Dienstag, 21. September 2010

Gehört_189



Edwyn Collins „Losing Sleep“ (Heavenly)
Dass die Welt keine gerechte sein kann weiß der vernunftbegabte Mensch nicht erst, seit Willi Millowitsch vor Jopi Heesters abberufen wurde, Thilo Sarrazin mehr Bücher verkauft als Heinz Strunk und Phil Collins mit ein paar halbgaren und öden Coversongs mutmaßlich wieder mal alle Verkaufsrekorde brechen wird. Wo, darf man fragen, bleibt der gnädige Lichtstrahl des Herren für einen Mann wie Edwyn Collins, der mit „A Girl Like You“ eben nicht nur diesen einen perfekten Song zum Pop-Kanon der 90er beigesteuert hat. Es gehört dringend kundgetan, das auch die dazugehörige Platte „Georgeous George“ formidabel war, dass Collins ohnehin zu seiner Zeit bei Orange Juice einen Sack voller Unsterblichkeiten produziert hat und, jetzt am Ende des Zeitstrahls angelangt, auch mit seiner aktuellen Platte „Loosing Sleep“ eine, wenn auch leider zu kleine Zahl von Leuten sehr glücklich machen wird.

In Anbetracht zweier überstandener Schlaganfälle kann dieses Album uneingeschränkt als Meisterleistung bezeichnet werden. Der Mann, der ohne weiteres als Stimmdouble für David Bowie auf bequemere Weise Geld hätte verdienen können, hat eine illustre Schar von Gastmusikern an seine Seite gebeten: Johnny Marr gibt sich die Ehre (Come Tomorrow, Come Today), Ryan Jarman von den Cribs und Aztec-Camera-Gründer Roddy Frame (All My Days) sind ebenso mit von der Partie wie Romeo Stodart von den Magic Numbers (It Dawns On Me). Für das schmissige „Do It Again“ stiegen mit Alex Kapranos und Nick McCarthy die Hälfte, also quasi der Franz vom Ferdinand, an Bord und The Drums veredelten das traumhafte „In Your Eyes“. Da hat der Meister ein gutes Händchen bewiesen, die Songs klingen durch die Bank frisch und unverbraucht und haben fast alle gehöriges Hitpotential. Vom ruppigen Blues (Bored) über klassichen Britpop bis zum gut abgehangenen Northern Soul ist alles dabei und Langeweile mag, im Gegensatz zum Spätwerk seines oben aufgeführten Namensvetters, zu keiner Zeit aufkommen. Ob Edwyn Collins nun tatsächlich, wie er rührend meint, „Over The Hill“ ist, bleibt abzuwarten, man möchte es ihm von Herzen wünschen. Und auch bei der Suche nach seiner Wahrheit (Searching For The Truth) möchte man ihn gern noch weiter begleiten.

Soll also in Gottes Namen Lou Bega mit seinem „Mambo Number 5“ durch die Baumärkte der Republik tingeln, für Edwyn Collins sollte es gerechterweise von nun an wieder aufwärts gehen, auf sein Talent und seine wunderbaren Songs hat die Welt lang genug verzichten müssen.
http://www.edwyncollins.com/

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