Frank Ocean
„Blond“
(iMusic)
Ob nun „Blond“ oder „Blondee“, die Fragen werden kommen: War‘s das jetzt? Kommt da noch was? Und überhaupt: Ist es das, worauf wir so lange gewartet haben? Frank Ocean ist ganz sicher einer der begnadedsten Musiker der letzten Jahre, ohne ihn gäbe es den RnB moderner Prägung in dieser Form nicht, der Sound seines Mixtapes „nostalgia.Ultra“ und des Debüts „channel.Orange“ haben einer ganzen Generation von Musikern als Blaupause gedient und zugleich einen Maßstab gesetzt, den die zahlreichen Nachahmer und Hear-a-likes dann schwerlich erreichen, geschweigedenn übertreffen konnten. Doch warum so schnell? Ob dieses „Alles muss raus!“, die ganze verrückte Veröffentlichungshektik der letzten Wochen rund um ein fiktives Album namens „Boys Don’t Cry“, das dann doch eine Finte war und plötzlich wieder ganz anders hieß, einem gewissen (branchenüblichen) Gruppenzwang folgte? Weil doch die ganze Possé um Beyoncé, Kanye West, Kendrick Lamar, Drake, Chance The Rapper – you name it – unablässig am Verlautbaren, Herausposaunen und Dementieren war und man keiner ist, wenn man da nicht mittut?
Dabei ist „Blond“ beileibe nicht schlecht gelungen, klingen gerade die ersten drei Stücke „Nikes“, „Ivy“ und „Pink+White“ durchaus inspiriert und hätte einen guten Einstand für den lang erwarteten Nachfolger abgeben können. Dummerweise wird es danach nicht noch besser, sondern eher beliebiger, die Platte (so sie denn überhaupt eine ist) zerfasert zusehends und läßt es an einer verbindlichen Struktur fehlen. Die Eigenheit, solche Werke durch eine Vielzahl von Intros, Outros, Interludes und Skits zu unterbrechen, ist ja nun keine neue, verleitet aber seit jeher dazu, allzu sorglos mit den Hörgewohnheiten der Rezipienten umzugehen, die sich gern mal länger als anderhalb Minuten auf eine Idee, eine Dramaturgie konzentrieren würden, vielleicht auch dabeisein wollten, wie sich ein Stück langsam entwickelt, wie sich ein Kern herausschält und das Schemenhafte sich langsam ordnet und an Form gewinnt. Bereitschaft und Geduld braucht es dazu auf beiden Seiten. Der Triumph, mit halbfertigen und dennoch grandiosen Demos die Kritik im Sturm zu nehmen, wie es kürzlich Lamar mit „Untiteled. Unmastered.“ vorgeführt hat, wird nicht vielen gelingen.
Trotz allem hat „Blonde“, mehr als das verwegene Klang- und Geräuschpuzzle „Endless“, das Tage vorher im Netz erschien, natürlich eine Reihe schöner Höhepunkte zu bieten. Ocean kann mit seiner Stimme immer noch beides bringen: Die lässige Beiläufigkeit, die alles so herrlich lazy und verschlurft klingen läßt, so dass sich beim Zuhören unmittelbar eine angenehme, betäubte Mattigkeit einstellt. Und zugleich diese unglaublich irisierende, erotische Aufgeladenheit, für die es völlig unerheblich scheint, wer gerade welchem Geschlecht sein Herz ausschüttet. Das Heer an tatsächlichen Produzenten und angeblicher Begleitprominenz (Pharrell Williams, Tyler The Creator, Rostam Batmanglij, Jamie xx,…) hat zudem mit schillernden Cocteau-Twins-Hooks, hübsch geloopten Synthiesequenzen, Wolfsgeheulwahwah („Self Control“), Streicherkitsch und jeder Menge dicker Beats eine angemessen aufwändige Kulisse für den Crooner bereitgestellt. Leider können die Songs gegen Ende, bei aller Zerrissenheit, einen gewissen Gleichklang nicht verleugnen, Abwechslung auf wäre hier sicher ein guter Ratgeber gewesen. Aber wer weiß, vielleicht sollte sich Frank Ocean, wie jeder ernstzunehmende Künstler auch, einen feuchten Dreck um unsere Erwartungen scheren, in seinen weißen Ferrari steigen und der Welt im Rückspiegel den Mittelfinger zeigen…? http://boysdontcry.co/
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