Montag, 22. Februar 2016

Massive Attack: Die Mühen der zweiten Dimension

Massive Attack
Support: Young Fathers
München, Tonhalle, 21. Februar 2016

Daheim auf der Couch wäre das mit Sicherheit weit weniger anstrengend geworden. Da hätte man sich mit einem Gläschen Rotwein oder einem honiggesüßten Tee entweder allein unter die Kopfhörer zurückgezogen oder zu zweit um eine Kerze versammelt und so ungestört dem Soundtrack der eigenen Jugend lauschen können. Massive Attack wissen natürlich um den Gemütlichkeitsfaktor ihrer Musik und so haben sie ihrer aktuellen Tour neben aller ohnehin zu erwartenden musikalischen Finesse auch noch eine betont ungemütliche Komponente hinzufügt. Schon die ganz und gar großartigen Young Fathers im Vorprogramm hielten, wenn auch nur in ein knappes Statement verpackt, mit ihrer Meinung zur Flüchtiglingsthematik und Migration nicht hinterm Berg, Robert Del Naja und Grant Marshall hatten sich diesbezüglich noch etwas mehr vorgenommen und so sah sich das Publikum in der ausverkauften Halle vom Start weg einem visuellen Sperrfeuer ausgesetzt, das es unmöglich machte, die politische Dimension des Programms zu übersehen.

Auf einer großformatigen Leinwand hinter der Bühne blitzte fast zu jedem der Stücke eine Art hyperventilierender Schlagwort-Newsticker auf, gefüllt mit tagesaktuellen Nachrichtenmeldungen, Statistiken zu Krisenherden und Fluchtbewegungen und dem neuesten Klatsch und Tratsch der Yellowpress. Schwierig, sich diesem LED-Gewitter aus Texten, Farben, Logos und Zahlenketten zu entziehen, der Dauerreiz in der passenden, deutschen Übersetzung erinnerte etwas an das überdimensionale, brennende Hakenkreuz, mit dem U2 in den 90ern das Olympiastadion mit den Worten „Laßt es nie wieder geschehen!“ zum Zähneklappern brachten. Massive Attack, das muß man allerdings einräumen, ersparten sich den Wink mit dem ganzen Zaun und gingen die Sache deutlich sachlicher und zugleich kunstvoller an.

Sehr erfreulich und gelungen zudem die Zusammenstellung der Setlist – hier kam dem Publikum zugute, dass die Band an Neuem eigentlich nur das Kurzformat „Ritual Sprit“ im Gepäck hatte, der Rest der Zeit blieb also für eine ausführliche Präsentation des Gesamtwerkes und hier zeigte sich das Ensemble aus hervorragenden Gast- und Livemusikern sehr spendabel: Die Alben „Heligoland“ und „Mezzanine“ wurden in Begleitung der fabelhaften Martina Topley Bird zu gleichen Teilen beliehen und selbst Horace Andy und Deborah Miller waren mit von der Partie und krönten den Abend mit erhofften All-Time-Classics wie „Angel“, „Safe From Harm“ und „Unfinished Sympathy“. Dass gegen Ende auch die Young Fathers, deren Sound zuvor ja im Vergleich um einiges roher und reduzierter klang, noch mal im großem Orchester mittun durften, war nicht nur eine nette Geste, es schloss sich so auch der Kreis zwischen perfekt inszenierter Show und wuchtiger Performance. Für all jene, die auch mit der politischen Botschaft etwas anzufangen wussten, sollte es also ein unvergesslicher Abend geworden sein.


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