Montag, 30. Dezember 2019

Familienalbum # 34: Vaughan Oliver

Dieses Familienalbum ist ein unvollständiges, vor allem aber ist es ein sehr trauriges. Denn gestern ist der englische Grafikdesigner Vaughan Oliver verstorben, ein Mann, der wie nur wenige andere mit der Musik verbunden war. Und zwar speziell mit der des Independent-Labels 4AD - Platten von Künstlern wie den Pixies, The Breeders, Dead Can Dance, This Mortal Coil, Clan Of Xymox oder Lush assoziiert man unweigerlich mit seinem gestalterischen Genie, kaum ein anderer hat mit seinen Ideen eine so lange Zeit geprägt. Und jede/r hat ein anderes Cover im Kopf, das sich auf ewig in die persönliche Bestenliste eingebrannt hat - hier ist und bleibt es das der 12" "Here Comes Your Man" von den Pixies. Dieses und alle anderen wie immer von links nach rechts und oben nach unten, eine weitaus ausführlichere Auflistung seiner Arbeiten findet sich u.a. bei Discogs.

Pixies "Here Comes Your Man", The Breeders "Splash", The Breeders "Pod", Pixies "Doolittle", Pixies "Bossanova", Pixies "Surfer Rosa/Come On Pilgrim", The Breeders "Cannonball", Xmal Deutschland "Fetisch", Clan Of Xymox "Clan Of Xymox", Cocteau Twins "Treasure", Dead Can Dance "Garden Of The Arcane Delights", TV On The Radio "Return To Cookie Mountain", This Mortal Coil "Blood", Lush "Spooky", His Name Is Alive "Livonia"

Samstag, 28. Dezember 2019

JACKBOYS: Projektbegleitung

Dass es von Travis Scott im laufenden Jahr nicht viel Neues zu berichten gab, kann auch daran liegen, dass sein letztes Album "Astroworld" einfach so unglaublich gut war, dass es eine Weile dauern dürfte, bis selbst er etwas Vergleichbares zustande bekommt. Zeit aber, mit seinem Projekt JACKBOYS neue Tunes zu veröffentlichen, hat der Junge trotzdem. Gerade nämlich sind sechs neue Tracks plus ein Remix erschienen, letzterer stammt von "Highest In The Room", das bereits im Oktober die Runde machte - nun neu bearbeitet mit Rosalía und Lil Baby. Weitere Gastauftritte haben auf "JACKBOYS" Quavo, Young Thug, Pop Smoke und Offset, das Artwork stammt von keinem Geringeren als Harmony Korine.









Freitag, 27. Dezember 2019

Oberpollinger 2019: Die Konzerte des Jahres

Nicht immer ist es so einfach wie in diesem Jahr. Denn über den ersten Platz müssen wir nicht diskutieren. Sind die Sleaford Mods unterwegs, sind sie die besten - wer jemals eine Live-Performance von Jason Williamson und Andrew Fearn (noch dazu in deren Heimatland) gesehen hat, wird das zweifellos bestätigen (anderenfalls: GFY!). Für die Plätze zwei bis zehn gilt: Es ist wie mit einem guten Wein - nicht nur der Inhalt der Flasche ist entscheidend, sondern eben auch eine ganze Reihe anderer Faktoren. Der teuerste/beste Tropfen kann mit den falschen Freunden, in deplatzierter Umgebung oder im Pappbecher einfach wie schale Plörre schmecken, ein Le Filou Rouge wiederum, die Flasche für zwo fuffzich, bedeutet dagegen manchmal, im perfekten Moment, die Erfüllung (naja, fast und selten).

Für Konzerte heißt das eben nicht nur wer, sondern ebenso wo, wann, mit wem und wie lange. Wichtig ist eben nicht nur neben, sondern hinter wem ich stehe, und wenn man da einen Endlosquatscher, Zweimetermann oder Dauerfilmer (im schlimmsten Falle alles zusammen) erwischt hat, ist der Abend trotz sonst bester Bedingungen oft schon vom Start weg gelaufen. Dazu: Verstehen die Typen am Pult ihren Job oder stehen sie dort bloß wegen der guten Sicht und weil sie ein paar Groupies abzugreifen hoffen? Ist das Bier genießbar, oder besser, bekommt man überhaupt eines in angemessener Zeit? Das leidige Thema Umbaupause wollen wir jetzt mal großzügig aussparen... Es ist ohnehin kompliziert genug. Und trotzdem gab es genügend zu feiern 2019. Besonders sei auf die Münchner Kapelle Dicht und Ergreifend hingewiesen, die es schaffte, ganze drei Stunden eine Halle in Daueralarm zu versetzen, aktuell noch einmal nachzuprüfen im neuen Live-Video zu "Wach vom Wecka" weiter unten.

Übrigens: Wer herausbekommt, von welchem Konzert das Foto oben stammen könnte (in den Top Ten nicht gelistet, weil keine Review), der bekommt ein Vinyl seiner/ihrer Wahl aus den MPMBL-Albumcharts für lau, versprochen. Einsendeende ohne Widerspruchsrecht (wäre ja noch schöner) ist der 31.12.2019 punkt 23:59 Uhr! Los gehts...

10
Meret Becker And The Tiny Teeth
Münchner Volkstheater, November 2019

Ganz ehrlich, an Zufall wollte man da kaum glauben. Als um kurz nach acht im Münchner Volkstheater eine freundliche Dame verkündete, der Beginn der Veranstaltung verschöbe sich aufgrund technischer Schwierigkeiten um eine Viertelstunde, war man mit den Gedanken natürlich immer noch bei Meret Becker. Aber eben um 20:15 Uhr dann eben kurz auch bei Nina Rubin – Tatortzeit schließlich. Und auch klar: Wäre das Konzert auf den Sonntag vor zwei Wochen terminiert worden, es hätte wohl einige leere Plätze im Zuschauerraum gegeben. Denn die Rolle dieser Kommissarin, die Becker seit einiger Zeit in der ARD übernommen hat, ist ein solcher Glücksfall, so verletzlich, lebendig, chaotisch und zerrissen, kurz brillant gespielt, dass man sie unter keinen Umständen verpassen möchte. Selbst ihr Partner Mark Waschke alias Robert Karow, zwar als verdammt cooles, aber eben auch ziemlich arrogantes Arschloch gezeichnet, mußte letztens zugeben, sie sei die beste Polizistin, die ihm jemals begegnet sei. D’accord, keine Frage. Und wer jetzt meint, man könne die Folge doch jederzeit in der Mediathek abrufen, der bekommt sofort eine Anklage wegen vorsätzlicher Pointen-Zerstörung an den Hals! Done ... [mehr]

9
Neil Young And The Promise Of The Real
Olympiahalle München, Juli 2019


Es wäre natürlich ein Leichtes, das Ganze zeitgemäß ironisch zu verpacken. Die Dichte alter weißer Männer war einfach zu hoch, als dass man sie hätte einfach ignorieren können, sie traten in gutgelaunten Gruppierungen auf, wie man sie in dieser Stadt sonst nur von Baumaschinen- oder Handwerksmessen kennt. Einziger Unterschied: Hier trugen viele stolz zur Feier des Tages (oder eben Abends) ihre alten, aber frisch aufgebügelten Tourshirts von Crosby, Stills und Nash, Crazy Horse, vereinzelt waren auch die Ramones, Pearl Jam oder Nirvana zu sehen. So muß das wohl sein, wenn der Urahn des Grunge, Noise-Pate, Gottvater der verzerrten Folkgitarre, seine Füße für zwei Stunden auf irdischen Bühnenboden setzt und seinen Jüngern gemeinsam mit einer juvenilen Truppe eine Auswahl hymnisch verehrter Standards darbietet. Man kann aber auch die Ironie beiseitelassen und die Geschichte aus persönlicher, spätberufener Sicht erzählen: Wer wie der Rezensent (mittlerweile auch ein einigermaßen alter, weißer Mann) in der ostdeutschen Provinz aufgewachsen ist, der hat die Musik von Neil Young in der Jungendzeit vielleicht auch eher etwas abschätzig und aus sicherer Distanz wahrgenommen. Dann nämlich, wenn sich an den Wochenenden im Dorfgasthof die immergleichen langhaarigen, etwas heruntergekommenen Gestalten zum Ritual der Rockerrunde auf dem Parkett versammelten und ihre Mähne zum immergleichen Dreiklang aus „San Francisco“, „Country Roads“ und „Heart Of Gold“ schüttelten. Dann durfte, dann wollte man nicht stören, stand mit verständnislosem Blick am Rand und fühlte sich, naja, irgendwie überlegen, etwas weiter halt ... [mehr]

8
Element Of Crime

Circus Krone, München, Mai 2019


Da soll keiner behaupten, er kümmere sich nicht um den Nachwuchs. Die Ankündigung, wen das Publikum unter ausverkauften Zirkuskuppel als Vorband erwarten dürfe, machte Sven Regener höchstselbst, neben ein paar mäßig ernst gemeinten Bemerkungen, die Kerle von Isolation Berlin könnten aufgrund ihrer Jugend sowieso alles viel besser als die alten Herren, die ihnen später folgen würden. Tobias Bamborschke revanchierte sich seinerseits mit dem Dank dafür, dass Element Of Crime seine Band auf Tournee begleiten würden. Der Junge ist ja tatsächlich ein großes Versprechen an die Zukunft, er textet und musiziert nicht nur fabelhaft, sondern schreibt mittlerweile auch eigene, lyrische Verse zwischen zwei Buchdeckel. Und man darf annehmen, dass er sich wahnsinnig auf das Engagement als Begleitband gefreut hat. Als wir ihm in einem frühen Interview ein paar Kandidaten als mögliche Vorbilder aufzählten, fielen Rio Reiser und Peter Hein unbeachtet durch, Sven Regener allerdings lobte Bamborschke in allerhöchsten Tönen, ohne ihn, so meinte er, sei sein eigenes Coming Out als Musiker nicht vorstellbar gewesen. Der Meister und der Lehrling an einem Abend, eine schönere Paarung konnte es also gar nicht geben – das Publikum begegnete den jungen und lauten Burschen dann mit wohlwollend freundlicher Reserviertheit, so schnell läßt sich die Elterngeneration nicht aus der Reserve locken ... [mehr]

7
Robert Forster

Hansa 39, München, Mai 2019


Coverbands genießen gemeinhin einen ziemlich miserablen Ruf. Und das nicht zu unrecht. Sie haben alberne Namen, spielen nicht annähernd so gut wie die Originale und der selbstkomponierte Kram kann mit den Songs ihrer Idole so gut wie nie mithalten. Mit dieser hier verhält sich das allerdings etwas anders. Denn sie hat den unschlagbaren Vorteil, daß eines der maßgeblichen Mitglieder der zu covernden Band gleich mit zum Personal gehört – Mr. Robert Forster. Der Mann aus dem australischen Brisbane also, den man qua Erscheinungsbild und Gestik problemlos in eine mild beleuchtete, leicht angestaubte Oxforder Bibliothek stecken könnte, ohne dass er aus der Rolle fiele, dessen Stil und Auftreten auch auf einer Konzertbühne fast urbritisch sind. Bis auf Ehefrau Katrin Bäumer waren die restlichen Musiker seiner Liveband, die zu Teilen aus Schweden und Australien stammen, jedenfalls kaum auf der Welt, als die Go-Betweens zusammenfanden. Und auch wenn es etwas despektierlich klingen mag – der Altersschnitt des Publikums führt einem deutlich vor Augen, dass die Ikonen des Indierocks ja keine Band der frühen 80er, sondern eher der späten 70er waren. Und zu dieser Zeit tatsächlich etwas ganz und gar Neues waren – großartig blieben sie Zeit ihres Bestehens ... [mehr]

6
Pixies
Tonhalle, München, Oktober 2019


Das war schon vor dreißig Jahren so und ist auch heute noch frappierend: So klein der Mann, hier und da ein Jahresring mehr auf den Hüften, das Haar mittlerweile ein wenig grau und schütter. Man würde Charles Thompson aka. Frank Black, den hauptamtlichen Gruppenleiter der Pixies, eher am Infoschalter eines Baumarktes verorten (und auch da höchstwahrscheinlich übersehen) – Allerweltsgesicht, auf den ersten Blick keinen Marotten, Attitüden, der macht nichts von sich her. Und doch ist es eben dieser unscheinbare Typ, der den Kindern der Achtziger und allen Nachgeborenen ein beachtliches Arsenal an Sehnsuchtssongs in den Soundtrack des Lebens geschrieben hat, ihnen mit seinen spinnerten Geschichten, den dahingeschredderten Riffs und dem eigenwilligen Gesang, mal der wilde Schreihals, mal der geschmeidige Verführer, als Erlöser galt. Von „three chords and the truth“ war seine Band, waren seine Stücke weit entfernt, zu weird, zu dicht, krass, wandelbar. Auch er selbst taugte, so wissen wir nach Jahren, nicht zum Heiland, war/ist Zeit seines Schaffens als Diktator eine feste Größe. Ein Sturkopf. Ein Unverbesserlicher. Und doch: Ein Genie ... [mehr]

5
Trettmann
Tonhalle, München, Dezember 2019


Natürlich war das zunächst einmal ein erstklassiger Auftritt. Und ein dringend notwendiger sowieso. Die Jahre davor stand Trettmann ja im Ampere und im Crux auf der Bühne – Tickets kaum ranzukommen, Preise horrend, wer drin war King, draußen viel zu viele. Und auch diesmal, in der ungleich größeren Tonhalle, wären, mit Blick auf die einschlägigen Portale, gern noch mehr dabei gewesen. Ausverkauft. Was aber die Konzerte von dem Mann, den seine maximal begeisterungsfähige Crowd liebevoll Tretti ruft, eben auch immer zeigen: Spannende Widersprüche. Denn wann hat man schon mal so viele auf einen Schlag beeinander? In Sachen Stardom eher ein Spätstarter, seit dem Debüt „DIY“ aber der Meister aller Klassen – und zwar aus Karl-Marx-Stadt aka. Chemnitz. Weiter: Oben Ü40, unten U20. Heißt: Wo bitteschön bejubeln bereitwillig tausende junge Fans (Legende: Splash! 2019) einen Musiker, der unter anderen Umständen schon zur Kategorie „alter weißer Mann“ zählen dürfte? Noch dazu einen, der zwar die härtesten Typen zu seinen best Buddies zählt, selbst aber lieber soft und melancholisch textet ... [mehr]

4
The Streets
Muffathalle, München, Februar 2019

So müssen sie sich also angefühlt haben – die Nullerjahre. Man hat das ja fast schon vergessen, so schnell, wie sich die Kugel dreht. Die Zeit nach dem Jahrtausendwechsel hat damals wirklich einen denkbar blöden Namen verpasst bekommen und man darf sich heute fragen: Hätte sie nicht einen besseren verdient? Schon klar, wir hatten 9/11, den bösen Saddam und den noch viel böseren Bin Laden, eine Euro- und eine Bankenkrise und die Griechen haben uns auch wenig Freude bereitet. Aber hey, wir hatten auch Mike Skinner. Der Junge aus Nordlondon verkörpert wie kein zweiter diese Dekade und ein selbst damals noch immer ziemlich cooles Britannia, nicht das von Blur und Oasis zwar, aber immerhin jenes von Blair, Rooney, den Arctic Monkeys und eben The Streets. Kaum zu glauben, dass er fünf Alben in dieser Zeit veröffentlicht hat, voll mit feinsten Singles, die damals weitaus überraschender klangen als heute, da sich Rap etabliert hat und mit breiter Gischt im Mainstream mitschwimmt ... [mehr]

3
Rammstein
Olympiastadion München, Juni 2019

Man muss nicht Philosophie studiert haben, um zu wissen, dass die Zeit des Menschen größter Widersacher ist: Sie läuft uns davon, rinnt durch die Finger, kommt nie zurück, heilt keine Wunden, lässt sich nicht aufhalten und wenn sie dann doch mal stehenbleibt, dann in den unpassendsten Momenten. Die Zeit ist gnadenlos, unnachgiebig und gibt uns das Gefühl der Ohnmacht. Kurz: Sie ist nicht unser Freund. Auch weil sie stets trügt. Eine alte Regel besagt, dass man ein geliebtes Buch, einen Film aus der Kindheit oder Jugend kein zweites Mal lesen oder sehen sollte, man wäre immer enttäuscht, die schöne Erinnerung dahin. Wie es also halten, wenn man vor sehr, sehr langer Zeit, also sagen wir mal vor vierundzwanzig Jahren, ein Konzert erlebt hat, von dem man damals noch nicht wusste, wie es einzigartig war. Okay, auch Rammstein selbst dürften das damals nur geahnt haben. Herzeleid, die erste Platte, vor 300 Leuten im vollgepackten Münchner Nachtwerk. Elf Songs, mehr gab es noch nicht, dazu ein paar Flammenstöße unter die Saaldecke, infernalischer Krach, elendige Hitze, verschwitzte Körper – es war wunderbar. Geht man dann trotzdem in ein Stadion, gemeinsam mit zehntausenden Menschen, manche mit ähnlichen Erlebnissen, einige wenige mit Biografien, die noch in die bewegten Anfangstage zurückreichen, Inchtabokatables, Firma, Feeling B, diese Art Vergangenheit ... [mehr]

2
Dicht und Ergreifend
Olympiahalle, München, Oktober 2019

Dass ein „Yo, Man!“ oder besser „Servus, Oida!“ an so einem Abend allein nicht reichen würde, das war dem Urkwell Schorsch und dem Lef Dutti wohl ziemlich schnell klar. Die Olympiahalle ist eben schon ein anderes Kaliber, Länge mal Breite mal Höhe – größer als alles, was die beiden Niederbayern mit Dicht und Ergreifend jemals bereimt haben und so wurden wochenlang, gaben sie kürzlich beim Ringlstetter zu Protokoll, die Hirne malträtiert, um ein passendes Programm für die gewaltige Bühne auf die Beine zu stellen. Ähnlich der Blechkolchose La Brass Banda haben sie mit Mundart meets Moderne eine derart rasante Karriere hingelegt, dass es förmlich nach einer Krönung schrie – die Versuchung, eine solche Location zu zwingen ist da natürlich riesig. Genauso riesig wie das Risiko, mit Pauke (hier: Tuba) und Trompete zu scheitern. ‚Denken sie groß!‘ also – XXL-Leinwand, ein DJ-Pult von den Maßen eines Alpenkamms, Lametta-Kanonen, extra Laufsteg und Zweitbühne, das Equipment stimmte schon mal ... [mehr]



1
Sleaford Mods
Manchester Academy, März 2019

Natürlich darf gefragt werden, was einen wohl an einem Wochenende aus dem frühlingshaft warmen München ausgerechnet ins kalte, verregnete Manchester* treibt. Um eine Band zu sehen, deren Frontmann sich pausenlos in wütenden Tiraden über Land und Leute ergeht – Gift und Galle für das britische Establishment und die unfähige Politikerkaste, nichts also für ruhesuchende oder selbstzufriedene Feierabendgemüter. Nun, grundsätzlich sind die oft ungleich mühseligeren Unternehmungen leidenschaflicher Fans (das gilt im Übrigen auch für den Ballsport) mit rationalen Mitteln nicht zu erklären, spielen Dinge wie Entfernungen, Witterungsbedingungen und Kosten in den Erwägungen der Anhänger eher eine untergeordnete, ja vernachlässigbare Rolle. Desweiteren gelten die Sleaford Mods nicht nur im geschundenen Königreich noch immer als die Band der Stunde, eben weil sie sich so unnachgiebig und stur an den Missverhältnissen im eigenen Land abarbeiten und mit bewundernswerter Ausdauer der sozial benachteiligten Unterschicht eine laute, eine zornige Stimme geben. Man will sie nicht missen, muss sie vielmehr hören, um sich die Gründe ihres Unmuts selbst zu vergegenwärtigen, um wachsam und aufgeschlossen zu bleiben ... [mehr]

Donnerstag, 26. Dezember 2019

Nick Cave And The Bad Seeds: Sein Herz macht bum

Kleiner Tweet, großes Geschenk: Wo andere Künstler auch das letzte Exemplar von Mitschnitten ihrer Livekonzerte mit maximalem Profit unters Volk bringen (leider zählen auch Depeche Mode in dieser Kategorie mittlerweile zu den Großmeistern), geht Nick Cave den weihnachtlich großherzigen Weg. Und stellte gerade bei Youtube den kompletten Auftritt in der Kopenhagener Royal Arena vom 20. Oktober 2017 ins Netz. Knappe zweieinhalb Stunden Messfeier mit Gänsehaut und Herzklopfen, wunderbare Bilder. Die Setlist anbei, wollen wir hoffen, dass viele dieser Stücke (zuzüglich derer vom neuen Album "Ghosteen") auf bei seiner nächsten Tour im Sommer kommenden Jahres auch wieder zur Aufführung kommen.

1. Anthrocene
2. Jesus Alone
3. Magneto
4. Higgs Boson Blues
5. From Her to Eternity
6. Tupelo
7. Jubilee Street
8. The Ship Song
9. Into My Arms
10. Girl in Amber
11. I Need You
12. Red Right Hand
13. The Mercy Seat
14. Distant Sky (feat. Else Torp on vocals)
15. Skeleton Tree
Zugabe
17. The Weeping Song
18. Stagger Lee
19. Push the Sky Away

Sonntag, 22. Dezember 2019

AnnenMayKantereit vs. Parcels: Besser als Spinat

Das Gewächshaus wiederum passt hier wie der Arsch auf den Eimer: Es gibt bei uns ja viele Menschen, denen geht es mit der Band AnnenMayKantereit wie kleinen Kindern mit Spinat - sie wissen, es ist nichts Schlimmes, tut nicht weh, wollen aber trotzdem auf keinen Fall damit zu tun haben. Akzeptiert. Obwohl, seit Henning May zusammen mit Trettmann und Cro für Kitschkrieg den Song "5 Minuten" aufnahm, hat er tatsächlich ein paar Punkte Coolness gutgemacht. Und auf dieser nach oben offenen Richterskala kommen jetzt noch zwei, drei dazu, denn gemeinsam mit der australischen Kombo Parcels haben die Kuschelrocker gerade ein Cover von Kylie Minogues "Can't Get You Out Of My Head" aufgenommen - in einem Gewächshaus. Das gehört wohl 2020 nicht zum Equipment der Tour, Spaß machen dürfte die aber trotzdem. Jedenfalls wenn man an der Kartenkasse schnell genug gewesen ist.

23.02.  Ulm, Ratiopharm Arena
25.02.  Wien, Stadthalle
27.02.  Mannheim, SAP Arena
28.02.  Zürich, Hallenstadion
29.02.  Nürnberg, Arena Nürnberger Versicherung
03.03.  Leipzig, Arena
05.03.  Oberhausen, König-Pilsener-ARENA
06.03.  Magdeburg, GETEC-Arena
07.03.  Chemnitz, Messe
10.03.  Freiburg, SICK Arena
12.03.  Bremen, ÖVB-Arena
13.03.  Köln, Lanxess Arena
15.03.  Kiel, Sparkassen-Arena

The Cool Greenhouse: Humor mit Eiern

Treibhaus, Greenhouse, Klimafreitag - wir sind ja schon so konditioniert, dass wir mühelos Kausalketten bilden, auch wenn die gar nicht so gedacht sind. Egal, The Cool Greenhouse jedenfalls sind eine lässige, fünfköpfige Kapelle aus London, die gerade eine neue 7" mit dem Titel "Landlords/4Chain" veröffentlicht haben und nun für den Titelsong ein Video hinterherschieben. Entstanden als Soloprojekt von Tom Greenhouse (hier also der Ursprung des Gewächshauses), ist im Juni als Gemeinschaftsarbeit ihre EP "Crap Cardboard Pet" erschienen, das Debütalbum ist für das nächste Jahr in Planung. Dass die Jungs ernste Themen auf humorvolle Art anpacken, hat Gründe, die Greenhouse dem Netzportal DIY gegenüber zugab: "Beim Punk stehen viele auf dieses Fuck-the-Tories-Ding, aber ich bin nicht so Hardcore. Haben Sie von "Chain Punk" gegen "Egg Punk" gehört? Es ist im Wesentlichen ein Meme. Für "Chain Punk" trägst du Schwarz und bist aggressiv, während "Egg Punk" komödiantischer und bunter ist. Wir sind eher auf den "Egg Punk"-Sound fixiert. Sie sind beide gut, aber ich bin wirklich nicht hart genug, um etwas anderes zu tun. Humor ist also gut, um über ernstere Dinge zu sprechen." Kein Problem damit.



Samstag, 21. Dezember 2019

Blond: Mit ein wenig Übung

Das Rennen um den letzten Clip im alten Jahr eröffnen Blond. Und zwar, feiertagstraurig mit einem Beziehungssong. Obwohl - eigentlich geht es um keine Beziehung bzw. das Fehlen der selben und "Match" bedeutet nicht Spiel, sondern Übereinstimmung. Kennt manche/r als von Tinder und die Geschwisterinnen Kummer beklagen in der aktuellen Single die Not mit der Auswahl, mit dem Angebot und dem Partnerglück. Ganz so ernst muss man das trotzdem nicht nehmen, denn wie man im Video sieht, das gemeinsam mit dem Theater Chemnitz entstanden ist, geht es eben manchmal auch ohne, mit ein wenig Übung jedenfalls. Nach "Thorsten" und "Autogen" jetzt also der dritte Grund, sich auf das Debüt "Martini Sprite" am 31. Januar zu freuen.

Seeed: Ein kleines bisschen Ewigkeit

Das können wir schon noch mal posten, einfach weil das Album ein ziemlich geiles, die Tour fett und der Song "Immer bei dir" mit Trettmann ein besonders schöner geworden ist: Seeed hatten für 2019 eine schwerwiegende und doch richtige Entscheidung getroffen - weiterzumachen, auch ohne Demba Nabé. Die Platte "Bam Bam" eine Rückkehr mit mächtig viel Power und das Video zu besagter Single ein dicker Dank an das Publikum, aufgenommen in der Berliner Max-Schmeling-Halle, ein kleines bisschen Ewigkeit.

Stormzy: Die Verteidigung der Krone

Stormzy
„Heavy Is The Head“
(Warner Music)

Es war zweifellos das Year Of Grime. Nicht, dass es jetzt erst angefangen hätte, in UK im Allgemeinen und London im Speziellen kocht man schon lange damit und viele der Protagonisten sind auf der Insel mittlerweile veritable Legenden. Doch seit ein Großteil der dortigen Bevölkerung entschieden hat, ebenjene Insel auch als Wertegemeinschaft von Europa abzukoppeln, seit dieses Land, meint seine Politiker auf erschreckend konsequente Weise viele der Fehler begehen, die schon Margaret Thatcher ihren zweifelhaften Ruf eingebracht haben, seitdem ist Grime die Musik der Stunde. Die der Aufsässigen, Unzufriedenen, Zornigen, nicht zwingend schwarz, aber vorwiegend. Gibt es so nur dort, kommt von der Straße, aus dem Dreck, vom Rand, reimt derbe, schnell und hart. Der neue Punk? Auch das. Und natürlich passt es ganz gut, dass ausgerechnet Michael Omari, genannt Stormzy, dieses besondere (und leider auch besonders traurige) Jahr abschließt, der Mann also, der 2017 mit „Gang Signs And Prayer“ einen Meilenstein des Grime setzte. Und der im Frühjahr mit „Vossi Bop“ grandios reüssierte.



Lustigerweise reden wir hier aber von dem Mann, in dem nicht wenige Hardcore-Fans auch den Totengräber des Genres sehen. Bespielt die großen Bühnen (Must-See: Glastonbury 2019), kollaboriert mit dem Mainstream (hier und jetzt Ed Sheeran) und, für viele ein absolutes NoGo, äußerte sich nicht nur politisch, sondern schaltete sich als Labour-Anhänger und Remain-Befürworter sehr aktiv in den Wahlkampf ein. Dass dies ein schmaler Grat ist, wissen auch Bands wie Pulp, Oasis und Blur, auch sie und viele andere standen damals einvernehmlich mit Tony Blair und New Labour auf der großen, politischen Bühne. Der Vergleich hinkt dennoch, denn Grime kommt nicht aus der bürgerlichen, linksliberalen Mitte, sondern wie erwähnt von den Außenseitern und den Zurückgelassenen des Landes. Und von einem Deal kann man angesichts der wütenden Aufschreie so mancher Musiker wohl auch kaum sprechen – eher vom letzten Aufbäumen vor dem Unabänderlichen, einer Art trotziger Selbstbehauptung angesichts der Übermacht der wirtschaftlichen, nationalkonservativen Eliten.



Von all dem ist die Rede auf dem tatsächlich ziemlich erstklassigen Album. Stilistisch noch vielgestaltiger als der Vorgänger, trotzdem mit mächtig viel Wucht und Wut im Bauch. Stormzy begibt sich auf „Heavy Is The Head“ bewusst in die Verteidigungshaltung gegenüber seinen Kritikern: Ja, er würde jederzeit öffentlich und auf den bekannten Kanälen wieder seine Meinung kundtun, wenn es denn seiner Meinung nach dem Land und den Menschen nutzt („One Second“). Stolz kommt ebenfalls nicht zu knapp, „Big Michael“ hat es geschafft, füllt die Hallen, ist ein Big Player – tatsächlich (hier fällt einem Sprintstar Linford Christie, der ewige Widersacher des Amerikaners Carl Lewis ein) scheint Stormzy einer der wenigen zu sein, der auch außerhalb Großbritanniens mitspielen kann. Ehemals „Rachael’s Little Brother“, ist er nun selbst eine große Nummer und richtigen Hits. „Own It“ mit besagtem Ed Sheeran ist einer davon, ein Popsong vom „Pop Boy“, mit dem er gern kokettiert (hier wiederum gemeinsam mit Raptalent Aitch) – gut macht er das.



Dass Kritik auch an einem vermeintlich so toughen Typen nicht spurlos vorübergeht, davon reimt er uns in „Crown“, quasi dem Titelsong des Albums, ein introspektiver, nachdenklicher Track. Schwer wiegt die Krone auf dem Haupt des Gekrönten, heißt es dort, schwer wiegen die Vorwürfe, er wäre beispielsweise mit seinem Einsatz für benachteiligte schwarze Kinder selbst ein Rassist, er fühlt sich unverstanden, macht seiner Enttäuschung Platz. Und schickt darauf seinen Feinden den Regen („Rainfall“), all jenen, die ihn falsch verstehen, missinterpretieren, die ihm seinen Erfolg neiden. Dafür wird dann auch noch der Lord himself bemüht (drunter geht’s offenbar nicht), doch ob der eher ein reinigender Guß oder doch besser eine Art biblischer Plage schicken soll, bleibt im Ungefähren. Die Platte jedenfalls ist gewichtig genug, um ihn wieder an die Spitze der Bewegung zu bringen, eine neue Krönungsszeremonie ist vorerst nicht in Sicht.

20.02.  Berlin, Columbiahalle
24.02.  Hamburg, Docks
28.02.  Köln, Palladium
01.03.  Mainz, Altes Postlager



Mittwoch, 18. Dezember 2019

Oberpollinger 2019: Die besten Alben



20
These New Puritans
"Inside the Rse"

Wie immer man das bewertet, wie sehr es einem Musikliebhaber stinkt – Pop- und Rockmusik hat sich in den letzten Jahren geändert, weil sich unsere Hörgewohnheiten geändert haben, weil die Quellen, aus denen wir schöpfen, andere geworden sind und das wiederum einen nicht wegzudiskutierenden Einfluss auf diejenigen hat, die Musik im handwerklichen Sinne machen. Es gibt unzählige Erhebungen, wie Songs beschaffen sein müssen, um unsere Geduld heutzutage nicht überzustrapazieren, Streamingdienste füttern damit die Menschen, die für sie die passenden Algorithmen basteln, Neurowissenschaftler durchleuchten für ihre Analysen unsere Gewohnheiten bis in den kleinsten Hirnwinkel, wissen, wie lang ein Intro sein darf, auf welche Stimme wir wie empfindlich reagieren, was einen Hit ausmacht und was eben nicht. Es ist anzunehmen, dass Jack und George Barnett keine allzu großen Freunde solcher Regeln und Erhebungen sein dürften ... [mehr]

19
Nick Cave
"Ghosteen"

Natürlich hätte man sich damals wundern können, wie schnell nach dem tragischen Unfalltod seines Sohnes im April 2015 Nick Cave das Album „Skeleton Tree“ veröffentlichte. Doch wie sonst soll der Künstler Verlust, Verzweiflung und Hilflosigkeit, die ihm plötzlich so nah an Leib und Seele gerückt sind, verarbeiten, wenn nicht mit seinen ureigensten Mitteln? Mag sein, dass es Cave zupasse kam, dass er sich ohnehin als Trauerarbeiter und Schmerzensmann begreift, dass ihm die dunkle Materie Zeit seines Musikerlebens vertraut ist. Dieses Unglück jedoch hatte eine andere, eine unmittelbare Qualität, auf die wohl niemand, auch nicht Cave, jemals vorbereitet ist. Wie auch. Um so schwärzer dann die ersten Songs danach, „I Need You“ bekam man aus dem Schädel nicht mehr heraus – das Leid wurde selbst dem Zuhörer ein Stück weit begreifbar. Und war, das wissen wir jetzt, doch nur der Anfang ... [mehr]

18
Ceremony
"In The Spirit World Now"

Nein, man muß das nicht wirklich machen. Um ein ungefähres Gefühl dafür zu bekommen, welchen Weg, welchen Wandel diese Band in den vierzehn Jahren ihres Bestehens zurückgelegt hat, kann es aber schon recht hilfreich sein, sich mal das Debüt „Violence Violence“ aus dem Jahr 2006 um die Ohren hauen zu lassen. Ceremony sind damals im kalifornischen Städtchen Rohnert Park (nicht von ungefähr nur schlappe sieben Autostunden von Hermosa Beach entfernt, dem mythischen Gründungsort von Black Flag) tatsächlich als ziemlich schnelle und laute Hardcore-Truppe gestartet, denen kein Ton zu brutal war – ihre Konzerte, so hört man, waren hitzige Angelegenheiten. Irgendwann, mutmaßlich so um die Produktion ihres Album „Zoo“ im Jahr 2012, muss es Sänger Ross Farrar wohl mit der Angst zu tun bekommen haben, auf ewig den alternden Outsider geben zu müssen, nur die wenigsten schaffen das schließlich mit Anstand und Würde. Also entschied er sich zusammen mit seinen Kollegen zur Vollbremsung mit anschließender Kehrtwende, setzte ein „Post-“ vor den Punk und nahm „The L-Shaped Man“ auf, eine erstaunlich schlüssige und überaus gelungene Kurskorrektur ... [mehr]

17
Dave
"Psychodrama"

Das Konzeptalbum gilt ja im HipHop nicht gerade als State of the Art, natürlich gibt es mit Kendrick Lamar, Ghostface Killah, The Roots, Aesop Rock und Jay-Z einige mehr als gelungene Beispiele, doch zählen diese eher zur Ausnahme denn zur Regel. Insofern ist der Ansatz des jungen Londoner Rappers Dave Santan zunächst einmal ein ungewöhnlicher, sich für sein Debütalbum „Psychodrama“ auf die Therapiecouch zu legen und diese Sprechstunde dann hernach als Platte zu veröffentlichen. Das, was den einleitenden Worten des „behandelnden Arztes“ folgt, dreht sich dann natürlich wenig überraschend, weil von allgemeiner, dringlicher Relevanz, um die Sozialisation farbiger Jugendlicher in den Brennpunktvierteln westeuropäischer Megacities, um Alltagsrassismus, fehlende Chancengleichheit, gesamtgesellschaftliche Verwerfungen, Abstiegsängste, Empathieverlust. Und die arbeitet Dave Santan stellvertretend für seine Generation in seiner Sitzung ab ... [mehr]

16
Amyl And The Sniffers
"Amyl And The Sniffers"

Dann wenn es ungemütlich wird, dranzubleiben, das ist hier nicht ganz unwichtig. Und ungemütlich im Sinne von irritierend wird es mit Amy Taylor schnell. Die schlagfertige Frontfrau der australischen Punkband mit der blondierten Vokuhila-Frise auf der Bühne zu sehen, ist ein derart explosives Erlebnis, dass man es wohl nicht so schnell vergisst. Und es gibt wohl keinen Ort, wo sie lieber ist als genau dort. Was sie dort an roher Energie auspackt, an Lautstärke, Schweiß, ist archaisch, ist Rock’n Roll. Joan Jett, Patti Smith, die frühe Debbie Harry vielleicht, das sind die Koordinaten, in denen sich Taylor bewegt. „I’m an angry person“, hat sie dem Magazin Loud And Quiet gesagt, „I’m not going to apologize for that, that’s just who I am. It’s bit like being a champagne bottle; if you don’t pop the lid off every now and then, the whole thing will eventually explode” ... [mehr]

15
Lambchop
"This (Is What I Wanted To Tell You)""

Von der britischen Band Radiohead gibt es einen Song, der sich für das Quintett fast als programmatisch erwiesen hat: “How To Disappear Completely”. Nun, entgegen allen Gerüchten sind Thom Yorke und Kollegen noch immer ziemlich gegenwärtig, es könnte allerdings sein, dass nun mit Lambchop andere nach fünfundzwanzig Jahren Bandgeschichte und dreizehn Alben den Schritt in die Unendlichkeit wagen. Mit seiner Mütze nämlich scheint Kurt Wagner, der sympatische Murmler aus Nashville, nun auch jedwede Zurückhaltung abgelegt zu haben, was den Sound seiner Band angeht. Vor einigen Jahren traten Lambchop noch als Dutzend im Vielklangkollektiv auf, 2006 nach „Damaged“ dann ein erster Break – bis heute zählen noch fünf ständige Mitglieder zur Stammbesetzung. Was auch daran liegt, dass sich die Songs im Laufe der Jahre vom alternativen Country über den Post-Rock hin zu elektronischen, auch experimentellen Gebilden entwickelt haben und nunmehr, wenn auch überaus kunstvoll, größtenteils aus Bits und Bytes bestehen ... [mehr]

14
Drahla
"Useless Coordinates"

Wenn die These stimmt, wonach der Zustand einer Gesellschaft daran zu bemessen ist, wie sehr die widerständige Musikszene eines Landes prosperiert und von welcher Qualität sie ist, dann geht es Großbritannien zurzeit wirklich schlecht (und Deutschland btw noch viel zu gut). Wie auch zuvor schon zu Zeiten von Thatcher und Major hält jede Woche mehrere verheißungsvolle und spannende Neuzugänge bereit, die Grime- und Rap-Szene floriert, Rock und Pop ebenso und selbst Nischen wie der Jazz werden plötzlich hell ausgeleuchtet. Nachdem die Liste ordnungsgemäß pöbelnder Punk- und Post-Punk-Kapellen fast täglich aktualisiert werden muß, machen mit Drahla auch die bislang etwas unterrepräsentierten Kunststudenten wieder lauter. Ohne dass man von dem Trio aus Leeds die Parallelen direkt bestätigt bekäme, sind Ähnlichkeiten zwischen ihrem Werdegang und dem der New Yorker No-Wave-Heroen Sonic Youth zu erkennen: Das betont gleichwertige Nebeneinander von zeitgenössischer, bildender Kunst und roher Musikgewalt („The art side of things is equally as important as the music“, Sängerin Luciel Brown im NME), der performative Ansatz ihrer Video- und Liveauftritte und die sorgfältige DIY-Auswahl grafischer Mittel bei der Gestaltung ihrer Veröffentlichungen – das alles rückt Drahla in die Nähe von Gordon, Moore und Co ... [mehr]

13
Die Kerzen
"True Love"

Vielleicht hat der olle mecklenburgische Herzog Christian Ludwig II. ja damals irgendwie geahnt, dass das nicht anginge. Dass also eine so wunderbare Band wie Die Kerzen unmöglich aus einem Ort Names Klenow kommen könne. Das macht sich zwar im berlinerischen Dialekt ganz dufte, würde aber dem Charakter des Quartetts in keinster Weise gerecht werden. Und so hat der Hochwohlgeborene schon Mitte des 18. Jahrhunderts ein paar Prunkbauten in der Nähe errichten lassen und die Gegend dann ausgesprochen weise zu Ludwigslust umgetauft. Und das wiederum trifft die Kerze oder besser den Nagel auf den Kopf. Denn mit Lust assoziiert man die Musik von Jelly Del Monaco, Die Katze, Fizzy B und Super Luci sofort, dem Adel sei Dank. Soll heißen: Wahre Liebe, New Romantic, Schmachten, Schwelgen – Wham? Bham! Und es wird einige geben, die behaupten wollen, diese Platte wäre wie gemacht für einen heißen Sommer – stimmt ja. Aber sie macht sich ebenso gut vor einem knisternden Kamin an graufrostigen Wintertagen, man kann sich zu den Songs mit schweißperlenbesetzter Haut in der Sonne aalen oder unter meterdicken Wolldecken verkriechen, sie wird ihre Wirkung nicht verfehlen. Allwetterplatte sozusagen ... [mehr]

12
DIIV
"Deceiver"

Mit jeder aktuellen Bewertung werden ja in der Regel auch die Erinnerungspreise vergeben – klingt wie das, gemahnt an jenes, es läßt sich eigentlich immer etwas finden, das die Zuordnung einfacher und dem Rezensenten die Arbeit leichter macht. Den entsprechenden Pokal in dieser Kategorie werden in diesem Jahr zweifellos die vier jungen Herren von DIIV zugesprochen bekommen. Weil sie an eine Epoche erinnern, bei der sie selbst noch gar nicht ans gemeinsame Musizieren dachten. Genaugenommen haben Zachary Cole Smith und Andrew Bailey ihre Formation (in wechselnden Besetzungen) erst 2011 ans Laufen gebracht, ganze zwanzig Jahre, nachdem beispielsweise ein gewisser Billy Corgan zusammen mit den Smashing Pumpkins das Debüt „Gish“ veröffentlichte, nach Alternative, nach Grunge und natürlich auch nach Shoegazing, zumindest, wenn wir von der Gründergeneration reden. Bei all diesen Stilrichtungen nämlich haben sich DIIV großzügig bedient und zwar so gekonnt, dass sie mit ihrem eigenen Erstling „Oshin“ und erst recht mit dem folgenden „Is The Is Are“ die Vorbilder fast vergessen ließen. Ganz nebenbei sah Cole auch eine Ecke besser aus als Corgan und sorgte so für reichlich gerötete Wangen und Ohnmachtsanfälle bei der weiblichen Anhängerschaft ... [mehr]

11
Gaddafi Gals
"Temple"

Die Zeit der Eindeutigkeit ist längst vorbei, die schubladengerechte Sortierung, Etikettierung kaum mehr möglich. Das gilt für die Gesellschaft allgemein, wo links und rechts als verlässliche Standortkriterien mehr und mehr zu verschwinden bzw. zu verschwimmen scheinen (weil sich der Populismus überall gleichermaßen breitmacht und Linksfaschisten und Ökonationalisten wie selbstverständlich in gegnerischen Biotopen wildern. Das gilt für die Geschlechtertrennung, Stichwort Genderdebatte, LGBTQIA und natürlich auch für die Kunst, meint hier speziell die Musik. Wo früher der Rock eben nur Rock war und auch bei Metal, Rap oder Soul klare Grenzen gezogen wurden, werden heute alle erdenklichen Stilrichtungen nach Herzenslust miteinander vermischt. Das Nachsehen hat, wer die Scheuklappen nicht rechtzeitig vom Kopf bekommt – gut so. Je vielfältiger, facettenreicher es wird, um so mehr hakt es naturgemäß bei der Umschreibung, man braucht ein paar Vokabeln mehr, um eine Vorstellung zu vermitteln resp. zu bekommen, was genau einen hier erwartet ... [mehr]

10
Ilgen-Nur
"Power Nap"

Wo wir gerade bei den Etiketten waren (MUNA): Diese Frau hier hat eine ganze Menge davon abbekommen: übellaunig, arrogant, queer, Slacker – an Ilgen-Nur Borali scheiden sich nicht nur Geister, sondern Sympathien. Und wer’s einem nicht eben einfach macht, hat’s dann halt schnell verkackt. Da werden Selbstbestimmtheit und Eigensinn mit Arroganz verwechselt, schlecht drauf sind ohnehin immer nur die anderen, undankbar sowieso (schließlich kommt sie ja aus der schwäbischen Provinz). Dabei würde es reichen, läse man das eine oder andere Interview mit ihr oder, noch nachhaltiger, würde sich in Ruhe und möglichst ohne Vorbehalte ihre Musik anhören ... [mehr]

9
Little Simz
"Grey Area"

Schon lustig: Da lassen gerade Cardi B und Nicky Minaj, beide ausgewiesene Könnerinnen ihres Fachs, ein wunderbar böses Beef auf heißer Flamme brutzeln und merken dabei nicht, dass der Spot schon ganz woanders hinscheint. Mittlerweile hat nämlich Simbiatu Ajikawo, besser bekannt unter dem Pseudonym Little Simz, den beiden in Sachen Aufmerksamkeit den Rang abgelaufen. Geboren im Londoner Stadtteil Islington, tauchte die mittlerweile fünfundzwanzigjährige Grime-Rapperin erstmals 2010 mit einem Mixtape auf, das auch in Kollegenkreisen für einiges Aufsehen sorgte, spätestens mit ihrem Debüt „A Curious Tale Of Trials + Persons“ und dem darauffolgenden Multimediaprojekt „Stillness In Wonderland“ ging es mit ihr steil bergauf. Nun also „Grey Area“, ein knackiges Statement voller irre schneller und ebenso scharfer Rhymes, derber Beats und erstaunlich vielseitigen Ausflügen in Richtung Soul, Funk, Jazz und Trip Hop ... [mehr]

8
Nilüfer Yanya
"Miss Universe"

Der Beginn: Befremdlich. Eine künstliche Stimme – Alexa, Siri, whatever – bedankt sich für das Interesse, begrüßt die Teilnahme, die gleichbedeutend ist mit der Übergabe persönlicher Daten und stellt eine Verbesserung, gar eine Verlängerung der Lebensumstände in Aussicht. WWAY Health (We Worry About Your Health) heißt das Programm, mit dem die junge Londonerin Nilüfer Yanya ihr Debütalbum eröffnet, es steht für die Inanspruchnahme unseres sozialen Umfelds durch einen vernetzten, künstlich generierten Rundumservice, der uns glauben machen soll, alles sei in Ordnung, alles sei in guten Händen. Doch gleich darauf, in ihrer ersten Hitsingle „In Your Head“, folgt er auch schon, der Hilferuf einer Generation, die sich zunehmend in Abhängigkeit der sozialen Medien sieht, einer Generation, der Schritt für Schritt die Realität abhandenkommt: „Some validation is all I need!“ ... [mehr]

7
Trettmann
"Trettmann"

Seine Kontrahenten, Endgegner quasi, kann man sich ja selten aussuchen, diesen hier aber hat er sich zumindest selbst eingebrockt: Seit Trettmann 2017 mit dem Album „DIY“ fast aus dem nichts abräumte, war klar, dass die Herausforderung für die nächste Platte riesig sein würde. Weil diese Songs direkt aus der Tristesse des Wohnbetons kamen und von allem so viel hatten – so viel Sanftmut, so viel Trauer, Trotz, Liebe, Schmerz, weil es so wohlig groovte wie die leibhaftige Versuchung. Erwischte es einen in richtigen Moment, war Widerstand zwecklos, gab es kein Entrinnen, Gegenmittel Fehlanzeige. Und die größte Gefahr war (und ist), dass man sich diese Songs überhörte, dass es irgendwann einfach nicht mehr gehen würde. Insofern waren die kleinen Methadon-Schübe sehr hilfreich, die Trettmann in den vergangenen Wochen ganz ohne Rezept verabreichte – nicht wenige meinten ja schon, der Tretti wäre zu oft in zu vielen Tracks zu finden, Cro, Kantereit hier, Dendemann und Herre dort, Seeed im Kommen, kann man so sehen. Wenn da nicht diese Sucht wäre ... [mehr]

6
The Murder Capital
"When I Have Fears"

Es sind tatsächlich andere Zeiten. Wir kennen ja durchaus Jahre, da war kein Mangel an jungen, aufstrebenden Gitarrenbands, da gaben sich die talentiertesten unter ihnen wöchentlich mit Verve die Klinke in die Hand, viele teilten sich ein „The“ im Namen und machten gleich einen Trend daraus – lang ist’s her. Heute dagegen ist die Spitze nicht breit, sondern eher dünn, übersichtlich besetzt, haben Pop und Rap den Indierock in Sachen Novitäten längstens überholt und wegen des Mangels ist die Freude jedes Mal um so größer, findet sich doch ein würdiger Vertreter, der dem oft totgesagten Genre ein wenig Hoffnung gibt und Glanz verleiht. Dass die Iren diesen Kampf ganz vorn mit ausfechten, ist ansich keine so große Überraschung (sind sie doch seit jeher eine Nation von Musikverrückten in des Wortes bestem Sinne), erstaunlich ist aber schon, dass mit den Silverbacks, den Fontaines D.C. und eben jener fünfköpfigen Post-Punk-Formation The Murder Capital gleich drei Bands aus Dublin mitmischen ... [mehr]

5
KUMMER
"KIOX"

Ein wenig Nähkästchengeplauder: Eigentlich wollten wir zu dem Kummer-Album gar nichts machen. Weil einem das Kraftklubkaspermateriadrangsalding, dieses Wie-du-mir-so-ich-dir mit der Zeit kräftig auf den Keks ging (Ketzerei!) und man sich wünschte, sie würden sich besser um ihre eigenen Platten kümmern als um die der hochgeschätzten Kollegen. Dann aber kam kürzlich dieser freundliche und offensichtlich maximal euphorisierte Junge auf einen zu und behauptete (ganz außer Atem, was sonst nicht so seins ist), dass ebenjener Felix Kummer gerade mit „KIOX“ ein Album abgeliefert habe, dass er (der Junge also) für das beste seines Lebens hielte. Mindestens. Das wiederum konnten wir natürlich so nicht unbesprochen stehenlassen und haben das ultramarinfarbene Teil dann doch mal auf den Plattenteller gelegt und siehe da – es war kein Fehler ... [mehr]

4
Slowthai
"Nothing Great About Britain"

Manchmal denkt man ja, das alles wäre ein einziger großer Slapstick, den die Briten da mit ihrem Brexit und dem ganzen Drumherum so veranstalten und der Running Gag, wann die nächste Folge davon wohl auf Netflix gesendet wird, kommt nicht von ungefähr. Doch auch wenn das Ganze zuweilen nicht einer gewissen Komik entbehrt, ja die Sitzungen des britischen Parlaments für unsere Augen recht bizarr wirken, sind die Vorgänge im Königreich alles andere als lustig. Das staatliche Gesundheitssystem kollabiert, der gesellschaftliche Frieden und die zwischenmenschliche Solidarität sind mehr als brüchig, Nationalismus, Revisionismus und Populismus wieder auf dem Vormarsch und im ganzen Land machen sich Hoffnungslosigkeit und Fatalismus breit – „Nothing great about Britain“, fürwahr. Tyron Kaymone Frampton, der Junge also, der sich hinter dem Pseudonym Slowthai verbirgt, ist kein Sprücheklopfer, kein Schauspieler, er weiß, wovon er redet, wenn es um schwierige Verhältnisse geht: Die alleinerziehende Mutter war bei seiner Geburt in Northampton noch minderjährig, sein kleinerer Bruder verstarb frühzeitig an einer Muskelerkrankung – es gibt wahrlich günstigere Umstände für einen Heranwachsenden ... [mehr]

3
Sleaford Mods
"Eton Alive"

Wie lange das schon so geht? Keine Ahnung. Gefühlt arbeiten sich orientierungslose Politiker am zweifelhaften Votum ihres Volkes seit Jahrzehnten ab. 2012 hat wohl der erste Brite „Raus!“ geschrien, wenig später waren es dann so viele, dass man es nicht mehr ignorieren konnte und nun plagen sich Regierende und Regierte gleichermaßen mit der folgenschweren Entscheidung trotzköpfiger Separatisten. Ob schwarze Sturmhaube, rote Fahne oder gelbe Weste – die Angst ist diffus, die Wut auch, der Druck steigt. Und die Sleaford Mods sind immer noch zur Stelle. Doch ebensowenig, wie der Brexit nur ein britisches Problem ist, sind die Sleaford Mods eine Brexit-Band. Die Frustration und Aggressivität der Lyrics von Jason Williamson speisen sich vielmehr aus den Erlebnissen eines wohl beschleunigten, aber andauernden Niedergangs unserer westeuropäischen Gesellschaft der vergangenen Dekaden, der Brexit ist also nicht mehr als ein Ausschnitt aus dem Storyboard zur Krise ... [mehr]

2
Viagra Boys
"Street Worms"

Das ist schon verflixt: Die Freude darüber, dass es jemand mit der Political Correctness nicht ganz so genau nimmt, ist nun auch schon wieder ziemlich korrekt und man weiß gar nicht mehr, ob man mit dem Beharren auf künstlerischer Freiheit noch auf der richtigen Seite steht – und wo diese überhaupt ist? Je mehr Gedanken man sich darüber macht, so scheint es, desto schlimmer wirds. Wohltuend deshalb, wenn sich mal wer nach vorn wagt ohne groß zu überlegen. Die schwedischen Viagra Boys geben schon mit ihrem Namen Auskunft darüber, wie sie es mit hehren Begriffen wie sozialer Verantwortung und gesellschaftlichem Bildungsauftrag so halten. Genaugenommen sind das Dinge, über welche die fünf Kerle aus Stockholm eher selten nachdenken, sind sie doch der Meinung, ein jeder sollte den Anspruch zwischen ausgelassener Party und kritischer Hinterfragung mit sich selbst ausmachen – so jedenfalls haben sie es gerade dem OX-Magazin erzählt. Und so klingt auch ihr Debütalbum. Dort wird der Rock noch in fetten Lettern geschrieben, gibt es dreckige Gitarren, werden die Drums wie auf der Galeere gehauen und sind die Texte anständig rüde ... [mehr]

1
Fontaines D.C.
"Dogrel"

Betrachtet man das Große und Ganze, ist das natürlich nur eine Randnotiz, aber man kommt nicht umhin festzustellen: Den Briten geht es momentan an allen Ecken ziemlich nass rein. Da schüttelt alle Welt den Kopf über ihr (die einen sagen unterhaltsames, die anderen behaupten würdeloses) Gezeter und Gezerre zum EU-Austritt, zu anderen gesellschaftlichen Themen werden sie gleich gar nicht mehr wahrgenommen. Und dann tritt plötzlich eine Band wie die Fontaines D.C. auf den Plan und liefert ein furioses Debüt ab, das so urbritisch wie nur irgendwas klingt und die besten Erinnerungen an längst vergangenen Ruhm weckt, an die Libertines, an Oasis und Maximo Park. Und woher kommen sie? Aus Dublin! Also mehr Demütigung geht nicht. Und wie sie kommen! Man kann sich wirklich auf lange Zeit an keine Band mehr erinnern, die aus dem Stand mit einem derartigen Punch aufgeschlagen ist, die ein solch komplettes Album abgeliefert hat ... [mehr]

Arlo Parks: Gute Aussichten (trotz allem)

Arlo Parks
"Sophie EP"

(Beatnik Creative)

Eigentlich hätte man ihr den neuerlichen aktuellen Bezug gern erspart. Aber Arlo Parks ist nun mal das Mädchen aus London, das mit seinem Song "Supersad Generation" den passenden Soundtrack zur Befindlichkeit der Jugend im Königreich vor, während und nach der Wahl von Boris Johnson zum Alleinherrscher geschrieben hat. Okay, sie muß sich diesen Titel wohl mit dem Duo IDER teilen, die von der "Saddest Generation" singen, aber im Grunde trifft ihr Song das Gefühl der Niedergeschlagenheit, der Ohnmacht und der scheinbaren Ausweglosigkeit ziemlich auf den Punkt. Zur Bestätigung reicht ein Blick auf den Altersquerschnitt in der Wahlstatistik - zirka 70 Prozent ihrer Altersgenoss*innen haben Labour gewählt, zirka 70 Prozent der Alten dagegen die Tories. Sie, um deren Zukunft es ging, wurden von denen überstimmt, die keine Veränderung, keinen Umbruch wollten, die Bequemlichkeit höher schätzen als Herausforderungen. Supersad, wie gesagt. Und natürlich klingt vieles von dem Gefühl der Betrogenheit, von dieser Traurigkeit auch auf ihrer aktuellen EP "Sophie" nach. Und zwar auf einzigartige, wundervolle Weise. Ihre sanfte Stimme, die soften Beats - trotz der großen Ernsthaftigkeit scheinen diese Songs zu schweben. Und das trotz erster Rap-Versuche im Titelstück oder schiefer Funkgitarren ("George"). Alles ist hier sorgsam, nichts übertrieben arrangiert, man kann von Parks lernen, wie man mit ein paar Akkorden einen Song schreibt, der über's Ohr sofort ins Herz geht - "Angel's Song", die Liebeserklärung an einen engen Freund, ist zweifellos der Höhepunkt der EP. Egal also, wie trübe gerade die Aussichten für ihre Generation sind, von Arlo Parks selbst wird man 2020 mit Sicherheit noch viel Gutes zu hören bekommen.



Dienstag, 17. Dezember 2019

Do Nothing: Die Zeiten sind danach

Manchmal unterliegt man ja dem Irrglauben, miese Politik und gute Musik müssten sich eigentlich ausschließen. Nein, das Gegenteil ist wohl der Fall. Je chaotischer die Zustände, desto schärfer der Protest, desto ambitionierter die Gegenwehr. Gut so. Aktuelles Beispiel sind Do Nothing, eine vierköpfige Post-Punk-Band aus Nottingham. Sänger Chris Bailey, Gitarrist Kasper Sandstrom, Charles Howarth am Bass und Andrew Harrison an den Drums hatten bislang drei Singles veröffentlicht (u.a. "Gangs" und "Waitress"), nun kommt mit "LeBron James" die vierte ins Spiel. Um den Ausnahme-Basketballer geht es hier natürlich nur am Rande, sondern eher um die betrügerischen Machenschaften von Leuten wie Billy McFarland, der das Fyre-Festival-Desaster zu verantworten hat.





Montag, 16. Dezember 2019

Oberpollinger 2019 - The Short Cuts



20
Cherry Glazerr
"Wasted Nun"




19
RIN
"Nimmerland"




18
Sleater-Kinney
"Hurry On Home"




17
Rammstein
"Deutschland"




16
FKA twigs
"Holy Terrain"




15
Angèle
"Balance Ton Quoi"




14
Octavian
"Bet"




13
Fatoni
"Burj Khalifa"




12
Glass Animals feat. Denzel Curry
"Tokyo Drifting"




11
King Princess
"Prophet"




10
Stormzy
"Vossi Bop"




9
Dicht und Ergreifend
"Wer schwankt hod mehr vom Weg"




8
Slowthai
"Doorman"




7
Rosalía
"A Palé"




6
Deichkind
"Dinge"




5
Fat White Family
"Feet"




4
Beak
"Brean Down"




3
Sleaford Mods
"Kebab Spider"




2
Trettmann
"Stolpersteine"




1
Billie Eilish
"Bad Guy"