Donnerstag, 14. März 2013

Hier und jetzt

Crime And The City Solution
„American Twilight”

(Mute)

Schon das vergangene Jahr war nicht eben arm an Wiederauferstehungen gealterter Pop- und Rockgrößen, manche/r tauchte, mit neuer Kraft gesegnet, aus dem selbstauferlegten Exil auf und vermochte das Herz der Erinnerungswilligen mit neuen Tönen zu erfreuen, Cohen, Womack, Mould, Byrne – nur selten ging etwas daneben. Nachdem auch David Bowie so wunderbar reüssieren konnte, drängt nun ein besonderes Kapitel ins Blickfeld, das der emsige Trendforscher gern mit dem Etikett “Berlin 80” versieht: Nick Cave, Simon Bonney, Mick Harvey, auch Michael Gira von den Swans, sie alle waren irgendwie zur selben Zeit am selben Ort und hatten in der damals noch geteilten Stadt einen kreativen Karrierepeak zu verzeichnen. Namen wie Birthday Party, die Einstürzenden Neubauten, The Bad Seeds oder eben Crime And The City Solution gehören zu den herausragenden Fixpunkten dieser Subkultur und die beiden Letztgenannten unterstreichen gerade mit mehr als respektablen Neuerscheinungen ihre anhaltende Relevanz.

Interessanterweise steigen die australischen Postpunk-Heroen Crime And The City Solution mit einer Besetzung in den Ring, die der sogenannten “Berlin Ära” von 1986 bis 1991 am nächsten kommt, ergänzt u.a. durch Danielle de Picciotto, Jim White und den umtriebigen David Eugene Edwards (16 Horsepower, Woven Hand). „American Twilight“ ist genaugenommen erst das fünfte reguläre Album (es gibt durchaus Bands, die in sechsunddreißig Jahren einen ergiebigeren Output vorweisen können), gleichwohl sind die acht Stücke von beachtlicher Frische und Präsenz und erschöpfen sich beileibe nicht nur in rückwärtsgewandter Andachtsduselei.

“We must not let the doomsayers and the naysayers cause us to lose our faith, because without love and without hope there can be no future…”, mit diesem grimmigen Statement etwa beginnt die achtköpfige Formation ihren Titelsong, ein düsteres, wuchtiges Stück Rock und wie auch die Eröffnung „Godess“ sehr diesseitig. Songs wie „My Love Takes Me There“ und „Riven Man“ wiederum lassen einen an die knochenklappernden Totentänze der anfangs erwähnten Epoche denken, Bonneys kratzige Stimme zu dunklem, unheilvollem Sound – mal zackig, mal getragen. Bei „Domina“, ansich schon eine kleine Operette, kommt noch das Opulente, Majestätische, die Morricone-Note hinzu, die diese Band so unverwechselbar gemacht hat. Ebenso gelungen die teils reduzierte Instrumentierung von „The Colonel“, das erst gegen Ende aggressiver wird und das Marschieren lernt.

Reichlich Bläser und Backroundchöre dürfen natürlich auch nicht fehlen, Crime And The City Solution waren nie eine DIY-Kapelle, sie liebten schon immer die große, raumgreifende Geste und griffen auch bei Pathos und Theatralik gern mal in die Vollen. Aufgenommen haben Simon Bonney und Kollegen das Album im Übrigen in Detroit – Bonney vergleicht den Ort atmosphärisch gern mit dem Berlin der 80er: „Detroit's just a perfect environment for us, in just the same way as Berlin was. Detroit physically looks rather like a city that's been bombed. You've got one block of houses intact and then you've got five blocks that are in a state of being demolished. You've got these monuments to extreme capitalism, some of the most ornate buildings you've ever seen, and yet two blocks away you've got burning trash cans and a no-go zone“ (Clash Magazine). Es kann demnach kaum einen besseren Platz geben, um das Zwielicht zu thematisieren, in welchem sich die amerikanische Gesellschaft seit längerer Zeit bewegt. Diese Band und diese Platte geben also nicht nur Anlaß zu verträumter Schwelgerei, sie haben durchaus etwas zu sagen. http://crimeandthecitysolution.com/

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