Mittwoch, 8. Februar 2017

Sleater-Kinney: Geht nicht ohne

Sleater-Kinney
„Live In Paris“

(Sub Pop)

In nächster Zeit, so ist zu lesen, planen die Organisatorinnen des weltweiten Women‘s March eine Art eintägigen Generalstreik für Frauen – am #DayWithoutWomen soll wohl, so darf man den bisherigen Posts entnehmen, allen unverbesserlichen Sexisten, Machos und Paschas gezeigt werden, wie es sich denn anfühlt, so ein Leben ganz ohne Weiblichkeit. Und auch wenn es für eine derartige Protestaktion kaum noch rationaler und emotionaler Argumente bedarf, so lange mit Donald Trump der aggressivste Wortführer der Gegenseite einen Chaostag an den anderen reiht, es fallen einem (neben vielen anderen) beim Anhören der vorliegenden Platte gleich noch drei Frauen mehr ein, ohne die es zukünftig ebenfalls ziemlich trübe aussehen würde. Die Entscheidung, nach der zwischenzeitlichen Auflösung und dem überaus wuchtigen Abschiedgruß „The Woods“ zehn Jahre später noch einmal ins Studio und auf die Bühne zu gehen, haben Carrie Brownstein, Corin Tucker und Janet Weiss mutmaßlich bis heute nicht bereut, die Zuneigung, ja Verehrung, die ihnen auf Konzerten entgegenschlug und -schlägt, entschädigt sicher für manche Entbehrung und Mühe. Daß sich die drei in ihrer acht Alben umfassenden Bandgeschichte bislang noch nicht zu einer Liveplatte hatten durchringen können, darf angesichts des nun geglückten Mitschnitts aus dem Pariser La Cigale im März 2015 weiter als Rätsel gelten.

Als ausgesprochene Liveband misstrauten sie möglicherweise den Mitteln, den Zauber der Interaktion zwischen Musikern und Publikum, diese spezielle, im besten Falle spannungsgeladene Atmosphäre in die Rillen pressen zu können. Nun, diese Befürchtungen können mit „Live In Paris“ zerstreut werden, das Set gelingt den Damen mehr als respektabel. Und selbst die älteren Sachen, auf die man bei einer Band, die schon mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, besonders genau hört, haben kaum etwas an Energie und Wut verloren. Glücklicherweise beschränken sich Sleater-Kinney für den Vortrag ja nicht nur auf die beiden letzten Werke, sondern streuen ebenso Stücke der älteren ein – „Dig Me Out“, „Start Together“ oder „Turn It On“ sind ja noch Kinder der 90er und als solche fast schon aus einer anderen Zeit, hier fügen sie sich umstandslos ins Bild. Es ist so erstaunlich wie erschreckend, wie gut die Songs noch in die Zeit passen, auch wenn sie aus einer anderen passen: „Reality is the new fiction they say, truth is truer these days, truth is man-made. If you're here cause you want to be entertained, go away, please go away”, heißt es etwa im wunderbar bissigen “Entertain”, geschrieben in der Zeit der Bush-Ära, auf Obama hatte da kaum einer zu hoffen gewagt und ebenso stand ein Präsident Trump außerhalb jeder Vorstellungskraft. Man sieht – die Zeiten ändern sich, die Probleme bleiben. Und Sleater-Kinney? Brauchen wir mehr denn je. http://www.sleater-kinney.com/

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