Donnerstag, 24. November 2016

Friedrich Liechtenstein: Groovy

Friedrich Liechtenstein
Milla, München, 23. November 2016

So, und jetzt versuchen wir mal, uns den gestrigen Abend mit einem Dreiundzwanzigjährigen vorzustellen. Klappt nicht? Eben. Es gibt Dinge – und das ist ein gewisser Trost in Zeiten vielfach bejammerten Jugendwahns – die funktionieren erst ab einem gewissen Alter, mit Patina, Angstfreiheit und lebenserfahrener Coolness. Das meint nicht den albernen Milka-Opa-Klamauk aus den 90ern und bedeutet auch nicht, daß jede und jeder Frührentner per se ein humoriger Alleinunterhalter ist. Eine Vita wie die von Friedrich Liechtenstein und der Wohnort Berlin können dabei natürlich sehr hilfreich sein und plötzlich ist dann die vollmundige Ankündigung des großen Performers und Künstlers durch  J.J. Jones, wie man sie sonst nur bei Stars James Brown oder Aretha Franklin zu hören bekommt, gar nicht mehr so vermessen. Unbekannt ist der charmanteste deutsche Soulman ja beileibe nicht mehr, selbst Menschen, die private TV-Kanäle wie Pro Sieben und Tele 5 bevorzugen, kamen in den vergangenen Jahren nur schwer an ihm vorbei.



Mit Goldbrille, glitzerndem Nagellack und Einstecktuch präsentierte sich also der mondäne Hipster-Liebling samt Mitmusikern Arnold Kasar und Sebastian Borkowski in der ausverkauften Münchner Milla dem staunenden Landbewohner. Warum sich der Veranstalter für eine Bestuhlung des Gewölbes entschied, will einem nicht so recht eingehen, denn so gebrechlich sah der Anhang des Entertainers gar nicht aus, zudem war der Hauptteil seines Programms auf Bewegung, sprich Tanz ausgelegt – da sind Sitzmöbel bekanntermaßen so unnütz wie hinderlich. Der Stimmung auf und vor der Bühne tat das dennoch keinen Abbruch, Liechtenstein erwies sich einmal mehr als launiger Großmeister schwofigen Wohlgefühls, er plauderte sich maximal entspannt durch die Songs seiner letzten beiden Werke „Bad Gastein“ und „Schönes Boot aus Klang“, gab dem „Delphinmann“ seine rauchige Stimme, nahm die Zuhörer an die Hand zum FKK-Camping, „Pan-Am“-Boarding und nach Boizenburg an der Elbe.

Was sich als Buchstabenkette ziemlich unspektakulär ausnimmt, gewinnt mit Liechtensteins Performance vor Ort mühelos alle Sympathien. Der Groove ist sein Freund, soviel ist klar. Sparsame Bewegungen, Gefühl für das richtige Timing, ein wenig Vogelgezwitscher hier und vielsagendes Raunen da – mehr braucht es nicht, um den Abend mitsamt Publikum in die Tasche zu stecken. Nur ein Beispiel: Aus einem Kaiserschnitt eine Pointe ohne zotigen Unterton zu basteln, gelingt tatsächlich nur ganz wenigen, Liechtenstein behauptet forsch, er sei nicht zur Welt, sondern diese zu ihm gekommen und fortan habe er sich entschlossen, Probleme mit deutlich mehr Gelassenheit zu begegnen – oh yeah, come on, relax and dance to the beat! Haben dann auch alle gemacht und wer partu sitzen musste, hat wenigstens mitgewippt. Wenn irgendeine Partei auf die verrückte Idee käme, diesen Mann im besten Alter zum Bundespräsidenten aufzustellen, würde Liechtenstein vermutlich rundweg ablehnen – nicht cool genug. Für Land und Leuten allerdings wäre es ein Segen.


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