Noel Gallagher's High Flying Birds
„Chasing Yesterday”
(Sour Mash)
Okay, auch wenn der Gaul schon ziemlich abgeritten ist, kommt man um diese Feststellung mal wieder nicht herum: Was wäre passiert, wenn sich die beiden Gallagher-Brüder 2009 nicht derart in die Haare bekommen hätten, dass eine Auflösung der so großartigen wie größenwahnsinnigen Band Oasis als einziger Ausweg erschien? Aller Wahrscheinlichkeit nach müssten wir uns gerade mühsam etwas Resteuphorie zusammenkratzen, um ein mal wieder vollmundig angekündigtes, jedoch über die Maßen langweiliges Spätwerk durchzuwinken, ein Gähnen wäre dabei nur schwerlich zu unterdrücken. Und es hätte sie nicht gegeben, diese vier überaus gelungenen „Solo“-Alben (zu denen man das vorliegende zweifellos zählen muss), die Liam und Noel, scheinbar befreit vom lähmenden Erwartungsdruck, mit neuem Gefolge vorgelegt haben. Und auch wenn Beady Eye schon wieder Geschichte sind, so haben sowohl sie als auch die High Flying Birds die beiden offenbar dazu angetrieben, ihre jeweiligen Qualitäten zur Geltung zu bringen – an entsprechendem Selbstbewußtsein hat es ihnen ja ohnehin nie gemangelt.
Und so folgt dem souligen Britrockabkömmling „BE“ nun im friedlichen Wettstreit die weniger breitbeinige, eher melodieverliebte Erwiderung „Chasing Yesterday“, ein erstaunlich perfekt (weil selbst-)produziertes Songwriteralbum mit jeder Menge eingängiger Arrangements, einem gut aufgelegten, zunehmend milde gestimmten Bandleader und dem in der Gastrolle bestechend aufspielenden Johnny Marr. Über die Lyrics braucht man nicht allzuviele Worte zu verlieren, neben wehmütiger Rückschau („The Song Remains The Same“) und einer sparsamen Prise Selbstmitleid („The Dying Of The Light“) gibt’s wie üblich viel von dem, was Gallagher für das Wichtigste, weil Wahrhaftigste hält – „Girl-Boy, Girl-Girl, Boy-Boy, Man-Dog, Cat-Dog…“ (SPEX), hier gönnt er sich eine recht melancholische, ja fast romantische Sicht der Dinge und klingt dabei gar nicht mal peinlich.
In „The Girl With The X-Ray-Eyes“, eine von diesen herrlich verschwurbelten Gitarrennummern, bringt Gallagher eine Art augenzwinkernde SciFi-Ballade unter (“I try to hang on to myself, don't believe in no one else and I'm shaking like a leaf, as I fall into the street, but the girl with x-ray eyes she's gonna see through my disguise”), das feine “The Right Stuff” überrascht dagegen mit jazzigen Ausschmückungen und Psychrockanleihen. Und wem all diese unerwarteten Ausflüge immer noch nicht reichen, der darf sich bei “The Mexican” noch Gallaghers Interpretation von „Funky Cold Medina“ abholen (ohne Rap natürlich, denn von dem hält er ja, wie wir kürzlich lesen durften, herzlich wenig). Von ein, zwei Durchhängern abgesehen, ist dem smarten Egomanen, der ja nun auch schon stramm auf die fünfzig zugeht, ein mehr als ordentliches, an mancher Stelle sogar großartiges Album gelungen. Bleibt die Hoffnung, dass er angesichts der Unsummen, die wohl jederzeit für eine Reunion von Oasis aufgerufen werden könnten, nicht doch noch seine Prinzipien über Bord wirft – Grund dazu gibt es, zumindest aus musikalischer Sicht, für keinen der beiden Brüder. http://www.noelgallagher.com/
16.03. Berlin, Max-Schmeling-Halle
19.03. Düsseldorf, Mitsubishi Electric Hall
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