Beginner
„Advanced Chemistry“
(Vertigo)
Natürlich ist das krass. Ganze sechsundzwanzig Jahre nach Startund noch ne Halbzeit nach dem letzten Album kommen Eizi Eiz, Denyo und DJ Mad provozierend locker um die Ecke geschlendert und bringen eine Platte, die den Respekt und die History schon im Namen spazieren trägt. Was es ist: Eine Hommage an die Anfänge des Deutschrap und eine Meßlatte für die Nachgeborenen, die Beginner nach den Beginnern, die nexte Generation, eine Lehrstunde in Sachen Coolness und tighter Lässigkeit. Band mit Geschmack also, und: Haltung. Was es trotzdem nicht ist: Ein politisches Statement. Hätte es werden können. Nach Mölln, Solingen, Lichtenhagen und Hoyerswerda (jawoll, haben sie alles in der Timeline) gäbe es zur Zeit ja wieder genügend Gründe, mal richtig Rabatz zu machen, Mollis werfen, Häuserkampf, solche Sachen. Braucht es aber nicht. Zumindest nicht von ihnen, denn ein jeder weiß um die Seite, auf der sie stehen und für eine plattes Haudrauf sind die drei Reimedrechsler ohnehin nicht zu haben. Da schauen dann wie Worterbsenzähler trübe aus der Wäsche, kaum Agitrap, kaum Nazihitlerantiantifa, nicht das erwartete AhEfDe-Bashing, sondern lieber ganz zum Schluß („Zu Hause“) eine düstere Vision für „das Land, das die Depression erfand“, das in grauer Gleichmacherei ein jämmerliches Dasein fristet, migrationsarm und völlig „unterfremdet“.
Lieber und besser feiern die Beginner sich selbst und ihre Rückkehr in die Business Class, wo die schon nicht mehr sitzen, die sie einst noch dissten. „Advanced Chemistry“ kommt mit ganz viel kernigem Drive und fettem Groove daher, hier werden gleich zum dreifachen Einstieg gemeinsam mit Gzuz, Gentleman und Samy Deluxe superlocker Geschichte und Einstellung gekickt. Man kann (jetzt erst recht) über sich lachen, weil die ersten Demos wie die ersten Demos klangen und selbst für Spex-Leser eine Zumutung waren. Egal, auch damals ging es schon um „Texte mit ner Aussage“ und dass die Beginner den Flow über dem Inhalt nie vergessen haben, machte und macht sie auch heute noch so einmalig. Hier und jetzt ganz viele Gäste: Dendemann ganz soulful für „So schön“ und Haftbefehl mit satten Technoraps bei „Macha Macha“, das läuft gut, das funktioniert, klingt frisch, authentisch und immer noch nach Können, nie nach Wollen.
Wer dreizehn Jahre an einem Album arbeitet, der hatte massig Zeit, da kann das schnell mal verkopfen oder überambitioniert kommen. Nicht so hier – den dreien hört man an, daß sie Bock auf das Comeback hatten. Und die Zeit ist gut gewählt, weil es momentan richtig viele gute Sachen zu hören gibt (neben einer ebensogroßen Menge Mist). Wer sich da noch mal an die Spitze setzen kann, verdient jeden Respekt. Nicht mit den krassesten Rhymes, sondern einem Sound, der sich alles einverleibt, was neben „ram pam pam“ und „um chagga lagga“ so alles Spaß bringt. Oldschoolscratches („Rambo No. 5“), LoFi-Adressen an das Bo („Rap und fette Bässe“), Bläsersets und dicken Reggae („Schelle“) – die Mischung passt und ist für drei „Neanderdigitaler“ geradezu up to the top. Textlich ist die Nummer vier Dank Delay und Denyo, auch wenn sie in der Tiefgarage ihre Bobby-Cars geparkt haben, in der Premium-Suite untergebracht, zuweilen kratzen sie mal haarscharf die Correctness-Kurve („mein Körper ist wie Dresden ‘45“/Kater), geht aber alles in Ordnung. Souverän, genau. Und: Grund zum Feiern. Oder mit des Künstlers eigenen Worten: „Wie viele Bands gibt es, die das 25 Jahre machen – und dabei so wenig Scheiß produziert haben?“ http://www.beginner.de/
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