Robbie Williams „Reality Killed The Video Star“ (EMI)
Wenn sich alle Welt wie wild gebärdet, darf man gern auch mal ein wenig auf die Bremse treten und die Gedanken ordnen, in der Hoffnung, noch einen halbwegs ungebrauchten Satz zum erneuten Comback von Robbie Williams zu finden. Auffallend viele haben sich ja hierzulande um dieses angebliche Phänomen gekümmert, ganz vorn natürlich die Freunde des investigativen Journalismus – kurz: Klatschpresse, gefolgt von den einschlägigen Musikjournalen – der SPEX war der Coverboy sogar eine ganze Menge Ärger im eigenen Forum wert, Popdiskurs rules. Interviews wohin man schaut, viel Erhellendes haben auch die nicht zu Tage gefördert, was vielleicht daran liegen könnte, dass der Junge möglicherweise gar nicht so interessant ist wie mancher denkt, sondern nur ein cleverer und überdurchschnittlich begabter Musiker und Entertainer mit einer mäßig spannenden Weltsicht, der zwei, drei sehr gute und mindestens die gleiche Menge an recht mittelmäßigen Alben veröffentlicht hat. Wenn man sich nun bei der Betrachtung auf seine, Robbie Williams’ Kernkompetenz, das Musikbusiness beschränkt, fällt auf, dass der Junge aus Stoke-On-Trent auf seine Art auch ein Verweigerer ist. Denn während es in seinen Kreisen wie die Botox-Flatrate zum guten Ton gehört, sich die neue Scheibe wahlweise von Timbaland, Pharrell Williams, Diplo oder Stuart Price abmischen zu lassen, nimmt er – tja: Trevor Horn. Gut, wer einiges an Jahren auf dem Buckel hat, der kann sich an Frankie Goes To Hollywood, Grace Jones oder The Art Of Noise noch bestens erinnern, der Rest allerdings wird sich Augen und Ohren reiben. Doch während sich nun die Alben der oben genannten Studiokoryphäen ausnahmslos perfekt, spiegelglatt und leider auch ziemlich identisch anhören, klingt das neue von Robbie Williams trotz oder wegen Mr. Horn eigentlich nur nach Robbie Williams. Und das muß nach den beiden letzten, leidlich mißratenen Versuchen nicht das schlechteste Rezept sein. „Reality Killed The Video Star“ hat wieder mehr als genug von dem, was topschicke und quietschvergnügte Moderatorinnen bei ProSieben gern „waschechte Schmusehits“ nennen (Morning Sun, Blasphemy, Deceptacon, Superblind), größtenteils üppig orchestriert und fast schon wie gemalt für die drohende Take-That-Reunion. Die breitbeinigen Rocknummern (Do You Mind, Won’t Do That) finden sich in dankenswert klarer Minderheit – Robbie scheint begriffen zu haben, dass er John Bonjovi hier nicht das Wasser reichen kann und erst recht nicht muß. Angenehm überraschend dann die neue Ausrichtung hin zu Disko und Dance - mit „Starstruck“, „Difficult For Weirdos“ und erst recht mit dem prickelnd unterkühlten „Last Days Of Disco“ bringt er gleich eine ganze Ladung Clubfutter, zusammen mit dem Zwitter „Bodies“ ist das deutlich mehr an Hörbarem als auf „Intensive Care“ und „Rudebox“. Insofern hat er mit seiner neuen Platte eines der wichtigsten Survivalgesetze beachtet: Bei Gefahr – hier drohendes Karriereende – stehen bleiben, umdrehen, Blickkontakt halten und langsam rückwärts gehen. Wollen wir ihm wünschen, dass das die Rettung war, verdient hätte er’s …
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