Das neue Album klingt bei aller Leichtigkeit nach viel Arbeit und Mühe – wieviel Zeit habt Ihr tatsächlich da reingesteckt?
Die Vorgabe zur Platte war eigentlich, keine Vorgabe zu haben, wir haben uns die Zeit genommen, die es gebraucht hat – hätte es noch drei weitere Jahre gebraucht, dann wäre das auch okay gewesen. Der Vorteil daran ist, dass so von allen immer mehr Facetten hinzukommen.
Diese Einflüsse, die jeder mit einbringt – tickt ihr da alle ähnlich oder ist das sehr verschieden, was da zusammengetragen wird?
Das ist mittlerweile schon sehr unterschiedlich, was jeder einzelne von uns favorisiert und mitbringt, wir haben da keinen eigentlich gar keinen Grundkonsens, auf den wir uns alle einigen können. Aber das ist eben auch gut so, es kommen so Ansätze und Richtungen zum tragen, die man erst einmal bei uns gar nicht vermuten würde.
„Alienation“ wirkt im Vergleich zum Vorgänger deutlich reduzierter und weniger konventionell als zum Beispiel „StillNo1“, auch nachdenklicher – wie ordnet ihr die Platte ein, orientiert man sich überhaupt an den letzten Songs oder macht man einfach geradezu und schaut, wo die Sache hinläuft?
Wir versuchen generell, den Ansatz komplett anders zu wählen als beim jeweiligen Vorgängeralbum, einfach auch um in Bewegung zu bleiben. Diesmal war unser Ziel zu prüfen, ob ein Song schon mit Stimme und Schlagzeug funktioniert und dann zu schauen, ob’s danach überhaupt noch etwas braucht. Das war bei anderen Platten anders, aber diese sollte eben auch tanzbar werden, ob das gelungen ist, müssen dann die Hörer entscheiden.
Bei „Idiot Dancers“ spricht ja schon der Name dafür, aber besonders „Broke My Backbone“ erinnert sehr an den Electrosound von Thom Yorkes Atoms For Peace, nutzt sogar vereinzelte Drum&Bass-Elemente.
Gerade solche Sachen hätten wir eigentlich schon viel eher machen können, „Broke My Backbone“ zum Beispiel fußt auf einem Playback, das der Rainer [Schaller] schon länger auf seinem Laptop hatte, nur haben solche Sachen eben bisher nie den Weg bis in die Produktion gefunden und diesmal war es dann soweit, das auch mal zuzulassen. Für die Zukunft kann es schon sein, dass so etwas öfter passiert.
An der Fertigstellung des Albums waren eine Reihe Eurer früheren Produzenten beteiligt, in Hamburg, Berlin, München, Weilheim, Stuttgart, wie kann man sich die Arbeit mit so einer Vielzahl von Leuten und an verschiedenen Orten vorstellen?
Wir haben das Ganze zeitlich aufgeteilt, haben also nicht eine fünf-, sechswöchige Tour durch alle Städte unternommen, sondern verlängerte Wochenenden oder auch mal eine Woche da oder dort verbracht, das war dann schon ein kleinerer Logistik-Irrsinn.
René Arbeithuber, Slut |
Ein bisschen ruhiger, das liegt in der Natur der Dinge, wird man natürlich schon, was sich auch musikalisch äußert. Wir werden oft gefragt, wann wir denn endlich wieder rocken, wann also das nächste „Easy To Love“ kommt, aber ob’s das je wieder geben wird, weiß ich nicht, wir versuchen da unsere Musik auch ein Stück weit erwachsener zu gestalten. Aber sonst ist es heute noch genauso aufregend wie bei der ersten Platte, beim ersten Song, den du im Radio hörst.
Für eine Neuinterpretation der Dreigroschenoper gab es 2006 eine Reihe deutschsprachiger Songs von Euch – wie waren Eure Erfahrungen damit, habt ihr Euch darin wiedergefunden – in der Theaterrolle, in der Sprache?
Für uns war ja von Anfang an deutscher Text nie ein Thema, aber bei diesen Stücken klingt es komischerweise trotzdem gut, vielleicht einfach deshalb, weil die Worte nicht von uns selbst stammen. Wir haben einfach versucht, diese Texte und diese Musik zur unseren zu machen und ich glaube, das ist uns auch ganz gut gelungen. Chris [Christian Neuburger] könnte ganz sicher auch sehr gute deutsche Texte schreiben, aber das sollte trotzdem eine Ausnahme bleiben.
Auch die Schallnovelle „Corpus Delicti“ von und nach Juli Zeh war ja Neuland, ganz offensichtlich habt ihr wenig Berührungsängste und viel Neugier, um solche Reizpunkte für Eure Arbeit zu setzen?
Wir haben gemerkt, dass das für unsere Arbeit extrem wichtig ist, sich da auszuprobieren, hätten wir den ganz normalen Platte-Tour-Platte-Tour-Turnus weitergemacht, wer weiß, vielleicht gäb’s uns heute schon gar nicht mehr. Wir suchen uns solche Dinge aber nicht gezielt selbst, das wird meistens an uns herangetragen – doch wenn so etwas kommt und wir finden es gut, dann lassen wir es auch zu.
Ihr habt auch schon öfter an Soundtracks mitgearbeitet, ist das noch eine weitere Option?
Wir haben ja bisher eher Songs für Soundtracks geschrieben [„Crazy“, „Katze im Sack“, „Die fetten Jahre sind vorbei“] – aber ein Filmscore, also wenn jemand mit so einer Sache um die Ecke käme, dann würden wir auf keinen Fall nein sagen.
Auch ein Auftritt beim ersten Bundesvision Song Contest steht ja, mit leidlicher Platzierung [2005, Platz 14] zu Buche, gerade wenn man jetzt LaBrassBanda beim Vorausscheid zum ESC sieht – was geht einem da durch den Kopf?
Wir haben selbst drei Monate diskutiert, ob wir’s machen sollen oder nicht, und selbst als wir dort in der Stefan-Raab-Maschine steckten, waren wir uns immer noch sehr unsicher. Heute würden wir es auch nicht noch einmal machen, weil dieser ganze Zirkus nicht ernsthaft genug, weil es mittlerweile zu durchschaubar geworden ist. Trotzdem war es eine Erfahrung, die wir nicht missen möchten – auch die Aftershowparty war damals sehr lustig. Unser Schlagzeuger hatte damals die ganze Zeit einen Strohhut auf, irgendwann kam er dann mit der Maske von Sido im Gesicht zurück, die hatte er einfach eingetauscht, und Sido lief dann halt den Rest des Abends mit dem Strohhut rum…
Letzte Frage: Wann soll denn die Tour zur Platte kommen?
Gleich im Januar des kommenden Jahres, wir werden da weitermachen, wo wir aufgehört haben, also kleinere Hallen und Clubs, die Termine sind schon soweit gebucht.
Alienation, Slut (Cargo Records), 16.08.2013
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