Goldfrapp
„Tales Of Us“
(Mute Records)
Irgendetwas muss passiert sein. Was klingt wie eine der plattesten, meistbemühtesten Krimi-Eröffnungen – hier hat der Satz seine Berechtigung: Noch vor drei Jahren feierten Goldfrapp die Rückkehr zum Electrodance der 80er mit dem sehr modernen, aber leider auch ziemlich inspirationsarmen “Head First”, knackige Housebeats, Synthieloops und dergleichen Schnickschnack im Megapack, es wurde einem ganz schwummrig. Und nun? Über zwanzig Minuten wartet man, bis sich ein paar Drums aus der Kulisse wagen, das wird doch wohl nicht doch elektrisch… – wird es nicht. Denn “Thea” markiert die einzige Ausnahme, die sich Goldfrapp für ihre sechste Platte leisten wollten, eine Platte, die mit dem von Rosendorfer geborgten Etikett “Die große Umwendung” nicht passender beschrieben werden könnte.
Im Jahr 2000 hatte das britische Duo mit “Felt Mountain” ein umwerfendes Debüt präsentiert – sechs Jahre nach Portisheads “Dummy” wieder eine Platte mit dieser hintergründigen Dramatik und Schwermut, James-Bond-Faktor und Morricone-Zitaten, diesmal minimalistisch instrumentiert und trotzdem unglaublich spannungsgeladen. Dort nun knüpfen die beiden mit “Tales Of Us” wieder an, auch das aktuelle Album ist auf das Nötigste reduziert, die Titel einsilbig, der Sound ein zartes Versprechen – akustische Gitarren, ein paar Streicher, ein verlorenes Piano, mehr braucht es nicht als Begleitung zu Alison Goldfrapps gehauchtem Gesang. Stücke, die sie also vor nicht allzu langer Zeit gnadenlos vertanzt hätten, beziehen nun ihren verstörenden Reiz aus der Abwesenheit jedweder Opulenz. Was bleibt, sind einzig die zauberhaften Melodien.
Überall spürt man zudem wieder eine starke sexuelle Komponente, die gern im Ungefähren, Vagen bleiben will (A. Goldfrapp im Magazin OUT: “Our sexuality’s so complex that to define it in black and white just seems ludicrous,...“), und die Irritation mittels Wort und Bild sucht. Denn “Tales Of Us” ist jetzt im Gegensatz zu “Felt Mountain” (schöne neue Welt) als multimediales Gebilde konzipiert, das meint vor allem Lisa Gunnings zahlreiche Kurzfilme wie auch die (Achtung!) GoldfrApp. Gutgemeinte Ergänzungen zu einer Platte, die den alten Lehrsatz vom “weniger gleich mehr” auf die Spitze treibt, die sich selbst genügt. Und wenn dann bei “Drew” nach all der weichgezeichneten Schwelgerei im Fadeout ein paar Pauken verklingen, als würde man gerade aus einer Sinfonie verabschiedet – da macht sich in manchem Gesicht vielleicht ein verschmitztes Grinsen breit. Mutige Sache, das. http://goldfrapp.com/
23.09. Berlin, Heimathafen Neukölln
26.09. Zürich, Kaufleuten
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