„Nichtsnutz“ /
„Singen Tanzen Ecken Kanten“
(Audiolith)
Haben wir da was verpasst? Ist der feiste Herr Baumann oder DJ Bobo, wie man ihn sonst liebevoll nennt, mit seinem Chiwawa doch subversiver als man bisher angenommen hatte? Oder was hat unsere beiden „Ravepunkflaschen“ (Selbstbezichtigung/“Der Star“) aus Zürich geritten, den Mann um ein Intro für’s aktuelle Album zu bitten? Mit Schenkelklopferhumor hat man MT Dancefloor und DJ Flumroc ja bisher nicht in Verbindung gebracht, bei der schwiizerdütschen Sympathieadresse muß man aber schon arg an sich halten, um nicht laut loszubrüllen – was für ein Einstieg! Weitere derartige Überraschungen sind, soviel vorweg, vom Rest der Platte aber nicht zu erwarten, hier tun Saalschutz, „was Saalschutz tun muss“, um ein weiteres Zitat zu bemühen.
Unter den Technotänzern dieser Zeit, also Deichkind, Frittenbude, Egotronic oder auch Bratze sind die beiden Schweizer wohl diejenigen, welche die Worte mit größtmöglichem Ernst am genauesten wählen (wollen), von der Spaßfraktion trennt sie einiges und leicht durchschaubar und plakativ präsentieren sich Saalschutz nur in wenigen Momenten. Hier gehört „Die von Freddie Mercury“ sicher dazu, das Stück nimmt die bisweilen ziemlich platte Lyrik unserer Formatradioklassiker auf die Schippe („Meine eignen Worte passen leider nie, darum nehm ich lieber die von Freddie Mercury – es ist eine Art Magie“) und könnte so auch von den Ärzten stammen – wie gesagt, ungewohnt eindeutig.
Weniger einfach zu dechiffrieren „Das was uns kaputt macht“ („Wir sind Opfer der seltsamen Mischung aus Vergänglichkeit und vermeintlicher Stabilität“) oder auch der getanzte Fatalismus bei „Alles geht in Flammen auf“, kryptisch um die Ecke gedacht, da muss man schon ein paar Mal hinhören. Zwei feine Featurings hat der „Nichtsnutz“ zu bieten, bei „Für eine Sekunde unendlich“ geht es zusammen mit Elektra Polytone um’s „Tanzen auf umstrittenen Substanzen“, Nick Rave alias Torsun von Egotronic steuert seinen Part zum politischsten Stück des Albums bei, wobei der Titel „Während du feierst stirbt dein Volk“ gar nicht mal so ironisch gemeint ist wie man vielleicht annehmen möchte.
Mit einer kleinen Ausnahme, dem Klampfenliedchen „Hey Mr. Lehrer“, ist der Sound gewohnt fett und auf den Punkt, harte Beats paaren sich mit melodischem Synthpop, simple Muster ohne wirkliche Hänger, die Zürcher bleiben dran, „immer einen Schritt hinter Sisyphus“. Manchmal wie bei „Der Star“ purzeln und torkeln die Töne etwas aus der Reihe, sonst bratzt und wummert es gnadenlos – das gilt im Übrigen auch für die beiliegende Live-CD, die als Werkschau natürlich die liebgewonnenen Klassiker wie „Headliner der Herzen“, „Ihr wollt ja doch nur pogen“ oder „Ravepunk für eine bessere Welt“ enthält. Irgendwo stand neulich geschrieben, Saalschutz kämen mit „Nichtznutz“ ihrem eigentlichen Ziel immer näher, nämlich der „Versöhnung von Kopf und Bauch“ – das borgt man sich dann gern mal aus. Sie selbst behaupten, auf dieser Platte gäbe es „noch mehr Saal und noch mehr Schutz“, wie auch immer, sie dürfen wiederkommen.
28.03. Flensburg, Volksbad
29.03. Hamburg, Hafenklang
30.03. Hannover, Cafe Glocksee
31.03. Rostock, Kommt Zusammen Festival
05.04. St. Gallen, Palace
06.04. Bern, Dachstock
19.04. Karlsruhe, Substage
20.04. Zürich, Stall 6
31.05. Brugg, Stadtfest
07.06. Luzern, Sedel
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