Mittwoch, 8. Februar 2012

Nah dabei



Sharon Van Etten “Tramp”
(Jagjaguwar)
Sie wird ja nicht müde zu betonen, dass sie keineswegs ein so todtrauriger Mensch sei, wie ihre Platten vermuten lassen – „I’m not totally screwed up, I swear. I’m fine, thanks“ (npr). Nun, man wird ihr das glauben müssen, auch wenn die neue Platte eine gänzlich andere Sprache spricht. Selten hat man in den letzten Jahren jemanden gehört, der sein Innerstes so sehr nach außen kehrt, der die eigene Einsamkeit, die Verlorenheit so bewusst und so intensiv zum Thema des eigenen Schaffens macht wie die junge Frau aus New Jersey. Denn auch wenn Sharon van Etten seit langer Zeit im Moloch New York gemeldet ist, auch wenn sie pausenlos mit Band und Bus durch die Hallen dieser Welt tourt – nichts ersehnt sie nach eigener Aussage mehr als ein Stück Sesshaftigkeit, auch Heimat und verlässliche Zweisamkeit. Diese Sehnsucht atmet jedes der intimen Stücke auf „Tramp“. Im ersten Moment meint man, Thom Yorke habe sich den besten Song dieses dritten Albums, „Give Out“, gekapert, aber es ist Sharon van Etten selbst, die sich da so behutsam dem Ohr des Gegenübers nähert „You’re the reason, why I’ll move tot he city, you’re why I’ll need to leave“.

Traurig schöne Songs also allesamt – ein bisschen erinnern sie an die der ebenso großartigen Kristin Hersh – schleppendes Tempo, dunkle Akkorde, schonungslose Ehrlichkeit wohin man hört. „All I Can“ bittet da rührend um Nachsicht („I do all I can, we all make mistakes, even though I try to stand even though it’s slowly, I do all I can but who is my man”), wo das zärtliche Duett mit Zach Condon alias Beirut "We Are Fine" fürsorgliche Begleitung einfordert (“Tell me not to trip or to lose sight, you are walking in my dotted line, take my hand and help me not to shake”). Selten, dass die von Aaron Dessner (The National) produzierten Stücke mal ihre Zurückhaltung ablegen, für “Serpents”, „Magic Chords“ und „I’m Wrong“ wagt sich van Etten an die Elektrische und gewinnt. In Erinnerung aber bleiben solch fragile Zwiegespräche wie „Ask“ oder das unendlich schmerzvolle Schlußstück „A Joke Or A Lie“: „What should I do? I am lost. Tell me to leave the next time I'm in front of you. I can't relate, chip on your shoulder, how do you deal with that weight? My hands are getting tired.” Was sie so bittere Zeilen schreiben läßt, möchte man aus reinem Selbstschutz eigentlich gar nicht wissen, dass es ihr guttut davon zu singen, kann man dabei nur hoffen. www.sharonvanetten.com

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