Die Ärzte „Auch“
(Hot Action Records)
(Hot Action Records)
Eigentlich muß man die Überschrift um mindestens einen Pferdefuß ergänzen, denn auch nach dreißig Jahren konnte dieser Band noch keiner das diabolische Grinsen aus dem Gesicht wischen – dreißig Jahre mit der immergleichen Mischung aus allerfeinstem, pubertärem Humor weit unterhalb der politisch korrekten Gürtellinie, mit „Hau drauf!“-Mucke und sauber gefeilter „Leck mich!“-Attitüde, die meisten machen noch immer mit und wenige wissen wieso. Die drei Berliner belassen es selbst bei eher spaßig-platten Deutungsversuchen („TCR“), warum auch etwas kompliziert erklären, wenn es doch so einfach funktioniert.
Wenn die Süddeutsche schreibt, man könne froh sein, dass
sich die Band noch nicht auf‘s Altenteil zurückgezogen habe, so ist das natürlich
nur die halbe Wahrheit, denn einige Songs auf „Auch“ klingen schon verdammt
nach Zurücklehnen und „Wird-schon-irgendwie-klappen“ – einer erfolgsverwöhnten
Fußballmannschaft würde man in so einem Falle wohl fehlenden Erfolgshunger
attestieren. Ob „Bettmagnet“, „Sohn der Leere“, das alberne „Tamagochi“,
„Angekumpelt“ oder „Die Hard“ – mittelmäßige Mitgrölnummern, aus einem lustigen
Spruch versucht, einen kompletten Song zu zimmern, auch musikalisch eher dünn.
Aber Farin Urlaub, Rod González und Bela B. hätten nicht
diesen Erfolg, wären nicht diese allerbeste Band, wenn sie zum
Durchschnittlichen nicht immer ein paar einzigartige Juwelen stellen würden,
Lieder also, die nur sie auf dieser Welt so hinbekommen, dass man fast in
(naja, heiterer) Andacht erstarren möchte. Nur sie beginnen ihr zwölftes Album mit
der ketzerischen Frage an ihre Anhängerschaft „Ist das noch Punkrock?“, wohl
wissend, dass diese wie ihre Idole selbst mittlerweile im ehemals verteufelten
Spießeridyll namens „Familie“ angekommen ist. Solange man sich nicht selbst
belügt, darf und muss man also auch herzlich über sich selbst lachen können.
Als Update zur Peinlichkeit heterosexuellen Paarungsverhaltens ist „M&F“ ein wahres Schmuckstück, selten gelang ein simples „Ist doch egal“ treffender als hier: „Manche Männer lieben Männer, manche Fraun lieben Fraun, da gibt’s nichts zu bedauern und nichts zu staun, das ist genauso normal wie Kaugummikaun, doch die meisten werden sich das niemals traun“ – schönster 70er Diskoschwof drunter gemischt, fertig ist die Wunderkiste. Nicht weniger gut gelungen der Kastratentwang in „Waldspaziergang mit Folgen“, witziger kann eine Meditation über religiösen Kokolores kaum sein. Nahe dran und deshalb auf der Habenseite: „Freundschaft ist Kunst“ als amüsante Persiflage auf überkommenen Kulturlagerkoller und das breitbeinige, fast barocke Riffgegniedel des „Cpt. Metal“ als Brückenkopf gegen grassierende Formatradio-Diarrhö. „Fiasko“ resp. „Miststück“ beweisen: Die Ärzte schreiben mit knapp 50 noch immer die Tagebuchsprüche für adoleszente Rumdruckser oder mittelalte Beziehungsopfer und wirken dabei noch erstaunlich glaubhaft.
Als Update zur Peinlichkeit heterosexuellen Paarungsverhaltens ist „M&F“ ein wahres Schmuckstück, selten gelang ein simples „Ist doch egal“ treffender als hier: „Manche Männer lieben Männer, manche Fraun lieben Fraun, da gibt’s nichts zu bedauern und nichts zu staun, das ist genauso normal wie Kaugummikaun, doch die meisten werden sich das niemals traun“ – schönster 70er Diskoschwof drunter gemischt, fertig ist die Wunderkiste. Nicht weniger gut gelungen der Kastratentwang in „Waldspaziergang mit Folgen“, witziger kann eine Meditation über religiösen Kokolores kaum sein. Nahe dran und deshalb auf der Habenseite: „Freundschaft ist Kunst“ als amüsante Persiflage auf überkommenen Kulturlagerkoller und das breitbeinige, fast barocke Riffgegniedel des „Cpt. Metal“ als Brückenkopf gegen grassierende Formatradio-Diarrhö. „Fiasko“ resp. „Miststück“ beweisen: Die Ärzte schreiben mit knapp 50 noch immer die Tagebuchsprüche für adoleszente Rumdruckser oder mittelalte Beziehungsopfer und wirken dabei noch erstaunlich glaubhaft.
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