Samstag, 30. Juli 2016

Acrylic: Zum Einstand

Bleiben wir noch ein wenig bei den hübschen Gitarrenmelodien. Und hören kurz mal in Schottland resp. Glasgow rein - dort nämlich musizieren seit einiger Zeit Acrylic, eine fünfköpfige Kapelle, die sich dem geschmeidigen Indiepop verschrieben hat und ein deutliches Faible für den Sound von Interpol, Frightened Rabbit und The Walkmen nicht verbergen kann. Müssen die Jungs auch gar nicht, ihre Songs klingen bezaubernd genug, um den Vergleichen für's erste standzuhalten - hier schon mal die Stücke "Awake" und das aktuelle "Overrun", was folgt, wird sich zeigen.

Freitag, 29. Juli 2016

Cool Sounds: Täuschungsmanöver

Cool Sounds
„Dance Moves“
(Deaf Ambitions)

Bevor wir über die unbestrittenen Qualitäten dieser Band und dieses Albums reden, müssen ein paar Worte über Farben und Frisuren erlaubt sein. Was, fragt sich der einigermaßen irritierte Rezensent, bringt die fünf Herren aus Melbourne dazu, sich für einen der raren Promoshots in der äußerst fragwürdigen Klamottenkombi schwarz/pink ablichten zu lassen, die Shirts teils ziemlich unlässig in die Hosen gestopft und mit Haarschnitten bzw. -kreationen ausgestattet, die jedem verantwortlichen Lehrling zur unmissverständlichen Abmahnung verholfen hätten? Sich so zu präsentieren braucht mit Sicherheit ein ziemlich dickes Ego, im Falle einer debütierenden Musikkapelle sollte dieses wiederum auf einem mehr als ordentlichen Einstand gründen. Und Überraschung – genau das tut es.

Also schnell vom Spott zur Hochachtung, denn abgesehen von den zweifelhaften Äußerlichkeiten haben Cool Sounds eine Platte eingespielt, die fast schon unverschämt gut gelungen ist. Ihr melodieverliebter Glitzerpop kommt mit einer Leichtigkeit und Eleganz daher, getragen noch dazu von Dainis Laceys anschmiegsamer Stimme, die an die Schweizer Klangperfektionisten Double, vielleicht aber auch an Altlegenden wie ABC oder Bryan Ferry denken lassen. Perlende Gitarrenakkorde, Liam Halliwells betörendes Saxophonspiel, locker pluckernde Beats, das alles mit traumwandlerischer Sicherheit zu maximal entspannter Dämmerungsmusik aufbereitet, bei der kein Ton aus der Reihe tanzt.



Zusammengewürfelt ist die sechs Mann starke Truppe im Übrigen u.a. aus Mitgliedern der (ebenfalls australischen) Formationen Ciggie Witch und The Ocean Party, und als solche auch ein unbedingtes Low-Budget-Projekt: Die zehn Stücke haben in einer Berliner Wohnung ihren Ursprung, wo Lacey sie innerhalb von zwei Wochen geschrieben hat, produziert, gemischt und gemastert hat sie Saxophonist Halliwell gleich selbst und auch der Videoclip zu „In Blue Skies“, einer lustigen Persiflage auf Miley Cyrus‘ „Wrecking Ball“, ist für einen Spottpreis bei einem befreundeten Filmemacher in Dreh gegangen. LoFi und DIY par excellence von Musikern, die sich selbst nicht allzu ernst nehmen und dennoch ihr Handwerk prächtig verstehen – eine Mischung, die durchaus Zukunft haben könnte.

Massive Attack: Rückwärtsgewandt [Update]

Vor zwei Tagen kam die Nachricht, daß Massive Attack mit zwei neuen Tracks an die Öffentlichkeit gehen - "The Spoils" und "Come Near Me" konnte man allerdings nur auf einer eigens eingerichteten App hören. Zur Freude der Gemeinde gibt es nun zumindest zum zweiten Song, der zusammen mit Ghostpoet entstanden ist, ein Video und somit die Möglichkeit, auch ohne speziellen Download an die Musik zu kommen. Der Clip ist, wie sollte es anders sein, mit einfachen Einstellungen gefilmt, aber dennoch ziemlich schräg und enthält sogar ein kleines Selbstzitat zur Halbzeit.

Update: Und hier nun auch Song Nummer zwei, "The Spoils" feat. Hope Sandoval, im Stream.





Donnerstag, 28. Juli 2016

Daughter: Endlich Gegensätze

Das ist ja das Schöne an dem neuen Album "Not To Disspaear" von Daughter, dass es nicht mehr nur die zarte, gefühlige Seite bedient, sondern auch eine Reihe schnellerer, atemloser Stücke im Programm hat und so vielleicht manchen Zuhörer irritiert, aufrüttelt. Dazu gehört in jedem Falle auch "No Care", zu dem es jetzt ein wild flackerndes, schnell geschnittenes Super-8-Video gibt, gedreht hat das James Slater (Major Lazer, Jamie T, Stealing Sheep), wer mag, kann sich auch gleich noch einmal den Clip der Single "How" anschauen.

Mittwoch, 27. Juli 2016

Familienalbum # 19: Zomby

Die Nachricht ansich ist nicht ganz so frisch, die Dreingaben dafür aber schon: Der britische Musiker und DJ Zomby hatte vor einiger Zeit sein viertes Album "Ultra" für den 2. September angekündigt, bislang fehlten dazu aber leider noch die ersten Hörproben. Heute nun kamen gleich derer zwei um die Ecke - so zum einen die Coop mit dem Kollegen Burial "Sweetz" als auch der Radio Rip von "Quandary", einer Zusammenarbeit mit Darkstar. Während Track Nummer eins in der semilegalen Version schon wieder aus dem Netz verschwunden ist und nur noch u.a. bei Stereogum belauscht werden kann, gibt's Nummer zwei hier unten vor Ort.

Nebenbei ist das kommende Album aber eine ganz gute Gelegenheit, dem schlichten roten Artwork ein wenig zu huldigen, schließlich ist Zomby nicht der erste, dem es die Signalfarbe angetan hat - eine ganze Reihe von Künstlern vor ihm zeigte sich schon begeistert und deshalb gleich mal ein neues Familienalbum, aufgeschlüsselt wie immer von links nach rechts und oben nach unten:

Fugazi "13 Songs", Loso "The Red Album", The Notwist "Neon Golden", Rush "Hold Your Fire", Queens Of The Stone Age "Songs For The Deaf", Young Fathers "White Men Are Black Men Too", Talking Heads "77", Tocotronic "Das Rote Album", Alice In Chains "The Devil Put Dinosaurs Here", Ed Roman "Red Omen", SBTRKT "Wonder Where We Land", Kanye West "My Beautiful Dark Twisted Fantasy", Weezer "Red Album", Fisher-Z "Red Skies Over Paradise", Maximo Park "A Certain Trigger", The Communards "Red", Red Snapper "Redone", Run The Jewels "RTJ2", Beach House "Depression Cherry", The Strokes "Comedown Machine"

Dienstag, 26. Juli 2016

Banks And Steelz: Annäherung [Update]

So langsam könnte man sich dran gewöhnen: Paul Banks (Interpol) und RZA (Wu-Tang Clan) haben als Banks And Steelz bekanntlich bald ein Album am Laufen - laut neuesten Informationen soll es "Anything But Words" heißen und am 26. August erscheinen. Nach der ersten Single "Love+War" gibt es nun mit "Giant" eine weitere Hörprobe.

Update: Und auch dafür gibt es einen Clip, Arbeitsteilung versteht sich - harte Raps hier, coole Gitarrenposen da, nearly perfect.



Newmoon: Antithese [Update]

Wo auch immer in diesen Tagen in Europa neue Musik auftaucht, man ist stets geneigt, sie mit der Fußball-EM in Verbindung zu bringen, auch wenn's noch so billig hergeht. Newmoon aus Antwerpen zum Beispiel gäben eine prächtigen Antithese zur belgischen Nationalmannschaft ab - sie sind zwar auch jung, talentiert und ehrgeizig, aber lange nicht so sehr von sich eingenommen und lassen das, was auf sie zukommen könnte, mehr oder weniger gelassen geschehen. Das Quintett ist seit seinen frühesten Jugendtagen beisammen, die fünf eint die Liebe zu The Cure und Joy Divison und die Freude auf das, was nach der Veröffentlichung ihres Debütalbums "Space" am 14. Oktober via PIAS alles so passieren könnte. Die erste Single "Head Of Stone" jedenfalls klingt mit seiner Mischung aus Shoegazing-Pop und Post-Punk schon mal ganz verheißungsvoll.

Update: Und ein Video gibt es nun ab dem heutigen Tag auch zum Song - natürlich ganz und gar stilvoll in schwarz/weiß...



Dinosaur jr.: Ein Quantum Trost

Dinosaur jr.
„Give A Glimpse Of What Yer Not“

(Jagjaguwar)

Allzu laut darf man das nicht sagen, aber ist es nicht fast schon egal, was J Mascis gemeinsam mit seinem Langzeit-Buddies auf die Platten tut, solange diese nur regelmäßig erscheinen? Denn sind das nicht die eigentlichen Trostpflaster für all jene Menschen, die das ernsthafte Bemühen aufgegeben haben, den Anschluss an eine Welt zu halten, die nur noch zu erreichen scheint, wer kein Hirn, kein Herz und keine Scham hat oder am allerbesten gleich ohne alle drei auskommt? Natürlich ist das maßlos überspitzte Schwarzmalerei und natürlich ist es schon auch wichtig, dass Mascis mit Mühe und Spaß bei der Arbeit ist. Dennoch: Eine Befriedigung dabei zu empfinden, wenn ein Mann über eine knappe Stunde hinweg seine Gitarre quält, ihr wieder und wieder dieselben, wunderbaren Gniedelgeräusche entlockt und dazu mit schiefer und brüchiger Stimme seinen Gedanken freien Lauf läßt, das kommt einem so urzeitlich vor wie Schreibmaschinen, VHS-Kassetten oder der Rubik-Würfel. Und doch gibt es sie noch.

Zum Glück, will man gleich hinterherrufen, denn wo wären wir denn ohne den silberhaarigen Grummler und seine Songs mit dem Charme einer hilfsbedürftig zusammengenagelten und verwilderten Bretterbude, die allen Unwettern seit Jahren trotzt und bei Sonnenschein Sehnsüchte hervorzurufen vermag, die man gar nicht mehr kannte. Da ist er also, der Romantizismus neuerer Prägung, der einen ab der ersten Minute des aktuellen Albums befällt und noch minutenlang nachschwingt, wenn die letzte Zeile von Lou Barlow gesungen und Mascis’ Schlußakkord verklungen ist. Alles ist wieder schön laut hier, es gibt ein paar satte Breaks obendrauf, auf die Spitze getrieben bei “Goin Down” und dem feinen “I Walk For Miles”. Darüberhinaus auch mit “Be A Part” den Herzschmerz in seltener Zartheit und mit ungewohnt süßer Melodie und das obercoole Skatervideo zu “Tiny”. Genug also, um restlos glücklich zu sein. Ach ja, eins noch: Wenn jetzt jemand Dadrock sagt, dann gibt’s ’n paar auf die Fresse!

03.11.  Köln, Live Music Hall
04.11.  Weissenhäuser Strand, RS Weekender
11.11.  Berlin, Astra Kulturhaus

Glass Animals: In weiter Ferne so nah

Eine aufgeregte, besorgte Mutter, ein quicklebendiger, gutgelaunter Sohn so nah beieinander und dennoch finden sie nicht zusammen - das neue Video der Glass Animals bebildert die traurige Geschichte von Verlust, Suche und Frustration mit sehr eindringlichen Bildern - der Song "Youth" findet sich auf dem Album "How To Be A Human Being", das am 26. August erscheinen wird.

Freitag, 22. Juli 2016

Fuck Yeah: Alles muss raus!

Fuck Yeah
„Fuck Yeah“

(My Redempt/Cargo Records)

Auf den ersten Blick nimmt sich das natürlich schon recht mutig aus, was sich die vier Herren, angeblich bei einem angeregten Plausch zu später Stunde auf der Münchner Wiesn, da überlegt haben: Neue Band und Albumdebüt zu einer Zeit, da andere Kollegen schon im Geldspeicher zum Kopfsprung ansetzen, dazu einen Namen gewählt, den man besser nicht leichtfertig auf Arbeit oder im Beisein der Ehefrau googelt. Man darf allerdings unterstellen, daß Markus Naegele, Rainer Germann, Michael Metzger und Kevin Ippisch, allesamt erfahrene Musiker und Szenekenner, mit Bedacht gewählt haben. Berufsjugendliches Rangekumpel kann man ihnen sicher nicht unterstellen, dafür ist Sound ihrer ersten gemeinsamen Platte zu sehr mit der Historie des gutes alten Indierock verbandelt, sie haben erst gar nicht versucht, einem Trend hinterherzuspringen oder die zwölf Stücke übermäßig aufzupimpen – gut abgehangene Schmirgelriffs, dreckig und laut genug, damit sie nicht in den Ruf der vorgezogenen Altersmilde kommen.

Natürlich werden bei all jenen, deren musikalische Sozialisation ähnlich verortet ist, liebgewonnene Erinnerungen wach – Pixies, Afghan Whigs, die "Replacements" sowieso, das darf und will man sich gern anhören. Von Vorteil ist, daß jeder der vier mittlerweile weiß, wie eine ordentlich Platte zu klingen hat, die Produktion ist satt und klar, Songs wie “C’mon”, “Lack Of Sleep” oder der fein dahingeschrammelte Titeltrack können so mühelos überzeugen. Daß Naegeles Stimme den Mangel an Volumen öfters durch Kraft wettzumachen sucht und das eine oder andere Lied auch mal etwas arg betagt oder breitbeinig daherkommt, wird man verschmerzen können, es geht schließlich nicht mehr um einen Podestplatz beim Talentewettbewerb. Die Botschaft der vier ist eine denkbar einfache, erst kürzlich durfte man sie wieder in der Zeitung (auch so eine alte Bekannte) lesen: “Rock 'n' Roll muss raus!” hieß es da – jetzt ist er dort und kann gern noch eine Weile bleiben.

10.08.  München, Theatron
14.10.  München, Digitalanalog

Die Antwoord: Trügerisch

Neues Material vom südafrikanischen Rave-Couple Die Antwoord steht ins Haus:
Am 16. September soll ihr neues Album "Mount Ninji And Da Nice Time Kid" erscheinen, glaubt man den Worten der beiden, dann ist daraus eine Platte geworden "so epic and sometimes vulnerable and sometimes sweet and romantic and so brave and full of mystery and win...", ah ja. Die erste Single "Banana Brain" behauptet allerdings etwas komplett anderes und man tut gut daran, mit dem Urteil noch bis zum Erscheinen zu warten.

12.08.  Saalburg-Ebersdorf, Sonne, Mond und Sterne Festival
16.08.  Gelsenkirchen, Amphitheater
20.08.  St. Pölten, Frequency Festival
24.08.  Zürich Open Air


Heyrocco: Rechtzeitig [Update]

Diesmal nicht verpassen: Vor einem Jahr haben Heyrocco aus North Charleston ein Wahnsinnsalbum veröffentlicht, das hier - man möchte es kaum glauben - keine Rolle gespielt hat. "Teenage Movie Soundtrack" kahm mit dreckigsten Gitarrengedröhn aus der Grungezeit daher, kein Wunder, dass Brendan Benson auf die Jungs aufmerksam geworden ist und nun mit ihnen ihre neue EP "Waiting On Cool" produziert hat, der Amerikaner hat ja solo und mit den Racounteurs selbst oft genug kräftig hingelangt. Hier jedenfalls die aktuelle Single "Built It Up", seit 20. Mai sind die sechs Songs zu haben.

Update: Und weil's grad so schön war - hier die aktuelle Single "Yeah" noch hinterher...

Screaming Females: Take it on the road

Das nehmen wir gern mal so mit: Die Screaming Females werden aus Anlaß ihrer bevorstehenden Australien-Tournee im August via Don Giovanni Records eine Deluxe-Variante des aktuellen Albums "Rose Mountain" veröffentlichen - diese wird einen Bonustrack mit dem Titel "Skeleton" enthalten, den dazugehörigen Stream gibt's hier gleich obendrauf.

Donnerstag, 21. Juli 2016

Einhorn: Der Rausch der Nacht

Einhorn
„Galactica“

(Las Vegas Records)

Dass das alpenländische Nachbarland nach landläufiger Meinung ausschließlich von schlechtgelaunten Misanthropen und vergrübelten Melancholikern bevölkert ist, die ihre morbide Denkungsart wie eine Monstranz vor sich hertragen, passt nur allzu fein ins Klischee der allgegenwärtigen Vereinfacher. Grund genug zum Klagen hätten sie ja, denkt man an all die flügellahmen Skispringer, erfolglosen Fußballer oder die jämmerliche Panne bei der Präsidentenwahl. Wenn man sich dann noch vergegenwärtigt, dass ein Mörtel Lugner (noch immer) als größte charismatische Lichtgestalt seit Arnold Schwarzenegger gehandelt wird – man wollte ihnen nicht verübeln, wenn sie in einen großen und allumfassenden Trauergesang verfielen.

Aber nichts da, zumindest die jungen unter ihnen zeigen den arroganten Piefkes gerade wieder einmal, wie man Krisen wegtanzt und legen dafür drei verschiedene Modelle vor: Wenn Wanda der kalkulierte Totalabsturz sind und Bilderbuch die verschrobene Poolparty, dann stehen Einhorn, der neueste Export in Sachen Austria-Coolness, für den Rausch der durchtanzten Clubnacht. Glamourös, anmaßend, sehr charmant und manchmal auch ein wenig pubertär, so präsentieren sich die vier Wiener auf ihrem Debütalbum. Wenn man über die nötigen Skills verfügt und also keinen Stock im Arsch hat, kann man getrost alle zwölf Stücke der Platte durchtanzen, verhandelt wird die zutiefst subjektive Sicht enttäuschter Liebhaber, leidenschaftlicher Kinogänger, überzeugter Großstadtflaneure und Nachtwandler.



Wer „Galactica“ nur laut und lange genug hört, der glaubt am Ende tatsächlich daran, dass die wirkliche Herausforderung nur darin besteht, zur richtigen Zeit das richtige Mädchen an der Hand zu haben, für den sind Einhörner fernab vom Kitschdiktat gottgleiche Fabelwesen und die Ray Ban der einzig wirksame, intergalaktischen Schutzschild gegen alles Böse der Nacht. Hier wummert und wippt und vibiert alles für den einen Moment unter der allmächtigen Glitzerkugel, wird der Todesstern zum Dancefloor, auf dem es nichts zu fürchten gibt außer dem Morgengrauen. Viel schönere Songs als „Tuxedo Mask“, „Lara Croft“ oder „Spring auf“ hat man in diesem Sommer nicht gehört, passender als in „Das Lied das sonst keiner kennt“ wurde spinnertes Außenseiterdasein kaum besungen und daß Wien „Schöner als Berlin“ ist, wird jede/r bestätigen, der sich ständig nicht am Mittelpunkt der Welt wähnt. Sonst eher eine abgedroschene Floskel – hier paßt sie wie keine zweite: Hoffnungsvolle Hauptdarsteller, großes Kino!

Mittwoch, 20. Juli 2016

Gurr: Nicht übertrieben

Wenn die Promolyrik wieder was von "supergehypt", "lang ersehnt" und "hochgelobt" verzapft, ist ja in der Regel Vorsicht geboten, jetzt allerdings darf man ihr schon mal recht geben: Vom Berliner Mädchen-Duo Gurr war ja hier schon die Rede, nun bringen sich Andreya und Laura Lee mit ihrer zauberhaften neuen Single "Moby Dick" wieder selbst ins Gespräch und verkünden gleichzeitig die Fertigstellung des ersten Albums "In My Head" via Duchess Box Records für den Monat Oktober. Wir glauben alles und freuen uns.

Dienstag, 19. Juli 2016

Merchandise: Endlich Wochenende

Die erste Single des neuen Albums von Merchandise aus Tampa/Florida war im Netz nicht ohne weiteres zu finden - "Flower Of Sex" ließ einfach manchem eilfertigen Sittenwächter zu viel Platz für Interpretation. Mit der neuen sollte das anders werden, "End Of The Week" klingt ungleich harmloser, der Clip zum Song findet sich u.a. bei Dooloop - die Platte "A Corpse Wired For Sound" soll am 23. September bei 4AD erscheinen und eine Tour dazu ist auch schon geplant.

28.10.  Bielefeld, Nr.z.P.
29.10.  Leipzig, Westwerk
30.10.  Berlin, Tiefgrund
10.11.  Bern, Rössli
15.11.  Linz, Posthof

I Have No Mouth And I Must Scream: Goldene Zeiten

Wer ein Kind der Neunziger ist, hat einen Teil seiner musikalischen Sozialisation, so schrecklich das klingt, mit MTV und 120 Minutes erfahren - eine unbezahlbare Sendung, deren Absetzung ein Loch gerissen hat, das nie wieder gekittet werden konnte. Die Berliner Formation I Have No Mouth And I Must Scream scheint das genauso zu sehen und hat deshalb das Video zu ihrer aktuellen Single "Drowning" - wir haben sie an gleicher Stelle schon präsentiert - an die Optik der glorreichen Zeiten angelehnt, das Album zum Song nennt sich noch immer wie das Quartett selbst und kann u.a. bei Bandcamp angehört und bestellt werden.

Wilco: Allen Ernstes

Schon der letzte Plattentitel von Jeff Tweedy war ein ungewöhnlicher, mit dem zukünftigen schließt er nahtlos daran an: Wilco haben für den 9. September ein neues Album angekündigt, "Schmilco" wird der Nachfolger von "Star Wars" heißen und nach dem putzigen Katzencover gibt es nun eine hübsche Zeichnung von Joan Cornellá. In der letzten Woche machte mit "Locator" schon eine erste Hörprobe die Runde, das nächste Stücke "If I Ever Was A Child" gibt es bislang nur bei Spotify und Shazam.

Montag, 18. Juli 2016

Mother Tongue: Ganz in Familie

Mother Tongue
Strom, München, 17. Juli 2016

Was heute nicht alles Familie sein will: der Freundes-, Kollegen- oder gar Bibelkreis, die Fußballmannschaft, die Skatrunde und, je länger sie gemeinsam auf der Bühnen stehen, auch schon mal die eine oder andere Band. Mother Tongue können diesbezüglich (mit kleineren Unterbrechungen) immerhin schon auf ein knappes Vierteljahrhundert verweisen, den Bezug stellen sie aber auf denkbar einfache Weise her. Kurz vor Kickoff nämlich laufen in abendlicher Sommerhitze David Gould, Christian Leibfried und Bryan Tulao samt Frauen und Kinderschar an der Clubtür ein, mutmaßlich direkt aus dem Biergarten – maximal entspannt, hier noch ein Plausch, da noch ein Fanselfie, übertriebene Rockstar-Attitüde sucht man da vergeblich. Und auch die Anhängerschaft empfängt das Quartett aus Los Angeles mit aufgeräumter Herzlichkeit, man kennt sich, begleitet einander seit Jahren und auch wenn die Helden des vorangegangenen Jahrtausends wieder die kleineren Hallen bespielen (was eher von Vorteil ist) und kein neues Material dabeihaben, es erinnert einen doch vieles an ein Familienfest.

Natürlich ein sehr lautes, denn deshalb sind sie ja alle gekommen.Und die Truppe läßt keinen Zweifel daran aufkommen, dass Mother Tongue über zwanzig Jahre nach ihrem mittlerweile legendären Debütalbum die explosive Energie, die Wucht heute wie damals in gleicher Güte auf die Bretter bringen können. Eigentlich geplant als Jubiläumstour anlässlich der Wiederveröffentlichung zweier jüngerer Alben, gibt es erfreulich viel altes Material für die verzückte Gemeinde: „Burn Baby“ als brachialer Opener, später noch „Damage“, „Broken“, „Vesper“ und „The Seed“ – die Stücke zünden unmittelbar und schrauben den Hitzepegel des Saales auf das Niveau eines finnischen Dampfbades. Auch Sasha Popovic, als Nachzügler am Schlagwerk der jüngste der vier, hat augenscheinlich gehörigen Spaß dabei, sein Arbeitsgerät standesgemäß zu malträtieren und so krachen die Songs in gewohnter Manier zwischen Blues- und Funkrock Richtung Menge.

Spaß also oben wie unten, Publikum und Band quittieren diesen in den Liedpausen gleichermaßen mit freundigem Grinsen. Für das Tattoo des Abends (s.u.) wurde noch ein Ehrengast gekürt, dazu der Aufruf, dem Beispiel doch schnellstmöglich zu folgen und so die Familienbande noch enger zu schmieden. Wie so oft in diesen Tagen holte einen die traurige Realität dann aber doch noch kurz ein – für den Moment des Innehaltens sorgten Goulds Grüße an die Toten von Nizza und Istandbul, begleitet von den wütenden Textzeilen: „Everybody knows somebody dead that should be alive, are you gonna live, are you gonna die, you better decide (Casper)”. Wenn sie es doch nur gekonnt hätten, denkt man sich unweigerlich… Der Abend endet dennoch mit dem beruhigenden Gefühl, dass sich einige Dinge zum Glück nicht ändern und man in einer Familie, welche das auch ist, immer noch am besten aufgehoben ist. Und wir wissen jetzt auch: Wenn die Red Hot Chili Peppers im Herbst auf Tour kommen, ist ein Abend im Kreise der Lieben nicht die schlechteste Alternative – denn besser wird es nicht werden.

19.07.  Weinheim, Cafe Central
20.07.  Dresden, Beatpol
21.07.  Leipzig, Moritzbastei
22.07.  Karlsruhe, Das Fest
23.07.  Dornbirn, Conrad Sohm
24.07.  Aflenz, Sublime
25.07.  Wien, Flex
27.07.  Erlangen, E-Werk
28.07.  Dortmund, FZW
29.07.  Frankfurt, Nachtleben
30.07.  Trebur, Open Air


Samstag, 16. Juli 2016

Heliotropes: Zeitarbeit

Heliotropes
„Over There That Way“
(The End Records)

Dass eine Band nicht den Fans gehört, realisieren viele von ihnen erst, wenn sich die Idole nicht an das zu halten gedenken, was die getreue Anhängerschar für ihre Gunstbezeugung erhofft, erwartet oder gar einfordert – da kann es schon mal ungemütlich werden im Netz oder gleich in der Front Row. Verständlicherweise scheuen nicht wenige Musiker deshalb die Veränderung und geben Mut und Willen für die andauernde ‘Nummer sicher’ dran. Bemerkenswert wird es dann, wenn selbst der bzw. die Künstler/in merkt, wie wenig sich derartige Umbrüche steuern oder planen lassen und wie groß die Chance auf einen kreativen Neubeginn dadurch ist. So zum Beispiel Jessica Numsuwankijkul, Sängerin der New Yorker Kapelle Heliotropes. Gestartet als All-Girl-Projekt, hat die Gruppe in den Jahren nach dem Erfolg des Debüts “A Constant Sea” nahezu das komplette Line-Up getauscht, Nya Abudu, Cici Harrison und Amber Myers sind, dem Geist des unsteten und teuren Stadtteils Brooklyn folgend, weitergezogen und so haben nun die Herren Giuffre, Thomas und Swift ihren Platz eingenommen. Und natürlich auch die Spielidee des Quartetts ganz im Sinne ihrer Cheffin umgekrempelt. Numsuwankijkul hatte ganz offenkundig keine große Lust mehr, den Leuten weiter mit Brachialriffs den Schädel weichzuklopfen, beschäftigte sich stattdessen lieber mit dem klassischem Rock von Paul McCartney, George Harrison, Lee Hazlewood und nebenbei mit der Historie des ersten und zweiten Weltkrieges.

Beides, so unterschiedlich es im Ansatz klingen mag, bekommt Platz auf dem neuen Album – der Sound der neuformierten Band ist konventioneller, melodischer, weniger wild und hart und die Texte suchen sich im metaphorischen Sinn viele Anknüpfungspunkte (bis hin zum Namen und Cover der Platte) in länger vergangenen Krisenzeiten. „Normandy“, „War Isn’t Over“, „Goodnight Soldier“ – man muß nicht alles wörtlich nehmen, was die Überschriften titeln, denn eigentlich geht es wie oft um nicht mehr als den Kampf, die Eroberung und den Neubeginn. Man darf die reduzierte Schärfe der Arrangements dabei durchaus bedauern, auch wenn das Harsche, Rohe bei einigen Stücken noch durchblitzt („War Isn’t Over“/Dardanelles Part I“) – der Großteil allerdings begnügt sich mit entspanntem, psychedelischen Gitarrenspiel, gern auch mal akustisch, ein paar angedunkelte Tarantino-Momente werden eingestreut und selbst das Saxophon bekommt einen Auftritt („Wherever You Live“). Es wird sicher einige Zeit brauchen, den neuen Stil mit dem Erwarteten übereinander zu bringen, vielleicht fängt man am besten mit „Easy“ an, mit derlei lässiger Rockness fällt die Versöhnung vermutlich am leichtesten.

Freitag, 15. Juli 2016

Alphabetic: Verliebte Jungs

Der Bezug zu Frankreich ist an einem so traurigen Tag wie heute schwerlich zu vermeiden, hier trägt er allerdings deutlich unbekümmertere Züge: Alphabetic aus dem Süden Londons haben gerade heute ihr Debütalbum "Touch" veröffentlicht und tatsächlich gelingt es ihnen mit dieser poppigen Melange aus Talking Heads und The Cure ziemlich schnell, einen zu berühren. Beispielgebend dafür die aktuelle Single "French Boyfriend" - sehr smart, sehr luftig, darf ruhig so weitergehen.

M.I.A.: Der Weg als Ziel

Es wird also ein neues Album von M.I.A. geben, der Einfachheit halber hat Mathangi Arulpragasam den Titel gleich am eigenen Pseudonym festgemacht - "A.I.M." soll am 9. September erscheinen und die Idee zum explosiven Video der ersten Single "Go Off" stammt von ihr selbst, der Track ist in Zusammenarbeit mit Skrillex und Blaqstarr entstanden. Dass die Platte wieder eine politische wird, scheint so sicher wie ihre Streitbarkeit groß ist, zusammen mit dem tamilischen Schriftsteller Senthuran Varatharajah hat sie schon mal das folgende Statement zur Flüchtlingskrise verfaßt.


Donnerstag, 14. Juli 2016

Miraculous Mule: Sommerfrische

Da sind sie ja wieder und was soll man sagen - rechtzeitig für die Endauswahl zum Sommerhit: Miraculous Mule waren zuletzt im Jahr 2014 mit ihrer EP "Blues Uzi" unterwegs, das letzte Album "Deep Fried" ist noch ein Jahr älter. Nun gibt's von den drei Herren aus London also Neues zu hören - die nächste Platte "Two Tonne Testimony" ist für November angekündigt, die erste Single "Sound Of Summer" kommt schon heute mitsamt farbenfrohem Videoclip daher.

Casper: Lebenslänglich [Update mit Tour]

Nun ist es also raus und die Besucher des Chemnitzer Kosmonauten-Open-Airs haben es wohl als erste erfahren: Was auf der Website von Casper lange als flackernde Lampe geheimnisvollte, entpuppt sich nun als dessen neues Album - "Lang lebe der Tod" soll am 23. September erscheinen und für den Titelsong, der übrigens auch den Schluss des Sets in Chemnitz schmückte, standen u.a. Sizarr, Dagobert und Blixa Bargeld mit im Studio. Das Stück kann man sich bei Casper daheim, als verwackelte Live-Performace bei YouTube oder gleich hier vor Ort
anhören/-schauen.

Update: Nun also als volle Breitseite und rechtzeitig zum Wochenende - Smashen mit Casper! Und: Termine (Tickets unter https://krasserstoff.com/casper/)!

27.09.  Köln, E-Werk
28.09.  Berlin, Tempodrom
29.09.  Stuttgart, Im Wizemann
30.09.  München, Muffathalle
01.10.  Offenbach, Capitol
02.10.  Zürich, Dynamo
04.10.  Wien, Arena
05.10.  Dresden, Schlachthof

Le Goût Acide Des Conservateurs: Nachgeschmack

Wir bleiben kurz in Frankreich und wenden uns einer Band mit einem sehr hübschen Namen zu: Le Goût Acide Des Conservateurs. Frei übersetzt bedeutet das ungefähr so viel wie 'Der säuerliche Geschmack der Konservativen' - also dort wie hier ein topaktueller Bezug. Marc Levillain, Frédérique Lélias Louvat und Yann Lélias sind mit ihrer Formation seit 2015 im Geschäft und werden am 22. Juli ihre Debüt-EP "Vision" mit vier Songs veröffentlichen, einen davon, "Hot Rod", gibt es hier vorab im Stream.

Justice: Post Depression Pop

So, EM verdaut (auch wenn wir hier länger Zeit dazu hatten und nicht so tief gefallen sind), aber auch der Grande Nation geht's langsam wieder besser. Denkt man sich zumindest, wenn die ersten Töne der neuen Single von Gaspard Augé und Xavier de Rosnay aka. Justice durch die Membranen wippen - "Safe And Sound" (hat mit Taylor Swift nix zu tun) kommt momentan noch als sog. standalone track daher, es darf aber mit einem dazugehörigen Album gerechnet werden.

Mittwoch, 13. Juli 2016

BANKS: No means no

"I fuck with myself and not anybody else" - nun, wie soll man diese Zeile wohl verstehen? Als BANKS' Beitrag zur "No Means No"-Kampagne? Das darf sich erst mal jeder selbst überlegen - dazu gibt es jedenfalls ein ziemlich ungewöhnliches Video von Phillippa Price (Pharrell Williams, Rihanna, Alicia Keys) und die vage Ankündigung einer neuen Platte, dem Nachfolger also von "Goddess" aus dem Jahr 2014. Wieder jede Menge Geheimniskrämerei, aber das sind wir von der Dame ja schon gewöhnt...

Von wegen Lisbeth: Aber nicht nur

Von wegen Lisbeth
„Grande“
(Columbia/Sony)

Ist es denn tatsächlich so, dass ein schlechtes, gesamtgesellschaftliches Umfeld (bei Lippenstiften und Rocklängen sollen die wirtschaftlichen Zusammenhänge ja erwiesen sein) der Kunst einen kreativen Schub verleiht? Wenn ja, man traut es sich kaum zu segen, dann dürfen die Zeiten wohl gern so schlimm bleiben, wie sie von vielen herbeigejammert werden. Denn es ist unbestritten, dass gerade in Sachen Rock- und Popmusik hierzulande im Moment ein lobenswert vielfältiges und noch dazu interessantes Angebot vorliegt. Und auch wenn die sympathische Berliner Jungenskombo Von wegen Lisbeth von wütendem Punk um Lichtjahre entfernt und selbst mit verkopftem Diskurspop nur sehr mangelhaft umschrieben ist – Matthias Rohde und Kollegen wissen sehr wohl, wo und wie sie ihre winzigen Nadelstiche setzen müssen, um nicht als beliebig, harmlos oder gar langweilig zu gelten.



Erstes großes Plus: Das Songwriting. Von wegen Lisbeth machen wirklich feine Musik. Nun möchte man meinen, das sei ja selbstverständlich, aber über die Spiellänge von vierzehn Stücken schaffen es ganz sicher nicht viele Bands, die Spannung und Inspiration hoch zu halten, irgendwann kommt unweigerlich ein Hänger – hier nicht. Dabei haben sie die Bandbreite ihres Sounds im Vergleich zu den ersten Veröffentlichungen noch einmal deutlich erweitert, so hört man neben zackigem Gitarrenpop und manch hektischem Rockriff auch hübsche Verweise auf Air oder Arcade Fire, rückt der Brass zum Reggae an und keiner schämt sich, wenn’s mal etwas cheesy oder albern wird, warum auch? Merci, Chérie! Rohdes Stimme tut ein Übriges, den Laden zusammenzuhalten und erklingt dabei in so vielen Facetten, wie es dem Charakter der Musik eben zuträglich ist.

Ganz dick auf der Haben-Seite: Ihr Charme. Selbst wenn sie bissig sind, bleiben die Herren höflich genug, um niemanden allzu sehr vor den Kopf zu stoßen. Getreu dem Motto: Mach doch was du willst, und wenn es uns nicht gefällt, so lass uns bitteschön damit in Ruhe. Foodporn, falsche Freunde, Trendgelaber und Blingbling, Alternativen, die keine sind und sein dürfen – hier wird alles und jede/r auf die Schippe genommen, der Streber mit dem Spermapulli, die Hauptstadt-Hipster, Smartphoner und Besserwisser. Einen Spitzenplatz nimmt dabei, neben den bekannten Singles, natürlich „Der Untergang des Abendlandes“ ein, viel schöner kann man die Stimmungslage im Lande kaum vertonen, herbeigeredet von Schwarzmalern, Facebook-Hatern und selbsternannten Anstandshütern. Ein trauriges Kapitel in hellen Farben gemalt.



Melancholie können die natürlich auch, da stehen sie dann ganz kurz und ganz nah bei den anderen Durchstartern des Sommers, bei Isolation Berlin. Auch die berufen sich gern auf den Dunkeldeuter Sven Regener und seine Element Of Crime und vermutlich findet sich, hört man sich „Penny“ und „Unterm Schrank“ an, auch bei Von wegen Lisbeth die eine oder andere traurige Platte im Schrank. Die Liste der verklärten, provinziellen Sehnsuchtsorte (Schlachtensee, Jenfeld, Jarmen, Delmenhorst, tbc.) wird um den „Bärwaldpark“ erweitert und wieder einmal haben sie einen irritiert. Eine Band für Zwischentöne: Leichte Unterhaltung – aber nicht nur, beschwingte Humoristen – aber nicht nur, lieber Mittel- als Zeigefinger – aber nicht nur, gern nett und nice – aber nicht nur, besser ohne Politik – aber nicht nur. Und bei allem darf man nicht vergessen (gerade hat’s wer geflüstert), dass die Jungs zu alledem auch noch ganz süß aussehen. Stimmt, aber? Eben: Nicht nur. http://www.vonwegenlisbeth.de/

Alle Tourtermine: hier.

Dienstag, 12. Juli 2016

Captions: Dämmerklänge

In den Abend gehts mit geschmeidigem Indierock Marke Band Of Horses und Nada Surf: Das Quartett Captions stammt aus dem südkalifornischen Ventura County und hatte bislang die beiden Singles "Two Step" und "Recording Silence" veröffentlicht. Nun kommt die dritte hinzu, das wunderbare "Bearfights" klingt so gar nicht nach tierischem Kräftmessen, sondern gefällt eher mit verträumten Harmonien - Dämmermusik halt. Das Album "Iterations" folgt dann in Kürze...

Von wegen Lisbeth: Vorschuß

Die Rezi wird nicht mehr lange auf sich warten lassen und, das können wir jetzt schon mal verwegen durchblicken lassen: Dieses Album ist eine Wucht! Von Wegen Lisbeth, kurz und liebenswert VWL genannt, werden mit "Grande" diesen Frei- zum Freutag machen und die komplette Musikjournaille zu Jubelstürmen verzücken (ihre Fans sowieso), die neue Single "Bitch" kommt dazu noch mit einem so unterhaltsamen wie detailversessenen One-Shot-Videoclip daher (der Originaldreh dauerte im Übrigen nur 30 Sekunden). Sehr groß, tatsächlich.

Metronomy: Ein Schritt zurück nach vorn [Update]

Metronomy
„Summer 08“

(Because/Warner)

Die Dinge einfacher zu machen, wenn sie schon einen gewissen Umfang, also eine kritische Masse, erreicht haben, das ist gar nicht so einfach. Im Jahr 2014 hat Joseph Mount zusammen mit seinem Projekt Metronomy und den fabelhaften „Love Letters“ (und im Parallelflug mit der fast gleichzeitig erschienenen Platte „Singles“ der Future Islands) den Pop gerettet, es waren diesen beiden Platten, die den Sommer vorwegnahmen und retteten. Bei aller Begeisterung war da fast in Vergessenheit geraten, dass Mount mit „The English Riviera“ und „Nights Out“ zuvor zwei mindestens ebenbürtige Werke abgeliefert hatte, nur trafen diese eben nicht ganz so auf den Punkt wie die rosaroten Liebebriefe. Ihn schreckt das natürlich nicht und so hat der Mann vom südlichsten Zipfel Englands im Subtext zur neuen Platte gleich mehrere Botschaften untergebracht: Zunächst der Titel Selbst – Mount verweist hier auf seinen letzten freien Sommer, den von 2007, denn ab dem folgenden Jahr füllten ihm der stetig wachsende Erfolg und das Marketing den Kalender und aus war’s mit der Lazyness. Insofern weckt ‘08 also nicht nur die angenehmsten Erinnerungen – für „Summer 08“ aber, das ist bekannt, soll es keine Livetermine gaben.



Simplizität ist die zweite Botschaft – wo „Love Letters“ noch funkelnder Überschwang war, kommt das neue Album wieder als minimalistischer Funkpop daher. Zwei Wochen hat er im heimischen Schlafzimmer an dem Ding getüftelt, dann war’s gut (genug) und fertig. Und klingt dennoch nach viel Spaß und hoher Präzision, Mount ulkt selbst von „musikalischer Pediküre“. Also wieder mehr einfache Elektronik, natürlich 80er-Zitate en masse (Heaven 17 und „Back Together“), etwas Disko (zusammen mit Robyn bei „Hang Me Out To Dry“), später Reggae („Summer Jam“) und viel, viel Gelegenheit, die Knochen kräftig durchzuschütteln. Am besten gelingt das mit der Single „Old Skool“, hier hat sich Mount mit Mix Master Mike aus der Beastie-Boys-Crew ein Idol früherer Tage geholt, zu exaltiertem Gesang gibt es vorzügliche Beats und die besten Scratches vom Altmeister. Ein durchaus gelungenes „Bauchgefühl-Album“ (Mount/Intro) also, vielleicht nicht das nächste Feuerwerk, aber wann bitte gab es denn zuletzt in solcher Rekordzeit einen so großen Packen guter Laune!? http://www.metronomy.co.uk/

Update: Jetzt auch mit aktuellem Video zu "Night Owl" unter der Regie von Quentien Dupieux (Mr. Oizo) und jeder Menge Gemetzel.

Kagoule: Nachspiel

Kaum ist der Festivalsommer am abklingen, drücken die Clubtermine für den Herbst mit aller Macht in den Kalender. Diesmal: Kagoule. Die Band aus Nottingham hat bekanntlich im Sommer vergangenen Jahres ihr Debüt "Urth" vorgelegt und damit auch auf dieser Seite für einige Euphorie gesorgt. Eine neue Platte ist zwar momentan nicht in Sicht, wohl aber eine Kurztournee durch Deutschland - dazu noch einmal die letzte Wortmeldung "Pharmacy".

12.09.  Berlin, Musik und Frieden
14.09.  Hamburg, Goldener Salon
15.09.  Köln, Blue Shell
16.09.  München, Ampere

Crystal Castles: Unkaputtbar

Fans der kanadischen Band Crystal Castles hatten es in den letzten Jahren ganz sicher nicht einfach, niemand wusste genau zu sagen, ob die Band nach Album Nummer drei überhaupt noch existierte und wer um Himmels Willen das Mikro in die Hand nehmen würde. Stand jetzt ist das Duo immer noch ein Duo geblieben, an die Seite von Ethan Kath rückte nun nach der Demission von Alice Glass die neue Sängerin Edith Frances. Der guten Nachrichten nicht genug, es wird am 19. August via Fiction Records ein weiteres Album mit dem Titel "Amnesty (I)" geben, von dem in den letzten Wochen die Tracks "Concrete" und "Femen" ins Netz gelangten und gerade die erste offizielle Single "Char" in Umlauf gegangen ist. Das Salz in der Suppe sind bei den wildgewordenen Elektronikern aber seit jeher die Liveauftritte und davon sind zunächst die vier folgenden geplant.

20.10.  Frankfurt, Zoom
31.10.  Berlin, Columbia Theater
01.11.  Hamburg, Uebel und Gefährlich
02.11.  Köln, Essigfabrik





Manuela: Vom Brexit genesen

Eine besonders schmerzhafte Form des Brexit ereignete sich Ende letzter Woche, als Franz Ferdinand die Trennung vom (naja: irgendwie doch deutschen) Gitarristen Nick McCarthy bekanntgaben. Persönliche Differenzen, so hieß es, soll es keine gegeben haben, der Junge wollte sich einfach mehr seiner Familie und seinen neuen Projekten widmen und seit heute wissen wir auch, dass das quasi ein und dasselbe ist. Manuela, ein Popduo zusammen mit seiner Frau Manuela Gernedel, steht da wohl an erster Stelle - eine erste Single "Cracks In The Concrete" gibt es hier vorab, die dazugehörige Postkarte (s.o.) vervollständigt die Genesungsgeschichte.

Montag, 11. Juli 2016

Shura: Liebes Tagebuch

Shura
„Nothing’s Real“
(Polydor)

Wer das aus eigener Erfahrung kennt, sollte sich natürlich zuallererst einmal schämen: Der Blick in die Tagebucheinträge Heranwachsender (und seien es auch die der eigenen) ist ja grundsätzlich ein verbotener, schließlich werden hier Dinge niedergeschrieben, die für neugierige Erwachsenenaugen überhaupt nicht gedacht sind, sondern der Vergegenwärtigung, dem Trost, der wehmütigen Erinnerung und der Bewältigung von Wut, Angst und Enttäuschung dienen. Nun ist diese altehrwürdige Tradition in Zeiten der fragwürdigen Zurschaustellung intimster Details in gierigen Online-Netzwerken vor allem bei jungen Menschen gerade nicht mehr so en vogue, um so mehr rührt einen die unverstellte Sicht auf die Gefühlswelt derselben. Und auch wenn Aleksandra Lilah Denton aka. Shura dem Teenager-Alter schon entwachsen ist – ihr Debütalbum gibt einem dennoch das Gefühl, beim Durchblättern sehr persönlicher Notizen ertappt worden zu sein.

Die Tochter einer russischen Schauspielerin und eines britischen Filmemachers hatte ja zunächst andere Ziele im Blick und liebäugelte mit einer hoffnungsvollen Fußballkarriere bei einem namhaften Klub in ihrer Heimatstadt Manchester. Dass Shura dennoch dem musikalischen Talent den Vorzug gab, sollte sich in den kommenden Jahren als gute Wahl erweisen, das aktuelle Album folgt einer großen Zahl verheißungsvoller Singles und kann mit seinem beschwingten Synthpop mühelos einen gleichberechtigten Platz zwischen den Chvrches, La Roux, Robyn und Purity Ring behaupten. 
Von entwaffnender Einfachheit wie erwähnt die Texte.

Denton meidet bewusst alles Verkopfte, Verklausulierte, Metaphern findet man bei ihr ebensowenig wie den großen, gesellschaftlichen Kontext. Es geht hier tatsächlich um nichts anderes als die Niederschrift der (was man unterstellt) eigenen Erfahrungen des alltäglichen Lebens und Liebens, sie dokumentiert Trennungen und Enttäuschungen in all ihren Facetten, singt über die Sprachlosigkeit angesichts auseinanderklaffender Vorstellungen und Wünsche („Tongue Tied“), macht hier dem Gegenüber Mut („Indecision“) und will dort das Unausweichliche nicht sehen („What It’s Gonna Be?“). Es ist der innere Widerstreit aller, die merken, dass die kindliche Sorglosigkeit nicht mehr lange zu haben sein wird („No, I'm no child but I don't feel grown up”/What Happened To Us?), es kann also nicht schaden, etwas länger und genauer hinhören. Vor allem, wenn es so gut klingt wie hier. http://weareshura.com/

13.11.  Berlin, Musik und Frieden
14.11.  Hamburg, Terace Hill
15.11.  Köln, Yuca

Sonntag, 10. Juli 2016

James Leonard Hewitson: Haarige Sache

Weil wir gerade bei Debüt-Singles sind - auch diese hier kann sich hören lassen: James Leonard Hewitson tritt so ein bisschen in die zugegebenermaßen recht großen Fußstapfen von Anti-Folk-Star Adam Green, sein Song "Care Less, Love Less" bringt alles mit, was ein Indiehit so haben muss. Optisch eher ein Wiedergänger von Thurston Moore, steht in seiner Facebook-Timeline unter Auszeichnungen folgerichtig diese: Best Hair 2009. Nun ja, es wird nicht sein einziger Erfolg bleiben, wenn er so weiter musiziert, unterstützt wird er im übrigen von vier weiteren Musikern und stammt aus dem englischen Hafenstädtchen Hartlepool.

Ängie: Rauchzeichen

In Übersee würden Name, Titel und Song mit einer endlosen Aneinanderreihung von Bleeps den Hörgenuß mächtig einschränken, nicht so hier: Auch wenn sich hinter Ängie ein styleverliebtes It-Girl aus Stockholm verbergen sollte, ihr Track "Smoke Weed Eat Pussy" hat es in sich und hämmert das Wochenende ganz gut dem Ende entgegen - “I hit the blunt like I’m Slim Shady, cause I’m a mother-fucking lady.” Sei's drum!

Samstag, 9. Juli 2016

Le Butcherettes: Sturmwarnung

Noch eine Kurztournee, die sich fast vorbeigemogelt hätte: Im letzten Jahr gehörte "A Raw Youth" der Le Butcherettes nicht nur hier zu den heimlichen Favoriten - der Garage-Punk des Trios aus Guadalajara in Mexiko war so herrlich wild und wütend wie selten etwas in dieser Zeit. Um so erfreulicher, dass Teri Gender Bender, Chris Common und Riko Rodríguez-López nun für den Herbst ein paar Clubtermine nachschieben.

21.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
22.09.  Berlin, Cassiopeia
23.09.  Köln, Artheater
01.10.  Stuttgart, Kellerklub
04.10.  München, Kranhalle
05.10.  Wien, B72

Freitag, 8. Juli 2016

Wild Beasts: Nahtloser Übergang [Update]

Das letzte, was wir von den Wild Beasts zu sehen bekommen haben, war die Intonation ihres großartigen Hits "Wanderlust" auf der Riesenorgel der Royal Festival Hall - was auf den ersten Blick anmaßend erscheint, ist angesichts der Qualität ihres letzten Albums "Present Tense" nur folgerichtig. Nun haben die Briten endlich das Nachfolgewerk benannt, "Boy King" soll am 5. August bei Domino Records erscheinen und die erste Single "Get My Bang" fügt sich schon mal nahtlos in den Reigen der letzten Großtaten ein.

24.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
16.10.  Köln, Luxor
20.10.  Berlin, Kesselhaus
23.10.  Zürich, Rote Fabrik

Update: Zweite Single, zweiter Clip - diesmal "Big Cat", bittesehr.



Donnerstag, 7. Juli 2016

The Julie Ruin: Warnung auf Wiedervorlage

The Julie Ruin
„Hit Reset“
(Hardly Art)

Es ist so eine Sache mit dem Respekt. Selbst schon lang in die Mühlen und Mühen des Alltäglichen abgetaucht, in der eigenen Spießigkeit (auch gern neues Familienbild genannt) gefangen, fordert man von den einstigen Idolen der bewegten Jugend – wenn es denn eine war – immer noch die Authentizität und Unangepasstheit ein, die man selbst zu leisten kaum noch imstande ist. Schwierig. Wie gut tut es da zu hören und zu sehen, dass es durchaus Menschen gibt, die wenn auch nicht zum Starschnitt, so doch noch zum Vorbild der Ü40-Generation taugen, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Kathleen Hanna beispielsweise war immer schon eine unbequeme, wütende Göre, sie hat den Feminismus und das weibliche Rollenverständnis, ob nun mit Bikini Kill, Le Tigre oder auch solo, zuweilen schneller vorangebracht als manche verfilzte Prinzipienreiterin. Und tut es noch.

Hanna litt die vergangenen Jahre an einer das Nervensystem und die Gelenke angreifenden Infektionskrankheit, auch wenn sie zum jetzigen Zeitpunkt geheilt scheint, so fühlte sie sich dennoch, wie sie sagt, zum zweiten Mal in ihrem Leben (nach ihrer recht wilden und oft komplizierten Jugend) in einem fremden Körper gefangen, von Ausgeglichenheit und Zufriedenheit keine Spur. Das letzte Album “Run Fast” läßt sich mit diesem Wissen als bewusste Ablenkung und Hilfeschrei zugleich deuten, mit “Hit Reset” will sie nun den Neuanfang wagen und, den Ehrgeiz hat sie noch immer, andere dazu ermuntern. Und legt sich dabei mächtig ins Zeug. Die neue Platte ist noch lauter, noch bissiger und wütender als der Vorgänger, sie dröhnt und kreischt wie zu seligen Punkzeiten und sollte all den stylischen Spicegirlies, die es (Ironie der Geschichte) ohne die Riot Grrrls nicht gegeben hätte, eine Mahnung auf Wiedervorlage sein.

Dabei geht es einerseits natürlich um das eigene, selbstbestimmte Ich, das mit “I Decide”, den schiefen Gitarren und wummernden Bässen besser nicht befeuert und angespornt werden könnte, um klare Entscheidungen (“I’m Done”) und ein paar mehr oder weniger ernst gemeinte Ratschläge (“Be Nice”, “Hello Trust No One”). Die Männerwelt bekommt die erwartete, sarkastische Breitseite (“Mr. So And So”, “Planet You”) oder wird aus Sicherheitsgründen besser gleich wieder nach Hause geschickt (“Rather Not”), Hannas Lyrics sind amüsant und scharf geschnitten zugleich und haben an Relevanz kein bisschen verloren. Tröstlich dabei, dass auch sie Zugeständnisse machen musste und daraus ihre eigene Lehre zog – so sagte sie kürzlich über die Arbeit mit ehedem verhaßten Majorlabels der SPIN: “ I learned that they’re not an impenetrable wall that nobody can get through, and there are a lot of good people that work at them and there’s a lot of really stupid executives. But I couldn’t complain about it until I knew more.“

Das eindrucksvollste, weil unerwartet anrührende Lied ist ihr und der Band mit dem Schlußstück „Calverton“ gelungen, benannt nach dem Landstrich, in dem sie einige Jahre ihrer Kindheit verbracht hat. Zu dramatischem Piano besingt Hanna hier die Liebe zu ihrer Mutter, die sie zu der gemacht habe, die sie heute ist: „It was really about my mom and her being the person who I always knew was there for me and loves me. If I didn’t have that, I just know I wouldn’t be alive today … part of me is this beautiful, hilarious, funny mom, who didn’t have the skills to get out of a situation and loved me very much, and is the reason why I do what I do. Every time anything good happens to me, I know it’s because of her.“ (SPIN) Viel näher als in diesem Song ist man dieser zornigen, klugen und nicht selten erstaunlich humorvollen Frau selten gekommen, nicht nur deshalb ist dieses Album der reinste Grund zur Freude. http://www.thejulieruin.com/

27.11.  Berlin, Columbia Theater



Mittwoch, 6. Juli 2016

Pixies: Kopfgesteuert

So kann der Tag beginnen: Die Pixies werden nach "Indie Cindy" (2014) ein neues Album veröffentlichen - "Head Carrier" soll am 30. September bei PIAS erscheinen und zwölf neue Stücke enthalten, eines davon nennt sich "Um Chagga Lagga" und kann unten angehört werden. Livetermine in Deutschland sind für den Herbst zunächst keine bekannt, näher als bis nach Wien (15.11.) und Prag (17.11.) rücken Frank Black und Kollegen also nicht vor - wer möchte, kann aber noch schnell einen Kurztripp nach Berlin planen, dort spielen sie am 18.07. in der Zitadelle und es gibt angeblich sogar noch ein paar Tickets.

Dienstag, 5. Juli 2016

All diese Gewalt: Welt in Klammern

Da wird es nicht viel Widerspruch geben - Die Nerven aus Stuttgart gehören zu den interessantesten Bands, die in den letzten Jahres in Deutschland zu hören waren und natürlich immer noch sind, erst im vergangenen Jahr ließ "Out", Album Nummer drei, aufhorchen. Einer der drei Jungs, Max Rieger, ist seit 2013 auch mit einem Nebenprojekt befasst - All diese Gewalt ist deutlich elektronischer gehalten, Dronesounds meets Noiserock oder so ungefähr. Via Staatsakt soll nun am 23. September das zweite Album erscheinen, "Welt in Klammern" enthält zehn neue Stücke, eine Tour ist ebenfalls angekündigt. Bis zu einer offiziellen Hörprobe muss man sich noch etwas gedulden, älteres Material für den ersten Eindruck kann sich wer möchte aber schon mal bei Bandcamp oder mit Soundcloud draufschaffen.

18.10.  Hamburg, Golem
19.10.  Essen, Hotel Shanghai
20.10.  Köln, Arttheater
21.10.  Frankfurt, Mousonturm Studio
22.10.  Import/Export
24.10.  Berlin, Roter Salon

Jamie xx: Formation

Für ein bloßes Update viel zu schade: Seit Tagen schon ist das neue Video zum alten Song von Jamie xx online, nur hierzulande tat man sich aus bekannten Gründen mit dem Empfang etwas schwer. Das sollte nun besser werden, denn das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. "Gosh" hatte ja schon im Mai vergangenen Jahres eine Art Spacenight von Eric Wernquist verpasst bekommen, das war dem quirligen Genie offenbar nicht ausreichend und so hat nun Romain Gavras (Justice, M.I.A., Jay-Z, Kanye West) eindrucksvoll nachgearbeitet - hier also nun der zweite Streich.

Dicht und Ergreifend: Filmreif

Sie sind auch in diesem Sommer wieder auf zahlreichen Festivals, Open Airs und Gäubodenfesten unterwegs, sie nicht zu kennen wird also selbst außerhalb Bayerns von Tag zu Tag schwieriger. Im Mai vergangenen Jahres ist das Debüt "Dampf der Giganten" von Dicht und Ergreifend erschienen, seit heute gibt es einen neuen Clip und zwar zum Song "Wandadoog" mit den Woidperchten Hauzenberg, sattem Grusel, viel PS und fetten Beats. Und im anschließenden Serviceteil noch einmal die aktuelle Tour zum Mitschreiben.

08.07.  Dingolfing, Dingfest
10.07.  Krailing, KULT-Art Festival
16.07.  Rosenheim, Sommerfestival
22.07.  Freiburg, ZMF
24.07.  München, Tollwood
29.07.  Oberammergau, Heimatsound-Festival
30.07.  Megesheim, Der Krater Bebt Festival
31.07.  Varel, WATT EN SCHLICK FESTIVAL
05.08.  Horb am Neckar, MINI-ROCK FESTIVAL
06.08.  Eching, BrassWiesn
11.08.  Rothenburg ob der Tauber, Taubertal Festival
12.08.  Kainzing, FREE TREE OPEN AIR
20.08.  Hamburg, Dockville
26.08.  Aldersbach, Brauerei Aldersbach
27.08.  Zugspitze, Festival am Wank
03.09.  Edling, Kuhgarten Open Air
17.09.  Mehring, Schacherbauerhof
22.09.  Hamburg, Reeperbahnfestival
23.09.  Augsburg, Kantine
30.09.  Obertraubling, Eventhalle
04.10.  Wien,  B72
05.10.  Linz, Posthof
07.10.  Waging am See, ZELTLN
08.10.  Würzburg, B-Hof
09.10.  Köln, LUXOR
10.10.  Frankfurt am Main, Elfer
16.10.  Berlin, Badehaus
28.10.  München, Circus Krone

Montag, 4. Juli 2016

Bat For Lashes: Traum meets Trauma

Bat For Lashes
„The Bride“

(Parlophone)

Es geht hier also nicht um irgendwas. Es geht ums große Ganze. Um die unabdingbare Entscheidung für den anderen, gegen jeden Zweifel, ohne Netz und Sicherungsseil, kurz: um die Ehe. Natasha Khan hat sich für ihre vierte Platte bewusst eines ziemlich unpopulären Themas angenommen und daraus ein komplettes Album in Szene gesetzt. Der Bund für’s Leben ist ja zumindest in westlichen Ländern einigermaßen verrufen, weil altmodisch und unzeitgemäß, passt nicht so ganz zum wachsenden Selbstverwirklichungsdrang, zu all den wunderbaren Versprechungen und Verheißungen, die das bunte Leben aus Speed-Dating, Tinder und Optimierungsangeboten bereithält. Verbindlichkeit ist out, Oberfläche rules, jeder ist sich selbst … etc. Dagegen die Geschichte einer Braut, deren Bräutigam (Joe) auf dem Weg zum Traualtar bei einem Autounfall ums Leben kommt – erst „Save-The-Date“-Kärtchen, erst „Till Death Do Us Part“, Traum in Weiß und „I Do“, dann Trauma, Trauer, Schockstarre, Selbstvorwürfe, Sehnsüchte und zögerliches Weiterleben.


Was treibt sie dazu? Khan ist Kind einer Britin und eines pakistanischen Muslimen, die Eltern sind geschieden und haben ihr dennoch ein Bild von der Ehe vermittelt, das sie, wie sie selbst sagt, im positiven Sinne stark geprägt hat. Eine weitere Pointe: Ihr Vater hatte kurzzeitig vor, seine Natasha den Glaubensregeln gemäß einer Zwangsheirat zuzuführen, erst als seine Frau und die Tochter lautstark und wütend protestierten, nahm er davon Abstand. Genug erlebt also, um ihre Erfahrungen auf dieser, ihrer Bühne zu verarbeiten, um die Erlebnisse in der heutigen Gesellschaft zu reflektieren und die eigene Meinung zu justieren. “In all relationships you have this romantic ideal at the beginning, and all of these projections and Cinderella ideals that you’ll meet someone who’ll satisfy your every need, then once you get married you’re off the hook and they’ve rescued you – everything’s going to be fine”, sagte sie dem Portal Gigwise in einem Interview, “Deep down, we all have that wish that someone else will do the work for us, of keeping us happy forever. It’s a high price to pay and expectation to have.”



Der Verlust jeglicher Illusion, jeglicher Romantik durch den Tod des Partners – sie fährt harte Geschütze auf und schickt die Protagonistin auf eine kathartische Reise, die zuweilen wie ein Höllentrip anmutet. Allein an den Plätzen, die sie zu zweit besuchen sollten, fällt die Braut auf sich selbst zurück, hadert mit Zweifeln, stößt Verwünschungen aus und fühlt sich verlassen von allem und jedem. Je trüber und trostloser die Situation, desto zurückgenommener und bedrohlicher die Musik dazu, abgesehen vom technoiden Flackern des Tracks „Sunday Love“ und der synthetischen Irrlichterei von „In God’s House“ ist hier alles ein Raunen, Barmen, Sirren und Dräuen, gibt es Engelschöre, Harfentöne und allerlei Geräuschgrollen.

Bewusst sucht Khan die Nähe zu Vorbildern wie Björk und PJ Harvey, mehr denn je entfernt sie sich wie diese vom Liedhaften und der Idee der bloßen Unterhaltung. Zusammen mit den Langzeithelfern Simone Felice, Dan Carey und Ben Christophers gelingt ihr so ein einigermaßen schwer verdauliches, düsteres Werk, kaum zu vergleichen mit den weitaus poppigeren Stücken des Vorgängers „The Haunted Man“. Eine klare Ansage gibt es auch dazu: „It’s liberating to make an album that’s just a story-telling piece and inhabits a different universe to the ‘radio world’. But I’m still proud of it and feel that people might understand it.” Und auch wenn man so leicht den Eindruck bekommen könnte, sie und ihr Alter Ego Bat For Lashes wären fürchterlich kompliziert – das möchte sie dann doch noch erwähnt haben: “There’s definitely a witch in me, but like anyone being I’m very complex – but in my general day to day life I love a cup of tea and an episode of Girls. I’m only human after all.” http://www.batforlashes.com/

Fotos: Neil Krug

Freitag, 1. Juli 2016

Blood Orange: The wizard

Blood Orange
„Freetown Sound“

(Domino)

Es gibt ja kaum Peinlicheres als Männer, die sich selbst zu Feministen ausrufen, nur weil sie eine knappe Stunde allein im Zimmer mit ihrem Neugeborenen überlebt haben (und anschließend die Babykotze am Shirt über Tage wie eine Auszeichnung umhertragen) oder an der Fleischtheke seit Neuestem geschnittene Gelbwurst ohne zu stottern bestellen können – Fremdscham rules. Respekt deshalb für einen wie Dev Hynes. Dieser Mann macht auf seinem neuen Album gleich mal richtig Platz für jede Menge stimmgewaltiger Frauen, die natürlich auch thematisch bestens zu seiner Sicht der Dinge passen. Und diese ist auf der einen Seite – nicht so ungewöhnlich für einen schwarzen, englischen Musiker in New York mit westafrikanischen Wurzeln – ausgesprochen neugierig und weltoffen, auf der anderen Seite aber, bedingt durch seine eigenen Erfahrungen, sehr kritisch gegenüber den gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre. Es überrascht also nicht wirklich, dass Themen wie Rassismus, Geschlechtergleichheit, Genderdebatte, soziale Ungerechtigkeit bei ihm den Ton angeben.

So vielfältig die Einflüsse, so reichhaltig das Angebot, das er auf seiner Platte mischt. Hynes selbst betrachtet „Freetown Sound“ ja eher als sehr persönliches Mixtape verschiedenster Stile, er liebt Samples und selbstaufgenommene Stimmsequenzen, afrikanische Rhythmen, Latinosounds, Raps, Dance, Disco, Jazz, Soul sowieso und auch schmachtenden Pop. Gemeinsam mit Ava Raiin, Kelsey Lu, Debbie Harry, Lorely Rodriguez, Zuri Marley, Nelly Furtado und Carly Rae Jepsen wird daraus ein irre funkelnder, flirrender Klangkosmos und natürlich sind es ganz bewußt die weiblichen Stimmen, die ihm zur Geltung verhelfen: “I use women singers because there’s a lot of emotions that I want that I can’t get to. The woman’s voice, and not necessarily just her singing voice, is powerful and needs to be heard. It’s the most important voice in general, and that can’t be denied“ – Furchtlosigkeit, Wut, Trauer, Sexyness und vieles mehr kommen so mächtiger denn je zu Gehör.

Es sind zwei Dinge, die das Klangbild der siebzehn Stücke vornehmlich bestimmen: Auf der einen Seite verwendet Hynes Drums und Percussions in beeindruckender Vielfalt und Schattierung, zum anderen gerät ihm vieles ausgesprochen smooth – wo „E.V.P.“ den ausgelassenen Funk der 70er von der Leine läßt und „Augustine“ Synthpop mit viel Drive bietet, kommen das Cover von Eddy Grant’s „Come On Let Me Love You“ („Love Ya“) und das traumhafte „Hadron Collider“ butterweich daher. Flickenteppich, Wundertüte, Bonboniere, Kaleidoskop – man kann es nennen wie man will, wenn man nur nicht vergisst, wie großartig der Mann seine Schaffenslust und Genialität in die richtigen Bahnen zu lenken versteht. Solche Platten können verunsichern, nerven, überfordern – diese hier sollte vor allem eines wie so leicht keine zweite: Begeistern.