How To Dress Well
„What Is This Heart?“
(Domino Records)
Selbstportraits auf Plattencovern sind eine heikle Angelegenheit, die Gefahr, dass sie eitel oder albern wirken, ist groß. Dann doch lieber abstrakte Kunst oder befreundete Vierbeiner, das ist dekorativ und deutlich unverfänglicher. Nun, Tom Krell alias How To Dress Well ist weit davon entfernt, abstrakt oder gar unverfänglich zu sein, es gibt eigentlich nicht viele Musiker zur Zeit, die ihre persönliche Gefühlswelt derart offensiv und ungeschützt in die Auslage stellen – der fast schon ikonografische Covershot war also so zwangsläufig und angebracht wie selten. Ein leicht verzweifelter, wehmütiger Blick, der etwas an die mittelalterlichen Darstellungen des Heiligen Sebastian erinnert, wie er da, von Pfeilen durchbohrt am Marterpfahl steht – nur dass dieser nach oben schaut, eine Richtung, aus der Krell, Philosophiestudent, keine Hoffnung zu erwarten scheint.
Mehr noch als bei seinen ersten beiden Platten ist die unverstellte Preisgabe der eigenen Befindlichkeit die Sache des Amerikaners, passend dazu äußerte er kürzlich in einem Interview mit der SPEX: „Ironie ist der Tod der Seele. In meiner Musik gibt es keinen Raum für Kitsch. Sie ist kein Spiel, mit dem ich genausogut auch wieder aufhören könnte.“ Sagt’s und singt gleich zu Beginn vom Kindheitstrauma der sexuellen Unterdrückung („2 Years On“), keine Drums, keine störenden Ausschmückungen, nur Gitarre und Piano, der wahre Herzschmerz. Doch ganz so reduziert bleibt es nicht, schließlich zählt Krell zu den führenden Modernisierern des RnB und hat als solcher natürlich das passende Handwerkszeug dabei: träge Dampfwalzenbeats, rollende Bassloops und allerlei sorgsam arrangierte Synthakkorde.
Neben den gewohnt opulenten Balladen („Words I Don’t Remember“, „House Inside“) gibt es diesmal im Gegensatz zum eher tiefgefrorenen Vorgänger „Total Loss“ auch überraschend Poppiges. Mit „Repeat Pleasure“, „Childhood Faith In Love“ und „Very Best Friend“ kommen gleich drei Stücke mit angefunkten Timbaland/Timberlake-Beats daher – diese Qualität, wenn es denn eine ist, fehlte ihm bisher noch, da verzeiht man ihm auch glatt den leicht ins Rührseelige kippenden Ausrutscher „Poor Cyril“, den er so doch besser Enya überlassen hätte. Entscheidend aber bleibt, wie kunstvoll er Zartes und Schweres zusammenbringt, wie er seine Verletzlichkeit, seine Zweifel und Ängste unter und über die gewaltigen Klangkulissen zu schieben vermag, so dass sie im Ohr des Hörers noch nachhallen, wenn der letzte Ton bereits verklungen ist. Dazu noch ein entwaffnend simpler Satz aus besagtem Interview: „Wir müssen an Liebe und Sympathie glauben, wenn wir nicht untergehen wollen.“ Er für seinen Teil befolgt das auf dem aktuellen Album in beeindruckender Weise. http://www.whatisthisheart.com/
29.06. Berlin, Berliner Festspiele
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