Sonntag, 22. April 2012

Mit Liebe gemacht


Spiritualized
„Sweet Heart Sweet Light“

(Domino Records)

Es bleibt eine schöne Randnotiz, dass der Bandgründer von Spiritualized (und gleichzeitig deren einzig dauerhaftes Mitglied) Jason Pierce Mitte der Sechziger im englischen Rugby geboren wurde – ein Leben, welches in einem Ort mit solchem Namen seinen Anfang nimmt, hat seine Überschrift schon gefunden: hart, roh, selten angenehm, doch nicht unterzukriegen. Ähnliches läßt sich auch von Pierce‘ Werdegang sagen, dem bei Wikipedia nicht ohne Grund eine Rubrik „Gesundheit“ beigegeben ist: Der Mann sollte wissen, wie man Nahtoderfahrung buchstabiert, so oft hat er, zwanghaft schon, die Nähe zu verschiedensten, bewußtseinserweiternden Substanzen gesucht und ebenso oft haben diese ihn an den Rand des körperlich Ruins gebracht. Nicht wenige seiner Werke und Stücke sind in dieser und durch diese Zeit gemacht und hätte er nicht gleichermaßen Glück, Genie und gehörige Nehmerqualitäten vorzuweisen gehabt – es hätte auch diese, seine siebte Platte nie gegeben.

Karl Bruckmaier, gern abgefragte Instanz musikalischen Sachverstands, adelte „Sweet Heart Sweet Light“ kürzlich mit blau hinterlegtem Kaufbefehl und den Worten: “atmet in jeder Sekunde die Liebe zur Musik“ – viel besser kann man uneingeschränktes Lob nicht auf den Punkt bringen. Pierce ist kein Mann, der sich mit Halbgarem und Beschaulichem um des Erfolges wegen zufrieden gibt, nicht dann, wenn er mit einem Song noch eine Runde extra drehen kann, wenn für die Gesamtwirkung noch eine Spur draufgesetzt werden muß. Das galt für seine Meisterwerke „Ladies And Gentlemen We Are Floating In Space“ und „Let It Come Down“ am nachdrücklichsten, das ist auch beim aktuellen Album nicht anders. Zwei satte Achtminüter hat er mit „Hey Jane“ und „Headin‘ For The Top Now“ auf „Huh?“ gepackt, beide allerschönster Psych-Rock, mal frühe Primal Scream, mal ehrwürdige Velvets, Gezeter, Gezerre, es schmirgelt, raspelt und nölt ganz wunderbar unter dem zwingenden Beat. Das kann er, das sind seine Standards, damit kriegt er einen immer – für „Get What You Deserve“ verzwirbelt er noch ein paar Streicherteppiche ins schräge Muster, „I Am What I Am“ glänzt mit souligen Backroundchören, alles mit Schmackes und, ja – „Liebe“ gemacht.

Um die geht’s auch in „Too Late“, einem anrührenden Schmachtfetzen über falsche Versprechungen, all die verdammten Gefühle und Hoffnungen, über alles, wovon man besser die Hände gelassen, wenn das Herz nicht anders entschieden hätte. Das gleiche Großkaliber auch der Bittgesang an „Mary“, angstfreier Soulrock, was muß, das muß. Bei „Freedom“ gibt Pierce den Dylan, pur, die Akustische und das Piano, mehr nicht, für „Life Is A Problem“ ist Johnny Cash zu früh gegangen, das Stück, welches etwas an den alten, gleichnamigen Bluegrassklassiker erinnert, wäre mit Sicherheit auf einer der folgenden Cover-Compilationen des Man In Black erschienen. „So Long You Pretty Thing“ darf der Mann sich dann gern für die große Oasis-Reunion aufheben – Banjo, Chöre, Bläser, alle, alles, Rock’n’Roll, herrje … schönes Ende für eine ganz dicke Nummer. www.spiritualized.com

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