Man hat ja die Hoffnung, sie wolle zu einer Trauung, aber sie ist wohl eher auf der Flucht vor einer solchen: Ellie Rowsell, Sängerin der Londoner Kapelle Wolf Alice, hat für das Video zur aktuellen Single "Space And Time" aus dem Album "Visions Of A Life" mal die Anstrengung nicht gescheut und ist für den Dreh eine ziemlich lange Strecke im Dauerlauf unterwegs - und zwar in Brautkleid und Knöchelstiefeln. Respektable Leistung, unsereiner hätte das wohl keine dreihundert Meter durchgehalten.
Donnerstag, 31. Mai 2018
Dienstag, 29. Mai 2018
Theresa Wayman aka. TT : Unverhandelbar
TT
„LoveLaws“
(Caroline)
Wer tatsächlich überrascht war vom Alleingang der Theresa Becker Wayman alias TT, weiß nicht viel über ihre Heimatstadt. Allein der Name: Eugene. Kurze Geschichte, die aber randvoll gepackt. Einstige Hippiehochburg – Heimat von Ken Kesey, Richard Brautigan, Tim Hardin, auch Tracy Bonham, Robert Cray, dazu noch Corin Tucker, Courtney Love, Frank Black – muß man mehr sagen!? Eugene scheint mit seiner überschaubaren Einwohnerzahl eine Wiege für kreative Ehrgeizlinge zu sein. Überraschend ist also nicht, daß Wayman auf Solopfaden wandelt, sondern daß sie sich als letzte ihrer Bandkolleginnen von Warpaint jetzt erst dazu entschlossen hat. Ob sie die Erfahrungen als Mutter, wie oft vermutet, darin bestärkt haben, darüber darf spekuliert werden, zweifellos kennt sie die Liebe in all ihren Formen und Ausprägungen gut genug, um über die Gesetze derselben singen zu können.
Sie tut dies, wie schon bei Warpaint, auf eher zurückhaltende Art und auch der Sound ist entsprechend – synthetische, basslastige Beats, mal dunkel und versonnen, mal poppig eingefärbt. Ihre eigene Gitarre verirrt sich eher selten in die melancholischen Midtemponummern, die eher dem Dub und Trip Hop nahestehen als dem Indierock von Warpaint. „Ich möchte, dass sich meine Musik nach Underground anhört“, hat sie dem Deutschlandfunk gesagt, Perfektion sei nicht das Ziel. Entsprechend viele Störgeräusche und schräge Loops hat Wayman in die Tracks eingebaut, die unter Mithilfe ihres Bruders Ivan und Prodzenten-Legende Money Mark entstanden sind. Besonders fein ist ihr dabei neben den bekannten Single-Auskopplungen das Stück „Dram“ gelungen, eine hypnotische Meditation, bei der nicht zum ersten Mal orientalische Bezüge anklingen.
Die Gefahr, dass die Songs allzu besinnlich, ja sogar kitschig daherkommen, nimmt Wayman bewußt dafür in Kauf, um auf ihrem Hauptthema zu beharren: „Die Liebe ist das Gesetz, das uns alle zusammenhält. Sie ist es, die uns antreibt, uns als Spezies. Im Moment gibt es so viel Hass und Wut und Angst - auch das treibt die Leute an. Und das Gegenteil davon ist die Liebe“, so die Künstlerin in besagtem Interview, und weiter: „Manchmal fühlt es sich kitschig an, ‘Ich liebe dich‘ zu sagen. Aber es ist wichtig, dass man es tut.“ Wahre und zudem angenehm klare Worte, die Wayman an anderer Stelle nochmals unterstreicht: „Ich wollte sicherstellen, dass ich die Dinge klar sagen würde. Ich bewundere das an Popmusik. Ich mag es, wenn sie wie ein unverstelltes Statement klingt.“ Danke, keine weiteren Fragen.
„LoveLaws“
(Caroline)
Wer tatsächlich überrascht war vom Alleingang der Theresa Becker Wayman alias TT, weiß nicht viel über ihre Heimatstadt. Allein der Name: Eugene. Kurze Geschichte, die aber randvoll gepackt. Einstige Hippiehochburg – Heimat von Ken Kesey, Richard Brautigan, Tim Hardin, auch Tracy Bonham, Robert Cray, dazu noch Corin Tucker, Courtney Love, Frank Black – muß man mehr sagen!? Eugene scheint mit seiner überschaubaren Einwohnerzahl eine Wiege für kreative Ehrgeizlinge zu sein. Überraschend ist also nicht, daß Wayman auf Solopfaden wandelt, sondern daß sie sich als letzte ihrer Bandkolleginnen von Warpaint jetzt erst dazu entschlossen hat. Ob sie die Erfahrungen als Mutter, wie oft vermutet, darin bestärkt haben, darüber darf spekuliert werden, zweifellos kennt sie die Liebe in all ihren Formen und Ausprägungen gut genug, um über die Gesetze derselben singen zu können.
Sie tut dies, wie schon bei Warpaint, auf eher zurückhaltende Art und auch der Sound ist entsprechend – synthetische, basslastige Beats, mal dunkel und versonnen, mal poppig eingefärbt. Ihre eigene Gitarre verirrt sich eher selten in die melancholischen Midtemponummern, die eher dem Dub und Trip Hop nahestehen als dem Indierock von Warpaint. „Ich möchte, dass sich meine Musik nach Underground anhört“, hat sie dem Deutschlandfunk gesagt, Perfektion sei nicht das Ziel. Entsprechend viele Störgeräusche und schräge Loops hat Wayman in die Tracks eingebaut, die unter Mithilfe ihres Bruders Ivan und Prodzenten-Legende Money Mark entstanden sind. Besonders fein ist ihr dabei neben den bekannten Single-Auskopplungen das Stück „Dram“ gelungen, eine hypnotische Meditation, bei der nicht zum ersten Mal orientalische Bezüge anklingen.
Die Gefahr, dass die Songs allzu besinnlich, ja sogar kitschig daherkommen, nimmt Wayman bewußt dafür in Kauf, um auf ihrem Hauptthema zu beharren: „Die Liebe ist das Gesetz, das uns alle zusammenhält. Sie ist es, die uns antreibt, uns als Spezies. Im Moment gibt es so viel Hass und Wut und Angst - auch das treibt die Leute an. Und das Gegenteil davon ist die Liebe“, so die Künstlerin in besagtem Interview, und weiter: „Manchmal fühlt es sich kitschig an, ‘Ich liebe dich‘ zu sagen. Aber es ist wichtig, dass man es tut.“ Wahre und zudem angenehm klare Worte, die Wayman an anderer Stelle nochmals unterstreicht: „Ich wollte sicherstellen, dass ich die Dinge klar sagen würde. Ich bewundere das an Popmusik. Ich mag es, wenn sie wie ein unverstelltes Statement klingt.“ Danke, keine weiteren Fragen.
Montag, 28. Mai 2018
Danger Dan: Offener Vollzug
Der Junge mit den meisten Lebensläufen, so wird Daniel Pongratz alias Danger Dan von seinem Label JKP auch genannt. Man weiß nicht genau, welche Identität er gerade angenommen hat, fest steht nur, daß der Rapper der Antilopen Gang am 1. Juni seine Soloplatte "Reflexionen aus dem beschönigten Leben" veröffentlichen wird. Entstanden aus einer Reihe therapeutischer Sitzungen, hält das Album neben klassischem Hip Hop auch Rock, Reggae und Trap-Sound bereit, etwas davon bekommt man schon mit den aktuellen Vorauskopplungen "Sand in die Augen" und "Eine auf's Maul" zu hören.
19.09. Nürnberg, DESI
20.09. München, Kranhalle
21.09. Wien, Chelsea
22.09. Dresden, Groovestation
26.09. Münster, Gleis 22
27.09. Köln, Luxor
28.09. Stuttgart, Schräglage
29.09. Wiesbaden, Schlachthof
02.10. Berlin, SO36
04.10. Hamburg, Hafenklang
05.10. Leipzig, Conne Island
19.09. Nürnberg, DESI
20.09. München, Kranhalle
21.09. Wien, Chelsea
22.09. Dresden, Groovestation
26.09. Münster, Gleis 22
27.09. Köln, Luxor
28.09. Stuttgart, Schräglage
29.09. Wiesbaden, Schlachthof
02.10. Berlin, SO36
04.10. Hamburg, Hafenklang
05.10. Leipzig, Conne Island
Iggy Pop vs. Underworld: Liaison dangereuse
Der Mann hat schon einen ziemlich besonderen, um nicht zu sagen gottgleichen Status erreicht. Was auch daran liegt, dass es um ihn herum ziemlich einsam geworden ist. Denn neben Iggy Pop gibt es nicht mehr viele mit einer ähnlich ereignis- und erfolgreichen Vita - Buddy David Bowie ist schon länger eine Etage weiter oben, Lou Reed ebenso, von der Ramones-Sippe ganz zu schweigen. Die Tage des altgedienten Punkrocks sind spätestens seit dem Augenblick gezählt, da Johnny Rotten im Dschungel verschwand. Pop aber bleibt am Drücker, gerade hat er zusammen mit dem britischen Electro-Duo Underworld die Single "Bells And Circles" aufgenommen, siebeneinhalb Minuten Basspower, sehr gelungen.
Freitag, 25. Mai 2018
Chvrches: Gar zu einfach
Chvrches
„Love Is Dead“
(Vertigo Berlin)
Ist es das, was man die Trennung von Werk und Person nennt? Was man sich also im Falle Kevin Spacey so dringlich wünscht, weil er so grandiose Filme gedreht hat, die ja nicht schlechter werden, weil er einmal verdammten Bockmist gebaut hat? Nein, ganz so klar ist hier die Linie nicht zu ziehen, bei den Chvrches ist der Kontext ein anderer. Grundsätzlich einmal ist Lauren Mayberry eine bemerkenswerte Künstlerin, der man auch dann gern zuhört, wenn sie gerade keines ihrer Liedchen trällert. Sie bezieht klare Positionen, vertritt respektable Ansichten und ist in Sachen Geschlechterdebatte und politischer Meinungsbildung eine von denen, die den Mund aufmachen, Stellung beziehen, deutlich werden. Erst vor Tagen hat sie dem Onlineportal FADER ein Interview gegeben, aus dem man nur eine Passage zitieren muss, um die vorangegangene Würdigung zu unterstreichen: „Somebody said to me …, ‘You should be pleased there's a female Prime Minister [Theresa May] because that's feminism at work.‘ Just because somebody walked into Downing Street and had a vagina, doesn't mean they're making decisions that benefit women in any way. Margaret Thatcher was a lady. I suppose she was a woman in a man's world, but that's about the only nice thing I have to say.“ Word.
Warum diese lange Einleitung? Nun, die Musik auf der neuen, mittlerweile dritten Platte des Trios aus Glasgow kann sich die Anerkennung, die man der Frontfrau gern spendet, leider schwerlich verdienen. Und das wiederum ist etwas traurig. Es hatte sich nach Vorlage der zweiten Platte „Every Open Eye“ bereits angedeutet, schon diese schien wie eine verlängerte Ausgabe des Debüts geraten, wenig neue Ideen, kaum eine Entwicklung erkennbar. Über „Love Is Dead“ läßt sich nun leider auch nichts Besseres sagen, die Entscheidung, Greg Kurstin an Instrumente und Regler zu lassen, hat da keine hörbare Änderung gebracht, selbst wenn der Mann schon mit Adele, Pink, Lily Allen, Peaches, Sia und wer weiß wem noch das Studio teilte. Meistenteils präsentieren sich die neuen Stücke als jubilierende, eng verdichtete (alternativ: überfrachtete) Synthetiktracks – tanzbar, keine Frage, aber eben auch ziemlich glatt poliert und zum Verwechseln ähnlich. Mehr als drei Ausnahmen von dieser Regel lassen sich dabei nicht finden.
„My Enemy“ zusammen mit Matt Berninger (The National) profitiert (als Duett-Premiere) vom Gast mit dem dunklen Timbre und wirkt nicht ganz so aufgepitcht, „Miracle“, von der Band als einziger Titel mit britischer Prägung bezeichnet, hört man an, dass Kurstin hier ausnahmsweise nicht verantwortlich war – es wird schräg, verzerrt, eben anders. Und auch der gewohnte Wechsel am Mikrophon tut dem Album gut, Martin Doherty macht aus „God’s Plan“ ein düster pulsierendes Technostück, von dem man sich gerne anstecken läßt. Der Rest wirkt leider etwas beliebig, da ist es dann auch wenig hilfreich, daß Mayberry viele ihrer politischen Nadelstiche und Erkenntnisse im Subtext der Songs versteckt, so rechte Freude will bei der Sinnsuche nicht mehr aufkommen. Gewiß, es gibt weitaus schlechteren Dancepop auf diesem Planeten zu hören, die Diskrepanz zwischen inhaltlichem Anspruch, den die drei erfreulich oft äußern und der, nennen wir sie mal musikalischen Darreichungsform, ist zu groß, als dass man darüber hinwegsehen könnte. Hier wieder vermehrt Spannung, Kantigkeit, Reibung zu erzeugen, könnte ein hoffnungsvoller Ansatz für Album Nummer vier sein. https://chvrch.es/
06.11. Köln, Live Music Hall
07.11. Berlin, Tempodrom
15.11. Lausanne, Les Docks
„Love Is Dead“
(Vertigo Berlin)
Ist es das, was man die Trennung von Werk und Person nennt? Was man sich also im Falle Kevin Spacey so dringlich wünscht, weil er so grandiose Filme gedreht hat, die ja nicht schlechter werden, weil er einmal verdammten Bockmist gebaut hat? Nein, ganz so klar ist hier die Linie nicht zu ziehen, bei den Chvrches ist der Kontext ein anderer. Grundsätzlich einmal ist Lauren Mayberry eine bemerkenswerte Künstlerin, der man auch dann gern zuhört, wenn sie gerade keines ihrer Liedchen trällert. Sie bezieht klare Positionen, vertritt respektable Ansichten und ist in Sachen Geschlechterdebatte und politischer Meinungsbildung eine von denen, die den Mund aufmachen, Stellung beziehen, deutlich werden. Erst vor Tagen hat sie dem Onlineportal FADER ein Interview gegeben, aus dem man nur eine Passage zitieren muss, um die vorangegangene Würdigung zu unterstreichen: „Somebody said to me …, ‘You should be pleased there's a female Prime Minister [Theresa May] because that's feminism at work.‘ Just because somebody walked into Downing Street and had a vagina, doesn't mean they're making decisions that benefit women in any way. Margaret Thatcher was a lady. I suppose she was a woman in a man's world, but that's about the only nice thing I have to say.“ Word.
Warum diese lange Einleitung? Nun, die Musik auf der neuen, mittlerweile dritten Platte des Trios aus Glasgow kann sich die Anerkennung, die man der Frontfrau gern spendet, leider schwerlich verdienen. Und das wiederum ist etwas traurig. Es hatte sich nach Vorlage der zweiten Platte „Every Open Eye“ bereits angedeutet, schon diese schien wie eine verlängerte Ausgabe des Debüts geraten, wenig neue Ideen, kaum eine Entwicklung erkennbar. Über „Love Is Dead“ läßt sich nun leider auch nichts Besseres sagen, die Entscheidung, Greg Kurstin an Instrumente und Regler zu lassen, hat da keine hörbare Änderung gebracht, selbst wenn der Mann schon mit Adele, Pink, Lily Allen, Peaches, Sia und wer weiß wem noch das Studio teilte. Meistenteils präsentieren sich die neuen Stücke als jubilierende, eng verdichtete (alternativ: überfrachtete) Synthetiktracks – tanzbar, keine Frage, aber eben auch ziemlich glatt poliert und zum Verwechseln ähnlich. Mehr als drei Ausnahmen von dieser Regel lassen sich dabei nicht finden.
„My Enemy“ zusammen mit Matt Berninger (The National) profitiert (als Duett-Premiere) vom Gast mit dem dunklen Timbre und wirkt nicht ganz so aufgepitcht, „Miracle“, von der Band als einziger Titel mit britischer Prägung bezeichnet, hört man an, dass Kurstin hier ausnahmsweise nicht verantwortlich war – es wird schräg, verzerrt, eben anders. Und auch der gewohnte Wechsel am Mikrophon tut dem Album gut, Martin Doherty macht aus „God’s Plan“ ein düster pulsierendes Technostück, von dem man sich gerne anstecken läßt. Der Rest wirkt leider etwas beliebig, da ist es dann auch wenig hilfreich, daß Mayberry viele ihrer politischen Nadelstiche und Erkenntnisse im Subtext der Songs versteckt, so rechte Freude will bei der Sinnsuche nicht mehr aufkommen. Gewiß, es gibt weitaus schlechteren Dancepop auf diesem Planeten zu hören, die Diskrepanz zwischen inhaltlichem Anspruch, den die drei erfreulich oft äußern und der, nennen wir sie mal musikalischen Darreichungsform, ist zu groß, als dass man darüber hinwegsehen könnte. Hier wieder vermehrt Spannung, Kantigkeit, Reibung zu erzeugen, könnte ein hoffnungsvoller Ansatz für Album Nummer vier sein. https://chvrch.es/
06.11. Köln, Live Music Hall
07.11. Berlin, Tempodrom
15.11. Lausanne, Les Docks
GURR: Das perfekte Alibi
Klar ist der erste Gedanke, der einem bei "Hot Summer" in den Kopf schießt, ein sonniger. Erst nach ein paar Zeilen wird klar, dass Andreya Casablanca und Laura Lee aka. GURR hier nicht den überschäumenden Frohsinn abfeiern, sondern ihr Plädoyer für schattige Zurückgezogenheit und eben gegen das Diktat vom "Alles muß raus!" singen. Das perfekte Alibi also, sich auch mal zu verkriechen und die Masse machen zu lassen. Keine Entschuldigung aber dafür, den Festivalterminen der Band (Liste hier) fernzubleiben, sie geben jedenfalls reichlich Gelegenheit zum standesgemäßen Besuch - dem Vernehmen nach darf dann auch wieder ausgerastet werden.
James Blake: Seltene Verbindung
Menschen, die bei der Musik von James Blake enttäuscht abwinken und feststellen, sie könnten damit nichts anfangen - oh ja, die soll es geben - können einem ein bisschen Leid tun. Da kommt einer und schafft es, die Künstlichkeit und das Gefühl so miteinander zu verbinden, dass man unweigerlich an Philip K. Dick und Isaac Asimov und ihre entwurzelten, vermenschlichten Androiden denken muss - und ist nichts weniger als ergriffen. Nach drei Alben schickt sich der junge Mann aus London nun offensichtlich an, ein weiteres zu veröffentlichen - vor einigen Wochen gab es schon das wahrhaft poetische Video zu "If The Car Beside You Moves Ahead", nun teilt er mit "Don't Miss It" einen weiteren Track, begleitet von einer Art Lyric-Chat. Die Spannung steigt.
Donnerstag, 24. Mai 2018
Christine And The Queens: Anders als erwartet [Update]
15.10. Berlin, Columbiahalle
11.12. Genf, Arena
Update: Und hier dann auch die passenden Videos im Stile der West Side Story, gedreht von Jordan Bahat.
Blumfeld: Universal Liebeslieder
Blumfeld
Ampere, München, 23. Mai 2018
Die Frage war nicht, ob es die Herren da oben packen würden – da waren die Zweifel eher klein, denn so alt, dass es nicht zum gepflegten Rockmuckertum reichte, sind sie nun auch wieder nicht. Nein, spannender war, ob denn die Songs nach einem knappen Vierteljahrhundert noch bestehen könnten. Die letzte offizielle Tour liegt schon ein paar Jahre zurück, einen Teil des Sets hatten Blumfeld, original besetzt, zuletzt vor einem Jahr auf einem Festival in Düsseldorf gespielt und dort so sehr Gefallen daran gefunden, dass sie das Konzept „Rücktritt vom Rücktritt“ einfach für ein paar Termine verlängerten und diese BestOf-Reise durch die Clubs antraten. Start in München, Nachfrage groß, das Ampere packed. Die Auftritte Distelmeyers dazwischen waren ja bekanntlich solistischer Natur, zunächst sein gelungenes Album „Heavy“ (das übrigens auch auf der Setlist des Abends angenehm großzügig bedacht wurde), dann das erste Buch und ein Coveralbum, dem man zwar die Verehrung, aber leider auch die Mühe allzu deutlich anhörte.
Nun also die Love Riots Revue. Schöner Name für den dargebotenen Liederzyklus, verbindet er doch die beiden gegensätzlichen Pole des Programms der Hamburger Oberschüler, den krawalligen, lauten Noise, aus dem man noch immer die Bewunderung für Sonic Youth heraushören kann. Und das fast schon schlagerhafte Liebeslied, für das sie neben aller Zuneigung auch mächtig viel Prügel haben einstecken müssen. Heute zeigt sich, daß in der Mischung aus beidem das Geheimnis ihres Erfolges liegt. Die Sprache einfach, der Duktus eindringlich, aber nicht verkopft – Stücke wie „Weil es Liebe ist“, „1000 Tränen tief“ oder „Immer wieder Liebeslieder“ behalten ihre Bedeutung über die Zeit hinaus, in der sie geschrieben wurden, sind universell. Bezeichnenderweise trifft das auch auf die politischen Songs zu, von Netztrollen und Hatebots war noch keine Rede, als Distelmeyer begann, von der „Diktatur der Angepassten“ zu singen – als er sich fragte „Wohin mit dem Hass?“, wurde nur halbsoviel von dem ausgekübelt, was heute die Foren verstopft. Und dennoch versteht’s jeder.
Das freut auch die Band. Augenscheinlich macht es Spaß, da oben zu stehen und die Jukebox anzuwerfen, die dankenswerterweise vor allem die älteren Stücke im Programm hat. Ein jeder nimmt’s, wie’s gefällt – ausgelassene Damen werfen begeistert die Arme in die Lüfte, der Anzugträger drei Meter weiter tanzt eher inwendig, Distelmeyer selbst ruft „Servus, Minga!“ und lacht sich einen Ast dabei: „Ihr seid so süß – ich aber auch.“ Die Haare sind länger, aber auch lichter geworden, die Posen hat er trotzdem drauf. Einmal auf die Bühne gerotzt, später bei besagtem Tearjerker ganz allein mit Kippe und Mikro zum Konservenbeat, das hat Klasse. Zum Kehraus dann, wie schon vor Jahren, natürlich den „Verstärker“ in der extended version, also kreischender Klassiker plus Prefab-Sprout-Huldigung („Electric Guitars“) und Cole-Porter-FadeOut: „Everytime we say goodbye, I die a little“, hach. Einzig den versprochenen Tanz draußen im Regen gab’s nicht mehr, der Wolkenbruch war mit dem letzten Ton vorbei, es wäre auch zu schön gewesen. Dann vielleicht beim nächsten Mal…
Ampere, München, 23. Mai 2018
Die Frage war nicht, ob es die Herren da oben packen würden – da waren die Zweifel eher klein, denn so alt, dass es nicht zum gepflegten Rockmuckertum reichte, sind sie nun auch wieder nicht. Nein, spannender war, ob denn die Songs nach einem knappen Vierteljahrhundert noch bestehen könnten. Die letzte offizielle Tour liegt schon ein paar Jahre zurück, einen Teil des Sets hatten Blumfeld, original besetzt, zuletzt vor einem Jahr auf einem Festival in Düsseldorf gespielt und dort so sehr Gefallen daran gefunden, dass sie das Konzept „Rücktritt vom Rücktritt“ einfach für ein paar Termine verlängerten und diese BestOf-Reise durch die Clubs antraten. Start in München, Nachfrage groß, das Ampere packed. Die Auftritte Distelmeyers dazwischen waren ja bekanntlich solistischer Natur, zunächst sein gelungenes Album „Heavy“ (das übrigens auch auf der Setlist des Abends angenehm großzügig bedacht wurde), dann das erste Buch und ein Coveralbum, dem man zwar die Verehrung, aber leider auch die Mühe allzu deutlich anhörte.
Nun also die Love Riots Revue. Schöner Name für den dargebotenen Liederzyklus, verbindet er doch die beiden gegensätzlichen Pole des Programms der Hamburger Oberschüler, den krawalligen, lauten Noise, aus dem man noch immer die Bewunderung für Sonic Youth heraushören kann. Und das fast schon schlagerhafte Liebeslied, für das sie neben aller Zuneigung auch mächtig viel Prügel haben einstecken müssen. Heute zeigt sich, daß in der Mischung aus beidem das Geheimnis ihres Erfolges liegt. Die Sprache einfach, der Duktus eindringlich, aber nicht verkopft – Stücke wie „Weil es Liebe ist“, „1000 Tränen tief“ oder „Immer wieder Liebeslieder“ behalten ihre Bedeutung über die Zeit hinaus, in der sie geschrieben wurden, sind universell. Bezeichnenderweise trifft das auch auf die politischen Songs zu, von Netztrollen und Hatebots war noch keine Rede, als Distelmeyer begann, von der „Diktatur der Angepassten“ zu singen – als er sich fragte „Wohin mit dem Hass?“, wurde nur halbsoviel von dem ausgekübelt, was heute die Foren verstopft. Und dennoch versteht’s jeder.
Das freut auch die Band. Augenscheinlich macht es Spaß, da oben zu stehen und die Jukebox anzuwerfen, die dankenswerterweise vor allem die älteren Stücke im Programm hat. Ein jeder nimmt’s, wie’s gefällt – ausgelassene Damen werfen begeistert die Arme in die Lüfte, der Anzugträger drei Meter weiter tanzt eher inwendig, Distelmeyer selbst ruft „Servus, Minga!“ und lacht sich einen Ast dabei: „Ihr seid so süß – ich aber auch.“ Die Haare sind länger, aber auch lichter geworden, die Posen hat er trotzdem drauf. Einmal auf die Bühne gerotzt, später bei besagtem Tearjerker ganz allein mit Kippe und Mikro zum Konservenbeat, das hat Klasse. Zum Kehraus dann, wie schon vor Jahren, natürlich den „Verstärker“ in der extended version, also kreischender Klassiker plus Prefab-Sprout-Huldigung („Electric Guitars“) und Cole-Porter-FadeOut: „Everytime we say goodbye, I die a little“, hach. Einzig den versprochenen Tanz draußen im Regen gab’s nicht mehr, der Wolkenbruch war mit dem letzten Ton vorbei, es wäre auch zu schön gewesen. Dann vielleicht beim nächsten Mal…
Jack White: Furioses Stückwerk [Update]
Jack White
„Boarding House Reach“
(Third Man Records)
Das ist schon eine elende Zwickmühle, in der man da jetzt steckt. Einerseits findet man den Typen richtig Klasse: Jack White hat nicht nur Ahnung von Musik, sondern lebt sie mit jeder Faser seines Körpers. Sagt die richtigen Sachen (gerade erst wieder in einem sehr lesenswerten Interview mit dem SZ-Magazin) und zwar nicht nur zu seiner Passion, sondern gern auch zu all den Dingen, die wir wie er als Unwucht im Lauf der Welt wahrnehmen. Wir bewundern sein Genie, seine Hingabe, seine Ausdauer. Andererseits hat er gerade sein drittes Album veröffentlicht und das ist derart anstrengend geraten, dass man es sogleich wieder in die Ecke pfeffern möchte. Zumindest im ersten Moment. Nun sind ja schon die solistischen Vorgänger „Blunderbuss“ und „Lazaretto“ nicht gerade Musterbeispiele für geschmeidigen Bluesrock neuer Schule gewesen, auch hier zickte der Mann stellenweise aus und versuchte sich mit versoffenen Moritaten am schlecht gestimmtem Kaschemmen-Piano, feierlichen Traditionals und ein paar bissigen Rapeinlagen. Hat gar nicht schlecht funktioniert, das Ganze, was vornehmlich daran lag, daß White meistenteils noch seinen elektrisierenden Stomp in die Auslage stellte, gern und oft die Gitarre drosch und seine Stimmbänder dazu malträtierte. Und selbst wenn dann Unerwartetes kam, hatte er es noch in klassische Kompositionen verpackt, blieb er bei allem stets ein Songwriter.
Dafür, dass ihm diese Fähigkeit beim aktuellen Werk nun abhandengekommen scheint, muß er kräftig Prügel einstecken. Pitchfork schickt „Boarding House Reach“ unter die kritische Fünf-Punkte-Marke und bei Stereogum wütet der Kritiker entrüstet wie selten: „Legends make garbage albums. It happens all the time. … He’s allowed to make some garbation. And that’s what Boarding House Reach is“, heißt es dort – und schlimmer: „It sounds like a man disappearing permanently up his own asshole.“ Tatsächlich springt White auf der Platte so wild und scheinbar ziellos zwischen all seinen Inspirationsquellen aus Blues, Funk, Jazz, Rock, Rap und Soul hin und her, daß ihm der Zuhörer irgendwann nicht mehr folgen möchte - es jault, pfiept, furzt, kreischt und knallt an allen Ecken und man tut sich wirklich schwer, ein System dahinter zu erkennen. Halbherzigkeit (wie ein deutsches Musikmagazin) will man dem Künstler dabei aber nicht unterstellen, wer den Kerl jemals auf der Bühne unter Strom gesehen hat, der weiß, dass sein Problem nicht das halbe, sondern eher das übervolle, das berstende Herz ist, ganz offensichtlich überfordert er mit diesem stilistischen Kreuzfeuer den Großteil derer, die ihm bisher begeistert gefolgt sind.
Es könnte also sein, dass er auf seine Frage, die er beim Song „Corporation“ in die Runde ruft, am Ende nicht die gewünschte Antwort erhält: „I'm thinking about taking it all the way to the top! Who's with me? Yeah, I'm thinking about doing one giant drop! Who's with me?“ Es werden sich nicht viele finden, die da Schritt halten können/wollen. Trotzdem: Müll!? Weiß Gott nicht! Das Fehlen vertrauter Songstrukturen kann, ja muß man vielleicht bedauern, es gibt dennoch Grund genug auch mit diesem Album bei der Fahne zu bleiben. Denn die Gitarre als alles verbindendes Element bleibt so vielgestaltig wie furios, die Background-Chöre schmettern wunderbar ansteckend und wenn White bei „Everything You’ve Ever Learned“ im Stile des gerade verstorbenen Predigers Graham seine Tiraden herausbrüllt, wird wieder einmal klar, dass hier einer lichterloh brennt – man nennt das wohl „Seele“ und hört es so wahrlich nicht allzu oft. Ach, und den Humor hat er auch nicht an der Eingangstür zur hauseigenen Plattenpresse abgegeben. Ganz zum Schluß, nachdem er sich downtown noch schnell eine Knarre besorgt hat (Dan Auerbach ist wohl gewarnt), schiebt er noch eine kleine Dvorak/Capone-Variation nach: „If the children are dancing, lovers are all romancing, is it any wonder, everyone is singing?“ Irgendwie muß man ihn einfach lieben… http://jackwhiteiii.com/
Update: Tourdaten
12.10. Berlin, Verti Music Hall
13.10. München, Zenith
14.10. Dortmund, Warsteiner Music Hall
„Boarding House Reach“
(Third Man Records)
Das ist schon eine elende Zwickmühle, in der man da jetzt steckt. Einerseits findet man den Typen richtig Klasse: Jack White hat nicht nur Ahnung von Musik, sondern lebt sie mit jeder Faser seines Körpers. Sagt die richtigen Sachen (gerade erst wieder in einem sehr lesenswerten Interview mit dem SZ-Magazin) und zwar nicht nur zu seiner Passion, sondern gern auch zu all den Dingen, die wir wie er als Unwucht im Lauf der Welt wahrnehmen. Wir bewundern sein Genie, seine Hingabe, seine Ausdauer. Andererseits hat er gerade sein drittes Album veröffentlicht und das ist derart anstrengend geraten, dass man es sogleich wieder in die Ecke pfeffern möchte. Zumindest im ersten Moment. Nun sind ja schon die solistischen Vorgänger „Blunderbuss“ und „Lazaretto“ nicht gerade Musterbeispiele für geschmeidigen Bluesrock neuer Schule gewesen, auch hier zickte der Mann stellenweise aus und versuchte sich mit versoffenen Moritaten am schlecht gestimmtem Kaschemmen-Piano, feierlichen Traditionals und ein paar bissigen Rapeinlagen. Hat gar nicht schlecht funktioniert, das Ganze, was vornehmlich daran lag, daß White meistenteils noch seinen elektrisierenden Stomp in die Auslage stellte, gern und oft die Gitarre drosch und seine Stimmbänder dazu malträtierte. Und selbst wenn dann Unerwartetes kam, hatte er es noch in klassische Kompositionen verpackt, blieb er bei allem stets ein Songwriter.
Dafür, dass ihm diese Fähigkeit beim aktuellen Werk nun abhandengekommen scheint, muß er kräftig Prügel einstecken. Pitchfork schickt „Boarding House Reach“ unter die kritische Fünf-Punkte-Marke und bei Stereogum wütet der Kritiker entrüstet wie selten: „Legends make garbage albums. It happens all the time. … He’s allowed to make some garbation. And that’s what Boarding House Reach is“, heißt es dort – und schlimmer: „It sounds like a man disappearing permanently up his own asshole.“ Tatsächlich springt White auf der Platte so wild und scheinbar ziellos zwischen all seinen Inspirationsquellen aus Blues, Funk, Jazz, Rock, Rap und Soul hin und her, daß ihm der Zuhörer irgendwann nicht mehr folgen möchte - es jault, pfiept, furzt, kreischt und knallt an allen Ecken und man tut sich wirklich schwer, ein System dahinter zu erkennen. Halbherzigkeit (wie ein deutsches Musikmagazin) will man dem Künstler dabei aber nicht unterstellen, wer den Kerl jemals auf der Bühne unter Strom gesehen hat, der weiß, dass sein Problem nicht das halbe, sondern eher das übervolle, das berstende Herz ist, ganz offensichtlich überfordert er mit diesem stilistischen Kreuzfeuer den Großteil derer, die ihm bisher begeistert gefolgt sind.
Es könnte also sein, dass er auf seine Frage, die er beim Song „Corporation“ in die Runde ruft, am Ende nicht die gewünschte Antwort erhält: „I'm thinking about taking it all the way to the top! Who's with me? Yeah, I'm thinking about doing one giant drop! Who's with me?“ Es werden sich nicht viele finden, die da Schritt halten können/wollen. Trotzdem: Müll!? Weiß Gott nicht! Das Fehlen vertrauter Songstrukturen kann, ja muß man vielleicht bedauern, es gibt dennoch Grund genug auch mit diesem Album bei der Fahne zu bleiben. Denn die Gitarre als alles verbindendes Element bleibt so vielgestaltig wie furios, die Background-Chöre schmettern wunderbar ansteckend und wenn White bei „Everything You’ve Ever Learned“ im Stile des gerade verstorbenen Predigers Graham seine Tiraden herausbrüllt, wird wieder einmal klar, dass hier einer lichterloh brennt – man nennt das wohl „Seele“ und hört es so wahrlich nicht allzu oft. Ach, und den Humor hat er auch nicht an der Eingangstür zur hauseigenen Plattenpresse abgegeben. Ganz zum Schluß, nachdem er sich downtown noch schnell eine Knarre besorgt hat (Dan Auerbach ist wohl gewarnt), schiebt er noch eine kleine Dvorak/Capone-Variation nach: „If the children are dancing, lovers are all romancing, is it any wonder, everyone is singing?“ Irgendwie muß man ihn einfach lieben… http://jackwhiteiii.com/
Update: Tourdaten
12.10. Berlin, Verti Music Hall
13.10. München, Zenith
14.10. Dortmund, Warsteiner Music Hall
Mittwoch, 23. Mai 2018
Tocotronic: Noch unendlicher
Vielleicht nicht mehr ganz so taufrisch, in der Kombination aber immer noch ein Grund zur Freude: Tocotronic, gerade erst mit ihrem aktuellen Album "Die Unendlichkeit" einmal mehr Erfolgsgaranten des öfters totgesagten deutschen Indierocks, haben für zwei Stücke ebenjener Platte Remix-Veröffentlichungen angekündigt, zudem ist eine Tourergänzung für den Herbst eingetütet. Das Label Kompakt bringt vom Titelsong drei Bearbeitungen von Roman Flügel unter die Leute, an "Bis uns das Licht vertreibt" durften sich Marcel Dettmann und Michael Mayer versuchen. Reinhören kann man in die eine wie die andere 12" schon mal auf der Website des Labels, physisch gehen die beiden Scheiben am 8. Juni raus. Die Tickets für den Touranhang gibt es schon bei Krasser Stoff, dem Vernehmen nach als spezielles Hardticket inkl. Tonspur, auf welcher man einer Smartphone-Aufnahme des Stückes "Der absolute Tiefpunkt meiner Kindheit" aus der Lowtzow'schen Küche lauschen kann. Was es nicht alles gibt ...
28.07. Wien, Arena
06.11. Rostock, M.A.U. Club
07.11. Kiel, Die Pumpe
08.11. Bochum, Bahnhof Langendreer
09.11. Marburg, KFZ
10.11. Aschaffenburg, Colos Saal
12.11. Kaiserslautern, Kammgarn
13.11. Augsburg, Kantine
14.11. Chemnitz, AJZ
15.11. Leipzig, Conne Island
16.11. Potsdam, Waschhaus
28.07. Wien, Arena
06.11. Rostock, M.A.U. Club
07.11. Kiel, Die Pumpe
08.11. Bochum, Bahnhof Langendreer
09.11. Marburg, KFZ
10.11. Aschaffenburg, Colos Saal
12.11. Kaiserslautern, Kammgarn
13.11. Augsburg, Kantine
14.11. Chemnitz, AJZ
15.11. Leipzig, Conne Island
16.11. Potsdam, Waschhaus
The Cool Kids: Back to the Bassment
Diese zwei Herren aus Chicago haben uns ja im vergangenen Jahr schon überrascht, da nämlich kamen Sir Michael Rocks and Chuck Inglish aka. The Cool Kids mit einem neuen Album "Special Edition Grandmaster Deluxe" um die Ecke und der Jubel war groß. Das darf sich nun gern wiederholen, denn aktuell warten zwei neue Tracks namens "OilBass" und "Ripple" auf die Zuhörer, eine Platte oder ein Mixtape gibt's allerdings noch nicht dazu. Angeblich sind die beiden aber beim im Herbst anlaufenden Film "Widows" von Steve McQueen mit von der Partie.
Dienstag, 22. Mai 2018
Artificial Pleasure: Der doppelte David
Artificial Pleasure
„The Bitter End“
(East City Rockers)
Kurz noch mal vergewissert – nein, nichts. Die beiden Davids, also Bowie und Byrne, haben sich mit Sicherheit gekannt und werden sich bei diversen Gelegenheiten auch die Hände geschüttelt haben, wie das unter Genies diesen Grades nicht ausbleibt. Nachweislich aber hat nur der Byrne den Bowie gecovert und nicht umgekehrt, von gemeinsamen Auftritten ist derweil nichts überliefert. Und genau an dieser Leerstelle scheint seit 2016 die Londoner Post-Punk-Kapelle Artificial Pleasure anzusetzen, klingen die vier Herren doch genau so, als wären Ziggy Stardust und der Psycho Killer bei einem zufälligen Treffen übereingekommen, ein ganzes Album mit herrlich funkig-fuzzigen Stücken aufzunehmen. Einige dieser Songs existieren ja schon geraume Zeit, jetzt erst wurde das komplette Debüt veröffentlicht und Phil McDonnell (Gesang/Gitarre), Dom Brennan (Keyboard), Rich Zbaraski (Bass) und Drummer Lee Jordan, meistenteils zuvor bei der Band Night Engine angestellt, geben sich keine große Mühe, ihre Vorbilder zu verschweigen.
Im Gegenteil, freimütig geben sie weitere zu Protokoll, letztendlich nimmt sich die Liste wie das Who is Who der alternativen Tanzmusik aus: LCD Soundsystem, Gang Of Four, Can, Funkadelic, ja sogar die deutschen DAF stehen darauf und hört man sich die zwölf hochinfektiösen Tracks des Albums an, bringt jeder Hörer sicherlich noch drei weitere auf’s Tableau. Gern geschehen, sie haben nichts zu verbergen. Und wollen sich auch gar nicht erst ein schlechtes Gewissen einreden lassen, sondern einfach nur möglichst schnell (wie im Video zu „I’ll Make It Worth Your While“ zu sehen) zurück unter die Glitzerkugel – zucken, wippen, federn, feiern. Was mit der Platte bestens gelingt. Die dicken Synths und Maschinengrooves hämmern beeindruckend, „Wound Up Tight“ und „All I Got“ sind Musterbeispiele monstermäßiger Stil-MashUps, kaum zu bremsen, pulsierend, bereit für die große Sause.
Da werden Chöre aufgefahren, wird schamlos der hymnische Dramapop der 90er beliehen, es schmeichelt, schwelgt, bratzt oder stampft an allen Ecken, einen richtigen Favoriten mag man in dem herrlichen Durcheinander gar nicht ausmachen. Irgendwann, irgendwo natürlich auch der Ruf, das sei doch alles aufgekochter Super-Retro-Kram – man hört ihn kaum, will ihn nicht hören, viel zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Beine nicht zu verknoten. Zur Entspannung dienen zwei kurze Instrumentals namens „Basement“ und „Stammheim“ (deren Deutung man sich für die Afterhour vornimmt, im Moment ist keine Zeit dazu) und auch „You Keep Me Coming Back For More“, ein croonendes Etwas mit gehörig Schmachtpotenzial, auch das können sie also. Man kann nur hoffen, daß die vier smarten Herren recht bald wieder den Weg auf die Bühne finden, es wäre nachgerade sträflich, sie mit diesem Material einfach entkommen zu lassen. http://www.artificialpleasure.com/
„The Bitter End“
(East City Rockers)
Kurz noch mal vergewissert – nein, nichts. Die beiden Davids, also Bowie und Byrne, haben sich mit Sicherheit gekannt und werden sich bei diversen Gelegenheiten auch die Hände geschüttelt haben, wie das unter Genies diesen Grades nicht ausbleibt. Nachweislich aber hat nur der Byrne den Bowie gecovert und nicht umgekehrt, von gemeinsamen Auftritten ist derweil nichts überliefert. Und genau an dieser Leerstelle scheint seit 2016 die Londoner Post-Punk-Kapelle Artificial Pleasure anzusetzen, klingen die vier Herren doch genau so, als wären Ziggy Stardust und der Psycho Killer bei einem zufälligen Treffen übereingekommen, ein ganzes Album mit herrlich funkig-fuzzigen Stücken aufzunehmen. Einige dieser Songs existieren ja schon geraume Zeit, jetzt erst wurde das komplette Debüt veröffentlicht und Phil McDonnell (Gesang/Gitarre), Dom Brennan (Keyboard), Rich Zbaraski (Bass) und Drummer Lee Jordan, meistenteils zuvor bei der Band Night Engine angestellt, geben sich keine große Mühe, ihre Vorbilder zu verschweigen.
Im Gegenteil, freimütig geben sie weitere zu Protokoll, letztendlich nimmt sich die Liste wie das Who is Who der alternativen Tanzmusik aus: LCD Soundsystem, Gang Of Four, Can, Funkadelic, ja sogar die deutschen DAF stehen darauf und hört man sich die zwölf hochinfektiösen Tracks des Albums an, bringt jeder Hörer sicherlich noch drei weitere auf’s Tableau. Gern geschehen, sie haben nichts zu verbergen. Und wollen sich auch gar nicht erst ein schlechtes Gewissen einreden lassen, sondern einfach nur möglichst schnell (wie im Video zu „I’ll Make It Worth Your While“ zu sehen) zurück unter die Glitzerkugel – zucken, wippen, federn, feiern. Was mit der Platte bestens gelingt. Die dicken Synths und Maschinengrooves hämmern beeindruckend, „Wound Up Tight“ und „All I Got“ sind Musterbeispiele monstermäßiger Stil-MashUps, kaum zu bremsen, pulsierend, bereit für die große Sause.
Da werden Chöre aufgefahren, wird schamlos der hymnische Dramapop der 90er beliehen, es schmeichelt, schwelgt, bratzt oder stampft an allen Ecken, einen richtigen Favoriten mag man in dem herrlichen Durcheinander gar nicht ausmachen. Irgendwann, irgendwo natürlich auch der Ruf, das sei doch alles aufgekochter Super-Retro-Kram – man hört ihn kaum, will ihn nicht hören, viel zu sehr damit beschäftigt, die eigenen Beine nicht zu verknoten. Zur Entspannung dienen zwei kurze Instrumentals namens „Basement“ und „Stammheim“ (deren Deutung man sich für die Afterhour vornimmt, im Moment ist keine Zeit dazu) und auch „You Keep Me Coming Back For More“, ein croonendes Etwas mit gehörig Schmachtpotenzial, auch das können sie also. Man kann nur hoffen, daß die vier smarten Herren recht bald wieder den Weg auf die Bühne finden, es wäre nachgerade sträflich, sie mit diesem Material einfach entkommen zu lassen. http://www.artificialpleasure.com/
Montag, 21. Mai 2018
Yukon Blonde: Durchaus artverwandt
Irgendwie kommt man auch selbst drauf, ohne dass man über die fünf Genaueres weiß: Yukon Blonde aus Vancouver sind eine Psychrock-Band, klar, denn wer sich Mühe gibt und etwas Fantasie hat, der kann im Cover ihres künftigen, vierten Albums "Critical Hit" natürlich eine verfremdete Version von Pink Floyds "The Dark Side Of The Moon" erkennen. Okay, es braucht viel Fantasie, aber Farbspektren sind nun mal Sache dieses Genres. Ihr Sound entspricht eher dem der späten Schaffensjahre ihrer möglichen Vorbilder, sie sind dem Pop nicht abgeneigt und die ersten vier vorveröffentlichten Songs der neuen Platte haben eindeutig Hitcharakter - so weit, so untypisch. Hier nun also "Too Close To Love" als aktuellste Veröffentlichung, dazu noch "Love The Way You Are", "Crazy" und "Emotional Blackmail - die ganze Pracht erscheint dann am 22. Juni bei Dine Alone Records.
Goldfrapp: Touché!
Das ist schon irgendwie speziell: Da rezensiert man das letzte, so wunderbare Album "Silver Eye" des britischen Duos Goldfrapp und gibt ganz am Ende den Herren von Depeche Mode noch eine mit, so und nicht anders habe zeitgemäßer Synthpop zu klingen. Und was macht Alison Goldfrapp? Singt für die Deluxe-Edition ihres Albums, die am 6. Juli bei Mute Records erscheinen wird, de Track "Ocean" nochmals als Duett mit Dave Gahan ein. Touché!
Granada: Sehnsucht zum Tanzen
Ein belangloses Singalong war nicht zu erwarten, wenn die Grazer Kapelle Granada zur Rückkehr auf die Bühne bläst. Gab es von ihnen eh noch nie. Selbst der Schmachtfetzen "Wien wort auf di" hatte so viel Herz, Ironie und Sehnsucht, daß es kaum auszuhalten war - ein Prachtstück, wie das ganze Debüt des Quintetts aus dem Jahr 2016. Nun soll also der Nachfolger kommen - "Ge bitte!" startet mit der Single "Die Stodt", das Video von Bernhard Kaufmann mit Valerie Huber, Fabian Unger und Tom Heinz muß man wohl nicht erklären, die Bildsprache könnte deutlicher nicht sein. Gleichgeblieben ist den fünfen offenbar die Gabe, Schweres zum Schweben, besser zum Tanzen zu bringen, für die Tour im Herbst sollte an also frühzeitig vorsorgen, die Plätze im Parkett werden schnell weg sein.
19.11. Zürich, Bogen
20.11. Freiburg, Jazzhaus
21.11. Stuttgart, Club im Wizemann
22.11. Wiesbaden, Kesselhaus
23.11. Hannover, Lux
24.11. Köln, Luxor
26.11. Dresden, Groove Station
27.11. Leipzig, Naumanns
28.11. Hamburg, Nochtspeicher
29.11. Berlin, Festsaal Kreuzberg
01.12. Ingolstadt, Festival
02.12. Regensburg, Mälzerei
03.12. Erlangen, E-Werk
04.12. Augsburg, Neue Kantine
06.12. Linz, Posthof
07.12. Graz Orpheum
08.12. Saalbach, Bergfestival
11.12. München, Muffathalle
12.12. Salzburg, Rockhouse
15.12. Wien, Arena
19.11. Zürich, Bogen
20.11. Freiburg, Jazzhaus
21.11. Stuttgart, Club im Wizemann
22.11. Wiesbaden, Kesselhaus
23.11. Hannover, Lux
24.11. Köln, Luxor
26.11. Dresden, Groove Station
27.11. Leipzig, Naumanns
28.11. Hamburg, Nochtspeicher
29.11. Berlin, Festsaal Kreuzberg
01.12. Ingolstadt, Festival
02.12. Regensburg, Mälzerei
03.12. Erlangen, E-Werk
04.12. Augsburg, Neue Kantine
06.12. Linz, Posthof
07.12. Graz Orpheum
08.12. Saalbach, Bergfestival
11.12. München, Muffathalle
12.12. Salzburg, Rockhouse
15.12. Wien, Arena
Sonntag, 20. Mai 2018
Sleafords Mods: Für die Standhaften
Sleaford Mods
Support: Massicot
Köln, Live Music Hall, 18. Mai 2018
Gut, diese kleine Hoffnung hat sich dann doch nicht erfüllt – kein neues Material. Nicht in München, auch nicht bei der Dresdner Premiere, Hamburg, Berlin, Köln, es war wohl noch nicht die Zeit dafür. Doch wie winzig nimmt sich diese Enttäuschung aus gegenüber der Genugtuung, dass die beiden Typen da oben auf der Bühne immer noch und gänzlich unverfälscht die sind, die einen seit Jahren begeistern und dazu bringen, ihnen selbst jetzt noch wie ein Groupie hinterherzureisen. Es geht ja bei der Sache immer auch ums Alter, zumindest wenn man diesbezüglich (so wie die vielen anderen im Saal) in der selben Liga spielt wie Jason Williamson und Andrew Fearn. Und eben das ist ein wichtiger Teil des Phänomens Sleaford Mods, dass sie einem das willkommene Gefühl vermitteln, auch knapp vor der 50 noch ohne jede Peinlichkeit wütend, laut und kämpferisch sein zu können. Okay, also sie sind es und man selbst steht lieber unten und schau ihnen dabei zu. Aber es ist halt nicht das Gleiche, auf einem dieser unsäglichen Reunion-Retro-Konzerte ungeduldig darauf zu warten, dass endlich das Saallicht gelöscht wird, um die gesammelte Berufsjugendlichkeit (deren Teil man ja selbst ist) rundherum nicht ansehen zu müssen, wo man später beim Heranzoomen der verräterischen Bühnenkameras über die eingefallenen, müden Gesichter und die schütteren Haare der einstigen Idole erschrickt und wirklich, wirklich froh ist, dass sie wenigsten dieses Mal die Klamotten am Leibe behalten und die Show mit einigermaßen Anstand beenden.
Die Mods hat man hierzulande spät für sich entdeckt, erst vor zehn Jahren kamen die ersten Tracks über den Kanal und das ist ein Segen. Genau wie der oft und zu Recht gelobte Purismus ihrer Auftritte: Videowände? Bullshit. Rockposen? Braucht kein Mensch. Stattdessen: Bierkastenrack, Notebook, Mikrophon – der Rest ist pure Emotion. Das Tänzeln, Stolzieren, Schreien, Bellen, Grunzen, wer nur die Musik gehört, sie aber über die Jahre nicht live gesehen hat, der wird die Mods nicht zur Gänze kennenlernen, bleibt außen vor. Die Konzerte sind wie wahren Erlebnisse, bleiben der Schlüssel zum Werk und die einzig gültige Erklärung, warum Punk nichts oder nicht ausschließlich mit schiefen Gitarre, Parolen und Pogo zu tun hat, sondern hauptsächlich mit Wahrhaftigkeit und Haltung. Gerade war zu lesen – und auch das gehört zu diesem Abend, der ja auch ein Vorabend ist, dazu – daß die unausweichlichen Bilder der royalen Trauung am Folgetag selbst die ärgsten Kritiker betört hätten. Und man ist heilfroh, dass Williamson offenbar immun gegen diese mediale Gehirnwäsche ist, die ihn und sein Land gerade heimsucht, dass er weiterschimpft über die Verrücktheit, den Gestank, die Entfremdung und Verrohung der Subutex-Welt. Er läßt sich nicht kleinkriegen, bleibt standhaft und wir lieben ihn dafür. Wohl wissend, dass wir’s selbst wohl eher nicht draufhätten.
Sie bleiben also ungebrochen: die Energie, der treibende, brutale Groove von „Jobseeker“, „Jolly Fucker“, „Fizzy“ und „Tweet Tweet Tweet“, Williamson zeigt sich bei keiner Note weniger angespannt, weniger explosiv als bei früheren Shows, das luzide Joker-Grinsen in der Visage, der Griff in den Schritt, die Reime, die er herausspuckt und sogleich mit einer schroffen, zwanghaften Handbewegung nach hinten wegkickt. Fearn dagegen mit beseelter, entspannter Mimik, nie um einen freundlichen Gruß verlegen und stets eins mit seinen geloopten Bytes und Beats. Für diese Saison war’s das wohl, die „English Tapas“ wurden ausreichend serviert. Anfang Juni darf man sich auf den offiziellen DVD-Release der preisgekrönten Doku von Christine Franz freuen, „Bunch Of Kunst“ gelingt mit der Mischung aus alltäglicher Banalität englischer Kleinstadttristesse, liebevoller Männerfreundschaft und abgefilmter Liveperformance tatsächlich so etwas wie eine Erklärung für die Einzigartigkeit dieser zweifellos genialen Band. Neues Material, zurück zum Einstieg, ist wohl schon in Arbeit. Vorfreunde also, immer noch. Und auch wenn man weiß, dass sie irgendwann weg sind, weg sein müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen – für den Moment sind sie nichts weniger als: die Größten.
Support: Massicot
Köln, Live Music Hall, 18. Mai 2018
Gut, diese kleine Hoffnung hat sich dann doch nicht erfüllt – kein neues Material. Nicht in München, auch nicht bei der Dresdner Premiere, Hamburg, Berlin, Köln, es war wohl noch nicht die Zeit dafür. Doch wie winzig nimmt sich diese Enttäuschung aus gegenüber der Genugtuung, dass die beiden Typen da oben auf der Bühne immer noch und gänzlich unverfälscht die sind, die einen seit Jahren begeistern und dazu bringen, ihnen selbst jetzt noch wie ein Groupie hinterherzureisen. Es geht ja bei der Sache immer auch ums Alter, zumindest wenn man diesbezüglich (so wie die vielen anderen im Saal) in der selben Liga spielt wie Jason Williamson und Andrew Fearn. Und eben das ist ein wichtiger Teil des Phänomens Sleaford Mods, dass sie einem das willkommene Gefühl vermitteln, auch knapp vor der 50 noch ohne jede Peinlichkeit wütend, laut und kämpferisch sein zu können. Okay, also sie sind es und man selbst steht lieber unten und schau ihnen dabei zu. Aber es ist halt nicht das Gleiche, auf einem dieser unsäglichen Reunion-Retro-Konzerte ungeduldig darauf zu warten, dass endlich das Saallicht gelöscht wird, um die gesammelte Berufsjugendlichkeit (deren Teil man ja selbst ist) rundherum nicht ansehen zu müssen, wo man später beim Heranzoomen der verräterischen Bühnenkameras über die eingefallenen, müden Gesichter und die schütteren Haare der einstigen Idole erschrickt und wirklich, wirklich froh ist, dass sie wenigsten dieses Mal die Klamotten am Leibe behalten und die Show mit einigermaßen Anstand beenden.
Die Mods hat man hierzulande spät für sich entdeckt, erst vor zehn Jahren kamen die ersten Tracks über den Kanal und das ist ein Segen. Genau wie der oft und zu Recht gelobte Purismus ihrer Auftritte: Videowände? Bullshit. Rockposen? Braucht kein Mensch. Stattdessen: Bierkastenrack, Notebook, Mikrophon – der Rest ist pure Emotion. Das Tänzeln, Stolzieren, Schreien, Bellen, Grunzen, wer nur die Musik gehört, sie aber über die Jahre nicht live gesehen hat, der wird die Mods nicht zur Gänze kennenlernen, bleibt außen vor. Die Konzerte sind wie wahren Erlebnisse, bleiben der Schlüssel zum Werk und die einzig gültige Erklärung, warum Punk nichts oder nicht ausschließlich mit schiefen Gitarre, Parolen und Pogo zu tun hat, sondern hauptsächlich mit Wahrhaftigkeit und Haltung. Gerade war zu lesen – und auch das gehört zu diesem Abend, der ja auch ein Vorabend ist, dazu – daß die unausweichlichen Bilder der royalen Trauung am Folgetag selbst die ärgsten Kritiker betört hätten. Und man ist heilfroh, dass Williamson offenbar immun gegen diese mediale Gehirnwäsche ist, die ihn und sein Land gerade heimsucht, dass er weiterschimpft über die Verrücktheit, den Gestank, die Entfremdung und Verrohung der Subutex-Welt. Er läßt sich nicht kleinkriegen, bleibt standhaft und wir lieben ihn dafür. Wohl wissend, dass wir’s selbst wohl eher nicht draufhätten.
Sie bleiben also ungebrochen: die Energie, der treibende, brutale Groove von „Jobseeker“, „Jolly Fucker“, „Fizzy“ und „Tweet Tweet Tweet“, Williamson zeigt sich bei keiner Note weniger angespannt, weniger explosiv als bei früheren Shows, das luzide Joker-Grinsen in der Visage, der Griff in den Schritt, die Reime, die er herausspuckt und sogleich mit einer schroffen, zwanghaften Handbewegung nach hinten wegkickt. Fearn dagegen mit beseelter, entspannter Mimik, nie um einen freundlichen Gruß verlegen und stets eins mit seinen geloopten Bytes und Beats. Für diese Saison war’s das wohl, die „English Tapas“ wurden ausreichend serviert. Anfang Juni darf man sich auf den offiziellen DVD-Release der preisgekrönten Doku von Christine Franz freuen, „Bunch Of Kunst“ gelingt mit der Mischung aus alltäglicher Banalität englischer Kleinstadttristesse, liebevoller Männerfreundschaft und abgefilmter Liveperformance tatsächlich so etwas wie eine Erklärung für die Einzigartigkeit dieser zweifellos genialen Band. Neues Material, zurück zum Einstieg, ist wohl schon in Arbeit. Vorfreunde also, immer noch. Und auch wenn man weiß, dass sie irgendwann weg sind, weg sein müssen, wenn sie ihre Glaubwürdigkeit behalten wollen – für den Moment sind sie nichts weniger als: die Größten.
Audiobooks: Der Schattenmann und das Model [Update]
Update: Und hier endlich auch aktuelles Bildmaterial, abgefilmt von Balan Evans.
Donnerstag, 17. Mai 2018
End Christian: Playing Bach
Zur Auflockerung hier mal etwas eher Abseitiges - wobei das wieder davon abhängt, auf welcher Seite man denn steht. Einigen Lesern wird die Formation End Christian (Philadelphia/New York) vielleicht ein Begriff sein, auch oder gerade weil sie einen musikalischen Stil pflegt, der sich konsequent zwischen alle Stühle setzt. Christian McKenna (Hex Inverter), Alap Mom (ex-Dalek, Third Culture
Kings), Richard Hoak (Brutal Truth, Total Fucking Destruction), Vincent
Rosa (Starkweather) und Gillian Dreadful (Fad Nauseam) mischen Ambient, Trip Hop, Post-Rock und Electro zu eigenwilligen Soundcollagen und füllten damit 2017 ihr Debütalbum "Energy And Strength", dessen Titel man durchaus wörtlich nehmen durfte. Auf der neuen Scheibe, weiter geht's mit dem Namedropping, werden sich als Gastmusiker auch Justin Broadrick (Godflesh, Jesu), Mike Hill (Tombs) und Chris Connolly (Sun Kil Moon) finden - heißen wird sie "Bach Part 1", VÖ ist der 27. Juli via Translation Loss, Teil 2 soll später im Jahr erscheinen. Wer nähere Ausführungen zu Künstlern und Werk haben möchte, darf sich gern ein Interview mit Christian McKenna bei The Sludgelord gönnen, ansonsten haben wir hier die beiden ersten Auskopplungen "KARAOKE_SO" und "GREAT ESCAPES" parat.
Mittwoch, 16. Mai 2018
YONAKA: Kein Spaß
Ist das noch ein heikles Thema? Nun gut, wenn man es wörtlich nimmt, dann läßt sich ein Song mit dem Titel "Fucking With The Boss" natürlich sofort unter dem bewährten MeToo-Hashtag ablegen, wie genau das allerdings Theresa Jarvis und ihre Kollegen von YONAKA verstanden wissen wollen, da müßten wir uns dann doch erst mal näher zu eingrooven. Im vergangenen Jahr war die Band aus Brighton mit ihrer EP "Heavy" unterwegs und auch der neue Song klingt nicht gerade nach Kuschelrock, eher so Marke Wolf Alice, für jene, die etwas damit anzufangen wissen. Im Sommer treiben sich die vier auf dem Southside und dem Hurricane herum, gut möglich, dass danach auch noch ein paar Clubtermine in der Planung sind.
Dienstag, 15. Mai 2018
Language: Laut und gut drauf [Update]
Hardcore aus Brooklyn, nun, es gibt ungewöhnlichere Dinge. Dennoch sollte man sich zweieinhalb Minuten Zeit nehmen, um wenigstens die neue Single "Game Piece" von Language, der New Yorker Drei-Mann-Kapelle, zu hören, denn die ist mehr als gelungen. Seit 2013 sind Omar Afzaal, Charles Sloan und Wes Black gemeinsam als Band unterwegs, nach zwei ersten EP haben sie nun beim Label Good Eye Records unterschrieben und werden dort am 18. Mai EP Nummer 3 mit dem Titel "Plymouth" veröffentlichen. Dass laute Musik nicht nur aggressiv macht, kann man übrigens oben ganz gut sehen...
Update: Wir reichen dann mal nach - den Titelsong und das Stück "Into And Out Of". Krachen auch.
Update: Wir reichen dann mal nach - den Titelsong und das Stück "Into And Out Of". Krachen auch.
Annabel Allum: Lasst sie machen
Die einen sammeln Briefmarken, andere schlechte Angewohnheiten, Annabel Allum sammelt gute Singles. Und auch wenn man ihr dringend sagen wollte, daß es nun langsam mal Zeit für ein Debütalbum wäre - sie hat uns bislang noch nicht enttäuscht. Und wie heißt es doch so schön? Never interrupt a winning girl. Oder so ähnlich. Und so freuten wir uns kürzlich über das Video zu "Rascal" und tun dies heute über den nagelneuen Track "Em(ily)". Und irgendwann wird sie schon selbst auf den Trichter kommen, ganz bestimmt...
The Charlatans: Zu den Besten
Gerade hatten wir's von der Zeitschleife - schwupps, sind wir direkt in einer gelandet. In einer sehr angenehmen allerdings. Denn The Charlatans gehörten zu Beginn der 90er zu den Besten und Tim Burgess zu den Coolsten, word. Im vergangenen Jahr haben sie mit "Different Days" ihr letztes Album veröffentlicht, nun kündigen sie für den 8. Juni eine neue EP mit dem Namen "Totally Eclipsing" an und dankenswerterweise gibt es dazu auch gleich eine wunderschöne Single - voilá, hier kommt der Titelsong.
Montag, 14. Mai 2018
Arctic Monkeys: Neben der Spur
Arctic Monkeys
„Tranqulity Base Hotel And Casino“
(Domino Records)
Sie werden sich mit dem neuen Material, da braucht es keine allzu große Kristallkugel, schwertun. Bei den Anhängern und vor allem auf den Festivals, die sie für den Sommer reichlich bebucht haben. Grundsätzlich gebührt den Arctic Monkeys ja aller Respekt für den Mut, sich vom Rockismus verabschiedet zu haben. Noch auf ihrem letzten Album „AM“ haben sie ihm noch mit Hingabe gehuldigt, die Platte war voll von dem, was die Mannen um Alex Turner seit Gründung 2002 auszeichnete – Singles, satte Riffs, eingängige Akkorde, auf die vier aus Sheffield konnte man sich problemlos einigen. Und auch wenn nichts schlimmer und öder sein kann als eine Band, die sich in der ewigen Zeitschleife ihrer eigenen Vergangenheit wieder und wieder selbst kopiert – der Ausbruch will wohl überlegt sein. Und ist hier – naja, zumindest ein wenig verunglückt.
Denn trotz aller stilistischen Querverweise auf Verehrungswürdiges wie Bowie (es sind noch nie so viele Bowieplatten erschienen, seit der Thin White Duke verschwunden ist), Style Council, Cohen oder die Strokes und bei allem Respekt für die unterhaltsamen und anspruchsvollen Lyrics voller Filmzitate (Kubrick, Fassbinder, Scott), Medienkritik und Selbstbespiegelung – sie haben eines vergessen: Songs zu schreiben. Im Grunde haben sie den ehrenwerten Umschwung auf jazzigen Crooner-Pop mit nur einem Stück geschafft, nur spielen sie das über gut vierzig Minuten ganze elf Mal. Schon klar, daß das vielleicht eine etwas pointierte Vereinfachung ist, aber so richtig möchte keines der Lieder im Ohr hängen bleiben, es ist eben keines vom Stile „You’re the Best Thing“ oder „Shout To The Top“ dabei, von einer „Space Oddity“ ganz zu schweigen.
Sie geben sich schon Mühe, die Monkeys, keine Frage. Da wird das Mare Tranquillitatis schnell mal zum Hotel mit angrenzender Spielhölle umgedacht, es gibt entsprechend weirde Gedankenspielereien über „Science Fiction“ und „The Worlds First Ever Monster Truck Front Flip“. Das erste Riff verirrt sich allerdings verschämt nach sieben Minuten Spielzeit in die versponnene Szenerie, macht sich aber bei all den Pianoakkorden schnell wieder aus dem Staub und kehrt erst später noch mal als spotziges Minimonster („Golden Trunks“) kurz zurück. Sonst gibt es handwerklich ambitionierte, ziemlich dicht gepackte Kompositionen, die allerdings seltsam holprig daherkommen und kaum zünden können. „Take it easy for a little while (Take it easy for a little while), come and stay with us, it's such an easy flight, cute new places keep on popping up“ heißt es bei „Four Out Of Five“, es klingt fast ein wenig flehend, so als trauten sie ihrem Ausflug selbst nicht recht über den Weg. Schade eigentlich… http://www.arcticmonkeys.com/
22.05. Berlin, Columbiahalle
23.05. Berlin, Columbiahalle
26.06. Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
„Tranqulity Base Hotel And Casino“
(Domino Records)
Sie werden sich mit dem neuen Material, da braucht es keine allzu große Kristallkugel, schwertun. Bei den Anhängern und vor allem auf den Festivals, die sie für den Sommer reichlich bebucht haben. Grundsätzlich gebührt den Arctic Monkeys ja aller Respekt für den Mut, sich vom Rockismus verabschiedet zu haben. Noch auf ihrem letzten Album „AM“ haben sie ihm noch mit Hingabe gehuldigt, die Platte war voll von dem, was die Mannen um Alex Turner seit Gründung 2002 auszeichnete – Singles, satte Riffs, eingängige Akkorde, auf die vier aus Sheffield konnte man sich problemlos einigen. Und auch wenn nichts schlimmer und öder sein kann als eine Band, die sich in der ewigen Zeitschleife ihrer eigenen Vergangenheit wieder und wieder selbst kopiert – der Ausbruch will wohl überlegt sein. Und ist hier – naja, zumindest ein wenig verunglückt.
Denn trotz aller stilistischen Querverweise auf Verehrungswürdiges wie Bowie (es sind noch nie so viele Bowieplatten erschienen, seit der Thin White Duke verschwunden ist), Style Council, Cohen oder die Strokes und bei allem Respekt für die unterhaltsamen und anspruchsvollen Lyrics voller Filmzitate (Kubrick, Fassbinder, Scott), Medienkritik und Selbstbespiegelung – sie haben eines vergessen: Songs zu schreiben. Im Grunde haben sie den ehrenwerten Umschwung auf jazzigen Crooner-Pop mit nur einem Stück geschafft, nur spielen sie das über gut vierzig Minuten ganze elf Mal. Schon klar, daß das vielleicht eine etwas pointierte Vereinfachung ist, aber so richtig möchte keines der Lieder im Ohr hängen bleiben, es ist eben keines vom Stile „You’re the Best Thing“ oder „Shout To The Top“ dabei, von einer „Space Oddity“ ganz zu schweigen.
Sie geben sich schon Mühe, die Monkeys, keine Frage. Da wird das Mare Tranquillitatis schnell mal zum Hotel mit angrenzender Spielhölle umgedacht, es gibt entsprechend weirde Gedankenspielereien über „Science Fiction“ und „The Worlds First Ever Monster Truck Front Flip“. Das erste Riff verirrt sich allerdings verschämt nach sieben Minuten Spielzeit in die versponnene Szenerie, macht sich aber bei all den Pianoakkorden schnell wieder aus dem Staub und kehrt erst später noch mal als spotziges Minimonster („Golden Trunks“) kurz zurück. Sonst gibt es handwerklich ambitionierte, ziemlich dicht gepackte Kompositionen, die allerdings seltsam holprig daherkommen und kaum zünden können. „Take it easy for a little while (Take it easy for a little while), come and stay with us, it's such an easy flight, cute new places keep on popping up“ heißt es bei „Four Out Of Five“, es klingt fast ein wenig flehend, so als trauten sie ihrem Ausflug selbst nicht recht über den Weg. Schade eigentlich… http://www.arcticmonkeys.com/
22.05. Berlin, Columbiahalle
23.05. Berlin, Columbiahalle
26.06. Düsseldorf, Mitsubishi Electric Halle
Le Butcherettes: Weiter hoffen
Dass die heiß verehrten Le Butcherettes aus Mexiko kürzlich mit einer neuen Single überraschten, hat uns hier schon in Jubelarien und ekstatische Freude ausbrechen lassen. Natürlich auch, weil wir insgeheim auf eine neue Platte nach dem letzten Großwerk "A Raw Youth" hofften. Nun, soweit sind wir noch immer nicht, dann auch heute gibt es zwar einen neuen Song (und diesen auf der gleichnamigen EP gleich in drei verschiedenen Variationen), aber von einem richtigen Album ist da nur auf Umwegen die Rede. Denn von "struggle/STRUGGLE" gibt es wenigstens eine Album-Version, vielleicht ist das ja ein weiterer kleiner Hoffnungsschimmer?! Ach ja, produziert hat übrigens Jerry Harrison von den Talking Heads.
Sonntag, 13. Mai 2018
Ceiling Demons: Dringender denn je
Im vergangenen Jahr haben wir die Platte der drei Jungs aus Richmond zu Recht als Spiegelbild der erneut heraufziehenden, bleiernen Zeit im englischen Königreich gelobt - die Ceiling Demons und ihr Debüt "Nil" klangen so befremdlich, so schwer und doch inspiriert, bei aller Düsternis hatte die Platte dennoch Kraft und eine eigenartige, ansteckend Unruhe in sich, die einen kaum mehr losläßt. Jetzt kommt es zu einer Neuauflage des Werkes als Sonderausgabe und das, nebenbei, zu einem guten Zweck. Teile der Einnahmen vom Verkauf der Wiederauflage sollen an die Organisation MenTellHealth gehen, einem kleinen Portal, das sich der Aufklärung zum Thema psychischer Gesundheit speziell bei Männern verschrieben hat.
Wer jetzt reflexartig nach Geschlechtergleichheit ruft, der sollte sich kurz auf der Website der Vereinigung informieren, denn natürlich steht hier keinesfalls die Ausgrenzung zur Debatte, eher geht es um die Spezifizierung und Unterscheidung verschiedener Symptome, Probleme und Lösungsansätze. Warum die Demons hier aktiv sind? Dazu eine sehr persönliche Auskunft von Psy und Dan Demon, leider auch mit sehr aktuellem Bezug:
"The mental health connection is strong throughout "Nil" and it is something that we feel very passionate about. Given the sad news from Frightened Rabbit this weekend, it highlights evermore just how much of an issue depression and suicide is in our modern world. For us, we have been affected by this issue very personally, having lost five friends to suicide and battled with depression ourselves. The current statistics in the UK say that it is the biggest cause of death for men under fifty and our experiences can certainly confirm this", und weiter heißt es: "We have done work and fundraising for more established nationwide charities before such as Papyrus and CALM but for this release we have chosen to support MenTellHealth, which is more of a smaller but local organisation to us in hope that it will help benifit the community more directly around us."
Wer jetzt reflexartig nach Geschlechtergleichheit ruft, der sollte sich kurz auf der Website der Vereinigung informieren, denn natürlich steht hier keinesfalls die Ausgrenzung zur Debatte, eher geht es um die Spezifizierung und Unterscheidung verschiedener Symptome, Probleme und Lösungsansätze. Warum die Demons hier aktiv sind? Dazu eine sehr persönliche Auskunft von Psy und Dan Demon, leider auch mit sehr aktuellem Bezug:
"The mental health connection is strong throughout "Nil" and it is something that we feel very passionate about. Given the sad news from Frightened Rabbit this weekend, it highlights evermore just how much of an issue depression and suicide is in our modern world. For us, we have been affected by this issue very personally, having lost five friends to suicide and battled with depression ourselves. The current statistics in the UK say that it is the biggest cause of death for men under fifty and our experiences can certainly confirm this", und weiter heißt es: "We have done work and fundraising for more established nationwide charities before such as Papyrus and CALM but for this release we have chosen to support MenTellHealth, which is more of a smaller but local organisation to us in hope that it will help benifit the community more directly around us."
Freitag, 11. Mai 2018
Lankum: Mit besonderer Empfehlung
Zur Abwechslung mal nichts ganz so Topfrisches, wir wollten es dennoch mal erwähnt haben: Von den hochverehrten Sleaford Mods, die heute Abend in den Hamburger Docks ein weiteres Konzert ihrer aktuellen Deutschland-Tour spielen, gibt es mehr Ansagen, welche Musik sie so überhaupt nicht mögen (shitty Post-Punk-Stuff especially, Retro generally) als ein paar brauchbare Hinweise, wofür sich Jason Williamson und Andrew Fearn denn eigentlich begeistern können. Es ist, nicht so überraschend der amerikanische Hip Hop, natürlich kann man sich darüberhinaus bei den vielen Support-Acts umtun und findet dort neben lokalen Größen (für heute Abend eben die Noseholes oder Karies von Nerven-Bassist Julian Knoth) auch ein paar anregende Tipps. Gerade eben hat Williamson im Talk bei ByteFM aber nachdrücklich eine Band empfohlen, auf die man jetzt aus dem Stand nicht unbedingt gekommen wäre, welche die Mods aber schon öfter über ihre sozialen Kanäle (Ha: Tweet Tweet Tweet!) geteilt haben - und zwar die irische Drone-Folk-Kapelle Lankum. Früher hieß das Quartett aus Dublin auch mal Lynched, später haben sich die Gebrüder Ian und Daragh Lynch, Cormac MacDiarmada und Sängerin Radie Peat nach einem berüchtigten Kindermörder umbenannt und im letzten Jahr ihre letzte Platte "Between Earth And Sky" bei Rough Trade veröffentlicht. Gerade touren sie wieder, auch mit den Sleaford Mods, über die Insel - zum besseren Kennenlernen hier mit "The Granite Gaze" eine ihrer letzten Singles.
Justice: Aus alt mach live
Scheint so eine Art Steigerungsstufe zu sein: Die französischen DJs und Produzenten Gaspard Augé und Xavier de Rosnay aka. Justice hatten ja schon im November 2016 ihre Sympathien für's weibliche Geschlecht im Albumtitel "Woman" proklamiert, nun gehen sie noch einen Schritt weiter und benennen die nächste Platte "Woman World Wide". Die ist dann aber auf den zweiten Blick gar nicht so neu, sondern eigentlich nur eine Studio-Live-Aufnahme ebenjenes letzten Longplayers. Naja, muß man nur drauf kommen - hier schon mal der Clip zum überarbeiteten Track "Stop".
Mittwoch, 9. Mai 2018
Mayflower Madame: Auf Kurs
Auch der kühle Post-Punk der norwegischen Kapelle Mayflower Madame war hier schon Thema. Vor zwei Jahren hatten wir es vom Debütalbum "Observed In A Dream" der vier Herren aus Oslo, nun steht am 18. Mai via Night Cult Records die Veröffentlichung ihrer neuen EP "Premonition" an. Dunkel, schwer und auch noch mit Sirenenklängen eingeleitet - was wir vom Titelsong zu hören und zu sehen bekommen, ist sicher nichts für Freunde der leichten Muse. Gleiches gilt im Übrigen auch für den zweiten bislang bekannten Titel "Before I Fall", den man sich bei Bandcamp anhören kann. Für die zweite Hälfte des laufenden Jahres ist eine neue Platte angekündigt, die Segel sind also, um im Bild zu bleiben, gesetzt.
PARKER: Schon so weit
"The Life Illusion"
(Killing Moon Records)
Kleine Platte, großer Aufwand - schon klar. Aber auch große Wirkung. Denn auch wenn die mittlerweile in London beheimatete Künstlerin PARKER (ihren Werdegang haben wir in einem früheren Post ja schon kurz angerissen) nur sechs Stücke auf ihrer aktuell erschienenen EP "The Life Illusion" versammelt hat, so spricht nicht nur ihr Alter, sondern vor allem die Qualität der Tracks auf geradezu verblüffende Weise für sie. Denn was da an bedrohlich funkelnden Downbeats aus den Membranen pulsiert, ist so klug geschichtet und verschränkt, wie man es sonst nur von den Klassenbesten des Trip-Hop, also Massive Attack, Tricky oder auch Portishead, kennt. Zu hoch gegriffen? Erst mal reinhören. PARKER verwendet eine Unzahl von Loops und Samples, verschlauft Gitarrenakkorde, programmierte Drums und ihre eigene, weiche und unverfremdete Stimme zu kleinen Klangkunstwerken. Zusammen mit Produzent Rupert Lyddon, bekannt als Mitglied und Produzent der britischen Band Grand National, hat sie die besten Stücke aus zwei Jahren gesammelt (das älteste, "Tighs", eröffnet die EP, das neueste "High" schließt sie ab), neu arrangiert und so eine bemerkenswerte Visitenkarte hinterlassen, mit der sich nun hoffentlich ein paar Türen mehr öffnen lassen und vielleicht auch ein Partner für eine Tour zu finden ist - verdient hätte es das Mädchen allemal.
Dienstag, 8. Mai 2018
FRANKIIE: Verwirrende Geschichte
Das ist immer etwas eigenartig, wenn da ein Song kommt, der auf Anhieb zündet, und dann stellt man mit ein wenig Netzrecherche fest, dass er schon eine ziemlich lange Zeit auf dem Markt ist, aber offenbar nie so richtig offiziell und erfolgreich. Kürzlich passiert mit der kanadischen All-Girl-Band FRANKIIE. Zoe Fuhr, Samantha Lankester, Nashlyn Lloyd und Francesca Carbonneau stammen allesamt aus Vancouver und haben dort 2014 ihre ersten Aufnahmeversuche gestartet. Ein Jahr darauf erschien die EP "Girl Of Infinity" - dann: Sendepause. 2016 dann ein kurzer Livemitschnitt (gepostet von Samantha selbst, jedoch unter leicht verändertem Bandnamen) genau des Songs, der jetzt mit professionellem Mastering samt Video die Runde macht, "Dream Reader". Feiner Dreampop, ähnlich wie das etwas ältere Stück "Glory Me", mit dem sie vor einem Monat endlich wieder auf der Bildfläche erschienen sind. Bleibt zu hoffen, dass sie nun für längere Zeit am Drücker bleiben.
Kreisky: Natürlicher Lebensraum
Kreisky
Milla, München, 7. Mai 2018
Nee, ganz ehrlich, wie eine gemeine Rampensau schaut der Herr Wenzl nun wirklich nicht aus. Wie er da am lauen Maiabend, bewaffnet mit nicht mehr als einem zarten Lächeln und einer Umhängetasche, vom Spaziergang in die Münchner Milla einläuft. Und trotzdem stolziert da eine Stunde später der gleiche Kerl mit entschlossenem, siegessicherem Blick die „Showtreppe“ im Kellerclub herunter, um gleich danach zusammen mit den Herren Kollegen Martin Max Offenhuber (Gitarre), Helmuth Brossmann (Bass) und Klaus Mitter und ohne jede Zurückhaltung den Laden zu rocken. Und zwar laut. Denn auch das neue, bislang fünfte Album der Band "Blitz" ist so kantig, so böse und unbarmherzig geworden wie seine Vergänger, das verträgt keine Weichmacher, kein Rankuscheln, da braucht es Geschrei, bockige Riffs, schiefe Töne. Und Kreisky gehen sofort in die Vollen: Schon bei “Bauch, Bein, Po”, dem Eröffnungsstück der aktuellen Platte, ist die Beziehung in Trümmern, da wird gehauen und gebissen, da kriegt keiner was geschenkt. Weiter mit “Der Depp des 20. Jahrhunderts”, bitterer Abgesang auf unsere Li-La-Laune-Gesellschaft, wo die Dummheit regiert und ehemals Verläßliches nurmehr eine Erinnerung aus einer anderen Zeit ist.
Genug Zeit also für Selbstmitleid (“Veteranen der vertanen Chance”), für Scham und Anklage, die keiner so tiefschwarz malt wie Wenzl: “Ich danke dem Herrn Vater für vier Wochen ohne Fernsehen und für die lebenslängliche Landschaft. Ich danke dem Herrn Vater für die notwendige Erfahrung. Ich danke dem Herrn Vater für das Geld” (“Saalbach-Hinterglemm”). Und wenn er nicht gerade wie ein Schachtelteufel auf der Bühne schimpft, zuckt oder mit Hingabe ins Keyboard schwitzt, steht er gern auch mal im Publikum und bestaunt seine Mitstreiter, wie sie – ganz die Hardrocker – den Kampf mit ihren Instrumenten Kopf an Kopf ausfechten. Zwei Zugaben sollten für einen gelungenen Abend eigentlich reichen, so die Meinung der Band – es wurden dann doch einige mehr und damit auch eine ansehnliche Auswahl älterer Perlen, für die man die Wiener lieben muss: “Asthma”, “Dow Jones”, “Scheisse, Schauspieler”, “Vandalen”, fast zu schön, das alles. Und auch der Alpenblick durfte natürlich nicht fehlen, “Die Wildnis” also: “„Der Mensch gehört nicht in die Wildnis, das ist wider die Natur. Der Mensch gehört in eine Wohnung, auf eine Sofagarnitur“. Eine Einschränkung sei da trotz Tierschutz aber erlaubt – die Rampensau gehört auf die Bühne. Und wir davor.
Milla, München, 7. Mai 2018
Nee, ganz ehrlich, wie eine gemeine Rampensau schaut der Herr Wenzl nun wirklich nicht aus. Wie er da am lauen Maiabend, bewaffnet mit nicht mehr als einem zarten Lächeln und einer Umhängetasche, vom Spaziergang in die Münchner Milla einläuft. Und trotzdem stolziert da eine Stunde später der gleiche Kerl mit entschlossenem, siegessicherem Blick die „Showtreppe“ im Kellerclub herunter, um gleich danach zusammen mit den Herren Kollegen Martin Max Offenhuber (Gitarre), Helmuth Brossmann (Bass) und Klaus Mitter und ohne jede Zurückhaltung den Laden zu rocken. Und zwar laut. Denn auch das neue, bislang fünfte Album der Band "Blitz" ist so kantig, so böse und unbarmherzig geworden wie seine Vergänger, das verträgt keine Weichmacher, kein Rankuscheln, da braucht es Geschrei, bockige Riffs, schiefe Töne. Und Kreisky gehen sofort in die Vollen: Schon bei “Bauch, Bein, Po”, dem Eröffnungsstück der aktuellen Platte, ist die Beziehung in Trümmern, da wird gehauen und gebissen, da kriegt keiner was geschenkt. Weiter mit “Der Depp des 20. Jahrhunderts”, bitterer Abgesang auf unsere Li-La-Laune-Gesellschaft, wo die Dummheit regiert und ehemals Verläßliches nurmehr eine Erinnerung aus einer anderen Zeit ist.
Genug Zeit also für Selbstmitleid (“Veteranen der vertanen Chance”), für Scham und Anklage, die keiner so tiefschwarz malt wie Wenzl: “Ich danke dem Herrn Vater für vier Wochen ohne Fernsehen und für die lebenslängliche Landschaft. Ich danke dem Herrn Vater für die notwendige Erfahrung. Ich danke dem Herrn Vater für das Geld” (“Saalbach-Hinterglemm”). Und wenn er nicht gerade wie ein Schachtelteufel auf der Bühne schimpft, zuckt oder mit Hingabe ins Keyboard schwitzt, steht er gern auch mal im Publikum und bestaunt seine Mitstreiter, wie sie – ganz die Hardrocker – den Kampf mit ihren Instrumenten Kopf an Kopf ausfechten. Zwei Zugaben sollten für einen gelungenen Abend eigentlich reichen, so die Meinung der Band – es wurden dann doch einige mehr und damit auch eine ansehnliche Auswahl älterer Perlen, für die man die Wiener lieben muss: “Asthma”, “Dow Jones”, “Scheisse, Schauspieler”, “Vandalen”, fast zu schön, das alles. Und auch der Alpenblick durfte natürlich nicht fehlen, “Die Wildnis” also: “„Der Mensch gehört nicht in die Wildnis, das ist wider die Natur. Der Mensch gehört in eine Wohnung, auf eine Sofagarnitur“. Eine Einschränkung sei da trotz Tierschutz aber erlaubt – die Rampensau gehört auf die Bühne. Und wir davor.
BABYMETAL: Lauter Spaß
Wer da jetzt Humbug, Karneval oder Kindergeburtstag ruft, hat ganz sicher nicht unrecht. Aber hat man das nicht auch schon Rammstein seit Zeit ihrer Gründung als Monstranz vornweg getragen und es war herzlich egal, ihnen wie auch denen, die sie immer noch so mögen, wie sie sind? Natürlich sind BABYMETAL aus Japan zunächst einmal ein herrlich amüsantes Marketingprodukt, zusammengestöpselt aus allem, was momentan gut geht - Goth, Metal, Manga, Anime, J-Pop, you name it. Aber sie machen spätestens seit ihrem Album "METAL RESISTANCE" aus dem Jahr 2016 mächtig viel Spaß, desöfteren als Support alter weißer Männer wie Guns N'Roses oder Metallica. Gerade haben Sui-Metal, Yuimetal und Moametal (hihi, haha) ihre neue Single "Distortion" mitsamt eines Videos veröffentlicht, hauptsächlich um, wie sie selbst bekanntgeben, ihre dunkle Seite auszuleben, wahrscheinlich aber auch, um die anstehende Welttournee (Rock im Park/Rock am Ring) ordentlich zu pushen.
Lice: Stattdessen [Update]
Wenn sich auf der einen Seite nichts tut, muss man sich halt anderswo kümmern: Mit wachsender Unruhe fiebern wir hier ja schon dem neuen Album der Idles entgegen, doch die Jungs aus Bristol halten sich noch sehr bedeckt mit genaueren Auskünften. Was wir aber hören - Joe Talbot, Sänger der Punk-Kapelle, hat für sein Label Balley Records genau die Band verpflichtet (neudeutsch: gesigned), die auch mit ihnen auf Konzertreise gegangen ist bzw. geht. Lice kommen ebenfalls aus Bristol, spielen laut Selbstauskunft "sartyrical art rock" und zwar für ihre Landsleute, die seit dem kalten Winter 2016 mehrheitlich im Zustand der Misanthropie verharren (so ungefähr). Ihre aktuelle Single nennt sich "Stammering Bill" und stammt von der EP "It All Worked Out Great Vol.1", die wiederum für den 5. April terminiert ist. Und wer sie unbedingt sehen will, macht bei den Idles wie erwähnt absolut keinen Fehler.
Update: Livevideos scheinen ihre Domäne zu sein, wohl deshalb, weil man dort die Energie am besten ermessen kann, die in dieser Band steckt - voilá, "Little John Waynes". Der Track satmmt wie drei weitere wiederum von de EP "It All Worked Out Great Vol. 2".
Update: Livevideos scheinen ihre Domäne zu sein, wohl deshalb, weil man dort die Energie am besten ermessen kann, die in dieser Band steckt - voilá, "Little John Waynes". Der Track satmmt wie drei weitere wiederum von de EP "It All Worked Out Great Vol. 2".
Janelle Monáe: In der gleichen Liga
Janelle Monáe
„Dirty Computer“
(Atlantic)
„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ – meistgehörter Satz der letzten Monate. „Man wird sich ja wohl mal irren dürfen!“ – nicht ganz so oft gehörter Satz in den letzten Monaten, deshalb wollen wir hier mal mit gutem Beispiel vorangehen und einen dicken Irrtum eingestehen, der schon ganze acht Jahre her ist und im schnelldrehenden Musikbusiness eigentlich schon als verjährt gelten sollte. Gleichwohl ist der Missgriff noch immer nachzulesen, deshalb die fällige Entschuldigung: Als wir an gleicher Stelle das Debütalbum von Janelle Monáe namens „Archandroid“ als quietschbunte Wundertüte bezeichnet und in gleichem Atemzug mit dem Argument „viel gewollt – nichts richtig gekonnt“ verrissen haben, lagen wir, das sollte man ruhig zugeben, mal sauber daneben. Nicht nur aus heutiger Sicht ist diese Platte der gelungene Start der erstaunlichen Karriere einer erstaunlichen Musikerin, eine erste Probe ihres bemerkenswerten Talents. Der Fairness halber dürfen wir anmerken, daß Album Nummer zwei „The Electric Lady“ danach schon (natürlich mit Recht) überschwänglich gelobt wurde, weil auch hier die für’s Repertoire ausgewählten Genres wie Soul, Rap, R’n’B, Jazz, Dance etc. brillant und mit traumwandlerischer Sicherheit bespielt wurden.
Und nun also die Nummer drei. Und auch dieses ein Meisterwerk – again. Von Artificial Intelligenz und Maschinenherrschaft ist nicht mehr viel zu hören, dafür regiert nun an mancher Stelle der Pop. Und zwar einer, der an die Glanzzeiten von Madonna erinnert, Stücke wie „Screwed“ (mit Zöe Kravitz) oder „Take A Byte“ wippen so ungemein lässig und frisch, daß man gar nicht umhin kann, ihr dafür zu applaudieren. Selbiges tut der Prince-Fan natürlich auch bei „Make Me Feel“, das gar nichts anderes sein kann als eine Hommage an den größten aller kleinen Ausnahmekönner. Monáe schreibt ihm, wie man im Guardian lesen konnte, tatsächlich nicht nur für dieses Album, sondern für ihr ganzes Leben und das vieler anderer eine entscheidende Rolle zu: “I dedicate a lot of my music to Prince, for everything he’s done for music and black people and women and men, for those who have something to say and also at the same time will not allow society to take the dirt off of them. It’s about that dirt, and not getting rid of that dirt, the things that made us special.”
Womit wir dann auch bei einer anderen, ungleich wichtigeren Message der Platte wären. Und auch wenn es hier nicht um Konkurrenz oder Vergleiche gehen kann – Monáe spielt spätestens jetzt nicht nur musikalisch in einer Liga mit Beyoncé und Solange (für Rihanna bleibt leider nur die Halftime-Show übrig). Denn dort, wo sie früher eher als Kunstfigur agierte und es bei Andeutungen beließ, tritt sie heute selbstbewußt und unverstellt auf, wählt sie Rhymes und Rapskills, die wirklich zünden („Crazy, Classic, Life“, „Django Jane“), scharfe, punktgenaue Ansagen und politische Statements zur Geschlechterdebatte (“We gave you life, we gave you birth, we gave you God, we gave you earth…”) und Rassenproblematik, öfters gern auch beides zusammen. Die Zeiten, mögen sie für schwarze US-Amerikaner gerade auch noch so bitter und frustrierend sein, haben aus ihr nicht nur eine schillernde, sondern eben auch eine kluge, wagemutige, selbstbestimmte Künstlerin gemacht, die sich Gehör zu verschaffen weiß.
Dabei versucht sie offenkundig und demonstrativ, trotz aller Mißstände nicht den Spaß am Leben zu verlieren. Gerade jetzt, wo alles maximal konfrontativ und unversöhnlich erscheint, bleibt Monáe humorvoll, ironisch – eine Eigenschaft, deren Wert man nicht zu gering schätzen sollte. „We don’t need another ruler, all my friends are kings“, heißt es, und weiter: „I’m not the American Nightmare, I’m the American Dream“ – was, im Hinblick auf Malcolm X., durchaus als Provokation für beide Seiten verstanden werden kann. Ein verrücktes, normales Leben sollte es bitte schön sein, wo jede und jeder nach eigenen Wünschen und Fähigkeiten entscheiden könne. Singt sie und verbindet damit auf's Trefflichste den täglichen Kampf mit der „pursuit of happiness“. Wenn Missy nicht bald aus den Puschen kommt, ist der Platz für’s Album des Jahres mit diesem hier schon gefixt.
„Dirty Computer“
(Atlantic)
„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ – meistgehörter Satz der letzten Monate. „Man wird sich ja wohl mal irren dürfen!“ – nicht ganz so oft gehörter Satz in den letzten Monaten, deshalb wollen wir hier mal mit gutem Beispiel vorangehen und einen dicken Irrtum eingestehen, der schon ganze acht Jahre her ist und im schnelldrehenden Musikbusiness eigentlich schon als verjährt gelten sollte. Gleichwohl ist der Missgriff noch immer nachzulesen, deshalb die fällige Entschuldigung: Als wir an gleicher Stelle das Debütalbum von Janelle Monáe namens „Archandroid“ als quietschbunte Wundertüte bezeichnet und in gleichem Atemzug mit dem Argument „viel gewollt – nichts richtig gekonnt“ verrissen haben, lagen wir, das sollte man ruhig zugeben, mal sauber daneben. Nicht nur aus heutiger Sicht ist diese Platte der gelungene Start der erstaunlichen Karriere einer erstaunlichen Musikerin, eine erste Probe ihres bemerkenswerten Talents. Der Fairness halber dürfen wir anmerken, daß Album Nummer zwei „The Electric Lady“ danach schon (natürlich mit Recht) überschwänglich gelobt wurde, weil auch hier die für’s Repertoire ausgewählten Genres wie Soul, Rap, R’n’B, Jazz, Dance etc. brillant und mit traumwandlerischer Sicherheit bespielt wurden.
Und nun also die Nummer drei. Und auch dieses ein Meisterwerk – again. Von Artificial Intelligenz und Maschinenherrschaft ist nicht mehr viel zu hören, dafür regiert nun an mancher Stelle der Pop. Und zwar einer, der an die Glanzzeiten von Madonna erinnert, Stücke wie „Screwed“ (mit Zöe Kravitz) oder „Take A Byte“ wippen so ungemein lässig und frisch, daß man gar nicht umhin kann, ihr dafür zu applaudieren. Selbiges tut der Prince-Fan natürlich auch bei „Make Me Feel“, das gar nichts anderes sein kann als eine Hommage an den größten aller kleinen Ausnahmekönner. Monáe schreibt ihm, wie man im Guardian lesen konnte, tatsächlich nicht nur für dieses Album, sondern für ihr ganzes Leben und das vieler anderer eine entscheidende Rolle zu: “I dedicate a lot of my music to Prince, for everything he’s done for music and black people and women and men, for those who have something to say and also at the same time will not allow society to take the dirt off of them. It’s about that dirt, and not getting rid of that dirt, the things that made us special.”
Womit wir dann auch bei einer anderen, ungleich wichtigeren Message der Platte wären. Und auch wenn es hier nicht um Konkurrenz oder Vergleiche gehen kann – Monáe spielt spätestens jetzt nicht nur musikalisch in einer Liga mit Beyoncé und Solange (für Rihanna bleibt leider nur die Halftime-Show übrig). Denn dort, wo sie früher eher als Kunstfigur agierte und es bei Andeutungen beließ, tritt sie heute selbstbewußt und unverstellt auf, wählt sie Rhymes und Rapskills, die wirklich zünden („Crazy, Classic, Life“, „Django Jane“), scharfe, punktgenaue Ansagen und politische Statements zur Geschlechterdebatte (“We gave you life, we gave you birth, we gave you God, we gave you earth…”) und Rassenproblematik, öfters gern auch beides zusammen. Die Zeiten, mögen sie für schwarze US-Amerikaner gerade auch noch so bitter und frustrierend sein, haben aus ihr nicht nur eine schillernde, sondern eben auch eine kluge, wagemutige, selbstbestimmte Künstlerin gemacht, die sich Gehör zu verschaffen weiß.
Dabei versucht sie offenkundig und demonstrativ, trotz aller Mißstände nicht den Spaß am Leben zu verlieren. Gerade jetzt, wo alles maximal konfrontativ und unversöhnlich erscheint, bleibt Monáe humorvoll, ironisch – eine Eigenschaft, deren Wert man nicht zu gering schätzen sollte. „We don’t need another ruler, all my friends are kings“, heißt es, und weiter: „I’m not the American Nightmare, I’m the American Dream“ – was, im Hinblick auf Malcolm X., durchaus als Provokation für beide Seiten verstanden werden kann. Ein verrücktes, normales Leben sollte es bitte schön sein, wo jede und jeder nach eigenen Wünschen und Fähigkeiten entscheiden könne. Singt sie und verbindet damit auf's Trefflichste den täglichen Kampf mit der „pursuit of happiness“. Wenn Missy nicht bald aus den Puschen kommt, ist der Platz für’s Album des Jahres mit diesem hier schon gefixt.
Montag, 7. Mai 2018
Bodega: Brooklyn strikes back [Update]
Man hatte ja schon fast gemeint, ganz Kanada hätte dem New Yorker Stadtteil Brooklyn den Rang als Melting Pot in Sachen Flüstern und Schreien (also: Musik) abgelaufen - tagtäglich Neues aus Toronto, Melbourne, Vancouver, sogar Quebéc. Konnten die Metropolitans natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Hier zum Beipsiel: Bodega, hoffnungsvolles Punk-Quartett, hat gerade sein Debütalbum "Endless Scroll" für den 1. Juni angekündigt. Nachdem die erste Single "How Did This Happen?" im Februar erschienen ist, folgt nun mit "Can't Knock The Hustle" ein zünftiger Eistüten-Klamauk, knapp unter der magischen Zweiminutengrenze. Gut so!
29.05. Berlin, Acud macht neu
Update: Jack Dawson? Nie gehört? Haha. Kaum möglich. Sehen sicher auch Bodega so. Und singen deshalb gleich einen ganzen Song über Leonardo Di Caprio und seine Paraderolle von aus dem letzten Jahrtausend - hier kommt "Jack In Titanic".
29.05. Berlin, Acud macht neu
Update: Jack Dawson? Nie gehört? Haha. Kaum möglich. Sehen sicher auch Bodega so. Und singen deshalb gleich einen ganzen Song über Leonardo Di Caprio und seine Paraderolle von aus dem letzten Jahrtausend - hier kommt "Jack In Titanic".
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