Mittwoch, 21. Juli 2010

Gehört_165



Kristin Hersh „Crooked“ (Harpercollins)
Wer sich einmal auf die Seite der kleinen Amerikanerin aus Georgia geschlagen hat, vielleicht auch schon die Chance hatte, sie live zu sehen, der hat eine Entscheidung für’s Leben getroffen. Denn Kristin Hersh ist sowohl bei Musik als auch deren Präsentation eine Frau, an der sich die Geister scheiden. Wenn sie da auf einer, gemessen an ihrer Körpergröße, immer zu groß geratenen Bühne steht, dieses geheimnisvolle Lächeln auf den Lippen und den Blick stets knapp über den Köpfen des Publikums festgezurrt, fast starr – für manch einen ist das gewöhnungsbedürftig. Auch ihre, gerade in hohen und lauten Tonlagen, oft brüchige und stets energische Stimme wird dem einen oder anderen Unbehagen bereiten. Sei’s drum, ich habe mich schon 1990 auf einem Konzert der Throwing Muses entschieden, dass ich eben dieser Frau, dieser Stimme, den anrührenden Geschichten auf ewig verfallen sein werde. Im Übrigen bin ich nach wie vor der Meinung, dass „Your Ghost“ (Hips And Makers, 1994) als Duett mit Michael Stipe zu den wohl zehn, zwölf schönsten Songs überhaupt gehört und sollte das Jüngste Gericht irgendwann doch einmal herniederkommen, dann wäre das ein passender Abschied vom Diesseits, denn für dieses Stück hat der Herrgott die Tränen gemacht.
Genug davon – das neue Album ist ein gutes geworden. Kristin Hersh hat ja im Laufe ihrer Solokarriere auch eine ganze Reihe eher leiser, behutsamer Platten gemacht, mehr und mehr nimmt sie aber wieder, vielleicht eine Folge der Wiederbelebung der Muses oder auch ihrer Arbeit mit den teils infernalischen 50 Foot Wave, deutlich mehr Härte mit ins Programm. Die Gitarren kratzen und schrammeln, das Schlagzeug scheppert ordentlich, schon „Mississippi Kite“ geht gut drauflos, auch der behäbige Blues von „Moan“ ist grandios. Wie bei früheren Stücken spielt sie gern mit Kontrasten, setzt gern lautes Gebrüll gegen leises Wispern, garstige Riffs gegen zarte Akkustik, in diesem Wechselspiel liegt ihre große Stärke und der immerwährende Reiz der einzelnen Songs. Auch der bedächtig wiegende Rhythmus zeichnet diese Platte wie die vorigen aus – das an Neil Young gemahnende „Coals“ könnte wohl noch ewig weiterschaukeln, all die wunderbaren Rückkopplungen inklusive. Die anfangs mit Cello und Piano begleitete Ballade „Krait“ endet kraftvoll im Strudel elektrisch verstärkter Verzerrungen, das anschließende „Flooding“ kommt dagegen fast ohne Instrumentierung aus. „Crooked“ gibt es im Übrigen, neu in dieser Form, als gebundene Buchausgabe mit einem speziellen digitalen Code, der zu reichhaltigem Artwork, Linernotes und Essays jede Menge an zusätzlichem Content wie Videomaterial, Audiokommentare, Studio-Outtakes und einen Zugang zum Fanforum liefert. Das also für die Unersättlichen, der Rest kann sich ohne weiteres schon in der Musik verlieren ...
www.kristinhersh.com

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