Mittwoch, 27. Dezember 2017

Hobbyist: Muzak für's Schafott

Versuche einer diese Musik zu umschreiben. Die Leute von The Quietus haben es getan und sind dem Ganzen mit "taumelndem Duett aus Goth-Geschrei und Swamp-Blues" schon ziemlich nahe gekommen. Anderswo stand geschrieben, die Songs von Marc Mozga und Holly Pridle würden den passenden Soundtrack abgeben für den Fahrstuhl zum Schafott. Wie dem auch sei - dem brodelnden Gemisch von Hobbyist aus Chicago wohnt etwas Unbeschreibliches inne und genau daraus bezieht es seinen originären, kruden Reiz. Elektronische Versatzstücke verschränkt mit schiefem Gitarrenlärm, dazu ein Gesang, der mehr nach Strafpredigt klingt, gerade so, als folgten die zehn biblischen Plagen reloaded unmittelbar auf dem Fuße. Nick Cave läßt grüßen. Das Album "Sonic Cramps" erscheint am 12. Januar, hier gibt es schon mal die bislang drei bekannten Songs "2244", "Self Employed" und ganz frisch "Company Man".

Freitag, 22. Dezember 2017

Mogwai: Crashing it all

Naturgemäß ist ein altersschwaches Jahr wie das jetzige nicht mehr ganz so reich an neuen Nachrichten, die wenigen sind deswegen aber keine schlechten. Mogwai, die schottische Post-Rock-Kapelle, meldet sich noch einmal aus der verdienten Winterpause und teilt ein Video ihres aktuellen Albums "Every Country's Sun" - den Film zu "Crossing The Road Material", der Szenen eines Stock-Car-Rennens zeigt, hat Antony Crook gedreht, der auch schon für "Simon Ferocious" (Rave Tapes) und "Thirty Century Men (How To Be A Werewolf)" (Hardcore Will Never Die, But You Will.) mit der Band zusammenarbeitete.

Mittwoch, 20. Dezember 2017

Kraftklub: You and what army?

Na, das war ja klar. Sollten die Jungs aus Chemnitz noch einmal zurückkommen in diesem für sie nicht eben erfolglosen Jahr, dann so. Meint: Mit ihrer Armee. Kraftklub präsentieren ihren mutmaßlichen letzten Clip für 2017 vom Album "Keine Nacht für Niemand" gemeinsam mit ihrer wohl größten Kraftquelle - ihrer weiblichen Fanbase. Obwohl, so ganz stimmt das natürlich nicht. Denn zu den 68 Amateurtänzerinnen, die die Band den ganzen Festivalsommer (nach einem harten Auswahlverfahren) aus freien Stücken bei ihren Auftritten begleiteten, kommen auch noch vier Jungs (wer sie im Bild findet, bekommt den Karl-Marx-Nüschel in Spielzeugformat). Der ganzen Schar jedenfalls wollte die Krachkapelle ein kleine Dankeschön-Denkmal setzen und tut dies eben mit dem Video zur Single "Am Ende". Nichts könnte passender sein.

Dienstag, 19. Dezember 2017

Neo Magazin Royale vs. Österreich

Sind wir als schon soweit, geht's an die Jahresresteverwertung? Aber klar doch. Denn zwei wichtige Trends setzten sich auch 2017 fort und denen gilt es natürlich nochmals zu huldigen: Das Fernsehen ist tot bzw. findet jetzt in der digitalen Nische oder im Netz statt und die lässigste Musik kommt nach wie vor aus dem Nachbarland mit dem putzigen, neurechten Gelbuby als Buhndeskonzler. Beide miteinander verbandelt heißt dann natürlich Neo Magazin Royale und Gäste - hier noch einmal zum Nachschauen: Voodoo Jürgens mit "Meine Damen, meine Herren", Wanda und "Ich sterbe" und natürlich die erstklassige Liveshow von Bilderbuch mit "Sneakers For Free" - Filme ab!





Freitag, 15. Dezember 2017

Chlöe Howl: Wiedererkannt

Die letzten Notizen über diese junge Dame sind schon ein paar Tage alt, man hatte sie immer mal wieder gegoogelt, einfach weil einem die Stimme von damals nicht aus dem Kopf gegangen war und sie, das geben wir gern zu, einfach auch umwerfend gut aussah. "Rumour EP" hieß das letzte Ausrufezeichen aus dem Jahr 2014, danach - lange Sendepause. Chlöe Howl, die rothaarige Britin, von der wir hier reden, hat optisch eine ziemliche Verwandlung hinter sich, gesanglich ist sie noch immer auf der Höhe - als Beweis können ihre beiden aktuellen Songs herhalten, zunächst das ältere "Magnetic" und jetzt ganz neu "Do It Alone".



Rolo Tomassi: Anhaltendes Wunder

Zugegeben, so ganz will der Sound nicht zur bevorstehenden Weihnachtszeit passen, also so mit Friede, Freude, Gemütlichkeit: Rolo Tomassi aus Sheffield haben darauf allerdings Zeit ihres Bestehens (seit 2005) nicht allzu viel Wert gelegt, ihre Mischung aus Hardcore und Mathmetal ist noch nie für flauschige Gemüter bestimmt gewesen - das einzig verwunderliche bleibt (Achtung: Macho-Klischeefalle!), wo so eine zarte Person wie Eva Spence diese Kraft und Wut herholt. Ohnehin soll Album Nummer fünf mit dem hübschen Titel "Time Will Die And Love Will Bury It" erst im März, also weit weg von jedem Klingeling, bei Holy Roar Records erscheinen, die beiden ersten Singles "Rituals" und das neue "Balancing The Dark" gibt es aber schon hier und heute.

30.03.  Berlin, Musik und Frieden
31.03.  Hamburg, Headcrash



Tocotronic: Zweifelhaft

Neuigkeiten aus Hamburg: Nachdem wir hier unten nach Kräften versucht haben, die kommende Tour von Tocotronic auszuverkaufen, meldet sich die Band mit einem weiteren Stück aus den endlosen Weiten des Alls zurück. Der Titelsong zum neuen Album "Die Unendlichkeit", das am 26. Januar erscheinen wird, ist nach "Hey Du" ein weiteres Kapitel aus dem autobiographisch gehaltenen Liederzyklus, mit dem das Quartett das nächste Jahr eröffnen wird - Zweifel, Selbstanklage: " Einen Schritt weiter gegen die Unentschiedenheit, die mich gefangen nehmen kann, die Feigheit, die mich leitet, fast ein Leben lang."

Donnerstag, 14. Dezember 2017

Oberpollinger 2017: Großformate

Wer kurz sagt, muß auch lang machen: Die Album-Charts von MPMBL für das Jahr sind in diesem Jahr zumindest ganz vorn eine klare Sache, denn an den IDLES führte heuer kein Weg vorbei. Das Gerangel um die Plätze zwei bis siebzehn ist da schon weitaus spannender ausgefallen - Platzhirsche wie die Sleaford Mods und LCD Soundsystem neben Überraschungserfolgen wie Big Thief, der pure Pop von Muna und die giftigen, wichtigen und leidenschaftlichen Reime des Casslers und der Berliner Grimenologen Zugezogen Maskulin, dazu noch in letzter Minute unbedingt nachgerückt Belgrad - alles Hammer, alles mega, alles verlinkt, alles ganz wunderbare Musik. Was für ein Jahr!

1  Idles  "Brutalism"



Big Thief  "Capacity"



Lambchop  "Flotus"



Faber  "Sei ein Faber im Wind"



Charlotte Gainsbourg  "Rest"



A Tribe Called Quest "We Got It From Here ... Thank You 4 Your Service"



Muna  "About U"



Sleaford Mods  "English Tapas"



LCD Soundsystem  "American Dream"



10  Zugezogen Maskulin  "Alle gegen alle"



11  The Mountain Goats  "Goths"



12  Casper  "Lang lebe der Tod"



13  Björk  "Utopia"



14  Kendrick Lamar  "DAMN."



15  Belgrad  "Belgrad"



16  Wild Ones  "Mirror Touch"



17  Bilderbuch  "Magic Life"

Mittwoch, 13. Dezember 2017

Fufanu: Zum Fest

Sie wollen es als Geschenk für die bevorstehenden Feiertage verstanden wissen: Fufanu, isländische Post-Punk-Kapelle, die in diesem Jahr mit dem Album "Sports" und einigen sehr feinen Songs/Videos für Aufsehen gesorgt hat, schickt für alle Fans des Longplayers einen Nachzügler hinterher - "Top Of The Queens" nennt sich der Track, den wir hier vor Ort streamen, dazu gibt's auch noch die seit längerer Zeit erhältliche Remix-12" mit Arbeiten von Lafontaine, Atom Max und Bonaparte.



NEWMEN: Nachgezeichnet

Wenn Tags und FFOs mehr Platz einnehmen als der eigentliche Text zur Band, ist normalerweise höchste Vorsicht geboten, bei den NEWMEN aus Frankfurt kann man sich aber getrost entspannen. Denn egal ob Neo, Dance, Chill, Dream, High, Trip oder Fresh - man kann den Sound der fünf Herren ganz einfach unter dem Stichwort Pop ablegen und hat nichts falsch gemacht. Die aktuelle Single heißt zwar "Debbie Harry", einen direkten Bezug zur Blondie-Inkone sucht man allerdings in den Lyrics vergeblich. Dennoch ist der Bezug offenkundig, schließlich gibt es zum Stück einen hübsch animierten Comic-Clip, der sich sehr eng an den Zeichentrick-Kult von "Rock And Rule" von Clive A. Smith aus dem Jahr 1983 anlehnt und zu dessen Soundtrack neben Harry auch Lou Reed, Iggy Pop, Cheap Trick und Earth Wind And Wire beitrugen. 2018 soll dann neues Material kommen, ebenfalls produziert von Elias Förster wie die beiden älteren Stücke "Humanin" und "Electric Eel".

27.12.  Frankfurt, Zoom



The Spook School: Gegen die Regel

Auch nach einem knappen Jahrzehnt Blogbetrieb lautet die eiserne Regel: Keine Weihnachtsplatten! Und wozu sind Regeln da? Eben. Deshalb kommt also hiermit die rühmliche Ausnahme in Form eines Songs der Band The Spook School - "Someone To Spend Christmas With" klingt aber auch wirklich herzerwärmend schön und die beiden anderen Stücke bzw. Videos "Less Then Perfect" und "Still Alive" sind ebenfalls unbedingt erwähnenswert. Letztere beiden stammen im Übrigen vom neuen Album der Band aus Edinburgh, das unter dem Titel "Could it Be Different?" am 26. Januar bei Alcopop! erscheint.





Dienstag, 12. Dezember 2017

MGMT: Ganz trendy [Update]

Gothy ist das neue - ja, was eigentlich? Jedenfalls kommt der Stil der 80er jetzt ziemlich trendy daher, vor längerer Zeit gab es mit The Hidden Cameras und ihrer Platte "Age" eine Art Queer Goth, vor einigen Wochen das grandiose Album "Goths" von The Mountain Goats und nun melden sich MGMT aus New York wieder und kündigen ihr fünftes Album mit dem vielversprechenden Titel "Little Dark Age" samt passender Typo und - viel wichtiger - hübsch kostümiertem Videoclip des Titelsongs an.

Update: Nicht mehr ganz so gothy, aber trotzdem ein feiner Song - die neue Single "When You Die" samt Video.



Lake Jons: Draußen vom Walde

Geschmeidigen Pop aus Finnland haben selbst wir nicht allzu oft am Start - heute gibt's eine Ausnahme: Lake Jons sind ein Trio aus Helsinki und werden am 19. Januar via Anti Fragile Music ihr selbstbetiteltes Debütalbum veröffentlichen. Daß dieses in einer Hütte tief im Wald aufgenommen sein soll, möchte man bei diesem ausgefuchsten Sound kaum glauben - aktuell präsentieren wir hier die neue Single "Call Me" und dazu die Vorgänger "Breathe Out The Fumes" und "Colors", letzteres mit Video.


Montag, 11. Dezember 2017

Björk: Näher als gedacht [Update]

Björk
„Utopia“
(Embassy Of Music)

Nein, beide Thesen sind nicht als verbrieftes Grundrecht zu haben. Weder ist festgelegt, daß eingängige, tanzbare Musik, die kein langes Überlegen und Abwägen braucht und sofort in Bauch und Beine geht, per se von minderem Wert ist – wohl wissend, daß gerade dem Leichten manchmal besonders harte Arbeit vorangeht. Ebensowenig steht nirgendwo geschrieben, daß Popmusik keine Arbeit machen darf, daß sie also ängstlich jeder Hirnzelle aus dem Weg gehen und möglichst wenig Widerstand bieten muß. Nein, Anspruch, Anregung, Reibungspunkte, Irritation, je selbst Provokation sind erlaubt, wenn nicht sogar gewünscht, denn wo blieben unsere trägen Geister, wenn sie sich keiner Herausforderung zu stellen hätten? Jetzt darf man darüber diskutieren – und damit je nach Sichtweise zum Objekt der Begierde oder des Verrisses – ob sich die Musik von Björk überhaupt noch in handelsüblichen Kategorien fassen läßt oder ob sie sich nicht vielmehr einen eigenen Kosmos, kunstvoll strukturiert und mit unzähligen Metaebenen versehen, erschaffen hat, der sich jeder herkömmlichen Bewertung entzieht.



Dafür spricht die Figur der Musikerin selbst, die sich mal um mal weiter vom profan Menschlichen zu entfernen scheint, dafür in schwebender Künstlichkeit auf den vorhandenen Kanälen nur noch sendet, um die Verbindung zu uns hier unten nicht gänzlich abreißen zu lassen. Dafür spricht natürlich auch die komplexe, kaum zu durchschauende Architektur ihrer neueren Werke, die sie zusammen mit auserwählten Klangzauberern erschafft, längst nicht mehr gemacht für die Tanzflächen, Auto- und Küchenradios dieser Welt, sondern nur in der Abgeschiedenheit hochgezüchteter HighEnd-Geräte und unter rauschfreien plus sündteuren Präzisionskopfhörern sinnvoll zu genießen (und jede/r muß selbst entscheiden, welche Wegstrecke er/sie bereit ist, dabei mitzugehen). Selbstverständlich kann wer will das Ganze schnell als hochgezüchtete, selbstreferenzielle Kopfgeburt einer durchgeknallten Schwanenprinzessin abtun (was ja oft und genüßlich genug geschieht), vergibt sich mit dieser Vereinfachung aber die Chance, Erstaunliches zu entdecken.



Denn auch wenn sich Björk sehr spezieller, manchmal vielleicht gewöhnungsbedürftiger Mittel bedient, nähert sie sich doch auch und gerade in ihren aktuellen Songs sehr weltlichen Dingen: Schöpfungsbewahrung (so called Umweltschutz), Liebesbedürfnis, Verlustängste, Generations-, ja sogar Trennungsprobleme kommen mehr oder weniger verschlüsselt zur Sprache und es ist tatsächlich eine zwar zuweilen mühevolle, aber durchaus gewinnbringende Erfahrung, ihr dabei zuzuhören. Beispiel „Sue Me“: Eine derart konfrontative, direkte Abrechnung mit Matthew Barney, dem Ex-Mann und Vater ihres zweiten Kindes, ließ sich selbst auf dem Scheidungsalbum „Vulnicura“ nicht finden, die Art und Weise, wie sie sein Verhalten in die genetische Kausalkette männlicher Verfehlungen stellt, zeugt von viel Sorge, Schmerz und nachhaltiger Trauer. Weiter – „Tabula Rasa“: Fast eine flehentliche Bitte an nachfolgende Generationen, nicht die Fehler der Alten zu wiederholen, sondern Neues zu wagen, mögliches Scheitern und Wiederaufstehen inbegriffen.

Noch krasser das fast zehnminütige „Body Memory“. Unterteilt in mehrere Kapitel, lädt die Künstlerin zum Kurzfilm für’s Kopfkino, führt durch persönliche Kämpfe, Gefühlswirren, gute wie ungute Erfahrungen – in dem Maß, wie Körper und Geist hinzulernen, bekommt auch der Sound einen weniger angespannten, mit vorsichtigen Beats unterlegten Flow. Überhaupt: Das Klanguniversum, das Björk entwirft, ist wieder von überwältigender Vielfalt, dystopisch anmutender, droniger Maschinenlärm („Losss“) wechselt mit urzeitlichen Dschungelfantasien, Flöten en masse, Harfen sowieso. Kein Wunder, daß die Isländerin, wie sie in „Blissing Me“ singt, in Arca die perfekte Ergänzung für ihre Berufung weiß („two music nerds obsessing“) und an anderer Stelle die heilende Kraft der Musik beschwört („Saint“). Man sollte es sich mit dieser Frau, so fremd und absonderlich sie uns auch manchmal scheinen mag, nicht gar zu einfach machen, seit Jahren arbeitet sie an einem Gesamtwerk von beispielloser Inspiration und Komplexität. Sie hat sich unsere Mühe wahrlich verdient. Der Lohn dafür ist kein geringer. https://bjork.com/

Freitag, 8. Dezember 2017

Haiyti: Woman mit Wumme [Update]

Okay, über das Video und speziell über die Synchro müssen wir noch mal reden, der Song aber ist ziemlich geil: Ronja Zschoche aka. Hayiti aus Hamburch wird am 12. Januar mit "Montenegro Zero" das Nachfolgealbum zum Debüt "Havarie" herausbringen, dafür gibt es via Youtube die erste Single "Mafioso" mit Video von Henning Brix und eine Tourankündigung für das Frühjahr 2018. Noch Fragen?

23.02.  Frankfurt, Zoom
24.02.  Münster, Skaters Palace
25.02.  Hannover, Faust
02.03.  Köln, CBE
03.03.  Zürich, Exil
04.03.  Stuttgart, Im Wizemann
09.03.  München, Hansa
10.03.  Wien, Grelle Forelle
11.03.   Leipzig, Täubchenthal
16.03.  Berlin, So36
18.03.  Hamburg, Mojo

Update: Und hier auch schon der nächste Track vom neuen Album - "Gold" mit einem Clip von Ben Paetzold.



Robotikus: Disco in der U-Bahn

Bitte vervollständige diese Gleichung: Australien + München = ... ? Gut, das ist jetzt ziemlich platt, aber da muss dann eigentlich das Wort "Oktoberfest" stehen. Ist natürlich ein Quatsch, weil über's restliche Jahr wahrscheinlich weitaus mehr Besucher aus Down Under aus völlig anderen Gründen in die Stadt kommen als zur Wiesn, aber was wären wir ohne die gängigen  Klischees?! Warum wir darauf gerade zu herumreiten? Nun, weil im Moment eine australische Band namens Robotikus ihre neue Single "Continental Lovers", ein ziemlich entspannter Discoheuler, veröffentlicht hat und zwar mit einem Covermotiv, bei dem der Münchner ob des Wiedererkennungseffektes begeistert jauchzen darf. U-Bahntunnel in Knallorange, Marienplatz, also Linien 3 und 6 (die fahren zur Arena des beliebten FC Bayern und eben auch, sorry, zur ebenso beliebten Theresienwiese). Und wer jetzt noch seine Sozialisation im Osten Deutschlands erfahren hat, dem fällt dazu gleich noch der (zugegeben ziemlich gruselige) Hit der Band Rockhaus ein - "Disco in der U-Bahn". Fertig.

Moderate Rebels: The Human League

Moderate Rebels
„Sound Of Security“

(Everyday Life Recordings)

So, noch einmal volle Konzentration, denn leider geht die gegen Jahresende immer etwas flöten, was so wunderbaren Alben wie diesem nicht gerade in die Karten spielt. Der Londoner Formation Moderate Rebels scheint es allerdings gar nicht so unrecht zu sein, wenn sie weiter im Ungefähren, wenig Konkreten arbeiten kann. Die vier Bandmitglieder, nach Selbstauskunft quasi der harte Kern eines ansonsten ziemlichen offenen Systems, zelebrieren die Unpersönlichkeit nicht aus fehlendem Anstand, sondern weil sie genau diese Kunstform zum Manifest erhoben haben: “The point was to remove ourselves, our beliefs and our intentions as much as possible; to just let it happen. It’s never been about us, we want to make music that aims at being more important than that.” Keine Klarnamen, keine Vorlieben, Hobbys, Referenzen, nichts was ablenken könnte von der Musik selbst, denn genau die steht im Mittelpunkt, sie soll sich, so die etwas eigenartig anmutende Vorstellung der Band, im Idealfall sogar selbst schreiben: “We tried to create conditions where the songs could write themselves with minimum resistance; an automatic writing situation … using as few words and chords as possible.”

Was sich schon in der Erklärung spannend bis abenteuerlich ausnimmt, klingt auch auf ihrem Debüt “Sound Of Security” mehr als nur interessant. Der Sound oszilliert zwischen dem Psychrock von Velvet Underground und den endlos geloopten Krautrock-Orgien ihrer Stadtnachbarn von Stereolab. Kühler, gedoppelter Gesang, machmal ins Chorale schwappend, die Gitarren zuweilen harsch aufgedreht, der Beat mal vorsichtig, mal fordernd. Oft reicht ihnen eine einzige Textzeile, um einen Song zu füllen, “We've come to wreck your house and ruin your life, God sent us” heißt sie beispielsweise zu Beginn des Albums, untermalt von schlingernden, monotonen Akkorden – das Assoziationstheater hat geöffnet und der Eintritt ist frei. Konsequenterweise sind viele der dreizehn Stücke instrumental angelegt, was sich dazwischen an klassischen Songs findet, ist vom allerfeinsten.

So auch die Vorabsingle “When The Cost Has No Value”, ein Stück, das für ihre Verhältnisse sogar eine ziemlich klare, politische Botschaft trägt, dafür aber mit zur Schau getragener Teilnahmslosigkeit ziemlich lässig daherschlendert, die Irritation gelingt perfekt. An anderer Stelle schwingt sich die Musik hinter dem bewußtseinserweiternden Mantra vom Sehen, Fühlen und Glauben in ungewohnt melodische Höhen (“I’m Feeling The Deep State”), diese Art von Lebenshilfe setzt sich dann später im ebenso gelungenen “Waiting For The Water To Clear” auf fast meditative Weise fort. Man hat bei den vier Rebellen trotzdem nicht das Gefühl, daß sie solche kreativen Richtungswechsel mit konsequenter Verweigerung kombinieren, nur um sich interessant zu machen – schließlich tragen sie keine Pandamasken oder spielen ihre Konzerte hinter beleuchteten Bettlaken. Gerade die Verletzlichkeit des Menschen steht ja, unabhängig von der Person selbst, bei ihnen im Zentrum: “Our music seems to be all about turning weaknesses into strengths. We decided to not try to gloss over our musical limitations and imperfections, and just embrace them.” Wir hören gern weiter dabei zu.

Rhye: Sammlung

Jetzt also doch: Nachdem es in den letzten Wochen vom Electro-Duo Rhye ja eine ganze Palette sogenannter Standalone-Singles gegeben hatte, werden diese nun endlich für ein komplettes Album gesammelt. Am 2. Februar soll "Blood" via Loma Vista erscheinen und neben den bislang bekannten Stücken geben die beiden Herren auch gleich noch ein weiteres in die Runde - hier kommt "Count To Five".

Donnerstag, 7. Dezember 2017

Nachthexen: Zerstörerisch

Jetzt wollen wir mal das Gscheithaferl (bayerisch für: Klugscheißer) raushängen lassen: Wer bei Nachthexen an Brocken, Nasenfurunkel, Katzenbuckel und Knochenfinger denkt, der ist komplett schief gewickelt. Denn eigentlich handelt es sich hier um den Namen einer russischen Bomberstaffel, die ausschließlich aus Frauen bestand und, wie man liest, im zweiten Weltkrieg mit dem Abwurf von insgesamt 3.000 Bomben eine erstaunliche Anzahl von Brücken, Zügen, Munitions- und Treibstoffdepots dem Erdboden gleichgemacht haben. Ihre Nachfahrinnen (sagt man so?) Emma, Donna, Fiona und Olga wiederum stammen aus dem englischen Sheffield, sind nicht ganz so zerstörerisch veranlagt, können mit ihren Songs aber durchaus den einen oder anderen Club zerlegen. An ihrem Label Harbinger Sound kann man schon einen ersten Hinweis erkennen, denn dort starteten auch die wunderbaren Sleaford Mods ihre Karriere, die sie später zu Rough Trade führte. Und genau bei den beiden charmanten Grantlern haben die Nachthexen gerade den Support gegeben - mit dabei ihre aktuelle EP "Disco Creep": Vier stampfende Post-Punk-Killer, die ordentlich Richtung Magengrube treten.

Oberpollinger 2017: Die Short Cuts

Das sind, das waren sie also, die Songs des Jahres - zumindest hier auf MPMBL. Wir hatten die Rubrik eigentlich in den vergangenen Jahren schon beerdigt, weil aber nicht jedes tolle Album auch gleich einen Hit dabei hat, von denen aber dennoch so viele dabei waren, gibt's hier zur Abwechslung wieder mal die Single Charts 2017 - passenderweise natürlich mit 17 Teilnehmern.

Faber  "In Paris brennen Autos"



2  Methyl Ethel  "Ubu"



3  Sleaford Mods  "BHS"



4  Bonobo feat. Nick Murphy  "No Reason"



5  Idles  "Mother"



6  Casper feat. Drangsal  "Keine Angst"



7  Fazerdaze  "Little Uneasy"



8  Portugal. The Man  "Feel It Still"



9  Bilderbuch  "Bungalow"



10  Giant Rooks  "New Estate"



11  Kraftklub  "Fenster"



12  A Tribe Called Quest  "We The People"



13  Hater  "Coming Down"



14  Arcade Fire  "Everything Now"



15  Slowdive  "Star Rowing"



16  Agent Blå "Strand"



17  Summer Moon  "With You Tonight"

N.E.R.D.: Next Formation

Nächste Woche soll es erscheinen, das neue Album "No_One Ever Really Dies" von Pharrell Williams und N.E.R.D. - wer seine Zweifel daran hatte, ob sich der Mann mit dem "Midas Touch" wohl auch politisch äußern würde, der dürfte nun, da das Video zum Song "1000" erschienen ist, einigermaßen beruhigt sein. Todd Tourso und Scott Cudmore (Metz, Spoon, Holy Fuck, Alt-J) haben zusammen mit der großartigen Tänzerin Mette Towley so etwas wie "Formation 2.0" gedreht und das Ganze mit Bildern der Rassenunruhen der letzten Wochen und Monate gemischt. Das Video zur ersten Single "Lemon" kann man sich übrigens noch im aktuellen Familienalbum anschauen.

IDER: Zum Einstand [Update]

Immer wieder schön zu hören, wenn Pop in Großbuchstaben geschrieben wird. Wie zum Beispiel beim Londoner Duo IDER. Megan Marwick und Lily Somerville haben ja vor nicht allzu langer Zeit mit ihrer EP "Gut Me Like An Animal" bei den einschlägigen Musikportalen schon für Aufsehen sorgen können, nun stand ein Labelwechsel zu Glassnote Records ins Haus und was macht man, wenn man neu ankommt? Richtig, man bringt ein Einstandsgeschenk mit. Dieses hier nennt sich "Learn To Let Go" und kommt in sommerlichem Gelb daher. Gut so, von dem und der Musik kann man nämlich nie genug bekommen. Und wer die beiden Damen live sehen will, hat im September sogar noch die Gelegenheit.

21.09.  Hamburg, Reeperbahn Festival
29.09.  Dortmund, Way Back When Festival
02.12.  Köln, CBE (mit Ibeyi)
03.12.  Berlin, Lido (mit Ibeyi)
04.12.  Hamburg, Knust (mit Ibeyi)

Update: Und natürlich gibt es auch ein Video von den beiden zu sehen ... und mit "Body Love" einen weiteren Track, jetzt auch mit Video.



Granular: Gern mal größer

Granular
„XI“

(Little Jig Records)

Ein wenig mehr Mut, ein bisschen größer gedacht – manchmal würde man sich das schon wünschen. Pop ist nun mal auch die Kunst der Übertreibung, der Vielfarbigkeit, der Opulenz, wer hier dick aufträgt, muß nicht immer gleich ein Angeber sein, der nur auf dicke Hose macht, aber bei genauem Hinsehen (bzw. –hören) eher einem Heißluftballon gleicht. Substanz ist das Stichwort, Ideen, Originalität, solche Dinge. Hätten Bands wie Coldplay oder The Boxer Rebellion über die Jahre nicht den Großteil davon über Bord geschmissen, sie müßten sich heute nicht so viel Spott gefallen lassen. Vielleicht sind das Gedanken, die sich auch Sebastian Meyer, Christian Cotting, Matthias Cotting und Leroy Biscette aus Luzern gemacht haben, als sie ihre Band Granular ins Leben riefen (nachdem sie sich vom letzten Projekt Augustine’s Suspenders verabschiedet hatten) und auch später, als es die Songs für die erste Platte auszuwählen galt. Diese müssen sich, gerade weil es quasi wieder ein Debüt ist, keineswegs verstecken. Granular versuchen sich am großen Entwurf und er gelingt ihnen mehr als ordentlich: Zehn Stücke, meistenteils als Zusammenspiel raumgreifender Synthesizer mit eingängigen Gitarrenhooks angelegt, dazu Meyers sanfte, klare Stimme – das wippt schon alles sehr fein. Alle Vergleiche, die einem zum Sound der Schweizer einfallen, können als Kompliment verstanden wissen, The Whitest Boy Alive, Sizarr, The Notwist hierzulande, die französischen Her, Tender aus London und – schon wieder größer gedacht – durchaus auch die britischen Neofolkies Alt-J. Der Track mit dem hartnäckigsten Widerhaken ist vielleicht „Something In Between“, perlende Akkorde, verträumte Melancholie, sehr viel perfekter kann man’s nicht machen. „Seven Weeks“ und „Youth“ dagegen wippen entspannt und luftig durchs Programm, der ganze Gegensatz zu den meterhoch geschichteten, dronigen Arrangements der restlichen Songs. Zum Ausklang „All Again“ darf man sich noch eine dezente Prise Soul auf dem Zettel notieren, danach kommt das Album in die ohnehin schon prall gefüllte Schublade mit den angenehmen Überraschungen des ausklingenden Jahres.

Anmerkung: Das Brutalismus-Cover passt im Übrigen gut zum Familienalbum von Soft Error - einfach mal reinschauen...

Mittwoch, 6. Dezember 2017

Jinka: Auskennerin

Weiter geht's am Pop-Mittwoch mit einer sehr jungen Dame, die sich mit klug verbasteltem LoFi-Pop ziemlich gut auszukennen scheint. Jinka, so ihr Name, stammt ursprünglich aus Rumänien, ist aber seit längerer Zeit in Berlin zu Hause und dort schon mehr als ein Geheimtipp. Gerade erst ist sie im Auster Club beim Indie Feminity Mini-Festival aufgetreten, ihre aktuelle Single "Shock Mounted" ebenfalls im Gepäck - das Video zum Song hat im Übrigen der Schwede Ossian Melin gedreht, der auch schon mit Little Dragon und Yung Lean gearbeitet hat. Zwei ältere Stücke gibt's zusätzlich obendrauf, "Flesh To White To Black To Flesh" und "Trash From The Past".



FeelsClub: Daheim im Club

Nach all den Ausflügen in Sachen Post-Punk und Rock ist der Pop hier in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen, also werden wir den Rest des Tages kurzerhand zum Pop-Mittwoch umwidmen und legen gleich mal munter los: Empfehlung Nummer eins kommt aus Australien, genauer aus Brisbane und nennt sich FeelsClub. Die fünfköpfige Band fühlt sich augenscheinlich unter der Discokugel am besten aufgehoben, nach einer Reihe von feinen Singles (Beispiele "Come On" und "1x1") kommt nun mit "Deadlights" das neueste Exemplar in Umlauf.

Wargirl: Keine Verwechslungsgefahr

Ziemlich geschickt, wenn man sich die Eingangssequenz der neuen Single gleich mal von einer der mutmaßlich größten Rockbands des Universums borgt: Marika Dahlin, Tamara Raye und Enya Preston stammen aus dem sonnigen Kalifornien und haben sich neben drei Drummern (!!!) für ihre Band den hübschen Namen Wargirl zugelegt - gerade ist das Video zu besagtem Stück "Arbolita" erschienen, gleichzeitig der Titeltrack ihrer aktuellen EP, die sie in den nächsten Tagen auch auf zwei Terminen in Deutschland vorstellen wollen. Von der Namensverwandtschaft zu den ebenfalls aus der Gegend stammenden Warpaint sollte man sich übrigens nicht irritieren lassen, das hier geht dann eher in Richtung Afrobeat meets Jazz plus Rock.

09.12.  Hamburg, Cloud Hill Studios
12.12.  Berlin, Bassy Club



Dienstag, 5. Dezember 2017

Ho99o9: Wilde Mischung

Ho99o9
Support: Kate Mo$$
Strom, München, 4. Dezember 2017

Das würde man dann doch irgendwie gern mal sehen. Wie also die beiden Jungs von Ho99o9, ursprünglich New Jersey, jetzt Los Angeles, als Überraschungsgäste aus der Torte auf einer Veranstaltung ultrakonservativer Altrepublikaner auftauchen und dort, wie gerade in München, ein buntes Medley aus ihrem jüngst erschienenen Debütalbum „United States Of Ho99o9“ zum Besten geben. Spontan fällt einem für solche Inszenierungen natürlich Quentin Tarantino ein, der seinen Protagonisten, ob schwarz oder weiß, gern mal bitterböse Überzeichnungen wie die von den „durchgeknallten Crack-Niggern“ in den Mund legt, wohl wissend, daß die Provokation zieht und durch die Bank alle ordentlich verwirrt und vor den Kopf gestoßen sind. TheOGM und Eaddy wissen um ihre Wirkung, bekennenende Punks die sie sind („punk in itself isn’t a colour“), großartige Lust, über die allgegenwärtigen Rassenprobleme zu reden, haben sie dennoch nicht.



Die Tracks sprechen (oder besser: brüllen), so die Meinung der beiden, ihre eigene, unmissverständliche Sprache, da muß man nicht auch noch versuchen, das Ganze gesprächstherapeutisch aufzuarbeiten. Ohnehin stellen sie recht schnell klar: „We came to Munich to party!“ In Fachkreisen nennt man das auch gern mal einen „no-brainer“ – Volume auf Anschlag, Bier in den Becher (bzw. postwendend Richtung Saaldecke) und ab dafür. Angeblich sind die beiden ja mit Sum 41, Hanson, Papa Roach und Milli Vanilli („those motherfuckers that were lip syncing”) sozialisiert worden, später muß dann aber schon noch etwas passiert sein, denn die Mixtur, mit der sie jetzt unterwegs sind, klingt, als hätte jemand Body Count, Rage Against The Machine, Burning Spear, Living Colour und The Prodigy in ihre Einzelteile zerlegt, hernach falsch zusammengebaut und nochmal durch den Schredder geschickt: Aus der Konserve dröhnen grelle Gitarrenriffs und geloopte Geräuschfetzen, hinzu kommen kreischende Industrial-Beats und der Wumms eines zusätzlichen Livedrummers. Und natürlich die Brachial-Rap-Attacken der beiden am Mikro.

Es ist nicht ganz einfach, bei der wild tobenden Menge einen Platz im Rund zu finden, auf dem man sich nicht um seine körperliche Unversehrtheit sorgen muß – Powerpogo rules. Kurz unterbrochen wird der wilde Tanz von einem Sample, das offensichtlich nicht nur bei Superstar Kendrick Lamar großen Anklang gefunden hat – auch Ho99o9 bedienen sich für eine Atempause bei Boris Gardiners souligem Evergreen „Every Nigger Is A Star“, danach geht die Moshpit in die nächste Runde. Musik muss man das Ganze vielleicht nicht gerade nennen, Sound trifft es weitaus besser. Dennoch geben sich Ho99o9 eine kleine Spur konventioneller als ihr Support Kate Mo$$. Die können es zwar nicht mit der geballten Körperlichkeit von TheOGM und Eaddy aufnehmen, haben dafür aber eine twerkende GoGo-Tänzerin im SM-Kostüm dabei, die gegen Ende des Sets angestrengt versucht, auf die Bühne zu kotzen. Wer’s mag, ist begeistert. Zum zünftigen Abschluss dieses Jahres jedenfalls taugt der Abend allemal.

Miya Folick: Alles richtig [Update]

Sie hat wohl alles, was es zu einem Star braucht und will doch keiner sein: Grimmiger Blick, kratzige Gitarren, Selbstbewußtsein nicht zu knapp - Miya Folick macht momentan alles richtig. Nach ein paar Achtungszeichen zur Einstimmung hat die junge Dame aus Los Angeles gerade ihre nächste EP "Give It To Me" via Terrible Records angekündigt, dazu gibt's neben dem neuen Look (der ein wenig an die junge Sinead O'Connor erinnert) mit "Trouble Adjusting" auch eine weitere Single zu hören.

Update: Eine neue, altbekannte Ballade, mit der sie Joni Mitchell die Ehre erweist - "Woodstock", jetzt auch noch mit einem schön choreografierten Video. Obendrauf die restlichen Songs der EP, endlich im Gesamtpaket.



Montag, 4. Dezember 2017

Comte De St Germain: Vielgestaltig

Wieder so ein Zufall, von dem man nicht so genau weiß, wie er denn zustandegekommen ist: Joseph Johns aus dem australischen Brisbane hat gerade seine Debütsingle unter dem Moniker Comte De St Germain veröffentlicht, einem Namen also, den das Auskenner-Portal Wikipedia als erfindungsreichen Hochstapler, Okkultisten, Komponisten und Alchemisten kennt und um den sich seit dem 18. Jahrhundert zahlreiche Mythen ranken. Etwas diesseitiger klingt dagegen die Musik des jungen Mannes, das Stück nennt sich "Down To The Wire" und erinnert, das ist das witzige, tatsächlich an die Londoner Post-Punk-Band Wire. Gewollt oder nicht, der Song ist in Zusammenarbeit mit Arni Arnason von The Vaccines entstanden, die nächste Kostprobe ist schon auf den Februar 2018 terminiert.

Samstag, 2. Dezember 2017

I'm Not A Band: Unerschrocken

Bei zehn Grad in die Nordsee getaucht, wer wären wir denn, wenn wir das nicht zu würdigen wüssten: Stephan Jung und Simon Ortmeyer aka. I'm Not A Band haben sich für ihr aktuelles Video zum Song "Mirror" an und sogar ins winterliche Wasser gewagt. Der Song handelt ja eigentlich von der Suche nach einem seelenverwandten Menschen, in Anbetracht der kalten Nässe ließe sich allerdings auch die Frage stellen: Wie weit bist Du bereit, für den anderen zu gehen? Natürlich ist es nicht allein die Überwindung, die hier honoriert wird - der Song selbst, das versteht sich, ist den Post auch wert und stammt vom feinen Album "Past Forward", das bereits im September erschienen ist.

The XX: Wie nur wenige

Kein neues Album, keine aktuelle Single. Und trotzdem der Hinweis auf eine der faszinierendsten Bands des letzten Jahrzehnts (doch, so groß kann man es wohl fassen): The XX haben gerade eine knapp zehnminütige Kurzdoku zu ihrem Konzert auf dem diesjährigen Berliner Lollapalooza-Fest geteilt, weniger Liveaufnahmen als vielmehr der Versuch von Regisseurin Sylvie Weber, bei den Anhängerin des Trios zu ergründen, was denn den originären Reiz dieser Musik für sie ausmacht. Und man kommt schnell zur Erkenntnis, daß das Trio in jeden der Gesprächspartner etwas ganz Eigenes zum Klingen, zum Schwingen bringt, unbewusst zarte Bande zu Nerven, Hirn und vielleicht sogar der Seele zu knüpfen scheint und so eine Verbindung herstellt, gipfelnd im Gefühl, für einen kurzen, seltenen Moment verstanden worden zu sein. Und das gelingt nun wirklich nicht oft.

Freitag, 1. Dezember 2017

Astroboy: Gern mal durcheinander

Gleich noch mal laut, diesmal kommt der feine Krach direkt aus der Hauptstadt: Astroboy sind ein Trio aus Berlin, das sich nach Selbstauskunft dem Fuzz-Pop verschrieben hat. In exakt vierzehn Tagen erscheint bei StoneFree Records ihre Doppel EP "Boy/Girl" mit insgesamt zwölf Songs, bereit, die vorhandenen Schubladen samt enthaltener Geschlechter-Klischees zu öffnen und den Inhalt kräftig durcheinander zu mischen. Hier schon mal das Video zu "Youth" (BOY) und die Vorabsingle "Ellie" (GIRL) - fertig, los!



Charlotte Gainsbourg: Frau im Spiegel [Update]

Charlotte Gainsbourg
„Rest“
(Because)

Anlass hätte es sicher schon früher gegeben, vielleicht ist aber gerade jetzt und mit diesem Album der richtige Zeitpunkt für das folgende, wenig überraschende Resümee: Der Pop und der Rock (meint hier: der interessante, spannende, risikofreudige, provokante, you name it) ist noch ein Stück weiblicher geworden im Jahr 2017. Um diese Zeit kann man ja erfahrungsgemäß auf die laufende Saison den Deckel draufmachen, die Schwergewichte sind in der Regel durch, es folgen noch die Weihnachtsjingles und der Best-Of-Wahnsinn, dann ist Ruhe. Schön deshalb, das Ganze mit zwei auf sehr verschiedene Weise überaus gelungenen Werken abzuschließen. Zu Björk an anderer Stelle, Charlotte Gainsbourg jedenfalls hat mit dem Nachfolger zum 2009er „IRM“ noch einmal einen weiteren, großen Schritt nach vorn gemacht. Die Frau, die in ihrem Brotberuf, der Schauspielerei, regelmäßig an ihre Grenzen und (wie bei Lars von Triers Dreigespann "Antichrist", "Melancholia" und "Nymphomaniac") darüber hinaus geht, hatte sich für dieses Album entschlossen, die Songs höchstselbst zu schreiben, folglich ist die Platte wohl ihre persönlichste und in Anbetracht der zu bewältigenden Themen auch die intensivste geworden.



Natürlich muss sie sich, ob gewollt oder nicht, noch immer von der grenzenlos geliebten und verehrten Vaterfigur emanzipieren, hinzu kam der Tod der Schwester Kate Berry im Jahr 2013. Diesem Verlust folgte das Trauma, die Abnabelung zugunsten ihrer eigenen kleinen Familie und der Umzug aus der Heimatstadt Paris nach New York. Ein kompletter Neuanfang also, dem man auf „Rest“ in jedem der teils in französisch, teils in englisch gesungenen Stücke nachspüren kann. Schon der Titel gibt ja in seiner Doppeldeutigkeit reichlich Assoziationsanreiz, kann man ihn doch sowohl mit „Rest in Peace“ als auch dem Wunsch nach dem Bleiben und Verweilen interpretieren. Was bei „Lying With You“ noch sehr verhalten und zärtlich klingt, bekommt mit zunehmender Spieldauer eine immer drängendere Komponente, die sich in dem wunderbarn Neo-Disco-Sound manifestiert, den sie ja schon vor Jahren mit Unterstützung Becks angedeutet hatte. Jetzt pumpt und funkt und wippt es herrlich ungezügelt dahin, schon „Deadly Valentine“ (das Video als hübsches Sinnbild auf den Lauf des Lebens, gemeinsam gedreht mit Devonte Hynes aka. Blood Orange) ist nicht weniger als ein veritabler Pophit.



Die Zusammenarbeit für den Titelsong mit Daft-Punk-Hälfte Guy-Manuel de Homem-Christo macht sich ebenfalls bezahlt, hier wie an vielen anderen Stellen gelingt Gainsbourg Leichtigkeit, wo Schwergewichtiges besungen wird. Lässig spotzende Synthesizer zu federnden Beats, Streicher- und Pianoakkorde an ausgewählten Stellen und überall ihre markante Stimme, mal nur als sanftes Wispern, dann wieder geschmeidiger, warmer und volltönender Gesang. Der Spagat zwischen luftigem Stil und melancholischem Textwerk gelingt ihr bravourös, einen Song wie „Dans Vos Airs“ wird man – nicht nur in diesem Jahr – in nur wenigen Werken finden, auch das eher zackige „Songbird In A Cage“ entwickelt mit der Zeit eine ganz eigene Dynamik, die man so nur selten zu hören bekommt. Der Quelle ihrer Inspiration etwas näher kommt man vielleicht bei der Lektüre eines Interviews in der FAZ, dort steht die so simple wie lebenskluge Feststellung zur Partnerschaft: „Das Leben ist nicht einfach, beständig, ruhig. Deshalb fühlen wir uns auch so lebendig miteinander. Wir hatten viele Leben, viele verschiedene Leben: Wir sind unterschiedlich, und wir sind zusammen gewachsen.“ Ein schöneres Spiegelbild davon kann man wohl nicht bekommen.

Update: Das dritte Video im Bunde, hier eine Regiearbeit der Künstlerin selbst zur Hommage an den Vater Serge Gainsbourg - "Lying With You".

The Limiñanas: Mit vereinten Kräften

Wir hatten es gehofft, nun ist's soweit: Die hochverehrten Frenchies The Limiñanas sind ja im November mit ihrer feinen 12" "Istanbul Is Sleepy" vorstellig geworden, mit dabei der Titeltrack, eingesungen mit dem nicht minder geschätzten Anton Newcombe. Dieses Stück findet sich nun auch auf dem für den 19. Januar via Because Music angekündigten Album "Shadow People". Zu diesem Titelsong wiederum gibt es ebenfalls ein Joint Venture plus Video zu vermelden - keine Geringere als Schauspielerin Emmanuelle Seigner, bekannt aus Filmen mit Godard, Polanski, Ozon und Julian Schnabel, hat sich für den Videodreh Zeit genommen. Wir warten in gespannter Vorfreude ...

Donnerstag, 30. November 2017

No Age: Haarige Angelegenheit

Auch schon wieder ganze fünf Jahre alt: Das letzte Album der kalifornischen Noise-Kombo No Age hieß "An Object" und datiert auf den Sommer 2013, nun schicken sich Randy Randall und Dean Allen Spunt an, Anfang 2018 die fünfte Platte hinterher zu schicken. "Snares Like A Haircut" soll am 26. Januar erscheinen und Stand heute kennen wir davon zwei Stücke - "Soft Collar Fad" und ganz frisch "Drippy". Live sind sie übrigens im nächsten Jahr zunächst in Hamburg gemeldet.

21.03.  Hamburg, Hafenklang

St. Vincent: Kehrseitenmusik [Update]

St. Vincent
„MASSEDUCTION“

(Loma Vista)

Natürlich sagt man so etwas nur hinter vorgehaltener Hand und auch dann noch ganz, ganz leise, denn hier sind Missverständnisse vorprogrammiert: Aber ist es nicht so, daß Männer, die sich selbst medienwirksam zu erbitterten Kämpfern für die Rechte der Frau, gar zu entschlossenen Feministen ausrufen, immer ein wenig suspekt, wenn nicht sogar etwas albern wirken? Denn auch wenn Intention klar und das Ansinnen ehrbar ist, wirkt es doch manchmal so, als wolle der Herr im Haus zeigen, wie man einen ordentlichen Feldzug führt, um am Ende des hoffentlich siegreichen Gefechts freudestrahlend prahlen zu können, ohne ihn, den Mann also, wäre das alles nicht so toll gelaufen? Nun gut, ganz so steil ist diese These auch wieder nicht, Fakt scheint jedenfalls: Gäbe es mehr Frauen vom Format einer Annie Clark aka. St. Vincent, wir müssten uns solche umständlichen Gedanken gar nicht erst machen.

Denn wie kaum eine andere Künstlerin ist sie bereit, jedweden weiblichen Wesenszug, ob körperlichen Schlüsselreiz oder bestechenden Intellekt, mit fröhlichem Lächeln in die Waagschale des Geschlechterkampfes zu werfen. Kopf und Bauch, Hirn und Herz, Liebe und Lust, zärtliche Sanftmut und knallender Peitschenhieb – sie kann all das und mehr nach Belieben abrufen und tut es, wie man hört, auf dem neuen Album mit zunehmender Freude. Wer sie zu Platte befragen wollte (so war in der zu ZEIT lesen), musste sich dazu in einen pinkfarbenen Holzkasten zwängen, Deutungen ihrer Texte begegnet sie geduldig, aber distanziert, verweist lieber darauf, dass ihre Songs wie die Bilder eines Rohrschach-Tests funktionieren – es könne und solle sich jeder seinen Teil daraus nehmen, eine Deutungshoheit gebe es nicht, biographische Bezüge Fehlanzeige.



Viele Freiheiten also, die sie sich nimmt und ebenso viele, die sie dem Hörer und der Hörerin anbietet. Der Sound, abgemischt vom experimentierfreudigen Treibauf Jack Antonoff, ist eine brodelnde Mischung aus bratzigem Gitarrenbrett, pulsierender Tanzmucke mit komplett geplündertem 80er- und 90er-Arsenal und zwischengeschobenen Atempausen wie dem wunderbaren „New York“ oder der Anmut von „Slow Disco“ gegen Ende der Show. Mit der Frage „Am I being seduced, or am I the seducer?” macht St. Vincent das Titelthema im dazugehörigen Song auf, holt ein paar Queen-Loops aus der Requisite und ergänzt: „I can't turn off what turns me on!“ Wir sind immer beides, die Verführten und die Verführer, wir ereifern uns über die Allgegenwärtigkeit und die Oberflächlichkeit des medialen Zirkus und mischen doch selbst ganz gern kräftig mit.

So ist das Album auch ein Stück Bewusstheit und Achtsamkeit, für die schnellen, überdrehten Momente, aber auch für die Kehrseiten der Umtriebigkeit. Wer die richtigen Pillen hat, hält zwar länger durch, ist aber auch nicht glücklicher, geschweige denn gerettet. Antworten sind nicht zu holen, die Zukunft ist ungewiß und wird es bleiben, die Liebe bringt Trost, aber manchmal eben auch den Schmerz. Ein paar Zeilen dazu gibt’s ganz zum Schluß: „And sometimes I go to the edge of my roof and I think I'll jump just to punish you. And if I should float on the taxis below, no one would notice, no one will know. And then I think what could be better than love, than love, than love?“ Ein buntes, zuweilen fast grelles Album ist das geworden, das keiner Versuchung widerstehen will und alles probiert. Wahrhaftig, trotzig, ein unendlicher Spaß, der immer auch eine traurige Kehrseite hat. http://ilovestvincent.com/

26.10.  Berlin, Huxley‘s

Update: Zum Ton das Bild - hier noch der Clip zur Single "Pills".

Other Creatures: Hoffnung für die Insel [Update]

Ganz ehrlich, viel zu lachen haben die Iren im Moment nicht. Rund um die Uhr bekommen sie auf den Deckel, weil sie mit dem Apfel-Konzern einen fragwürdigen Steuerdeal aushandelten, ihr Nationalheiligtum Bono steckt wegen seiner Liebe zu offshore platzierten Briefkästen selbst knietief im Shitstorm und wenn heute Abend auch noch die Quali gegen die lustigen Dänen danebengeht, ist man auf der Insel endgültig bedient. Da tut es gut, wenn wenigstens das Kerngeschäft, also weniger das Trinken, sondern eher das Singen, noch halbwegs funktioniert. Drei Jungs aus der Hauptstadt Dublin versuchen nämlich gerade recht erfolgreich, irischen Indierock auf den Radar zu schieben - zwei Stücke haben Dave Rogers, Fionn Fitzpatrick und Konrad Timon unter dem Namen Other Creatures abgeliefert und diese zeugen wenigsten von großem Talent, wenn es ums Songwriting geht. Das erste Kurzformat wie "The First EP" heißen, bei Trout Records erscheinen - hier also "Luxembourg" und das neue "Soft And Sweet".

Update: Auch auf der EP der neue Song "Birthal", für den hier den dazugehörigen Videoclip gibt.



The Soft Moon: Kriminelle Energie [Update]

Hatten wir schon erwähnt, daß Luis Vasquez aka. The Soft Moon ein neues Album angekündigt hat? Wenn nicht, dann nur, um den Spätsommer da draußen nicht unnötig zu irritieren, denn wenn der von den Plänen des Kaliforniers erfährt, ist schnell Schluß mit warm und sonnig. Einst bei Captured Tracks unter Vertrag, hat Vasquez kürzlich bei Sacred Bones unterschrieben und dort plant er seinen Einstand mit "Criminal", so der Name der Platte, für Februar 2018. Am tiefschwarzen Stil des Mannes hat sich ansonsten nicht viel geändert, überzeugen kann man sich davon auch anhand des ersten neuen Songs "Burn" mit Videoclip von Kelsey Henderson. Ein Statement oder besser ein Eingeständnis zum Werk selbst gibt es vom Künstler auch, er meint: "The concept of Criminal is a desperate attempt to find relief by both confessing to my wrongdoings and by blaming others for their wrongdoings that have affected me."

Update: Die nächste Single heißt "It Kills" und kommt zusammen mit Video und Tourdaten.

02.02.  Baden, One of a Million Festival
11.02.  Berlin, Urban Spree
12.02.  Berlin, Urban Spree
07.03.  München, Kranhalle
08.03.  Leipzig, UT Connewitz
09.03.  Hamburg, Hafenklang
10.03.  Köln, Gebaude 9
11.03.  Saarbrücken, Garage Club