Support: Muso
Muffathalle, München, 3. November 2016
Wahrscheinlich ist es klug, sich bei einem Ereignis wie diesem von den gewohnten Erwartungen und Verhaltensmustern zu lösen. Die Lyrikerin, Autorin und Musikerin Kate Tempest hat ja vor kurzem ihr so wortgewaltiges und atemberaubendes Konzeptalbum „Let Them Eat Chaos“ veröffentlicht und recht schnell wird dem Besucher klar, daß diesem nun auch das entsprechende Konzept-Konzert folgen wird. Angefangen beim Publikum, in welchem sich eine ungewöhnlich hohe Zahl von Verlags- und Büchermenschen tummeln (Tempest stammt ja bekanntlich aus der Londoner Poetry-Slam-Szene), auch die Eröffnung des Auftritts gerät ungewöhnlich: Wo sich üblicherweise mit lockerer Begrüßung eine Zwiesprache zwischen Bühne und Parkett zu entwickeln verspricht, wählt die Künstlerin für den Start des Abends die Ansprache, neben leidenschaftlichen Dankesworten gibt Tempest den Gästen vorab noch ein paar (durchaus berechtigte) Benimmregeln mit auf den Weg – danach: Vorhang hoch, die Vorstellung kann beginnen.
Die Wirkung eines Popkonzerts beruht ja bekanntlich nicht nur auf der bloßen Darbietung, sondern nicht unwesentlich auf der Interaktion mit dem Zuhörer, in diesem Punkt tut sich Kate Tempest mit dem eigenwilligen Arrangement ihrer Platte verständlicherweise etwas schwer. Die Platte begleitet ja zur immergleichen Zeit zwischen trostloser Nacht und erwachender Dämmerung sieben Bewohner eines Mietshauses, die den unterschiedlichsten Problemen und Gedanken nachhängen und so keinen Schlaf zu finden vermögen. Unterbrochen werden die kraftvollen, elektrisierenden Stücke (hier gespielt von drei Livemusikern im Hintergrund) durch Monologe der Sängerin, die mal leise und zärtlich, mal mit bitterbösem, gehetztem Rap-Stakkato zum Vortrag kommen. Die Begeisterung ergibt sich also eher aus der Dramaturgie der kunstvoll aufgebauten Geschichte, nicht aus der Wechselwirkung mit dem Rezepienten und bleibt deshalb eher verhalten.
Beeindruckend dennoch, wie sich die kleine, eher unscheinbare Frau, begleitet von mächtig wummernden Beats, in Rage reimt und so Stück um Stück an Größe gewinnt. Fünfzig Minuten dauert der die Platte, nicht viel länger der Auftritt. Da Zugaben kaum passen würden und demzufolge auch nicht vorgesehen sind, bleibt Tempest gleich auf der Bühne und gibt nach abermaligem, herzlichem Dank noch, ganz ohne Begleitung, einen Ausschnitt ihres Gedichts „Brand New Ancients“ zum Besten. Danach ist sie vorbei, die dunkle Stunde und so ermattet, wie sie auf der Bühne ihre Mitmusiker in die Arme schließt, darf man annehmen, daß der Blick, den sie dem Zuhörer in ihr Herz gewährt hat, ein zutiefst ehrlicher ist. Kein gewöhnliches Erlebnis, sie hatte es zu Beginn versprochen, als es darum ging, die allgegenwärtigen Smartphones doch bitte in der Tasche zu lassen und den Abend lieber unmittelbar zu erleben – sie hat Recht behalten.
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