Helena Hauff
„Qualm“
(Ninja Tune)
Instrumental-Alben haben es bei der breiten Masse nicht immer einfach, sind so etwas wie die Stiefkinder im Musikbusiness. Immer dann, wenn sich Grenzbereiche berühren, wird es schwer, konsequent zu bleiben und es finden sich tatsächlich nur wenige Künstler, die mit einer Mischung aus Stilbewußtsein, Trotz und Stolz der Versuchung widerstehen, dann doch den einen oder anderen Gaststar ins Studio respektive ans Mikrophon zu laden. Selbst Post-Rock-Ikonen wie Mogwai haben sich in den letzten Jahren Stück für Stück von der allzu rigiden Genre-Definition verabschiedet, Stuart Braithwaite und Barry Burns singen mittlerweile selbst und ihre Gefolgschaft nimmt es ihnen nicht allzu krumm. Unter Techno-DJs, auch den deutschen, ist ein Beharren auf puristischen Prinzipien eher weniger gefragt, altgediente Stars der Szene wie Hell oder Westbam glänzen schon seit längerem mit honorigen Leihstimmen, Chris Liebing brachte sich gerade mit Polly Scattergood an seiner Seite in Erinnerung.
Dagegen wirkt eine Platte wie die vorliegende von Hamburgs DJane Helena Hauff geradezu anachronistisch. Was aber nicht weiter schlimm ist. Denn zum einen hat die junge Frau durch ihre steile Karriere genügend Selbstbewußtsein getankt, um sich von Skeptikern und Trendsettern nicht weiter irritieren zu lassen. Zum anderen paßt ihre Beharrlichkeit bestens ins Bild vom düsteren Electropunk, einem Etikett, dass sich im Ausland gut vermarkten läßt – mürrischer Blick, femme fatale, neo-gothy, das kommt (wie gerade im The Guardian und in der SZ zu lesen) beim Leser des Feuilleton gut an. Hauff mit der Kippe im Mundwinkel, den Blick konzentriert auf ihre beiden Plattenteller gerichtet - dieses Bild vor Augen, liest sich ein Satz wie der folgende besonders gut: „Hauff steht auf diese Rotzigkeit, die fast etwas Punkmäßiges hat, als würde die Platte um einen ausgestreckten Mittelfinger kreisen (SZ).“
Trotzdem versteht sie es, dieses Bild an geeigneter Stelle zu brechen, so wie ihr ab und an doch ein Lächeln am Pult entwischt. Gerade auch auf dem aktuellen Album finden sich beileibe nicht nur die dunklen, dronig-übersteuerten Töne, die ihre Spielart von Minimal-Techno, EDM und Acid-House charakterisieren. Vornehmlich in der zweiten Hälfte von „Qualm“, dem Nachfolger des Debüts „Discreet Desires“ aus dem Jahr 2015, bewegt sich der Sound desöfteren sehr melodiös über wabernde Flächen und irrlichternde Punkturen tief hinein in den tanzbaren Synthpop der 80er. Nach dem doch ziemlich wuchtigen Beginn, bei dem man schnell die kurzgeschnittene Bildfolge ineinanderkippender Hochhaussilhouetten grauer Industrievorstädte vor Augen hat, entwickeln Tracks wie „Hyper-Intelligent Genetically Enriched Cyborg“ und das vergleichsweise kurze Titelpaar „Qualm/No Qualms“ kurz darauf deutlich mehr Wärme.
Wer Hauffs famose Remix-Arbeiten für Pankow oder The Klinik im Ohr hat, dem wird vor allem „Panegyric“ gefallen, ein Stück, dass sich wie viele vorher bei der so simplen wie genialen Basslinie von (wahlweise) Bauhaus‘ „Bela Lugosi’s Dead“ oder „I Wanna Be Your Dog“ von den Stooges bedient. Dazu passt ihr Kommentar in besagtem Guardian-Interview, sie könne mit der Bezeichnung „retro“ eigentlich ganz gut leben, für sie bedeute das keineswegs eine Abqualifizierung ihrer Arbeit: “Ich kann mich an nichts erinnern, was neu, wirklich neu war, das nicht so klang, als sei es vorher nicht schon einmal gemacht worden.“ Das Statement einer Dreißigjährigen, durch deren Hände schon einige Platten gegangen sind und das all jenen nicht schmecken wird, die immer noch und jedes Mal wieder meinen, sie hätten gerade das Rad (hier: Rock/Pop) neu erfunden. Sehr ehrlich, deshalb sympathisch und angenehm aus der Zeit. http://helena-hauff.com/
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