Samstag, 31. Oktober 2020

Lizzy Young: Herrlich böse

Lizzy Young
„Cocoo Banana“

(GFY Records)

Durchaus tröstlich: Woran selbst das doofe Virus nichts zu ändern vermochte – auch das laufende Jahr ist in musikalischer Hinsicht ein überwiegend weibliches geworden. Denken wir an 070 Shake, denken wir an Banoffee, Jessie Reyez, Billy Nomates, Haim, Dana Margolin, Romy Vager, Adrianne Lenker, Nadine Shah und erst kürzlich Ela Minus. Starke Platten, wichtige Themen, dagegen nehmen sich Durchlauferhitzer wie Pearl Jam, The Killers und selbst der Boss himself seltsam lahm und spannungsbefreit aus. Wie sollte es auch anders sein – die einen verteidigen schwindendes Terrain, die anderen erobern es mit Wut, Verve und Inspiration. Soll keiner behaupten, die Welt wäre nicht gerecht. Und genau in diese Kerbe schlägt auch Lizzy Young, eine weitere Überraschung der Saison. Hat man sich die ersten Takte ihres Debütalbums angehört, fragt man sich schon, wie diese Frau das denn so fabelhaft zusammenbringen kann: Lässigkeit, Ernsthaftigkeit, beißenden Spott und ein klein wenig Pathos, diese dunkle Stimme, diese Eleganz. Nun, auch wenn Young schon seit zehn Jahren in New York lebt, stammt sie doch ursprünglich aus Paris und war vor ihrer Solokarriere als Bassistin unterwegs – Frage beantwortet.



Youngs Poesie, in zehn Songs gepackt, ist wunderbar sprunghaft, provokant und sehr direkt. Zum Beispiel beim Thema toxic masculinity, hier wird sie selbst für ihre Verhältnisse ungewöhnlich deutlich: „I’m tired of all those fuckers, those shit heads and that fucking garbage, I just want to dance, I just want to dance, maybe we kill all the men …“, singt sie – unmissverständlicher geht’s kaum. Wunderbar bissig auch „Obvious“, man darf annehmen, dass Young mit Begriffsstutzigkeit und offenkundiger Ingnoranz nur schwer umgehen kann, wenn sie Offensichtliches aufzählt: „If it rains outside you will be wet, if you can’t swim you will drown, if you don’t clean, it will get dirty, money makes money – I’m here to tell you the obvious.“ Schonungslose Bestandsaufnahme ist ihre Sache, ihre Beobachtungen, wie im Titelsong des Albums, sind selten angenehm, aber stets ehrlich – die Botschaft lautet: Wir sind, wie wir sind und schlagen uns mehr schlecht als recht durch’s Leben.



Dass sie all die Songs selbst eingespielt und am Rechner instrumentiert hat, macht die Stücke noch bemerkenswerter, die Art von LoFi-Pop ist ja gerade sehr en vogue und in Lockdown-Zeiten eine durchaus probate Alternative zur aufwändigen Studioproduktion samt Liveband. Die zu Recht sehr angesagte britische Solomusikerin Billy Nomates kann als geglücktes Beispiel gelten und selbst Charli XCX hat sich bekanntlich für ihre Platte „How I’m Feeling Now“ recht erfolgreich daran ausprobiert. Young bevorzugt einen sparsam arrangierten Sound zwischen Chanson, Post-Punk und Gothpop, man entdeckt in ihren Stücken eine Menge spannender Effekte, mal unterlegt mit trockenen Beats, dann wieder mit spielerischen Casiotone-Klängen, ganz wie es dem performativen Charakter der Stücke, die ja durchaus auch mal auf die Bühne sollen, dient. Wer übrigens meint, Young ließe auf ihrem Album den Spaß vermissen, der darf sich gern das Stück „She Farts While She Walks“ anhören, Humor ist eben nicht jederman(n)s Sache, haha.



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