt. Ich mag, wie es sich im Kopf anhört und wenn man es ausspricht. Und lustig ist es auch. Bunnies sind süß, sie sind schräg, sanft, sexy, glücklich. Sie pflanzen sich ziemlich wild fort. Sie sind gewiefte Jäger, werden aber auch ausgetrickst. Sie schmücken Kinderbetten, heute wie früher. Sie sind bei uns von der Geburt an und bestimmt auch bis zum Ende." Gut, wäre das auch geklärt.





The Breeders: Puppentheater

So kennen wir sie, die beiden Deal-Schwestern, immer für einen Gag zu haben. Zumindest war das letztens auf der Bühne so und auch im Video zur aktuellen Single "Nervous Mary" lassen sich Kim und Kelley nicht zweimal bitten. The Breeders haben für den Kurzfilm mit der finnischen Künstlerin Milla Risku zusammengearbeitet, die nicht nur die Band, sondern vor allem Puppen mag. Und das geht ganz offensichtlich bestens zusammen.

10.11.  Weissenhäuser Strand, Rolling Stone Weekender
15.11.  Wien, Flex
17.11.  Europa Park Rust, Rolling Stone Park
19.11.  Zürich, Dynamo

Soap And Skin: Geburtsanzeige

Dass aus Österreich nicht nur schlechte Nachrichten kommen (und das meint jetzt natürlich vorderhand die politischen) ist gut, diese hier ist eine besonders gute: Anja Franziska Plaschg, besser bekannt unter ihrem Moniker Soap And Skin, hat nach einer Pause von sechs Jahren wieder ein Studioalbum angekündigt. Am 26. Oktober soll "From Gas To Solid/You Are My Friend" bei PIAS erscheinen, die erste Single nennt sich "Heal" und wurde gerade mit einem eindrucksvollen Videoclip, entstanden in Kooperation mit Ioan Gavriel, geteilt. Der Kommentar zum Covershot des Albums lautet: "This is the world I'm getting born into, this is the world I have born."

Dienstag, 7. August 2018

Moderate Rebels: Besserwissen

Eine Liedzeile macht also noch keinen Albumtitel, das wissen wir jetzt auch. Kürzlich galt es ja, einen von der Londoner Band Moderate Rebels via Twitter geteilten Schüttelreim zu lösen, die Vermutung, dass es sich bei der richtigen Reihenfolge der Worte auch gleich um den Namen der zweiten Platte handelte, stellten sich allerdings als etwas voreilig heraus. Dann lieber schnell mal bei Louder Than War vorbeigeschaut, um dort folgendes zu erfahren: Das Album wird "Shared Values" heißen und am 30. November via Everyday Life Recordings erscheinen. Und nach der ersten Vorabsingle "Beyond Hidden Words" gab es dort auch gleich noch eine zweite - hier kommt "I Love Today". Wie wahr.

Human People: Zum Sterben schön

Sie sind viel herumgekommen in der Welt, geht es nach den lustigen Spaßbildchen ihrer Facebook-Seite. Andererseits ist Kalifornien, nimmt man sich ihre neue Single "California", genau der Ort, an welchen sie wollen: "I'm gonna go to Cali-fuckin'-fornia, it's where I will die!" Nun gut, was man halt so sagt, wenn man jung ist, in einer Punkband spielt und alles um einen herum nervtötend ist. Hayley Livingston (Gitarre/Gesang), Marisa Gershenhorn (Gitarre/Gesang), Victoria Guillem (Drums) und Abigail Austin (Bass) haben sich vor drei Jahren unter dem hübschen Namen Human People in New York zusammengefunden und seitdem ein paar Songs bzw. EP veröffentlicht, nun steht für den 21. September mit "Butterflies Drink Turtle Tears" (!) das Debütalbum bei Exploding In Sound an und nach dem Einstand "Radiator Water" kommt gerade die nächste Single hinterher - eben "Cali-fuckin'-fornia".



Montag, 6. August 2018

Free Cake For Every Creature: Humor und Sinnlichkeit

Free Cake For Every Creature
„The Bluest Star“
(Double Double Whammy)

Humor hat sie schon mal, das ist ein gutes Zeichen. Es gibt nämlich tatsächlich nichts traurigeres als junge Menschen, denen der Humor abhanden gekommen ist. Bei denen man den Eindruck hat, die Unnachgiebigkeit ihres Daseins habe ihnen schon früh die Lust am Leben genommen. Kein Vorwurf, nirgends, man kann das irgendwie verstehen. Dennoch weiß man, dass es bestimmt nicht einfacher wird, mit dem tagtäglichen Lauf der Dinge klarzukommen, wenn einem das eigene Naturell, das eigene Gemüt schon zu der Zeit im Weg stehen, die doch eigentlich noch für Abenteuer und Unternehmungslust vorgesehen sind. Nun, Katie Bennett jedenfalls scheint damit weniger Probleme zu haben. Davon zeugen zumindest die Titel ihrer Platten, die sie allein oder mit Freunden seit 2013 veröffentlicht hat: „Shitty Beginnings“ heißt die erste, „Young Professional“ eine weitere und später dann noch „Pretty Good“. Some sense of humor, möchte man vermuten. Weil Bennett am liebsten Songs schreibt, die wie in Tagebuchform das Große im Kleinen des Lebens eines Twentysomethings beschreiben, ist das auch dringend nötig. Denn natürlich kann das in der Provinz oder wie hier in einer Stadt wie Philiadephia manchmal auch ziemlich nervtötend, ungerecht oder schmerzhaft sein.

Der Sound der vierzehn Stücke, die „The Bluest Star“ für uns bereithält, läßt solche schweren Momente allerdings nur erahnen, so entspannt und eingängig ist er geraten. Sparsam instrumentierte Folksongs, die den Augenblick umarmen, sich wohlig anschmiegen an Bennetts weichen, hellen Gesang – wem aktuell schon Formationen wie Tanukichan, Fazerdaze oder Dentist zusagen, der wird auch hier nicht lange fremdeln. Meistens hat der zur Band angewachsene Freundeskreis die Stücke akustisch und ohne allzuviel Brimborium eingespielt, hier und da runden ein Banjo oder ein paar Pedal-Steel-Akkorde das Bild auf angenehme Weise ab. Wirklich nur ganz selten taucht mal ein Drumcomputer auf und selbst dieser fügt sich wie beim wundervollen „Shake It Out“ ins zarte Klangbild ein. Bennett singt davon, den Widrigkeiten zu trotzen und selten klang die Anleitung dazu in letzter Zeit so sinnlich und berührend: „We can try to shake this out of us, ‘till we’re soaked new and shining, every night and morning, double-dip in love deserving. It takes mercy and a hard seat, but together I hope we can shake it out, shake it out.” Unspektakulär muß also nicht langweilig sein, dieses Album ist dafür der beste Beweis. http://www.freecakeforeverycreature.com/



Sonntag, 5. August 2018

Cypress Hill: Psychedelic Dope Shit

Diese Herren hier sind schon etwas länger im Geschäft, genauer gesagt seit 1988: DJ Muggs, B-Real, Sen Dog und Eric Bobo haben sich nicht nur um den Hip Hop, sondern auch um die Legalisierung langblättriger Stimulanzien sehr verdient gemacht, Cypress Hill waren ohne Qualm und Kraut nie zu bekommen und kultivieren diese Attitüde bis heute. Ihr letztes Studioalbum "Rise Up" ist vor acht Jahren erschienen, Zeit also, sich mal wieder zurückzumelden. Sie tun dies mit ihrer neuen Single "Band Of Gypsies", die gemeinsam mit zwanzig anderen Tracks auf der Platte "Elephants On Acid" am 28. September bei BMG erscheinen wird. Was wir hier hören und sehen, sind fetteste, psychedelische Beats, abgemischt zusammen mit ägyptischen Gastrappern Sadat und Alaa Fifty Cent und dem landestypischen Mahragan-Sound. Das Video hat DJ Muggs in Ägypten selbst gedreht, für Teile der Platte stand auch Produzent Gonjasufi an den Reglern. Es dürfte also ein ordentliches Brett werden.

08.12.  Stuttgart, Porsche Arena
10.12.  München, Zenith
11.12.  Leipzig, Arena
12.12.  Köln, Palladium
14.12.  Dortmund, Warsteiner Halle
15.12.  Berlin, Verti Music Hall
16.12.  Hamburg, Sporthalle
18.12.  Berlin, Planet TT Bank Austria Gasometer

Freitag, 3. August 2018

Familienalbum # 30: The Rad Trads

Okay das ist jetzt nicht ganz fair, diese Bilder bei diesen Temperaturen - und wochenlang kein Tropfen Regen. Aber wir haben schließlich nicht damit angefangen. Das nämlich war die New Yorker Band The Rad Trads, die gerade ihr neues Album "On Tap" angekündigt hat. Und zwar mit einer ersten Vorabsingle namens "Good Luck Unto Ya", ziemlich deeper Soulrock, nebenbei bemerkt. Und wenn man da einen Blick auf's Cover tut, dann fallen einem auf Anhieb jede Menge schöner, lustiger, lässiger und abgefahrener Poolaufnahmen ein. Auf die Schnelle kann es hier natürlich nicht um Vollständigkeit gehen, die Auflistung wie gewohnt von links nach rechts und oben nach unten. Cool down!

The Rad Trads "On Tap", Red Hot Chili Peppers "Californication", Jakob Ogawa "All Your Love", Peter Hammill "In A Foreign Town", The Fin. "Heat", Nina Nesbit "The Best You Had", Sparks "Hippopotamus", The National "The National", Oasis "Be Here Now", Shopping "Official Body", Hoodie Allen "Leap Year", Geowulf "Great Big Blue", Mystery Jets "Twenty One", Nirvana "Nevermind", Black Box Recorder "Passionoia", DJ Khaled "Grateful", Monkeys "Pool it!", Private Island "Drugs", OK Kid "Wut lass nach", Granada "Granada", Rolling Blackouts C.F. "Hope Down"

Donnerstag, 2. August 2018

Amen Dunes: Mann mit Geschichten

Amen Dunes
„Freedom“

(Sacred Bones)

Gerade im urlaubsfaulen Sommer treffen häufig zwei Weisheiten aufeinander: “Besser spät als nie” und “Gut Ding will Weile haben”. Denn wann sonst kommt man mal dazu, ein paar schon länger zurückgelegte Sachen durchzustöbern, um ihnen endlich den Platz einzuräumen, den sie verdient haben. Sachen, die im markschreierischen Neuheitengetöse regelmäßig untergehen – unverdientermaßen. Damon McMahon alias Amen Dunes ist einer davon. Das tatsächlich ziemlich wunderbare Album “Freedom” ist ja sein mittlerweile fünftes und, das läßt sich schnell heraushören, sein mit Abstand eingängigstes. Und vielleicht, fügen wir vorsichtig hinzu, deshalb auch sein bestes. Erschienen ist es schon Ende März, seitdem hat sich der Junge recht hartnäckig mit einer Reihe anhaltend feiner Singleauskopplungen immer wieder in Erinnerung gebracht und es wäre grob fahrlässig, diese Platte nicht in den Kanon der herausragendsten Veröffentlichungen des laufenden Jahres aufzunehmen. Gerade weil wir an gleicher Stelle ja auch immer den weiblichen Output gelobt und die männlichen Kollegen ob ihrer fehlenden Kreativität gescholten haben.



McMahon hat ja seit Beginn seiner Karriere als Songwriter immer wieder neue Stilmittel in seine Arbeiten einfließen lassen. Konnte man auf dem Debüt “Murder Dull Mind” (2010) neben zarten Gespinsten noch verschrobene Noiseattacken hören, wurde es in Folge dunkler und psychedelischer, später mischte sich zunehmend Elektronik ins Programm. Beim letzten Werk “Love” zeichnete sich schon das ab, was aktuell unter der treffenden, leicht morbiden Bezeichnung damaged drug pop firmiert. Und wofür man natürlich jemanden wie Jeff Buckley problemlos als Paten einspannen kann. Weil aber neben dem Folkrock noch weitere Genres zur Auswahl stehen, fallen einem gleich noch ein, zwei mehr Bezugsgrößen ein. Für die bezaubernden, trippigen Popmelodien gerade eingangs der Platte (“Blue Rose”, “Time”, “Skipping School”) etwa könnten auch Everything But The Girl angeführt werden, auch sie besaßen eine erstaunliche Begabung, den Zuhörer mit sanfter Melancholie zu betören.



Oder The War On Drugs. Niemand schafft es wohl derzeit eindrucksvoller als Adam Granduciel, den Geist von Tom Petty und des frühen Bruce Springsteen in die Gegenwart zu übersetzen – Amen Dunes scheint in einigen Momenten sein Bruder im Geiste zu sein. Die leicht brüchige Stimme, die golden schimmernden Akkorde, die gerade im zweiten Teil der Platte viel Auslauf bekommen, all das also, was in Zusammenarbeit mit Nick Zinner (Yeah Yeah Yeahs), Parker Kindred (Antony And The Johnsons), Delicate Steve und Produzent Chris Coady entstanden ist, nötigt einem höchsten Respekt ab und sorgt für reichlich Glücksgefühle. Es finden sich noch viele spannende Geschichten zu diesem Album – McMahons Verehrung für die kanadische Künstlerin Agnes Martin (die er im Intro zitiert), seiner Reflektionen zur Kindheit, dem schwierigen Verhältnis zum Vater und die Angst um die kranke Mutter. Am nächsten kommt man ihm wohl, wenn man “Freedom” ein paar Durchläufe extra gönnt, der junge Mann hätte es wirklich verdient. Mindblowing, for sure! https://www.amendunes.com/



Deafheaven: Unausweichlich, unbeugsam [Update]

Deafheaven
„Ordinary Corrupt Human Love“

(ANTI-)

Das ist ja gerade das Schöne an dieser Band. Auch wenn die neue, vierte Platte von Deafheaven vielleicht nicht ganz so fulminant, so wuchtig daherkommt wie der Vorgänger „New Bermuda“ aus dem Jahr 2015 – es finden sich immer noch jede Menge interessante Verweise und ungewöhnliche Momente, die Band in ihrer Einzigartigkeit zu bestätigen. Angefangen beim Titel des Albums, der dem Roman „Das Ende einer Affäre“ von Graham Greene entlehnt ist und auch als ungekürzter Tagebucheintrag der Protagonistin nichts an Schönheit verliert: „I’m not at peace any more. I just want him like I used to in the old days… I’m tired and I don’t want any more pain… I want ordinary corrupt human love. Dear God, you know, I want to want Your pain, but I don’t want it now.“ Viel menschlicher und viel trauriger kann man die Sehnsucht nach Liebe wohl kaum in Worte fassen. Einfachheit ist ein großes Thema bei Deafheaven, auch das Coverfoto von Nick Steinhardt, das eine unbekannte alte Dame in einer Straßenschlucht von Los Angeles zeigt, transportiert ein Stück weit das Unabänderliche, Unausweichliche unsrer Existenz und den Willen, damit klarzukommen.



Sicher war es keinesfalls, daß die Freunde George Clarke und Kerry McKoy gemeinsam mit ihren Kollegen dieses neue Werk würden stemmen können – wie man liest, waren sie wohl nach der Veröffentlichung des Vorgängers und ausgiebigen Konzertreisen derart ausgebrannt und am Ende, daß auch eine Auflösung der Band drohte, Drogen taten ein Übriges. Dennoch haben sie den Weg zum Dauerproduzenten Jack Shirley gefunden, haben sie sich zusammengerauft und sieben neue Stücke aufgenommen, die konsequenter die Linie des Black-Gaze-Quintetts nicht hätten fortführen können. „Ordinary Corrupt Human Love“ ist so etwas wie eine weitere Eskalation ihres bisherigen Schaffens geworden, die Gegensätze zwischen geradezu lieblichen Dreampop-Melodien und martialischem Metal-Krach treten hier so deutlich wie selten zutage, zwischen Clarke’s erbarmungswürdigem Geschrei und bretthartem Noiselärm finden sich Jazzanleihen, träumerische Pianopassagen und bei „Night People“ sogar der vergleichsweise konventionelle Gesang einer Chelsea Wolfe.



Derlei Einschübe kommen mit zunehmender Häufigkeit, beim zwölfminütigen Monument „Canary Yellow“ ist es ein Männerchor im Hintergrund, „Near“ kommt gleich ganz ohne den fiesen Krach aus und über die komplette Spiellänge drängen sich permanent (und nicht zu jedermanns Freude) handelsübliche Hardrockriffs ins Bild. Ein weiteres „New Bermuda“ mit all der Düsternis und Zerstörungswut sei, so die Band, nicht noch einmal zu machen gewesen, in Anbetracht der geschilderten Begleiterscheinungen ist das nur allzu verständlich. Und mit Überlängen wie „Honeycomb“, dem besagten Kanarienvogel, „Glint“ und „Worthless Animal“ ist auch genügend ohrenbetäubender Lärm geboten. Ohnehin liebt man Deafheaven als die Summe der einzelnen Teile, also sowohl für das Harte wie auch das betont Weiche, für ihr unbarmherziges Getöse ebenso wie für ihr Gespür, mitten in den wildesten Orkan eine zarte Melodie zu setzen, die den Schrecken nehmen oder als Kontrast gleich darauf wieder verstärken kann. Deafheaven bleiben deshalb, was sie immer waren: einzigartig. https://deafheaven.com/

15.09.  Dresden, Beatpol
26.09.  Köln, Essigfabrik
27.09.  Berlin, Bi Nuu
28.09.  Karlsruhe, Jubez
09.10.  München, Hansa 39
10.10.  Winterthur, Salzhaus
14.10.  Wien, Arena

Update: Zugegeben, mit dem Track "Night People" werden wir nicht so recht warm, vielleicht fehlen einfach ein paar Riffs mit Schmackes - dennoch, tolle Gästin, tolles Album.

Death Cab For Cutie: Getreu dem Motto [Update]

Immer weiter, schon klar. Es gibt wohl kaum eine größere Entfernung als die zwischen dem einst so verbissenen Torwart Oliver Kahn und den leichtfüßigen Indierockern Death Cab For Cutie. Aber das Motto des gebürtigen Badeners ist einfach omnipräsent, er scheint im Alter zudem etwas milder geworden zu sein und dann das: Es war schon fast ein kleines Wunder, dass die Band vor vier Jahren den Weggang von Chris Walla derart unaufgeregt und ohne hörbare Qualitätseinbußen weggesteckt hat, sie haben einfach weitergemacht und mit "Kintsugi" ein zweifellos hervorragendes Album ohne ihren genialen Gitarristen veröffentlicht. Wäre ja auch zu schade gewesen. Jetzt kündigen die nunmehr drei verbliebenen Amerikaner (ergänzt um die beiden Tourmitglieder Dave Depper und Zac Rae) mit "Thank You For Today" eine weitere Platte an und "Gold Rush", die erste Vorauskopplung, schafft es dann vielleicht auch mal auf die Playlist des ehemaligen Ballfängers.

Update: Mit "I Dreamt We Spoke Again" gibt es heute einen weiteren Song vom neuen Album, das im Übrigen für den 17. August terminiert ist ... und hier noch aktuell "Autumn Love" mit Lyric Video hinterher.






Mittwoch, 1. August 2018

Neneh Cherry: Entgegengesetzt

Die Regel ist eigentlich, dass es anders herum geht. Am Anfang stehen meistens Ambitionen, Vorhaben, Träume, am Ende nicht selten Kompromisse und schleichende Harmlosigkeit. Vom Weltverbesserer mit Anspruch zum Weltstar mit gehobenen Ansprüchen, viele sind diesen Weg schon gegangen und auch wenn er selten so gerade verläuft, ist er doch oft ein trauriger. Neneh Cherry ist in der Gegenrichtung unterwegs - ihr Erstling "Raw Like Sushi" war noch knackiges (und gleichwohl ziemlich gutes) Hitfutter, ihre letzten Arbeiten "The Blank Project" und "The Cherry Thing" waren da von deutlich schwererem Kaliber, nichts für's Formatradio, keine leichte Kost für zwischendurch. Und das ändert sich auch mit der gerade erschienenen neuen Single "Kong" nicht. Der Track wurde gemeinsam mit 3D von Massive Attack und Four Tet produziert, die Stimme ist angenehm rough und der Text voller Anspielungen zu den verrückten Zeiten, die es einem in den USA und anderswo momentan so schwer machen, einigermaßen optimistisch zu bleiben. Auch der Clip zum Song kann sich im wahrsten Sinne sehen lassen, gedreht hat Jenn Nkiru, zur Zeit im Gespräch wegen ihrer Zusammenarbeit mit Jay-Z und Beyoncé beim Clip zu "Apeshit".

Dentist: Der besondere Klang

Dentist
"Night Swimming"

(Cleopatra Records)

Wenn man den Joke mit dem Zahnarzt schon gemacht hat, bleibt einem nicht viel mehr als die Musik. Denn Informationen zur Band selbst sind bei Dentist nur schwer zu bekommen. Man weiß von der Vorliebe zu eigentümlichen Bandnamen - Justin und Emily Bornemann haben mal gemeinsam bei der Formation No Wine For Kittens gespielt - später kam dann noch Matt Hockenjos dazu und blieb. Das aktuelle Album ist das dritte seit der Gründung im Jahr 2013 und wenn wir uns in Folge auf die Musik beschränken, dann ist das beileibe kein Nachteil. Denn mit dem mal angepunkten, mal ziemlich powerpoppigen Surfsound der Platte wird man ziemlich schnell warm. Dabei spielt die klare und helle Stimme der Sängerin eine entscheidende Rolle, sie gibt den locker dahinwippenden Dreiminütern eine angenehme Grundierung. Und auch das Gitarrenspiel, das in den dunkleren Momenten gern auf einem Interpol-Album Platz gefunden hätte, changiert schön zwischen knorriger Roughness ("Figure-Four"/"Tight Spot") und der fast verträumten Entspanntheit von "All Is Well (In Hell)". Gern wird in diesem Zusammenhang auf Referenzen wie The Primitives, The Cars oder, wenn neueren Datums, Japanese Breakfast und Fazerdaze verwiesen - die Musik aus New Jersey hat, das weiß nicht nur Bruce Springsteen, eben einen ganz besonderen Klang. "Dieses Album war ein Versuch, all die verschiedenen Aspekte von uns selbst einzufangen und etwas zu schaffen, das wir alle hören wollten", so Justin Bornemann, und Emily ergänzt: "Musikalisch sind wir von Rohheit und Einfachheit angezogen, aber melodisch neigen wir eher zu einer gewissen Pop-Ästhetik. Die Texte konzentrieren sich meist auf soziale Ängste, Liebeskummer und Verlust, zeigen aber manchmal Liebe und Optimismus." Alles drin also, was gute Musik ausmacht, recht viel mehr muss man von einer gelungenen Platte nicht erwarten.



Paul Weller: Tagesgeschäft [Update]

Ganze sechs Jahre hat er noch, bevor nach der altbekannten Regel des Mannes mit dem weißen Bademantel das Leben erst richtig anfängt: Paul Weller ist im Mai sechzig geworden, keinesfalls zu alt, um nicht in gewohntem Turnus neue Platten zu veröffentlichen. Seine nächste wird also "True Meanings" heißen und am 14. September in Umlauf gehen, ganze vierzehn Stücke sollen sich darauf versammeln, eingespielt zusammen mit Rod Argent von den Zombies, Martin Carthy, Danny Thompson, Connor O’Brien von den Villagers ist ebenso dabei wie Erland Cooper von Erland And The Carnival. Die erste Single "Aspects" darf hier schon mal vorgehört werden.

Update: Heute kommt eine recht getragene Nummer mit Namen "Movin' On" nach, auch das kann er also - und zwar frei von Peinlichkeiten.