Freitag, 10. Februar 2012

Grip & Grips



Deichkind „Befehl von ganz unten“
(Universal)
Im Zimmer nebenan läuft „The Voice Of Superstar sucht Germany“ – das hier ist anders, das hier ist besser. Bukowski auf Ballermann, wobei das erste so über- wie das zweite untertrieben ist. Feuilletonisten-Techno, irgendwie. Die Leute von der Geistesarbeit schreiben: „Größer als groß“. Die Leute haben Recht. Texte herzubeten ist, zugegeben, nicht sehr einfallsreich, bei Deichkind sind sie mehr als die halbe Miete – deshalb einmal durchgeblättert, Lesestunde:

+++“Sprechgesang und Völkerball, Schadenfreude überall, Hasselhoff und Mauerfall, Achtung alle Hände hoch, Beckenbauer Soccer Team, Bahnhof Zoo und Heroin, guten Tag, wie geht es ihn‘, Achtung alle Hände hoch, Pfälzer Magen Kräutergeist, Hannelore Suicide, Helmut Kohl will never die, Achtung alle Hände hoch“ (99 Bierkanister)+++“Man bringe uns ein Opfer vorne vom Foyer, die Füße von der Klofrau wärn für uns okay … wir wissen, ihr vertraut uns, Power ohne Zweifel, Pogo ohne Pause, nun dreht euch wie ein Kreisel, Schläuche und Randale, Konfetti, Sturm und Plastik, das passiert nicht ausversehen, wir machen das mit Absicht, danke für die Klicks, dafür könn‘ wir uns nix kaufen, als ehrliche Entschädigung müsst ihr den Tag jetzt saufen“ (Befehl von ganz unten)+++“Schlecht für den Nachwuchs, schlecht für die Nordsee, schlecht für den Kopf, doch leider geil, schlecht für dein Karma, schlecht für die Zukunft, schlecht für den Job, doch leider geil, tu doch nicht so, du magst es doch auch, ich bin ein Teil von dir, kuck dich doch um, sieh sie dir an, sie sind genauso wie wir“ (Leider geil)+++“Die Dixieklos vom Hurricane schenken wir Lars Ulrich, dort kann er gerne kacken gehen, Hacker sind geduldig“ (Illegale Fans)+++“Klick dich, fax dich, mail dich hoch, grabsch dich, quetsch dich, schleim dich hoch, kick dich, box dich, schlaf dich hoch … bück dich hoch, komm steiger den Profit, bück dich hoch, sonst wirst du ausgesiebt, bück dich hoch, mach dich beim Chef beliebt, bück dich hoch, auch wenn es dich verbiegt“ (Bück dich hoch)+++“Selbstbezogen, selbstzentriert, wenn‘s um mich geht engagiert, ich rede laut am Telefon, weil ich bin von mir fasziniert, ich hab mit mir kein Problem, du etwa, dann musst du gehen, mit sowas halt ich mich nicht auf, ich kann mich so gut verstehn“ (Egolution)…

Nur eine Auswahl, auch der Rest kann locker mithalten. Die Beats dazu nicht billig, greifen zu, haben Grip – „Partnerlook“ ist Kraftwerk mit anderen Mitteln, lupenreiner Punkrock für „Die rote Kiste“ und Metzgerliebe als poetischer G-Punkt („Herz aus Hack – mit Pfeffer, Salz und Zwiebeln“) ganz zum Schluss. Diese Hamburger Schule ist von „Bon Voyage“ so weit entfernt wie von „Tausend Tränen tief“ und „Kapitulation“, trotzdem ganz bei sich und im Jetzt sowieso. Die Jungs machen so viel Spaß, dass einem das Lachen vergeht – ganz heißer Tipp für den Grimme-Preis. Mindestens.

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