Dienstag, 8. Mai 2018

Janelle Monáe: In der gleichen Liga

Janelle Monáe
„Dirty Computer“

(Atlantic)

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ – meistgehörter Satz der letzten Monate. „Man wird sich ja wohl mal irren dürfen!“ – nicht ganz so oft gehörter Satz in den letzten Monaten, deshalb wollen wir hier mal mit gutem Beispiel vorangehen und einen dicken Irrtum eingestehen, der schon ganze acht Jahre her ist und im schnelldrehenden Musikbusiness eigentlich schon als verjährt gelten sollte. Gleichwohl ist der Missgriff noch immer nachzulesen, deshalb die fällige Entschuldigung: Als wir an gleicher Stelle das Debütalbum von Janelle Monáe namens „Archandroid“ als quietschbunte Wundertüte bezeichnet und in gleichem Atemzug mit dem Argument „viel gewollt – nichts richtig gekonnt“ verrissen haben, lagen wir, das sollte man ruhig zugeben, mal sauber daneben. Nicht nur aus heutiger Sicht ist diese Platte der gelungene Start der erstaunlichen Karriere einer erstaunlichen Musikerin, eine erste Probe ihres bemerkenswerten Talents. Der Fairness halber dürfen wir anmerken, daß Album Nummer zwei „The Electric Lady“ danach schon (natürlich mit Recht) überschwänglich gelobt wurde, weil auch hier die für’s Repertoire ausgewählten Genres wie Soul, Rap, R’n’B, Jazz, Dance etc. brillant und mit traumwandlerischer Sicherheit bespielt wurden.



Und nun also die Nummer drei. Und auch dieses ein Meisterwerk – again. Von Artificial Intelligenz und Maschinenherrschaft ist nicht mehr viel zu hören, dafür regiert nun an mancher Stelle der Pop. Und zwar einer, der an die Glanzzeiten von Madonna erinnert, Stücke wie „Screwed“ (mit Zöe Kravitz) oder „Take A Byte“ wippen so ungemein lässig und frisch, daß man gar nicht umhin kann, ihr dafür zu applaudieren. Selbiges tut der Prince-Fan natürlich auch bei „Make Me Feel“, das gar nichts anderes sein kann als eine Hommage an den größten aller kleinen Ausnahmekönner. Monáe schreibt ihm, wie man im Guardian lesen konnte, tatsächlich nicht nur für dieses Album, sondern für ihr ganzes Leben und das vieler anderer eine entscheidende Rolle zu: “I dedicate a lot of my music to Prince, for everything he’s done for music and black people and women and men, for those who have something to say and also at the same time will not allow society to take the dirt off of them. It’s about that dirt, and not getting rid of that dirt, the things that made us special.”



Womit wir dann auch bei einer anderen, ungleich wichtigeren Message der Platte wären. Und auch wenn es hier nicht um Konkurrenz oder Vergleiche gehen kann – Monáe spielt spätestens jetzt nicht nur musikalisch in einer Liga mit Beyoncé und Solange (für Rihanna bleibt leider nur die Halftime-Show übrig). Denn dort, wo sie früher eher als Kunstfigur agierte und es bei Andeutungen beließ, tritt sie heute selbstbewußt und unverstellt auf, wählt sie Rhymes und Rapskills, die wirklich zünden („Crazy, Classic, Life“, „Django Jane“), scharfe, punktgenaue Ansagen und politische Statements zur Geschlechterdebatte (“We gave you life, we gave you birth, we gave you God, we gave you earth…”) und Rassenproblematik, öfters gern auch beides zusammen. Die Zeiten, mögen sie für schwarze US-Amerikaner gerade auch noch so bitter und frustrierend sein, haben aus ihr nicht nur eine schillernde, sondern eben auch eine kluge, wagemutige, selbstbestimmte Künstlerin gemacht, die sich Gehör zu verschaffen weiß.



Dabei versucht sie offenkundig und demonstrativ, trotz aller Mißstände nicht den Spaß am Leben zu verlieren. Gerade jetzt, wo alles maximal konfrontativ und unversöhnlich erscheint, bleibt Monáe humorvoll, ironisch – eine Eigenschaft, deren Wert man nicht zu gering schätzen sollte. „We don’t need another ruler, all my friends are kings“, heißt es, und weiter: „I’m not the American Nightmare, I’m the American Dream“ – was, im Hinblick auf Malcolm X., durchaus als Provokation für beide Seiten verstanden werden kann. Ein verrücktes, normales Leben sollte es bitte schön sein, wo jede und jeder nach eigenen Wünschen und Fähigkeiten entscheiden könne. Singt sie und verbindet damit auf's Trefflichste den täglichen Kampf mit der „pursuit of happiness“. Wenn Missy nicht bald aus den Puschen kommt, ist der Platz für’s Album des Jahres mit diesem hier schon gefixt.

Keine Kommentare: