Montag, 16. November 2009

Hören+Sehen



Jochen Distelmeyer, Ampere, München 15. November 2009
Es ist ja eigentlich egal, ob man sich nun noch zur Ü40- oder doch schon zur U50-Fraktion zählt – die Zahlen allein sehen schon einigermaßen erschreckend aus – Fakt ist, dass man sich nur noch selten ins feindliche Draußen zu einem Konzert wagt. Um so wichtiger ist es natürlich, dass gerade dieses Konzert dann auch ein gutes wird, denn alles andere wäre traurige Zeitverschwendung. Und dann steht man im proppevollen Ampere, Sonntag Abend und der Tatort ist futsch, man schaut in die Runde und weiß plötzlich, dass das ein schöner Abend werden kann: Alles Leute um einen herum, denen der Collnessfaktor dankbar egal zu sein scheint, die also nicht viel mehr als gute Unterhaltung haben wollen. Hinzu kommt, dass das leidige Deppenrisiko bei solchen Konzerten gen Null geht, keine Endlosquatscher, keine penetranten Raucher oder Rumhüpfer und nur vereinzelte Mobilfotografen – erwartungsfreudige Gesichter überall. Persönlich freut man sich ja schon, dass es für einen selbst Jochen Distelmeyer geworden ist, nicht BAP, nicht Roger Cicero und erst recht nicht Westernhagen. Blumfeld sind seit Jahren trotz oder wegen ihrer Konsensverweigerung mehr als okay und als Distelmeyer mit seiner neuen Band verbraucherfreundlich pünktlich kurz nach neun die Bühne betritt und die ersten Akkorde geschlagen werden, weiß man auch, dass das für einen selbst immer so bleiben wird. Gleich zu Beginn drei Energieschübe zum Warmwerden vom aktuellen Album – „Wohin mit dem Hass?“, „Einfach so“ und „Er“ – die Jungs brettern los und der Herr Distelmeyer, man mag es kaum glauben, gibt die coole Rampensau. Danach der erste Ausflug ins Blumfeld-Repertoire – „Ich, wie es wirklich war“ von „L’Etat et moi“, die Menge – einige dann doch im passenden Nostalgieshirt – freuts und alle haben Spaß. Beim Beobachten des gedrängten Bühnentreibens fällt auf, dass Distelmeyer eigentlich dann am entspanntesten ist, wenn er sein Arbeitsgerät um den Hals hängen hat – dummerweise wechselt er dieses nach jedem Song und so wird es dazwischen immer ganz kurz ganz hektisch: Lied vorbei, ausstöpseln, abgeben, hernehmen, umhängen, einstöpseln, auf den Boden spucken (Distelmeyer, jawohl) – „Vielen Dank!“ – weiter geht’s. Alles was folgt – die reine Spielfreude: „Eintragung ins Nichts“ mit einem netten Gruß an unseren neuen BAM Guido W., zwischen „Schmetterlings Gang“ und „Laß es Liebe sein“ eine mehr als augenzwinkernde Widmung für Mediendarling Megan Fox, eine fette Beatversion von „Hiob“ und ein berauschender Wechselgesang mit allen Verehrern bei „Status Quo Vadis“ – was Distelmeyer anpackt, gelingt und es macht allen Beteiligten unten und oben sichtlich Spaß. „Woansinn!“ sagt der lustige Jochen phonetisch inkorrekt, und: „Minga“. Aber hallo! Es folgen noch „Liebeslieder“ aus der grauen Vorzeit um 1992, ein fast schon troubadouriges „Wir sind frei“ und gegen Ende auch noch das schaurige Rezitativ „Pro Familia“, fast schon Klassiker, alles Kanon, leidenschaftlich mitgesungen in der allseits zufriedenen Runde. Als kurzes Kleinod noch die instrumentierte Version vom aktuellen „Regen“ – dann raus in die milde Nacht. „Ein schöner Abend, das meine ich so!“ von oben - danke, ganz meinserseits …

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