Dienstag, 25. Oktober 2016

Leonard Cohen: Zum letzten Abendmahl

Leonard Cohen
„You Want It Darker“
(Columbia)

Eigentlich hatte der Mann seinen Abschied ja schon gebührend vorbereitet, sein letztes Album schloß bekanntlich mit den Worten: „You got me singing, even tho‘ the world is gone, you got me thinking, that I'd like to carry on. You got me singing, even it all went wrong, you got me singing the Hallelujah song.“ Viel schöner kann man ein letztes Mal nicht in die Runde grüßen. Nun gilt der über achtzigjährige Kanadier bei seinen Fans zwar ohnehin als unsterblich, für dreißig Minuten und acht wunderbare Songs hatte er aber schon noch Luft. Und wo David Bowie in diesem Jahr seinen Abgang mit „Lazarus“ („Look up here, I’m in heaven…“) auf spektakulärste Weise inszeniert hat, wählt Cohen die Ansprache – nach oben wie nach unten. Ihr wollt es also dunkler, düsterer haben? Kein Problem, blasen wir die Kerzen aus, machen wir Schluss. Und sonst: „I’m ready, my Lord!“

Der Mann hat sich also für sein (nach seriösen Schätzungen) vierzehntes Album zum finalen Schlußgesang entschieden und er zelebriert ihn nach allen Regeln der Kunst. Für den Einstieg wählt er als Unterstützung den Montreal’s Synagogue Choir und läßt den ersten Song gleich wie einen über die Maßen feierlichen Grabeschoral klingen. Im Gegensatz zum nicht weniger geschätzten Johnny Cash, dessen Stimme durch die anhaltende Krankheit in den letzten Lebensjahren schon arg in Mitleidenschaft gezogen war, ist bei Cohens markantem Brummbass im Übrigen keine Schwäche heraushören – er raunt noch immer in Untiefen, die unsereiner noch nicht einmal nach mehreren durchzechten Nächten und dauerhaftem Zigarrengenuß zuwege bringt.

Waren auf “Popular Problems” noch Stücke mit gebremstem, aber gleichwohl recht lebendigem Blues und Soul zu vernehmen, ist auf “You Want It Darker” alles komplett (und dem Anlaß angemessen) verhalten und ohne jede aufgeregte Betriebsamkeit angelegt, Cohen konzentiert sich und die Arrangements vollends auf den Text und gibt uns einiges zum Nachdenken mit auf den letzten Weg. Religiöse Anspielungen sind ja bei ihm keine Seltenheit, hier findet man sie in fast jedem Stück: Ob es Jesus ist, der den Wein zu Wasser und wieder zurück gewandelt hat und mit dem der alte Herr wohl gern ein Abkommen getroffen hätte (“Treaty”) oder dessen Märtyrertod, der Sündenfall Adams und jede Menge Engel und Teufel (“On The Level”), man meint viel von dem Kampf zu spüren, der Cohen wie jeden Altersgenossen umtreibt, wenn es auf’s Ende zugeht.

Nur wenige bekommen das allerdings in so vollendeter Form hin. Die Stücke sind ausnahmslos großartig, daß sein Sohn coproduziert hat und auch die ehemalige Lebensgefährtin Sharon Robinson kurz mit von der Partie war, sind da nur Randnotizen. Der ergraute Grandseigneur glänzt ein weiteres Mal mit sorgsam geschliffenen Versen, gewohnt lakonisch, altersweise und ohne jede Reue. Letzte Bekenntnisse zu Hauf: „I was fighting with temptation, but I didn't want to win, a man like me don't like to see temptation caving in”, später: „I don't need a reason for what I became, I've got these excuses, they're tired and lame, I don't need a pardon, no, there's no one left to blame. I'm leaving the table, I'm out of the game” – da weint nicht nur die Geige im Hintergrund. “Steer Your Way” an letzter Stelle wird hoffentlich nicht sein finaler Song sein, sollte es dennoch so kommen – es wäre ein würdiger Schlußpunkt. https://www.leonardcohen.com/

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