Beim ersten Treffen mit Rita hieß es schnell: „Oh, bitte nicht das Frauending!“ – ist das ein Thema, mit dem man der Allgirlband Candelilla nicht mehr kommen sollte?
Ach, das hat sich mittlerweile wieder etwas entspannt. Es gab am Anfang natürlich schon Phasen, da war es verkrampft und anstrengend, oft auch ein wenig langweilig, darauf ständig angesprochen zu werden, aber jetzt kommen Dinge wie Sachen wie „Riot Girls“ oder „Feminismus“ nur noch selten um die Ecke. Man muss auch wissen, dass sich die reine Frauenbesetzung bei Candelilla eher zufällig ergeben hat, die Mädels haben in der Zeit, bevor ich dazu gekommen bin, schon mit Jungs gespielt, auch ich war schon in anderen Bands unterwegs. Es gab nicht dieses Zwangsläufige, eben nicht dieses bewusste „Frauending“, sondern es hat sich über gegenseitiges Kennenlernen in der Münchner Musikszene einfach zufällig ergeben.
Gibt es denn musikalische Anknüpfungspunkte, die Ihr als Tradition versteht, Bands eben aus der Riot-Girl-Bewegung, die da maßgeblich waren und sind?
Ja, für die anderen drei schon, ich bin ja nun in der Band die Älteste und komme eher aus dem Pop, bin in den 80ern aufgewachsen – das „Grungige“, da war ich eigentlich schon wieder weg von, fand das aber im Nachhinein ganz spannend, solche Sachen wieder zu hören und dann sagen zu können: Hey, wow, das kenn‘ ich jetzt weniger und doch klingt‘s in der Mischung wieder gut. Genauso ging’s den Dreien wohl auch mit dem Pop, den ich mitbrachte, wo ich dann gesagt habe: Abwarten, vielleicht ergibt sich ja ‘was draus… Nennen wir es also besser einfach Rockmusik, alles andere sollte jetzt nicht mehr vordergründig sein.
Es gibt ja vom Zündfunk die schöne „City Of Pop“-Karte – im Stadtviertel des ‚Rock‘, wo ich Euch jetzt mal wohnen lassen würde, führt da von der Breeders-Entbindungsstation zur Pixies-Promenade die Steve-Albini-Alley. Ihr wart 2011 für „Heart Mutter“ für zwei Wochen mit Steve Albini in Chicago im Studio – wie kam’s?
Das war eigentlich eher Zufall – wir saßen mit unserem Material, das eigentlich schon recht fertig war, zusammen und haben überlegt, was damit tun. Wir wussten eigentlich nur, dass wir einen anderen Sound, mehr Livecharakter, kräftigere Gitarren wollten – Thomas Lechner, der zu der Zeit noch unser Booking gemacht hat, meinte dann: Hey, versucht’s doch mal mit Steve Albini, das müsste Euer Ding sein. Wir haben also einfach hingemailt und zurück kam die Antwort: Okay, Session is booked.
Und er wollte oder musste nichts hören vorher?
Nein, definitiv nicht, er vermeidet das bewusst, will wirklich völlig unvoreingenommen an die Dinge herangehen – er sagt schon auch ab, sicher, aber nach welchen Kriterien er sich dann letzten Endes entscheidet, wissen wir auch nicht. Es hieß dann eben nur noch: Okay, wann? September, passt, fliegen wir mal hin. Was genau uns erwartet, war auch uns bis dahin nicht klar.
Und dann war’s …?
Sehr gemütlich, und riesig, mit unglaublich vielen Zimmern. Die sind normalerweise für seine Katzen reserviert – der Mann hat eine unglaubliche Vorliebe für Katzen, ist ein Freak, überall hängen Bilder und Siebdrucke mit lauter Katzen drauf; wir wussten auch nicht, dass die Katzen jedes einzelne der Zimmer markieren und ich glaube, wie wir hat sich auch keiner getraut, etwas dazu zu sagen. Jedenfalls lief das alles sehr entspannt ab, wir hatten ganze zwei Tage, uns die Instrumente, die wir noch brauchten, zusammenzusuchen, uns im Studio umzuschauen. Und dann kam er, direkt aus dem Urlaub, sehr entspannt im Hawaiihemd und meinte: So, dann können wir anfangen.
Keine große Crew?
Nein, überhaupt nicht – mikrophonieren, verkabeln, da kümmert er sich wirklich selbst drum, nur den Tee lässt er sich bringen. Und er bleibt solange dabei und wach, wie die Band es will und durchhält, wenn wir also gegen zwei oder drei eingeknickt sind, dann ging er auch schlafen. Ansonsten lässt er einen machen, ist auf seine Art angenehm distanziert und kümmert sich eigentlich nur um den Sound, das ist sein Metier – den Rest hat er ganz uns überlassen.
Was hat dann letztendlich die Songs, mit denen Ihr angekommen seid, von denen unterschieden, die Ihr mit nach Hause genommen habt?
Nun, es war die Präsenz, jedes einzelne Instrument hat er irgendwie noch ein Stück lebendiger gemacht. In der Regel wird das Material in so einem Prozess ja eher glatter, steriler – bei ihm ist es das genaue Gegenteil, der gewünschte Livecharakter also. Man nimmt zwar seine Vorstellungen von den einzelnen Songs, so wie man sie vom Rohschnitt kennt, mit ins Studio, Geschwindigkeiten, Strukturen, Stimmungen, all das – aber es wird alles noch einmal komplett neu aufgenommen.
Ist so ein großer Name wie Albini dann eher Ansporn oder Belastung?
Also Druck war’s eigentlich keiner – höchstens zeitlich und finanziell bei der Frage, ob man’s denn stemmen kann. Aber er ist ein wirklich fairer Partner, hat uns sogar Studiotage geschenkt, damit wir’s zu Ende bringen konnten. Er weiß einfach aus Erfahrung, was es für eine kleine Band – und für ihn sind wir ganz klein – bedeutet, so intensiv zu arbeiten, er honoriert auch, dass man schätzt, was man macht. Also kein Druck – wir wollten das ja selbst, wollten das Album genau so machen und es war so unser eigener Anspruch. Jetzt ist es für uns ohnehin schon lange durch und wird nur für die Promotion noch einmal zum Thema.
Wenn man sich Eure älteren Sachen wie „Don’t Rely…“ und „ReasonReason…“ anhört, dann hat man das Gefühl, Ihr seid jetzt deutlich homogener, kompakter geworden – die extremen Ausschläge, in welche Richtung auch immer, die bei den ersten Stücken noch dominierten, sind weniger geworden – richtiger Eindruck?
Ja, das stimmt. Wir haben das unter dem Punkt Reduktion zusammengefasst, dass wir also früher oft so viele Brüche und Ideen in einem Song hatten, dass man daraus auch hätte drei neue machen können. Das meint jetzt eher die Aussage eines Stücks, denn die Instrumente sind ja nicht weniger geworden. Man spielt halt nur schon über eine so lange Zeit miteinander und muss jetzt nicht mehr jede dieser Ideen bis zum Ende verfolgen.
Zweisprachig die Texte, das Mikro wandert in der Band genauso wie die Instrumente – das wirkt alles recht vielschichtig. Wie kann man sich bei Euch die Entstehung eines Stücks vorstellen?
Eher anstrengend. Manchmal läuft es fein durch, aber oft kommt jemand mit einer Idee, diese geht dann durch drei weitere ‚Kanäle‘ und wird regelrecht zerrupft – und das, was am Anfang da war ist dann selten auch das, was am Ende dabei herauskommt. Man muss also lernen, diese Idee auch abgeben zu können, tut man das nicht, ist man nicht selten enttäuscht.
Keine strikte Arbeitsteilung also, sondern Basisdemokratie pur?
Klar gibt’s dadurch viele Reibereien, Kränkungen auch – es funktioniert eben nicht einfach, weil es so basisdemokratisch ist, es ist wirklich Arbeit, die man aushalten muss. Aber das klappt dann eben auch, am Ende ist ein Song da und man kann befreit aufatmen – zum Schluss stehen all dahinter und keine hat vorher den Raum verlassen müssen, weil es zusammen nicht ging. Das passiert so auch mit den Texten, die von der Mira, der Rita oder der Lina kommen, sie gehören dann allen und können auch verändert werden.
Kann man eigentlich sagen, dass sich momentan junge, deutschsprachige Bands – ihr spielt ja auch mit einigen auf Eurer Tour – wieder etwas leichter tun, ihr Publikum zu finden, dass das Umfeld interessierter, aufgeschlossener geworden ist?
Also es hat sich mehr vernetzt, das ist schon richtig, das sind wohl auch die Nachwehen von Plattformen wie MySpace, wo viele Bands erst gelernt haben, sich selber zu supporten. Auch auf unseren Konzerten merkt man das, es kommen einfach mehr Leute und es gab immer wieder Bands, die das Potential hatten, wo man sich gewundert hat, dass es da nicht klappen will und die jetzt draußen sind. Wir sind da eher mittendrin, haben ja doch schon einige Jahre zusammengespielt, sind zum Beispiel auch schon mit Slut getourt. Aber auch wir haben das lernen müssen, haben uns selbst erst vernetzen müssen mit anderen Bands, um auch mal diese komplette Tour durch Deutschland spielen zu können.
Letzte Frage: Friedrich Ani, der Münchner Schriftsteller, hat letztens in einem Interview gemeint, seine Bücher könnten genausogut in jeder anderen Großstadt Deutschlands spielen, den lokalen Bezug zu Bayern, zu München gäbe es für ihn nicht. Bei ihm hätte man den wohl erwartet – wie sieht’s mit Candelilla aus, was macht Euch zu einer Münchner Band?
Also ich glaube schon, dass das etwas macht mit uns, dass wir hier sind. München ist wahrscheinlich das Uncoolste, was man in der deutschen Musiklandschaft sagen darf, was wohl daran liegt, dass viele eher hier weggehen. Aber ich bin seit fünfzehn Jahren hier, die anderen drei sind hier geboren und keine will weg. Ich denke, man darf das nicht verleugnen, dass einen das auch verändert. Eine gewisse Bequemlichkeit, ja, dazu aber keinen großen Luxus, auch die anderen drei nicht, wir müssen uns den Arsch aufreißen, dass wir hier Musik machen können bei den Mieten, mit Nebenjobs und so. Das entwickelt einen bestimmten Druck, eine Dringlichkeit, fast einen gewissen Zwang. Und dieser Zwang, der ist vielleicht woanders weniger vorhanden. Deshalb ist München für uns auch keine gemütliche Stadt, sondern eher eine, die eine innere Unruhe erzeugt. Es ist vielmehr so, dass man sich gut kennt untereinander, man weiß, wer wirklich Bock hat, etwas zu machen, und diejenigen, die versuchen, so ein bisschen was zu machen, die fallen eigentlich ganz schnell weg – das kann woanders klappen, in München geht das nicht.
Das Album "Heart Mutter" erscheint am 15. Februar bei ZickZack Records
Candelilla live unterwegs, weitere Termine unter www.candelilla.de
07.02. München, Milla
08.02. Regensburg, W1
09.02. Passau, Zeughaus
12.02. Darmstadt, Oettinger Villa
13.02. Marburg, Trauma
14.02. Giessen, Ludwigstraße 6
15.02. Dresden, Ostpol
17.02. Leipzig, Nullunendlich
18.02. Jena, Cafe Wagner
tbc ...
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