Phillip Boa And The Voodoo Club
„Bleach House“
(Cargo Records)
Kürzlich im deutschen Kino zu sehen: Eine halbwegs amüsante WG-Komödie, in welcher ein paar Studenten meinten, neu hinzugezogenen Altachtundsechzigern das (Über)Leben in der Neuzeit erklären zu müssen, letztlich aber am Selbstverständnis der patenten Seniorengang scheiterten – Titel „Wir sind die Neuen“. Als Aufhänger für diese Review ist das natürlich nur bedingt zu gebrauchen. Phillip Boa, so etwas wie der knurrige Ur-Onkel des deutschen Indierock, ist zwar in den Sechzigern geboren, hat aber trotz seiner liebevoll gepflegten Aussteigerattitüde (Stichwort: Malta) mit den historischen Wirren damaliger Zeiten herzlich wenig am Hut. Der Umstand, dass der gebürtige Dortmunder mit gut fünfzig noch laut und störrisch ist und dies in immer neue Platten fasst, zeugt eher davon, dass er den Jungen nicht zeigen möchte, wie sondern dass er es noch kann. In diesem Sinne ist auch der Nachfolger des respektablen „Loyalty“ aus dem Jahr 2012 nicht mehr und nicht weniger als ein gelungenes Statement, frei nach dem Motto „Wir sind die Alten – und wir rocken noch“.
Und auch wenn seine ohnehin wenig wandlungsfähige Stimme im Laufe der Zeit noch brüchiger und dünner geworden scheint, so macht er dieses Manko durch eine musikalische Vielschichtigkeit wett, die auch den Freunden der alten Voodooclub-Platten mindestens Respekt abnötigen muss. Von der fett hämmernden Krachpunkmaschine, die er gleich zu Beginn mit „Kill The Future“ anwirft und für Stücke wie „Down With The Protocols“ und „Icons Of Anarchy“ am Laufen hält, über die Ausflüge in den Metal der Voodoocult-Zeiten bei „Snake Plissken“ oder der Zugabe „Capping“ bis hin zum warmwattigen Schunkler „Are You The One From Heaven“ – Boas größtes Verdienst ist es wohl, für diese Variationen den spröden Eigensinn der vergangenen Jahre mit der stets wachen Neugier zu verbinden, er wirkt, um im Bilde zu bleiben, nicht so eitel und selbstgefällig wie die Leinwandrentner aus Hollywood, denen das Testosteron die Hirnmasse vernebelt hat. Davon abgesehen war der Mann für Albernheiten ohnehin nie zu haben.
Dabei gelingt bei weitem nicht jedes der Stücke – „Baby Please Go Home“ und „Beatsy Youth“ sind zwar hart, wirken aber etwas zerrissen und inspirationsarm, auch das kantige „Ueberblendung“ hinterlässt einen seltsamen Eindruck. Richtig gut dagegen ist Boa dann, wenn er dem gebremsten Riffrock ein paar anschmiegsame Melodien draufschafft – ob das nun synthetische (wie im feinen „Standing Blinded On The Roofstops“) oder locker swingende zusammen mit seinem neuen Female Sidekick Pris („The Fear That Falls“) sind, er kramt ein paar Ideen aus und hat sofort eine Handvoll Hits parat. Seinen ‚signature moove‘ und also Erinnerung an Glanztaten wie „Container Love“ und „Fine Art And Silver“ hebt er sich für „Chronicles Of The Heartbroken“ auf – verführerische Klänge, Oboentupfer, solange ihm solches noch gelingt, muss einem um den alten Mann nicht bange sein. Ein Herbstalbum, nicht perfekt, aber milde schimmernd und wenn’s drauf ankommt, noch mit dem nötigen Biss. http://www.phillipboa.de/
05.11. Marburg, Kulturladen KFZ
06.11. Mainz, KUZ
07.11. Magdeburg, Factory
08.11. Dresden, Alter Schlachthof
13.11. Nürnberg, Hirsch
14.11. Karlsruhe, Substage
15.11. Köln, Essigfabrik
28.11. Bremen, Kulturzentrum Lagerhaus
29.11. Hamburg, Markthalle
04.12. Göttingen, Musa-Saal
05.12. Erfurt, HsD Gewerkschaftshaus
06.12. Berlin, Huxleys Neue Welt
07.03. München, Strom
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