Kate Nash
„Girl Talk“
(Fontana)
Das soll jetzt nicht überheblich klingen, aber die Tatsache, dass es auch heute Musiker/innen um die zwanzig gibt, deren Werkbetrachtung sich nicht in den Worten “clever, gelungen, charmant” erschöpft, hat durchaus etwas Tröstliches. Insofern ist Britgirl Kate Nash gleich in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert, weil sie es sich und uns nicht eben einfach machen will, es nachgerade darauf anlegt, gegen die gängigen Konventionen zu arbeiten. Oder anders: Sie spielt das Spiel, soweit es irgend geht aber zu ihren eigenen Regeln. Nash liefert bekanntlich eine ganze Menge an Nebengeräuschen als Soundtrack zu ihrer eigentlichen Profession, den bisherigen drei Alben also, und je nach Betrachtungsweise macht sie dies angreifbarer oder interessanter als den überwiegenden Rest ihrer musizierenden Kollegen: Mit Podcasts, Fanzines oder ihrem Blog “My Ignorante Youth” hält sie das Gespräch mit der Außenwelt ebenso am Laufen wie durch ihre Projektarbeit mit dem Rock’n Roll For Girls After School Club – die Texte ihrer Songs waren und sind ehrlich und offensiv wie wenige und legen viele ihrer Wahrnehmungen, Empfindlichkeiten und Sehnsüchte bloß.
Nachdem ihre letzte Platte “My Best Friend Is You” – nun darf man es ja sagen – etwas zu brav und glatt geraten war, vollzieht “Girl Talk” den erhofften Schwenk und bringt endlich wieder Ton und Text in stimmigen Einklang. Zu ihrer Klage über den alltäglichen Sexismus (“Conventional Girl”, “Rap For Rejection”), Cyberbullying (“All Talk”), gesellschaftliche Zwänge (“Oh”) oder fremdbestimmte Rollenbilder (“Sister”), vorgetragen mit jeder Menge Wut und Ingrimm, gesellt sich nun auch wieder eine angenehme Härte und Sperrigkeit beim Begleitsound. Nichts übermäßig Erschreckendes, sie überfordert den Hörer beileibe nicht mit ihrer Version des Punk- oder Waverocks, aber den Songs steht es einfach besser zu Gesicht.
Schon bei “Part Heart” mit seiner unterschwelligen Aggressivität läßt sich Nash etwas tiefer in die beziehungswunde Seele blicken: “… how much I have to drink, … how loud I play my music, … what my good friends tell, … how much I hurt myself – it doesn’t matter.” Und es bleibt auf Kante genäht – von wenigen Ausnahmen (“Are You There, Sweetheart”, “OHMYGOD”) abgesehen kümmert sich die Londonerin über die ganze Länge um ihre höchsteigene Mission: musikalisch und textlich maßvoll zu verstören. Angstfrei pendelt sie zwischen Rapanleihen (“Rap For Injection”) und spleenigem Singspiel (“You’re so cool, I‘m so freaky“), konfrontiert die Männer- und wohl auch die Glamourwelt mit ihrer Art von rude speech: „Well, I’m sick of being the bitch that you think I am, well, I never understood, understood that man...“ (Conventional Girl) oder „You said some shit about me, but I don’t mind if you don’t respect me, all that means is that you can’t change me …” (All Talk).
Zum Quengeln, Schimpfen, Schreinen kratzen die Gitarren – Kate ist bockig und jeder darf es hören. Dass mit “3AM”, “Fri-end?” oder dem verspielten “Labyrinth” auch Gemäßigtes zu haben ist, bleibt dann eher eine Randnotiz. Spannend wird, wie der neue Stil “da draußen” ankommt, auch wenn nicht zu befürchten steht, dass Kate Nash sich groß um das Echo schert. Dem englischen Guardian teilte sie auf die Frage, was sie wohl mit 85 so anstelle, übrigens mit: “I'll always be playing shows. Even when I'm a crazy granny wearing weird old granny clothes and wandering around with dementia, I'll still be playing. Whether anyone else will turn up is another question.“ Nun, es gibt weiß Gott furchteinflößendere Zukunftsszenarien als diese.
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