Dass das Duo FYE + FENNEK in der Surferszene seit längerer Zeit einen erstklassigen Ruf hat, ist soweit bekannt und liegt wohl zu gleichen Teilen am Hobby der einen Hälfte und am Sound beider zusammen. Schlagworte wie Velwet und Surf Gypsies werden da regelmäßig durch's Netz gereicht und schmücken jeden Artikel über die beiden. Bei Soundcloud kann man sich eine Reihe von Tracks anhören, bei Youtube findet man die passenden Clips dazu. Dort steht unter anderem auch der für ihre letzte Single "Places" bereit, gerade kommt nun ein weiteres Stück dazu - "Clouds" heißt es und ist nicht weniger lässig als seine Vorgängern geraten.
Samstag, 30. Juni 2018
Marteria vs. Casper: Familiensache
Okay, ganz so überraschend, wie jetzt überall gefeiert wird, ist diese Kollaboration dann vielleicht doch nicht. Denn am Ende bleibt doch alles irgendwie in der Familie: Nachdem sich Marteria und Casper den geheimen Headliner auf dem diesjährigen Kosmonaut-Festival geteilt hatten, machen sie selbiges nun auch für ein komplettes Album. "1982" soll es heißen, am 31. August bei Green Berlin erscheinen und zum Vorabcover gibt es auch eine Vorabsingle samt hübsch gefiltertem Videofilmchen - hier also kommt "Champion Sound" und baldmöglichst neun weitere Tracks hinterher. Ach ja, es werden noch Vorschläge für das neue Traumpaar angenommen - #casperia ist schon mal gesetzt.
Freitag, 29. Juni 2018
Florence + The Machine: Ganz gegenwärtig
Florence And The Machine
„High As Hope“
(Island)
Vielleicht ist es nicht sonderlich originell, andauernd und überall die Geschlechterkeule auszupacken, in diesem Falle kommt man aber nicht umhin festzustellen: Schon im vergangenen Jahr kamen die wichtigen, die relevanten, die kraftvollsten Alben von Frauen, denken wir an St. Vincent, Fever Ray, Björk, Feist und Charlotte Gainsbourg. Und auch die aktuelle Saison läuft auf ein ähnlich deutliches Ergebnis hinaus – erst Janelle Monáe, dann Lily Allen und nun, tja nun kommt Florence Welch mit dieser Platte. Und zeigt damit, dass nicht nur die Zukunft, sondern schon die Gegenwart weiblich ist. Es ist die vierte, die sie zusammen mit ihrer Band abliefert und auch wenn man darüber durchaus debattieren kann, ist es wohl ihre bislang stärkste geworden. Und das nach „How Big, How Blue, How Beautiful“, einem epischen Grower, dem man auch schon den Peak ihres bisherigen Schaffens zugesprochen hatte. Aber das, was sie nun mit Unterstützung von Emile Haynie, Jamie XX und Tobias Jesso Jr. geschaffen hat, ist schlicht überragend.
So viel Energie (und schon ihren vorangegangenen Werken mangelte es daran nicht) hört man von einem männlichen Kollegen derzeit kaum, dort dominiert eher die Verinnerlichung, die zuweilen in eine gewissen Weinerlichkeit kippt, und natürlich darf man sich fragen, woran das wohl liegt. Lautstarke Männer haben es, #MeToo sei dank, momentan wirklich nicht einfach, überall regiert die (Über-)Vorsicht, die Angst vor dem Fehltritt, dem falschen Zungenschlag oder gar der eigenen Meinung. Frauen tun sich damit offenbar weit weniger schwer, sie sind den Kampf gegen Bevorteilung, Anmaßung und Unterdrückung gewohnt und kämen kaum auf die Idee, im Zuge der Gleichberechtigung leisere Töne anzustimmen. Gut so. Schon „Hunger“ zum Beispiel, das zweite Lied auf dem Album, ist eine meisterhaft geschmetterte Ode an die Jugend. Sehnsüchtige Verse über die Leichtigkeit und Sorglosigkeit derer, die, als Kinder in düstere Zeiten geworfen, diesen mit Fatalismus trotzen:
„And it's Friday night and it's kicking in, in that pink dress, they're gonna crucify me. Oh, you and all your vibrant youth, how could anything bad ever happen to you?“ Und weiter: „„You make a fool of death with your beauty, and for a moment – i forget to worry“, wer hat das zuletzt schöner besungen? Es folgt mit „South London“ der nächste Höhepunkt von vielen; Erinnerungen, große Kinderaugen, ungläubiges Staunen, dunkle Vorahnungen, die bange Frage „But did I dream too big?“ Groß ist hier alles, der Sound, soulful und dicht, Gefühle in ganzer Bandbreite, aber es gibt kein falsches Pathos zum Drama, keinen effekthascherischen Schmelz mit überkippender Stimme (wie Adele es zur Perfektion beherrscht), das hier bleibt unverstellt und bestechend klar. Der Song über die Sprachlosigkeit, die Leere, die eine Beziehung zur Qual werden läßt („Big God“ mit dem begnadeten Kamasi Washington), die Hommage an die kleine Schwester „Grace“, die doch stets als die größere empfunden wurde und eine weitere, starke Liebeserklärung für den „Northern Star“, Welchs großes Vorbild Patti Smith („Patricia“), man findet für jedes der Stücke nur Superlative.
Denn auch „100 Years“ läßt nicht nach, ist ein Mutmacher für alle, die düsteren Gedanken nachhängen und sich beim Blick auf Bildschirme und Displays von Ahnungen und Befürchtungen gelähmt fühlen, es geht um die Hybris alter Männer, um Schmerzen und Hass, doch letztendlich auch um Hoffnung: „It hurts in ways I can't describe, my heart bends and breaks so many, many times and is born again with each sunrise.“ Und wie so oft findet sich auch bei „High As Hope“ am Schluß eine Art tröstliches Vermächtnis. Mit so einfachen wie berührenden Worten singt Welsh in „No Choir“ von der Schwierigkeit, die glücklichen Momente zuzulassen, zu genießen. Wir nehmen uns vor, machen und tun, hoffen und hadern und übersehen doch, daß die kleinen Dinge nur selten von Pauken und Trompeten begleitet werden („No chorus could come in about two people sitting doing nothing“). Man könnte jetzt weiter ungebremst und mit jedem Recht lobhudeln und hochpreisen. Man könnte aber andererseits auch einfach darauf vertrauen, dass Qualität sich durchsetzt und stattdessen etwas erledigen, was man sich nicht vorgenommen hat und doch dringend mal nottut. Nichts zum Beispiel. Wir haben verstanden. https://florenceandthemachine.net/
„High As Hope“
(Island)
Vielleicht ist es nicht sonderlich originell, andauernd und überall die Geschlechterkeule auszupacken, in diesem Falle kommt man aber nicht umhin festzustellen: Schon im vergangenen Jahr kamen die wichtigen, die relevanten, die kraftvollsten Alben von Frauen, denken wir an St. Vincent, Fever Ray, Björk, Feist und Charlotte Gainsbourg. Und auch die aktuelle Saison läuft auf ein ähnlich deutliches Ergebnis hinaus – erst Janelle Monáe, dann Lily Allen und nun, tja nun kommt Florence Welch mit dieser Platte. Und zeigt damit, dass nicht nur die Zukunft, sondern schon die Gegenwart weiblich ist. Es ist die vierte, die sie zusammen mit ihrer Band abliefert und auch wenn man darüber durchaus debattieren kann, ist es wohl ihre bislang stärkste geworden. Und das nach „How Big, How Blue, How Beautiful“, einem epischen Grower, dem man auch schon den Peak ihres bisherigen Schaffens zugesprochen hatte. Aber das, was sie nun mit Unterstützung von Emile Haynie, Jamie XX und Tobias Jesso Jr. geschaffen hat, ist schlicht überragend.
So viel Energie (und schon ihren vorangegangenen Werken mangelte es daran nicht) hört man von einem männlichen Kollegen derzeit kaum, dort dominiert eher die Verinnerlichung, die zuweilen in eine gewissen Weinerlichkeit kippt, und natürlich darf man sich fragen, woran das wohl liegt. Lautstarke Männer haben es, #MeToo sei dank, momentan wirklich nicht einfach, überall regiert die (Über-)Vorsicht, die Angst vor dem Fehltritt, dem falschen Zungenschlag oder gar der eigenen Meinung. Frauen tun sich damit offenbar weit weniger schwer, sie sind den Kampf gegen Bevorteilung, Anmaßung und Unterdrückung gewohnt und kämen kaum auf die Idee, im Zuge der Gleichberechtigung leisere Töne anzustimmen. Gut so. Schon „Hunger“ zum Beispiel, das zweite Lied auf dem Album, ist eine meisterhaft geschmetterte Ode an die Jugend. Sehnsüchtige Verse über die Leichtigkeit und Sorglosigkeit derer, die, als Kinder in düstere Zeiten geworfen, diesen mit Fatalismus trotzen:
„And it's Friday night and it's kicking in, in that pink dress, they're gonna crucify me. Oh, you and all your vibrant youth, how could anything bad ever happen to you?“ Und weiter: „„You make a fool of death with your beauty, and for a moment – i forget to worry“, wer hat das zuletzt schöner besungen? Es folgt mit „South London“ der nächste Höhepunkt von vielen; Erinnerungen, große Kinderaugen, ungläubiges Staunen, dunkle Vorahnungen, die bange Frage „But did I dream too big?“ Groß ist hier alles, der Sound, soulful und dicht, Gefühle in ganzer Bandbreite, aber es gibt kein falsches Pathos zum Drama, keinen effekthascherischen Schmelz mit überkippender Stimme (wie Adele es zur Perfektion beherrscht), das hier bleibt unverstellt und bestechend klar. Der Song über die Sprachlosigkeit, die Leere, die eine Beziehung zur Qual werden läßt („Big God“ mit dem begnadeten Kamasi Washington), die Hommage an die kleine Schwester „Grace“, die doch stets als die größere empfunden wurde und eine weitere, starke Liebeserklärung für den „Northern Star“, Welchs großes Vorbild Patti Smith („Patricia“), man findet für jedes der Stücke nur Superlative.
Denn auch „100 Years“ läßt nicht nach, ist ein Mutmacher für alle, die düsteren Gedanken nachhängen und sich beim Blick auf Bildschirme und Displays von Ahnungen und Befürchtungen gelähmt fühlen, es geht um die Hybris alter Männer, um Schmerzen und Hass, doch letztendlich auch um Hoffnung: „It hurts in ways I can't describe, my heart bends and breaks so many, many times and is born again with each sunrise.“ Und wie so oft findet sich auch bei „High As Hope“ am Schluß eine Art tröstliches Vermächtnis. Mit so einfachen wie berührenden Worten singt Welsh in „No Choir“ von der Schwierigkeit, die glücklichen Momente zuzulassen, zu genießen. Wir nehmen uns vor, machen und tun, hoffen und hadern und übersehen doch, daß die kleinen Dinge nur selten von Pauken und Trompeten begleitet werden („No chorus could come in about two people sitting doing nothing“). Man könnte jetzt weiter ungebremst und mit jedem Recht lobhudeln und hochpreisen. Man könnte aber andererseits auch einfach darauf vertrauen, dass Qualität sich durchsetzt und stattdessen etwas erledigen, was man sich nicht vorgenommen hat und doch dringend mal nottut. Nichts zum Beispiel. Wir haben verstanden. https://florenceandthemachine.net/
NONONO: Weitergrooven
Und weil wir uns gerade so schön eingegroovt haben, kommt hier noch ein weiterer Leckerbissen: Über NONONO, das Trio aus dem schwedischen Malmö, haben wir hier ja schon berichtet und mit "Friends", "Masterpiece" und "Lost Songs" eine stattliche Reihe feiner Poptunes geteilt. Heute nun ist ein weiterer hinzugekommen - "Ego" wird, so sagen die Agenten, auch auf dem neuen, zweiten Album der drei Platz finden, das für den Herbst diesen Jahres angekündigt ist. Man darf sich also freuen - und jetzt schon mal vorwippen.
Your Smith: Ein Hoch auf die 90er
So, damit es auch niemand vergisst - Freitag ist Tanztag. Und da passt es ganz gut, daß wir gerade diesen wunderbaren Song von Caroline Smith aus Minneapolis hereinbekommen haben. Das Mädchen macht seit 2016 Musik, mittlerweile in Los Angeles und unter dem Moniker Your Smith, die Debütsingle "The Spot" erscheint bei Neon Gold Records, also auf dem gleichen Label, auf dem auch Charli XCX und Christine And The Queens veröffentlichen und schaut man sich das dazugehörige Video an, dann weiß man auch, warum. Eine EP ist, wie man hört in Planung, man wird dort wohl noch mehr von ihrer Passion für den Pop der 90er zu hören bekommen. Ihr Statement zu Namenswechsel und Single: “The Spot’ is the result of ... the feeling of the 90s and the warmth and dustiness of the sounds mixed with the exciting evolution of modern music; the carefree vocals and the wholly accepted blur between masculinity and femininity in the music scene. Your Smith is an embodiment of that identity. The blur, the warmth, and the familiarity. The change in name is less of a reinvention and more of an engagement with that part of me. I’m still me. I’m still your Smith.” Wissen wir also Bescheid und warten auf mehr.
The Smashing Pumpkins: Unter Beobachtung [Update]
Ja, wir werden weiterhin über den Jungen spotten, einfach deshalb weil seine Performance zwischen unbelehrbarem Trotzkopf und gepeinigtem Schmerzensmann einzigartig ist. Und ja, wir werden auch den Fort- bzw. ggfls. Niedergang seiner einstmals so herrlichen Kapelle begleiten, weil es ohne Hoffnung im Leben nicht geht. Billy Corgan hat heute die erste Single der zu 75 Prozent wiedervereinigten Smashing Pumpkins vorgestellt - "Solara" wurde von Rick Rubin produziert (was grundsätzlich mal kein Fehler sein muß) und klingt zunächst einmal wenig überraschend, also auch nicht wirklich schlecht. Eigentlich ist also alles wie früher (auch wenn mit D'Arcy Wretzky ein erhebliches Viertel fehlt), ob und wann der Wanderzirkus der "Shiny And Oh So Bright"-Tour auch nach Deutschland führt, werden wir früh genug erfahren.
Update: Das Video zum Song stammt von Nick Koenig und spart nicht mit dezenten Gruselszenen und Gastauftritten.
Update: Das Video zum Song stammt von Nick Koenig und spart nicht mit dezenten Gruselszenen und Gastauftritten.
Donnerstag, 28. Juni 2018
Oscar: Up mit Bonito
Man hatte es fast schon vergessen, aber dieser junge Mann hier mit Namen Oscar Scheller war vor zwei Jahren so etwas wie der offizielle Geheimtipp - und zwar nicht nur bei MPMBL. Sein Album "Cut And Paste" hatte tatsächlich viele schöne Songs zu bieten und die zahlreichen Anleihen bei Künstlern wie Blur, The Clash und Morrissey waren punktgenau gesetzt und keine Schande (okay, bei letzterem schaut das - time's running - mittlerweile etwas anders aus, aber es ging ja eher um die Musik). Nun hat sich der Junge aus London also mit Sarah Midori Perry von Kero Kero Bonito zusammengetan und die Single "1UP" eingespielt, ein hübsches Konsolenvideo gibt es auch noch dazu.
Mittwoch, 27. Juni 2018
Gang Gang Dance: Erfreulich deutlich
Gang Gang Dance
„Kazuashita“
(4AD)
Jeder hat ja, das ist das Schöne an der Kunst, seine eigenen Assziationen. Schaut man sich beispielsweise das neue Albumcover des New Yorker Experimatal-Kollektivs Gang Gang Dance an, also die umnebelten Steinmassive auf dem Foto von David Sherry, lenkt das die Gedanken vielleicht zu den verwunschenen Fantasielandschaften auf den Plattenhüllen der britischen Artrocker Yes. Oder zu den fast faszinierenden Traumlandschaften im Adventure-Game Myst. Alles jenseitige, fiktive Orte, da meint man, das müßte passen und liest man dazu die Songtitel von „Kazuashita“, dann glaubt man sich und die Band ohnehin auf einem New-Age-Trip. Aber weit gefehlt. Denn Lizzi Bougatsos, Josh Diamond und Soundfrickler Brian DeGraw bringen in dem artifiziellen Vielklang jede Menge sehr gegenwärtige, sogar politische Bezüge unter. Wenn auch manchmal auf Umwegen. So wird der erste von mehreren aus dem Off eingespielten Monologen im fabelhaften Track „J-Tree“ von einem Freund der drei gelesen, der Aktivist des Standing Rock Movements ist und sich als solcher für die Bewahrung von Indianerreservaten einsetzt. Ein erstes Statement.
Ein weiteres versteckt sich im gut achtminütigen Titelsong. Auch hier wird ein befreundeter Künstler dazugespielt. Oliver Payne zählt für „Kazuashita“ nacheinander die verschiedensten Farbtöne auf, der leicht federnde, später härtere, technoide Soundteppich wirkt fast meditativ und man darf annehmen, dass die Band dies auch als Hommage an die Vielgestaltigkeit und Macht der Natur verstanden wissen will. „I think if we had a religion, nature would definitely be our religion“, gab Bougatsos gegenüber Stereogum kürzlich zu Protokoll, der Ansatz, diese Botschaft in vollkommen künstliche Klänge zu übersetzen, ist in jedem Falle ein spannender. Dass Gang Gang Dance heute an mancher Stelle wie eine (computer-)zeitgemäße Variante einer anderen, berühmten 4AD-Formation, den Cocteau Twins, klingen, paßt dabei ganz gut ins Bild.
Die dritte, diesmal ziemlich direkte Botschaft folgt kurz darauf im Stück „Youn Boy (Marika in Amerika“: Bougatsos hat es, wie sie im gleichen Interview sagt, unter dem Eindruck des Films „I’m Not Your Negro“ von Raoul Peck und der aktuellen Diskussion um Polizeieinsätze in den USA geschrieben – es geht also um rote Linien, die überschritten werden, verlorene Unschuld, grassierende Gewalt, die am Ende meist die Schwächsten trifft. „Young boy in the daylight, you look so pure just playing. Young girl so innocent, beat by big hands for no reason. Is it really a surprise? Even if you do wrong, you still win me over. I know, he should be down here“, da ist nichts, was es mißzuverstehen gäbe. Die musikalische Grundierung dazu hektisch, aber kunstvoll, mit orientalischen Melodien unterlegt. Es ist insgesamt ein äußerst vielschichtiges Album, dicht und anspruchsvoll arrangiert, von Trance bis Techno, von Dubstep bis Popsong ist alles dabei, ganz so, wie man es von den dreien gewohnt ist. Und darüberhinaus ist es erfreulich deutlich im Hier und Jetzt verankert – maximale mögliche Punktzahl also. http://www.ganggangdance.com/
„Kazuashita“
(4AD)
Jeder hat ja, das ist das Schöne an der Kunst, seine eigenen Assziationen. Schaut man sich beispielsweise das neue Albumcover des New Yorker Experimatal-Kollektivs Gang Gang Dance an, also die umnebelten Steinmassive auf dem Foto von David Sherry, lenkt das die Gedanken vielleicht zu den verwunschenen Fantasielandschaften auf den Plattenhüllen der britischen Artrocker Yes. Oder zu den fast faszinierenden Traumlandschaften im Adventure-Game Myst. Alles jenseitige, fiktive Orte, da meint man, das müßte passen und liest man dazu die Songtitel von „Kazuashita“, dann glaubt man sich und die Band ohnehin auf einem New-Age-Trip. Aber weit gefehlt. Denn Lizzi Bougatsos, Josh Diamond und Soundfrickler Brian DeGraw bringen in dem artifiziellen Vielklang jede Menge sehr gegenwärtige, sogar politische Bezüge unter. Wenn auch manchmal auf Umwegen. So wird der erste von mehreren aus dem Off eingespielten Monologen im fabelhaften Track „J-Tree“ von einem Freund der drei gelesen, der Aktivist des Standing Rock Movements ist und sich als solcher für die Bewahrung von Indianerreservaten einsetzt. Ein erstes Statement.
Ein weiteres versteckt sich im gut achtminütigen Titelsong. Auch hier wird ein befreundeter Künstler dazugespielt. Oliver Payne zählt für „Kazuashita“ nacheinander die verschiedensten Farbtöne auf, der leicht federnde, später härtere, technoide Soundteppich wirkt fast meditativ und man darf annehmen, dass die Band dies auch als Hommage an die Vielgestaltigkeit und Macht der Natur verstanden wissen will. „I think if we had a religion, nature would definitely be our religion“, gab Bougatsos gegenüber Stereogum kürzlich zu Protokoll, der Ansatz, diese Botschaft in vollkommen künstliche Klänge zu übersetzen, ist in jedem Falle ein spannender. Dass Gang Gang Dance heute an mancher Stelle wie eine (computer-)zeitgemäße Variante einer anderen, berühmten 4AD-Formation, den Cocteau Twins, klingen, paßt dabei ganz gut ins Bild.
Die dritte, diesmal ziemlich direkte Botschaft folgt kurz darauf im Stück „Youn Boy (Marika in Amerika“: Bougatsos hat es, wie sie im gleichen Interview sagt, unter dem Eindruck des Films „I’m Not Your Negro“ von Raoul Peck und der aktuellen Diskussion um Polizeieinsätze in den USA geschrieben – es geht also um rote Linien, die überschritten werden, verlorene Unschuld, grassierende Gewalt, die am Ende meist die Schwächsten trifft. „Young boy in the daylight, you look so pure just playing. Young girl so innocent, beat by big hands for no reason. Is it really a surprise? Even if you do wrong, you still win me over. I know, he should be down here“, da ist nichts, was es mißzuverstehen gäbe. Die musikalische Grundierung dazu hektisch, aber kunstvoll, mit orientalischen Melodien unterlegt. Es ist insgesamt ein äußerst vielschichtiges Album, dicht und anspruchsvoll arrangiert, von Trance bis Techno, von Dubstep bis Popsong ist alles dabei, ganz so, wie man es von den dreien gewohnt ist. Und darüberhinaus ist es erfreulich deutlich im Hier und Jetzt verankert – maximale mögliche Punktzahl also. http://www.ganggangdance.com/
Das Weiße Pferd: Negation mit Schlusspointe
"Alles ist falsch, wenn du es richtig machen willst!" Der Münchner Kapelle Das Weiße Pferd kann man momentan wohl nichts wirklich recht machen - und das geht nicht nur ihnen so. Denn das ist der allgemeine Eindruck, es läuft nicht, nicht in der Gesellschaft, nicht in der Kultur, nicht im Globalen, nicht im Regionalen, groß geht genauso schief wie klein und jetzt sind wir auch noch im Fußball die allerletzten Deppen. Gut, von der Schlusspointe konnte die siebenköpfige Formation zu der Zeit, als sie ihre neue Single "Alles ist falsch. Richtig falsch." natürlich noch nichts ahnen. Aber es passt ins Bild. Im Januar 2015 ist das letzte Album der Band mit dem Titel "Münchner Freiheit" erschienen, was dem neuen Song folgt, werden die nächsten Tage zeigen.
Dienstag, 26. Juni 2018
Mystery Art Orchestra: Willkommenes Wiedersehen
Mystery Art Orchestra
„Prismatic Dream“
(Robojim)
Kommt tatsächlich alles irgendwann wieder? Bislang hatte man ja eher den Eindruck, nur die unangenehmen, hässlichen Dinge, die man im Leben ganz gewiss kein zweites Mal zu Gesicht bekommen wollte, würden aus lauter Trotz eine erneute Ehrenrunde drehen: Flecken- und Löcherjeans, brettharte Föhnwellenfrisen, Stehkrägen, Lederkrawatten, kreuzdumme Populisten, solche Sachen. Die Antwort ist ein beschämtes „Ja, leider“ und als einzige Hoffnung bleibt, daß jeder noch so fürchterliche Trend so schnell geht wie er kommt – und daß es eben genau nur das ist – flüchtige Mode. Andere Revivals dagegen möchte man mit gehörigem Applaus begrüßen, denken wir an das geliebte Vinyl, Dolomiti-Eis, die (nunmehr elektrische) Schwalbe. Und selbst bei der zumeist in ihrer Gesamtheit verrissenen Musik der 90er Jahre war ja nicht alles so übel und billig, wie es in der Rückschau manchmal scheinen mag.
Tino Bogedaly, André Wlodarski und Bastian Müller haben sich offensichtlich für ihre Kapelle Mystery Art Orchestra die richtigen Ingredienzien dieser Zeit herausgesucht, der Sound des (Wahl-)Berliner Trios osziliert zwischen Wave-, Psych- und Indierock, dem damals noch das griffige Etikett „alternativ“ überklebt wurde. Namen wie Danzig, The Mission und selbst die arg verhangenen Sisters Of Mercy kommen einem in den Sinn, der Elektrobass ist fett, die Gitarren stampfen, begleitet von grollenden Drums, entschlossen voran und Bogedalys Stimme fühlt sich in tieferen Regionen so wohl wie einst die von Wayne Hussey oder olle Andrew Eldritch. Mehr als die Hälfte der elf Stücke des Debütalbums böllern mit maximaler Power durch die Szenerie, beispielhaft lassen sich hier „Camouflage“, „Awake“, „Lost On The Run“ und „Encrypted Soul“ aufführen, allesamt mit ordentlich Schaum vorm Mund.
Dabei beschränkt sich das Orchester natürlich nicht auf bloßes copy and paste: Mal wird eine feine Westerngitarre hinzugezwirbelt, an anderer Stelle ein Stoner-Riff ausgeborgt, „Sunday Afternoon” versucht sich sogar mit etwas Funk und Soul, bevor dann am Ende ein vielstimmiges Chaos ausbricht. Alles nicht ohne Reiz. Und nicht ganz selbstverständlich. Entstanden ist die Band nämlich, so liest man passenderweise in der Regionalzeitung, schon vor mehreren Jahren als offenes Projekt, in dem Kommen und Gehen ausdrücklich erwünscht und die musikalischen Grenzen fließend waren. Irgendwann blieben dann nur noch die drei gebürtigen Brandenburger übrig und begannen damit, zielgerichteter am Sound der Band zu arbeiten, nicht zu deren Nachteil, wie man jetzt weiß. Mag manche Wendung noch etwas überambitioniert klingen, der eine oder andere Akkord etwas einfach gestrickt sein – für ein Debüt hat die Platte eine erstaunliche Klasse aufzuweisen. http://www.mysteryartorchestra.com/
„Prismatic Dream“
(Robojim)
Kommt tatsächlich alles irgendwann wieder? Bislang hatte man ja eher den Eindruck, nur die unangenehmen, hässlichen Dinge, die man im Leben ganz gewiss kein zweites Mal zu Gesicht bekommen wollte, würden aus lauter Trotz eine erneute Ehrenrunde drehen: Flecken- und Löcherjeans, brettharte Föhnwellenfrisen, Stehkrägen, Lederkrawatten, kreuzdumme Populisten, solche Sachen. Die Antwort ist ein beschämtes „Ja, leider“ und als einzige Hoffnung bleibt, daß jeder noch so fürchterliche Trend so schnell geht wie er kommt – und daß es eben genau nur das ist – flüchtige Mode. Andere Revivals dagegen möchte man mit gehörigem Applaus begrüßen, denken wir an das geliebte Vinyl, Dolomiti-Eis, die (nunmehr elektrische) Schwalbe. Und selbst bei der zumeist in ihrer Gesamtheit verrissenen Musik der 90er Jahre war ja nicht alles so übel und billig, wie es in der Rückschau manchmal scheinen mag.
Tino Bogedaly, André Wlodarski und Bastian Müller haben sich offensichtlich für ihre Kapelle Mystery Art Orchestra die richtigen Ingredienzien dieser Zeit herausgesucht, der Sound des (Wahl-)Berliner Trios osziliert zwischen Wave-, Psych- und Indierock, dem damals noch das griffige Etikett „alternativ“ überklebt wurde. Namen wie Danzig, The Mission und selbst die arg verhangenen Sisters Of Mercy kommen einem in den Sinn, der Elektrobass ist fett, die Gitarren stampfen, begleitet von grollenden Drums, entschlossen voran und Bogedalys Stimme fühlt sich in tieferen Regionen so wohl wie einst die von Wayne Hussey oder olle Andrew Eldritch. Mehr als die Hälfte der elf Stücke des Debütalbums böllern mit maximaler Power durch die Szenerie, beispielhaft lassen sich hier „Camouflage“, „Awake“, „Lost On The Run“ und „Encrypted Soul“ aufführen, allesamt mit ordentlich Schaum vorm Mund.
Dabei beschränkt sich das Orchester natürlich nicht auf bloßes copy and paste: Mal wird eine feine Westerngitarre hinzugezwirbelt, an anderer Stelle ein Stoner-Riff ausgeborgt, „Sunday Afternoon” versucht sich sogar mit etwas Funk und Soul, bevor dann am Ende ein vielstimmiges Chaos ausbricht. Alles nicht ohne Reiz. Und nicht ganz selbstverständlich. Entstanden ist die Band nämlich, so liest man passenderweise in der Regionalzeitung, schon vor mehreren Jahren als offenes Projekt, in dem Kommen und Gehen ausdrücklich erwünscht und die musikalischen Grenzen fließend waren. Irgendwann blieben dann nur noch die drei gebürtigen Brandenburger übrig und begannen damit, zielgerichteter am Sound der Band zu arbeiten, nicht zu deren Nachteil, wie man jetzt weiß. Mag manche Wendung noch etwas überambitioniert klingen, der eine oder andere Akkord etwas einfach gestrickt sein – für ein Debüt hat die Platte eine erstaunliche Klasse aufzuweisen. http://www.mysteryartorchestra.com/
Hater: Nachträgliche Wünsche
Nein, das sind keinesfalls Bibi und Tina, diese brandneue und erfeuliche Nachricht kommt von anderer Stelle: Die schwedischen Hater, erst kürzlich von PNKSLM zum Label Fire Records umgezogen und dort sofort mit ihrer EP "Red Blinders" geglänzt, kündigen gerade ihre neue LP "Siesta" an. Am 28. September ist die Veröffentlichung des zweiten Albums nach dem fabelhaften Debüt "You Tried" (2017) geplant, die erste Single wird "It's So Easy/I Wish I Gave You More Time Because I Love You" heißen und liegt auch schon als Stream vor, auch hier gibt es schon erste Konzerttermine.
23.10. Hamburg, Aalhaus
13.11. Dresden, Scheune
14.11. Berlin, Marie Antoinette
15.11. Jena, Glashaus
23.10. Hamburg, Aalhaus
13.11. Dresden, Scheune
14.11. Berlin, Marie Antoinette
15.11. Jena, Glashaus
Montag, 25. Juni 2018
Lily Allen: Try to be Mensch
Lily Allen
„No Shame“
(Parlophone)
Es ist ja beileibe nicht das erste Mal, dass Künstler ihre privaten Schicksalsschläge, insbesondere Trennungen, als Quell für Inspiration und Kreativität nutzen. Gerade weil das Leben prominenter Zeitgenossen mehr und mehr in der Öffentlichkeit und unter den wachen, nicht selten gierigen Augen sozialer Netzwerke stattfindet, ist der Grad zwischen bereitwilliger und erzwungener Teilhabe ein sehr schmaler. Grabenkämpfe, Rosenkriege, Scheidungsdramen, ein oder zwei Songs fallen immer dabei ab. Wohl dem, der ohne auskommt oder zumindest das Heft des Handelns noch in eigenen Händen hält. Insofern ist Lily Allen keine Ausnahme, sondern eher ein mahnendes Beispiel dafür, wie unbarmherzig und gefräßig der Boulevard ist, hat man ihn einmal angefüttert. Zeit ihrer wechselvollen, im Teenageralter gestarteten Karriere stand sie im Fokus der Klatschpresse und mußte sich dort, einem Ausstellungsstück gleich, bis in die intimste Privatsphäre hinein anstarren lassen.
Kurz: Selbst wenn man jugendliche Naivität plus Verführbarkeit abzieht – dass Allen heute noch Musik macht, ist eher ein Wunder, sie hätte Gelegenheit und Grund genug gehabt, an ihrer Lebenssituation zu zerbrechen. Und macht doch dies: Ein Album, das alles in einem ist, Abrechnung, Beichte, schonungslose Analyse, angefüllt mit Trotz, Wut, Selbstzweifeln, Liebesschwüren und neuer Hoffnung. So konsequent hat nicht einmal Björk ihr Beziehungsleben vor dem Zuhörer ausgebreitet (und selbst deren letzte Werke „Vulnicura“ und „Utopia“ waren in dieser Hinsicht schon ungewöhnlich offen). Gleich mit dem ersten Track „Come On Then“ gibt Allen Takt und Thema vor: „Yeah, I’m a bad mother, I’m a bad wife, you saw it on the socials, you read it online, if you go on record, saying that you know me, then why I’m so lonely, ‘cause nobody fuckin‘ phones me“ – viel drastischer kann man eine Ansage kaum formulieren, viel klarer kann eine Richtungsangabe kaum ausfallen.
Wenn sich die ersten, ziemlich lässig und locker geratenen Songs des Albums noch nach unbeschwerter Vergangenheitsbewältigung anhören, nach coolem Rap ("Trigger Bang“), Afropop („Your Choice“), nach dem Reggaesound ihrer frühen Jahre („What You Waiting For“), so bremst sie danach für längere Zeit spürbar ab, Balladenklänge, Piano, Streicher, es wird schwermütig, nachdenklich, düster. Fast scheint es, als wolle Allen ihre gescheiterte Beziehung aus jedem nur möglichen Blickwinkel betrachten (lassen), um sich nur ja nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie hätte nicht alles bedacht. Selbstzweifel und Depression nagen an ihr („Lost My Mind“/„Apples“), die Familiengeschichte wird zu Rate gezogen und selbst dem „Family Man“ (obgleich er keiner war) ein souliges Klagelied gesungen, kein Abgrund, den sie nicht benennt („From up and down, and down to up, sex, alcohol and drugs, it's a long way off amazing“/„Everything To Feel Something“), am Rührendsten wohl das fast ängstliche Klammern an ihre beiden Töchter („Three“).
Erst gegen Ende findet Lily Allen zum Beat, zur Gelöstheit, zur Selbstsicherheit zurück. „Waste“ zusammen mit der britischen Dancehall-Queen Lady Chann kommt als wunderbar knackiger Track daher, bei „My One“ kann sie schon wieder über sich selbst lachen, wenn sie auf der Suche nach dem ultimativen, dem perfekten Partner durch Länder und Städte jettet und ganz am Ende schließt sich der Kreis, wie sie ein letztes Mal über ihre eigene Rolle und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft sinniert und reimt: „Don't let anyone ever tell you who you are or can and can't become. So what if it's one in a hundred, who's to say you are not that one? … I don’t see no reason you can’t have your cake and eat it“. Lily Allen war und ist von all den Popstars da draußen noch immer der sympathischste, weil sie ganz ohne dieses divenhafte, glamouröse Gehabe auskommt, weil sie uns mit ihrer Schwäche, ihren Zweifeln und ihrem Trotz vergleichsweise nah bleibt. Dieses Album ist demnach nicht nur keine Schande, es ist, auch wenn das arg abgedroschen klingt, ein kleines Stück Menschlichkeit. http://www.lilyallenmusic.com/
„No Shame“
(Parlophone)
Es ist ja beileibe nicht das erste Mal, dass Künstler ihre privaten Schicksalsschläge, insbesondere Trennungen, als Quell für Inspiration und Kreativität nutzen. Gerade weil das Leben prominenter Zeitgenossen mehr und mehr in der Öffentlichkeit und unter den wachen, nicht selten gierigen Augen sozialer Netzwerke stattfindet, ist der Grad zwischen bereitwilliger und erzwungener Teilhabe ein sehr schmaler. Grabenkämpfe, Rosenkriege, Scheidungsdramen, ein oder zwei Songs fallen immer dabei ab. Wohl dem, der ohne auskommt oder zumindest das Heft des Handelns noch in eigenen Händen hält. Insofern ist Lily Allen keine Ausnahme, sondern eher ein mahnendes Beispiel dafür, wie unbarmherzig und gefräßig der Boulevard ist, hat man ihn einmal angefüttert. Zeit ihrer wechselvollen, im Teenageralter gestarteten Karriere stand sie im Fokus der Klatschpresse und mußte sich dort, einem Ausstellungsstück gleich, bis in die intimste Privatsphäre hinein anstarren lassen.
Kurz: Selbst wenn man jugendliche Naivität plus Verführbarkeit abzieht – dass Allen heute noch Musik macht, ist eher ein Wunder, sie hätte Gelegenheit und Grund genug gehabt, an ihrer Lebenssituation zu zerbrechen. Und macht doch dies: Ein Album, das alles in einem ist, Abrechnung, Beichte, schonungslose Analyse, angefüllt mit Trotz, Wut, Selbstzweifeln, Liebesschwüren und neuer Hoffnung. So konsequent hat nicht einmal Björk ihr Beziehungsleben vor dem Zuhörer ausgebreitet (und selbst deren letzte Werke „Vulnicura“ und „Utopia“ waren in dieser Hinsicht schon ungewöhnlich offen). Gleich mit dem ersten Track „Come On Then“ gibt Allen Takt und Thema vor: „Yeah, I’m a bad mother, I’m a bad wife, you saw it on the socials, you read it online, if you go on record, saying that you know me, then why I’m so lonely, ‘cause nobody fuckin‘ phones me“ – viel drastischer kann man eine Ansage kaum formulieren, viel klarer kann eine Richtungsangabe kaum ausfallen.
Wenn sich die ersten, ziemlich lässig und locker geratenen Songs des Albums noch nach unbeschwerter Vergangenheitsbewältigung anhören, nach coolem Rap ("Trigger Bang“), Afropop („Your Choice“), nach dem Reggaesound ihrer frühen Jahre („What You Waiting For“), so bremst sie danach für längere Zeit spürbar ab, Balladenklänge, Piano, Streicher, es wird schwermütig, nachdenklich, düster. Fast scheint es, als wolle Allen ihre gescheiterte Beziehung aus jedem nur möglichen Blickwinkel betrachten (lassen), um sich nur ja nicht dem Vorwurf auszusetzen, sie hätte nicht alles bedacht. Selbstzweifel und Depression nagen an ihr („Lost My Mind“/„Apples“), die Familiengeschichte wird zu Rate gezogen und selbst dem „Family Man“ (obgleich er keiner war) ein souliges Klagelied gesungen, kein Abgrund, den sie nicht benennt („From up and down, and down to up, sex, alcohol and drugs, it's a long way off amazing“/„Everything To Feel Something“), am Rührendsten wohl das fast ängstliche Klammern an ihre beiden Töchter („Three“).
Erst gegen Ende findet Lily Allen zum Beat, zur Gelöstheit, zur Selbstsicherheit zurück. „Waste“ zusammen mit der britischen Dancehall-Queen Lady Chann kommt als wunderbar knackiger Track daher, bei „My One“ kann sie schon wieder über sich selbst lachen, wenn sie auf der Suche nach dem ultimativen, dem perfekten Partner durch Länder und Städte jettet und ganz am Ende schließt sich der Kreis, wie sie ein letztes Mal über ihre eigene Rolle und die Rolle der Frauen in der Gesellschaft sinniert und reimt: „Don't let anyone ever tell you who you are or can and can't become. So what if it's one in a hundred, who's to say you are not that one? … I don’t see no reason you can’t have your cake and eat it“. Lily Allen war und ist von all den Popstars da draußen noch immer der sympathischste, weil sie ganz ohne dieses divenhafte, glamouröse Gehabe auskommt, weil sie uns mit ihrer Schwäche, ihren Zweifeln und ihrem Trotz vergleichsweise nah bleibt. Dieses Album ist demnach nicht nur keine Schande, es ist, auch wenn das arg abgedroschen klingt, ein kleines Stück Menschlichkeit. http://www.lilyallenmusic.com/
Moderate Rebels: Rätselraten
Dieser Veröffentlichung ging ein hübsches Puzzlespiel voraus, bei welchem man nummerierte Worte in die richtige Reihenfolge bringen musste: Die Londoner Post-Punk-Band Moderate Rebels hatte bis Ende des Monats neue Musik versprochen, mit der Single "Beyond Hidden Words" (wie wahr) lösten sie nun die Ankündigung ein. Und die richtige Textzeile, im Stück mantraartig wiederholt, lautet dann wohl "Shine your white lights on the black sky". Ob dieser Track einem eventuellen Nachfolgealbum für das feine Debüt "Sound Of Security" aus dem vergangenen Dezember entstammt, wissen wir noch nicht, möglicherweise kommt ja bald die nächste Rätselrunde.
Sonntag, 24. Juni 2018
Familienalbum # 28: Karies
Gut, die wichtigste Nachricht bleibt natürlich die Zahnhygiene. Auch wenn die SPEX gerade schreibt, angesichts dieser Meldung habe man noch nie so gern darauf verzichtet. Was das alles bedeutet? Nun, Karies, die Band des Die-Nerven-Schlagzeugers Kevin Kuhn, haben gerade für den 12. Oktober eine neue Platte via This Charming Man angekündigt, "Alice" sie heißen, mit "Nebenstrassen" gibt es auch schon eine erste Auskopplung zum vorhören und die Tourplanung für den Herbst scheint auch schon abgeschlossen.
26.06. Berlin, Kulturkosmos Müritz
22.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
07.11. Wiesbaden, Kreativfabrik
08.11. Köln, Gebäude 9
09.11. Osnabrück, Kleine Freiheit
10.11. Bremen, Lila Eule
11.11. Berlin, Lido
12.11. Dresden, Groovestation
13.11. Leipzig, Ilses Erika
14.11. Chemnitz, Nikola Tesla
15.11. Nürnberg, Künstlerhaus
16.11. Würzburg, Cairo
17.11. Esslingen, Komma
Aber natürlich wären wir nicht MPMBL, wenn uns das Cover nicht zu etwas Nerdarbeit angeregt hätte und weil ein schöner Rücken bekanntermaßen auch entzückt, gibt es hier Artverwandtes der Verpackungsbranche, wie üblich aufgelistet von links nach rechts und oben nach unten.
Karies "Alice", Wild Ones "Heatwave", Tomte "Heureka", Jan Delay "Hammer und Michel", Sizarr "Psychoboy Happy", Migos "Back To The Bando", Frank White/Godsilla "Südberlin Maskulin", Silbermond "Alles auf Anfang", Arctic Monkeys "Suck It And See", Miley Cyrus "Younger Now", Macho "I'm A Man", G-Eazy "When It's Dark Out", Turbonegro "Retox", The Who "Quadrophenia"
26.06. Berlin, Kulturkosmos Müritz
22.09. Hamburg, Reeperbahn Festival
07.11. Wiesbaden, Kreativfabrik
08.11. Köln, Gebäude 9
09.11. Osnabrück, Kleine Freiheit
10.11. Bremen, Lila Eule
11.11. Berlin, Lido
12.11. Dresden, Groovestation
13.11. Leipzig, Ilses Erika
14.11. Chemnitz, Nikola Tesla
15.11. Nürnberg, Künstlerhaus
16.11. Würzburg, Cairo
17.11. Esslingen, Komma
Aber natürlich wären wir nicht MPMBL, wenn uns das Cover nicht zu etwas Nerdarbeit angeregt hätte und weil ein schöner Rücken bekanntermaßen auch entzückt, gibt es hier Artverwandtes der Verpackungsbranche, wie üblich aufgelistet von links nach rechts und oben nach unten.
Karies "Alice", Wild Ones "Heatwave", Tomte "Heureka", Jan Delay "Hammer und Michel", Sizarr "Psychoboy Happy", Migos "Back To The Bando", Frank White/Godsilla "Südberlin Maskulin", Silbermond "Alles auf Anfang", Arctic Monkeys "Suck It And See", Miley Cyrus "Younger Now", Macho "I'm A Man", G-Eazy "When It's Dark Out", Turbonegro "Retox", The Who "Quadrophenia"
Freitag, 22. Juni 2018
Kluster: Wunderbarer Wildwuchs
Kluster
„civic“
(Rama Lama Records)
Menschen, die sich nicht entscheiden können, haben es im Leben immer schwerer. Alles dauert länger, denn die richtige Wahl will gut überlegt sein. Ungeduld begleitet sie überall hin, denn diejenigen, die anders ticken, haben selten Verständnis fürs gründliche Abwägen. Mag also sein, dass sich in Malmö vor vier Jahren nicht nur fünf Freunde getroffen haben, die musikalisch schwer talentiert sind, sondern die auch in Sachen Entschlußfreude ähnlich gestrickt sind. Kluster scheinen aus der Not eine Tugend gemacht zu haben, statt eine klare Richtung einzuschlagen, schwärmen sie in viele Richtungen aus, gegen die Schärfung des Profils setzen sie die maximale Vielfalt. Und so hört man auf ihrem Debüt „civic“ neben Komponenten des Jazz (dem sie schon zu Hochschulzeiten zugetan waren) auch Noiserock, Punk, Easy Listening und gefälligen Popsound und das teilweise innerhalb eines einzelnen Stückes.
Exemplarisch läßt sich das bei Songs wie „In Your Hometown“ und „Afterglow“ heraushören, wo harte Riffs mit geschmeidigen Melodien wechseln, ein Prinzip, dem eigentlich die ganze Platte folgt. Die Gitarren sind mal schroff und laut, dann wieder wippen sie recht verführerisch, um gleich im nächsten Moment wieder ordentlich loszuschrammeln. Zwischenrein platziert die Band ein paar luftige Instrumentals, von denen das schönste den Titel „Tiramisu“ trägt. Ein Pfund sicherlich auch Linnea Halls klare Stimme, vielleicht die einzige Konstante in diesem wunderbaren Wildwuchs an Tönen und Stilen, beim Schlußstück „Narcissist“ erinnert sie etwas an Elizabeth Fraser von den Cocteau Twins, der man heimlich ein paar grollende Akkorde untergeschoben hat. Quicklebendig das Ganze, nicht zu lang, als dass man den Spaß an der Sache verlöre – es wird spannend sein zu beobachten, ob sie sich diese Unentschiedenheit wohl bewahren können. Denn auch sie werden älter, irgendwann.
„civic“
(Rama Lama Records)
Menschen, die sich nicht entscheiden können, haben es im Leben immer schwerer. Alles dauert länger, denn die richtige Wahl will gut überlegt sein. Ungeduld begleitet sie überall hin, denn diejenigen, die anders ticken, haben selten Verständnis fürs gründliche Abwägen. Mag also sein, dass sich in Malmö vor vier Jahren nicht nur fünf Freunde getroffen haben, die musikalisch schwer talentiert sind, sondern die auch in Sachen Entschlußfreude ähnlich gestrickt sind. Kluster scheinen aus der Not eine Tugend gemacht zu haben, statt eine klare Richtung einzuschlagen, schwärmen sie in viele Richtungen aus, gegen die Schärfung des Profils setzen sie die maximale Vielfalt. Und so hört man auf ihrem Debüt „civic“ neben Komponenten des Jazz (dem sie schon zu Hochschulzeiten zugetan waren) auch Noiserock, Punk, Easy Listening und gefälligen Popsound und das teilweise innerhalb eines einzelnen Stückes.
Exemplarisch läßt sich das bei Songs wie „In Your Hometown“ und „Afterglow“ heraushören, wo harte Riffs mit geschmeidigen Melodien wechseln, ein Prinzip, dem eigentlich die ganze Platte folgt. Die Gitarren sind mal schroff und laut, dann wieder wippen sie recht verführerisch, um gleich im nächsten Moment wieder ordentlich loszuschrammeln. Zwischenrein platziert die Band ein paar luftige Instrumentals, von denen das schönste den Titel „Tiramisu“ trägt. Ein Pfund sicherlich auch Linnea Halls klare Stimme, vielleicht die einzige Konstante in diesem wunderbaren Wildwuchs an Tönen und Stilen, beim Schlußstück „Narcissist“ erinnert sie etwas an Elizabeth Fraser von den Cocteau Twins, der man heimlich ein paar grollende Akkorde untergeschoben hat. Quicklebendig das Ganze, nicht zu lang, als dass man den Spaß an der Sache verlöre – es wird spannend sein zu beobachten, ob sie sich diese Unentschiedenheit wohl bewahren können. Denn auch sie werden älter, irgendwann.
Tunng: Ganz die Alten [Update]
Dann also doch mal etwas Entspannung - und was für eine, wie gemacht für diesen Zweck. Die Londoner Avantgarde-Folkies Tunng haben nämlich gerade ihr neues, sechstes Studioalbum "Songs You Make At Night" angekündigt - am 25. August kommt es via Full Time Hobby in den Handel. Das Besondere: Tunng werden erstmals wieder im Original-Lineup der Gründertage zu hören sein, also mit Sam Genders und Mike Lindsay, und wer sich die erste Auskopplung "ABOP" anhört, weiß, dass das kein Fehler war. Das animierte Video zum Song stammt von Kasia Kijek und Przemek Adamski, im Herbst kommt die Band übrigens für zwei Termine nach Deutschland - auch schön.
03.11. Köln, Artheater
04.11. Berlin, Lido
Update: Mit "Crow" kommt huete die zweite Single der sechs aus London in Umlauf - Feinkostware, wieder mal.
03.11. Köln, Artheater
04.11. Berlin, Lido
Update: Mit "Crow" kommt huete die zweite Single der sechs aus London in Umlauf - Feinkostware, wieder mal.
Donnerstag, 21. Juni 2018
Naked Lunch: Hymnen
Hymnen braucht man nicht nur für den Fußball, auch wenn zur Zeit wieder einmal der Eindruck entstehen kann, es gäbe nichts wichtigeres als das Runde, das ins Eckige soll. Und wer zuvor bei welcher Hymne mitsingt oder eben nicht. Alles Bullshit. Und Ausreden für Dumpfbacken. Hymnen braucht man, wenn sie denn gut sind, eigentlich immer. Diese hier zum Beispiel stammt von der österreichischen Indierockformation Naked Lunch aus dem ehrwürdigen Klagenfurt. Die Band gilt als eine der dienstältesten (und noch dazu geschmackssichersten aka. stilvollsten) ihres Landes, 2013 erschien mit "All Is Fever" ihr letztes reguläres Studioalbum und wer die Hoffnung auf eine Rückkehr nicht aufgegeben hatte, darf sich nun bestätigt fühlen. Denn mit "Here Come The Bells" folgt ein weiterer Stand-Alone-Track dem vorangegangenen "So Sad" (Dezember 2017). Man solle das Stück bei maximaler Lautstärke hören, ist am Anfang des Videos zu lesen - das ist unbedingt einzuhalten, denn so kann man die Dramatik der Bilder noch besser nachempfinden. Tapete Records, wo der Songs erscheint, schreibt übrigens, hiermit werde ein Spätwerk eingeläutet, das dem von Torwartikone Gianluigi Buffon in nichts nachsteht. Und wer den wiederum mal hat seine Hymne singen sehen - nun, da schließt sich dann der Kreis...
Miya Folick: Perfekte Projektion
Es gibt nicht viele Platten, die derzeit so heiß erwartet werden wie das Debüt von Miya Folick aus Los Angeles. Kürzlich ist ihre Single "Deadbody" erschienen, und auch wenn ihr Management noch keine Eckdaten zu einem eventuellen Album liefert, so schicken sie heute wenigstens den neuen Song "Stock Image" hinterher. Wie der Name vermuten läßt, geht es hier um das Gefühl, den Ansprüchen anderer nicht zu genügen, sich wie ein leerer Rahmen, ein lebloses Foto zu fühlen, in den/das jeder seine Wünsche und Erwartungen projizieren kann, die Selbstachtung bleibt dann erwartungsgemäß auf der Strecke. Das Video produzierte im Übrigen Bryan Schlam (Dan Auerbach, Oscar, Jeff Rosenstock, Titus Andronicus).
Mittwoch, 20. Juni 2018
Tomberlin: In kürzester Zeit [Update]
Manchmal wäre man gern dabei, wenn andere Menschen ein bestimmtes Stück zum ersten Mal anhören - einfach um zu sehen, ob es sie genau so schnell erwischt wie einen selbst. Zum Beispiel eben jenes so simple wie bemerkenswerte Liedchen hier. Es heißt "Self-Help" und stammt von einem jungen Mädchen namens Sarah Beth Tomberlin. Und weil ihr Nachname so einen eigenwilligen Klang hat, nimmt sie ihn auch gleich als Pseudonym für ihr Soloprojekt her. Geboren in Jacksonville, Florida, jetzt wohnhaft in Louisville, Kentucky, hat sie schon mit 16 angefangen, ihre ersten Songs zu schreiben, die christliche Familie war nicht immer ein Segen (so liest man) und die isolierten Kindertage Anlass für die meisten Songs ihres nun entstandenen Debütalbums "At Weddings". Zehn Stücke finden sich darauf, am 10. August sollen sie bei Saddle Creek erscheinen und wenn sie alle nur halbwegs so berührend sind wie diese ersten dreieinhalb Minuten, dann dürfen wir uns auf den Hochsommer freuen.
Update: Ein zweiter, sehr intimer Song vom Album kommt heute mit "Seventeen" daher - macht die angekündigte Platte nur noch spannender.
Update: Ein zweiter, sehr intimer Song vom Album kommt heute mit "Seventeen" daher - macht die angekündigte Platte nur noch spannender.
Mass Gothic: Geteiltes Leid
Es ist natürlich der naheliegendste Aufhänger, wenn man etwas über Noel Heroux und Jessica Zambri schreiben möchte. Schließlich gibt es nicht gerade übermäßig viele Ehepaare, die auch gemeinsam Musik machen, mal abgesehen von den ewigen Ikonen Johnny und June, Sonny und Cher bzw. Yoko und John. Die beiden New Yorker jedenfalls sind unter dem Namen Mass Gothic unterwegs, zuvor haben sie einige Jahre bei Hooray For Earth gespielt, die sich dann allerdings 2014 auflösten. Der Stil des Duos ist schwer festzumachen, experimenteller Pop trifft es wohl am ehesten, vor Ausflügen in die Peripherie diverser Rockgenres ist man allerdings nie sicher. Am 31. August jedenfalls wird das zweite Album der beiden via Sub Pop erscheinen und dessen Titel klingt schon mal ordentlich schräg - "I've Tortured You Long Enough" läßt in einer Beziehung so viel Spielraum für Interpretationen, da wartet man lieber mal ein paar Statements der Künstler selbst ab und präsentiert dafür die beiden bislang bekannten Songs der Platte. "Dark Window" kam vor einem Monat in Umlauf, gerade wurde um den Track "J.Z.O.K." ergänzt, ein wilder Tanz, auch optisch.
PABST: Auf die Fresse, fertig los!
Klar kennt den Titel, wer ein alter Sack ist, auch von Depeche Mode. Das ist den Jungs von PABST auch klar. Aber ihre Version von "Shake The Disease" hat mit dem Synthpop aus Basildon nurmehr den Namen gemeinsam, der Rest ist so, wie man es vom Berliner Trio kennt - laut, krachig, volle Pulle. Nebenbei präsentiert Sänger Erik Heise seine neue Frise, zudem lassen sich die Jungs am Set des Regisseurs Philipp Virus (Terrorgruppe, K.I.Z., Kraftklub, etc.) noch von einem hundsgemeinen, uniformierten Schlagstockträger vermöbeln, egal, das Leben geht weiter. Weiterführende Informationen zur VÖ des künftigen Albums "Chlorine" via Crazysane Records gibt es hier, ebenso die passenden Tourdaten.
Flasher: Im Vorübergehen
Flasher
"Constant Image"
(Domino Records)
Soll noch mal jemand behaupten, Elternhaus und Heimatort hätten keinen Einfluß auf den Nachwuchs. Nimmt man sich zum Beispiel Flasher, das hoffnungsvolle Trio aus Washington D.C., also Gitarrist Taylor Mulitz (ehemals Priests), Bassist Daniel Saperstein und Emma Baker an den Drums (auch Big Hush), lassen sich viele Beispiele finden, warum dem sehr wohl so ist. Die gleichen Clubs im Kiez besucht, die Eltern kannten einander teilweise schon von der Schule und die Musik, die sie hörten, prägte auch (wenn sie es denn schon zugeben, wird's wohl stimmen) die Kinder. Dass der Boden, auf den solche Erziehung fiel, fruchtbar war, kann man ganz deutlich am wundervollen Debüt der drei hören. Post-Punk, schon, aber einer von der weniger tristen, weniger düsteren Sorte. Der LoFi-Stil der Band kommt angenehm unaufgeregt daher, fast schon lässig dahingespielt, die knapp fünfunddreißig Minuten halten dennoch reichlich Ohrwürmer bereit. Neben den drei bekannten Singles "Pressure", "Skim Milk" und "Who's Got Time" vor allem die schönen Hooks von "Harsh Light" und der Grunge von "Punching Up". Den Mix der zehn Songs hat im Übrigen Nicolas Vernhes besorgt, der auch schon für Animal Collective, Deerhunter und The War On Drugs gearbeitet hat, ihm ist wohl auch zu verdanken, dass die Stücke so klingen, als wären sie im Vorübergehen aufgenommen worden - der Rest ist einfach erstklassiges Songwriting.
Update: Zur aktuellen Single "Who's Got Time" gibt es jetzt auch ein Video, das unter der Regie von Adinah Dancyger entstanden ist und einen ziemlich speziellen Waldspaziergang zeigt.
"Constant Image"
(Domino Records)
Soll noch mal jemand behaupten, Elternhaus und Heimatort hätten keinen Einfluß auf den Nachwuchs. Nimmt man sich zum Beispiel Flasher, das hoffnungsvolle Trio aus Washington D.C., also Gitarrist Taylor Mulitz (ehemals Priests), Bassist Daniel Saperstein und Emma Baker an den Drums (auch Big Hush), lassen sich viele Beispiele finden, warum dem sehr wohl so ist. Die gleichen Clubs im Kiez besucht, die Eltern kannten einander teilweise schon von der Schule und die Musik, die sie hörten, prägte auch (wenn sie es denn schon zugeben, wird's wohl stimmen) die Kinder. Dass der Boden, auf den solche Erziehung fiel, fruchtbar war, kann man ganz deutlich am wundervollen Debüt der drei hören. Post-Punk, schon, aber einer von der weniger tristen, weniger düsteren Sorte. Der LoFi-Stil der Band kommt angenehm unaufgeregt daher, fast schon lässig dahingespielt, die knapp fünfunddreißig Minuten halten dennoch reichlich Ohrwürmer bereit. Neben den drei bekannten Singles "Pressure", "Skim Milk" und "Who's Got Time" vor allem die schönen Hooks von "Harsh Light" und der Grunge von "Punching Up". Den Mix der zehn Songs hat im Übrigen Nicolas Vernhes besorgt, der auch schon für Animal Collective, Deerhunter und The War On Drugs gearbeitet hat, ihm ist wohl auch zu verdanken, dass die Stücke so klingen, als wären sie im Vorübergehen aufgenommen worden - der Rest ist einfach erstklassiges Songwriting.
Update: Zur aktuellen Single "Who's Got Time" gibt es jetzt auch ein Video, das unter der Regie von Adinah Dancyger entstanden ist und einen ziemlich speziellen Waldspaziergang zeigt.
Dienstag, 19. Juni 2018
Granada: "Wir müssen uns den Heimatbegriff zurückerobern!"
Kurz mal zurückgespult: Ihr kommt aus Graz, singt aber so schön über Wien, dass man meint, ihr kämet von dort? Wie geht das?
TP: Stimmt, wir sind alle Steirer, kommen dort aus unterschiedlichen Regionen. 2015 hat uns der Michi Riebl, Regisseur des Films „Planet Ottakring“, gefragt, ob wir nicht Musik für den Film machen wollen und weil er keine Bedenken hatte, haben wir es halt versucht. Und so ist der Bezug zu Wien entstanden, der allerdings auf dem alten Album mit „Ottakring“ und „Eh Ok“ stärker ausgeprägt ist als auf dem neuen.
Nach der Veröffentlichung der ersten Single „Die Stodt“ hatte man fast so ein wenig die Befürchtung, Granada hätten durch die äußeren Umstände etwas von ihrer Leichtigkeit, ihren Witz drangegeben – haben sie aber nicht. Nimmt man sich die Ausgewogenheit vor, mit der nun also auch „Ge Bitte“ kommt? Oder ergibt sich das einfach?
TP: Also so ein Album entsteht ja nicht innerhalb einer Woche, dass man sich hinsetzt und bewusst die Vorgänge der letzten Jahre reflektiert und verarbeitet. Das wächst ja beim Touren, beim Proben, ist eher ein übergreifender Prozess. Ständig kommen neue Ideen, passieren neue Dinge und die haben wiederum Einfluss auf die Lieder. Klar ist es wichtig, politisch zu werden und alles, was da momentan passiert, kritisch zu betrachten ...
… aber allzu direkte, aktuelle Bezug ist dann eher hinderlich?
TP: Schon, man möchte ja kein Landeschronist sein, auch wenn das sicher seine Berechtigung hat. Bei uns war es eher die Zusammenkunft verschiedener persönlicher Erfahrungen und Emotionen, die den Ausschlag für dieses Album gegeben haben, insofern folgt das weniger einer bestimmten Intention.
Wieviel von der aktuellen Single „Die Stodt“ steckt denn tatsächlich in Graz? Oder ist es doch mehr ein Sinnbild?
TP: Es geht hier tatsächlich eher um eine verallgemeinerte, fast schon globale Sicht, nicht so sehr um eine konkrete Stadt. Wir wurden sogar schon gefragt, ob es sich vielleicht um Bremen handeln könnte, weil dessen Stadtfarben ja grün/weiß sind … Nein, auch wenn es die steirischen Landesfarben sind, soll das eher für den Gegensatz zum Schwarz-Weiß-Denken, der eingeengten Sicht der Dinge, stehen, für eine Hoffnung.
Diese Hoffnung wolltet Ihr ja offensichtlich auch in den Bildern transportieren, wie stark ist die denn in Anbetracht der derzeitigen Lage?
TP: Nun, wenn man positiv denkt, dann ist die Hoffnung natürlich groß, wenn man realistisch ist, wohl eher weniger. Das Video soll da aber nur ein Ansatz zur Interpretation sein, der Song selbst bleibt am Ende ja eher offen. Das kann dann jeder für sich selbst entscheiden.
Granada, Ge Bitte! Karmarama Records, VÖ: 22.06.2018 |
TP: Einfach nur auf eine bestimmte Welle aufzuspringen würde wohl nicht funktionieren, man muss schon versuchen, mit Qualität, mit Anspruch, mit einem Alleinstellungsmerkmal etwas zu erreichen. Insofern ist uns der Hype, wenn es ihn denn gibt, eigentlich egal. Berechtigt finden wir ihn aber in gewisser Weise schon. Wenn man sich die Geschichte der deutschen Popkultur nämlich anschaut, dann hat sich da in den letzten zehn Jahren nicht so wahnsinnig viel geändert – alles schön gesungen, super produziert, aber es ist auch immer ein bisschen platter geworden.
Was genau macht dann den Unterschied?
TP: Nun, die Produktionen sind in Österreich mittlerweile mindestens ebenso gut, die Themen sind vielleicht ein wenig interessanter, vor allem aber ist die Sprache eine exotischere. Das ist neu, sticht aus dem Einheitsbrei im Radio etwas heraus, verstört aber nicht.
Ist der Schmäh da wichtig?
TP: Sicher. Die österreichische Popmusik wurde selbst im eigenen Land lange Zeit ignoriert. Es ist ja nicht so, dass da vorher nichts war, aber es wurde halt nicht wahrgenommen und einige Künstler haben sich dann eher an den allgemeinen Trend von außen angepasst, als etwas Eigenes zu machen. Die Christina Stürmer hat’s ja irgendwie geschafft, aber sie macht das sehr gut, weil sie authentisch bleibt und nicht unbedingt versucht, auf hochdeutsch zu singen. Und irgendwie haben sich dann viele Bands gedacht, dass es ihnen eigentlich egal ist, ob sie jetzt auf Ö3 gespielt werden und sind dann eben etwas mutiger geworden als vielleicht manche Band aus Deutschland, weil die Erwartung, den großen Durchbruch daheim im Radio zu schaffen, ohnehin schon nicht mehr da war.
Stichwort Alleinstellungsmerkmal: Euer Debüt war, wenn man es mit anderen vergleicht, von großer Liebe zur Heimat, zum dortigen Lebensgefühl, auch von einer Art zufriedener Genügsamkeit geprägt – ist es für einen dann um so schmerzlicher, wenn sich die Verhältnisse daheim so krachend ändern wie gerade eben?
TP: Also, noch schmerzlicher glaube ich nicht. Wenn man sich die Geschehnisse anschaut, dann ist es ja nicht nur ein österreichisches Problem, das gibt es genauso in Deutschland, in Ungarn, in den USA. Dieses Gefühl der Angst, etwas zu verlieren, was man sich aufgebaut hat. Und daraus folgt dann dieser Hang zum Nostalgischen und die Ablehnung von allem, was sich ändert – warum sollte es das, es ist eh gut so, so in etwa. Hinzu kommt die Digitalisierung, die ja auch noch lang nicht abgeschlossen ist, die aber zusätzlich verunsichert. In einer pluralistischen Gesellschaft wie der unseren ist es eigentlich abwegig, diesen verstaubten Heimatbegriff herzunehmen, aber die Populisten machen das halt und hoffen damit genau die Leute zu erreichen, die Angst vor dem Neuen haben.
Granada: Ganz links Lukacz Custos, ganz rechts Thomas Petritsch. |
In Deutschland hat man ja wieder ein anderes, vielleicht noch schwierigeres Verhältnis zur Heimat …
TP: Aber gerade, wenn dieser Begriff besetzt wird, ist es doch um so wichtiger, ihm wieder einen linksliberaleren Anstrich zu verpassen, ihn wieder zurückzuerobern …
LC: … wie zum Beispiel gerade bei Wiener „Life Ball“ und dessen Thema „The Sound Of Music“ – mehr Heimat geht ja eigentlich gar nicht.
Wisst Ihr eigentlich, wo Ihr am 29. November seid?
TP: Ja doch, da sind wir in Deutschland …?
Genau, da seid Ihr im „Scheiss Berlin“. Warum denn eigentlich das Berlin-Bashing?
TP: Oh, das ist gar kein Berlin-Bashing, da gibt es für uns gar keinen Grund zu. Wir haben den Vorwurf schon oft gehört, aber wenn man den Song von der neuen Platte genauer anhört, dann ist das sogar fast eine Liebeserklärung an Berlin. Es geht da um ein fiktives Pärchen aus Graz, das sich trennt und sie geht eben weg nach Berlin und lernt dort einen neuen Freund kennen. Und weil der alte irgendeinen Grund braucht, um seinen Minderwertigkeitskomplex, das gekränkte Ego irgendwie zu trösten, schimpft er halt über die Stadt.
Okay, da ist mir wohl der Doppelsinn entgangen. Ich schieb das jetzt mal auf den Dialekt…
TP: Ja, schon allein die Tatsache, dass jemand Graz über Berlin stellt, hätte stutzig machen müssen (lacht). Und warum Liebeserklärung? Nun, wir haben uns lange überlegt, welche Stadt am ehesten für diesen Song in Frage käme. Und ohne jetzt schleimig klingen zu wollen: Berlin hält das am ehesten aus, die Stadt kann so austeilen, die kann aber auch gut einstecken.
In gewisser Weise beruhigt mich das auch, denn diese ganze Berlin-Hasserei ist gerade in München ziemlich beliebt und doch schon längst vorbei und öde, es spricht also für Euch, dass das gar nicht so gemeint war.
TP: Nein, das ist, wie wir finden, gerade als Zumutung eher ein Zeichen unserer Wertschätzung!
Vielleicht noch so ein mögliches Missverständnis, das man aus dem Weg räumen kann: „Sauna“: Schwitzende Leiber, dampfende Hitze, will man oder lässt man das?
TP: Das ist lustig, denn auch die Band hat mir das zu Beginn nicht geglaubt, als ich mit dem Text angekommen bin: „Immer feucht und immer glitschig, nackt und dabei sehr hitzig, du weißt genau, worum es geht“. Ja, es geht wirklich um einen Saunagang. Natürlich wirkt das leicht schlüpfrig, weil nackte Haut vorkommt – aber hey, das ist Sauna, oder?
LC: Wir machen das sogar ziemlich oft, gerade am Day Off zwischen den Konzerten geht’s in die Sauna, es gibt gerade im Winter nichts Besseres – und danach schlafst wie ein Baby.
Im Roman „Schwere Knochen“ von David Schalko kommt auch der Begriff ‚Granada‘ vor und meint da den totalen Kampf, den Krieg. Wenn Ihr Euch entscheiden müsstet, was stände Euch denn näher – die Granate oder der Granatapfel?
LC: Der Granatapfel, in jedem Fall! Was aber daran liegt, dass ich schon immer sehr gern Granatäpfel gegessen habe. Ich hatte auch die Idee, das zweite Album „Pfel“ zu nennen, dann könnte man hintereinander Granada „Pfel“ sagen (lacht). Aber das ist dann doch nichts geworden.
Neben Graz und Wien, wie fühlt sich München für Euch an?
TP: Sehr gut. Wir haben mit den Sportis, Fiva und auch Mark Liebscher viele musikalische Freunde in München, die Konzerte waren bis jetzt auch immer toll, das Publikum ist fantastisch. Klar gibt es die Schickimickis, es fahren hier ein paar mehr Ferraris herum als beispielsweise in Graz, aber es hat eben auch diese kleine, feine Indieszene.
Kann es sein, dass man in München allein wegen der Lage etwas näher an Euch, am Dialekt dran ist als etwa Hamburg oder Bremen?
TP: Vielleicht, das ist schon möglich. Aber in erster Linie geht es eher darum, was die Musik transportiert, den Spaß daran. Und da gibt es eigentlich keine Unterschiede.
Therese Lithner: Maximale Ausbeute
Lang schon angekündigt, ausführlich geschwärmt - nun ist sie also erschienen: Therese Lithner aus dem schwedischen Umea hat heute ihre selbstbetitelte Debüt-EP bei Lazy Octopus Records veröffentlicht, wie vermutet vier Tracks, neben dem bislang bekannten "Drown" noch die Stücke "Eye", "Drift" und "Mistake". Und auch wenn sich das immer so einfach sagt, die richtigen Hooks zu finden, die sich dann auch noch in den Ohren der Hörer festsetzen und den Abgang auf lange Zeit verweigern, muß man so erst mal schaffen. Die Strokes hatten für ihr Debüt ganze elf davon und haben daraus eben elf genügsame und doch wunderbare Songs gebastelt, nicht anders Interpol auf dem Erstling "Turn On The Bright Lights". Und auch Lithner energische Stimme wird von feinen Akkorden begleitet, zwirbelnde Gitarren, dicker Bass, treibende Synthesizerklänge, das bleibt alles hängen. Ein kurzes Vergnügen zwar, aber ganz gewiß kein kleines.
Dead Naked Hippies: Cut you off
Es ist mehr der scharfe Schnitt um den es hier geht, weniger um das Instrument selbst: Jede/r hat so seine Bilder und Töne vor Augen, wenn er oder sie das Wort Guillotine hört, dieser trockene Klang, wenn das geschliffene Metall in die Tiefe rauscht und der dumpfe Aufprall desselben nach getaner Arbeit. Morrissey hat das mal im so grausig wie wunderbaren Stück "Margaret On The Guillotine" verewigt - unvergleichlich, nicht wiederholbar. Hier aber handelt es sich eher um ein Sinnbild, denn Lucy Jowett, Sängerin des Post-Punk-Trios Dead Naked Hippies aus Leeds, beschreibt auf dieser ersten Single der Band im Jahr 2018 eher das Gefühl, sich bestimmter Wünsche, auch Rachegelüste nach Verletzungen mit hartem Schnitt zu entledigen. Viele ihrer Texte, so sagt sie, handeln vom Kampf mit sich selbst, der eigenen psychischen Verfassung und ihrer Rolle als Frau in der modernen Gesellschaft, die Musik dazu kommt wie schon vor zwei Jahren ebenso kantig und schroff daher und unterstützt so den Reiz.
Sam Fender: Gehen oder bleiben?
Manche Albernheit entwickelt sich ja auch mal mit befremdlichem Ernst: In den letzten Wochen durfte man zum Beispiel von einem jungen Mann lesen, der mit seinen Erziehern prozessierte, weil er nicht daran dachte, aus seinem Elternhaus auszuziehen. Und das in einem Alter (30), wo andere schon ihre erste Scheidung hinter sich haben. Mag sein, dass sich Jungs in dieser Hinsicht etwas schwerer tun als Mädchen, aber das war dann schon sehr speziell und hatte mit Begriffen wie "Nesthocker" oder "Hotel Mama" nicht mehr viel zu tun. Dennoch scheint das Thema ein Dauerbrenner zu sein, gehen oder bleiben ist in vielerlei Hinsicht eine häufige Frage. Da geht es natürlich ums Erwachsenwerden, Loslassen, um Freiheit, Risiko, Veränderung, solche Dinge. Auch Sam Fender, gern gehörter Gast aus dem britischen Newcastle, scheint mit diesen Problemen zu hadern. Nachdem er Anfang des Jahres mit neuen Songs kam, hat er jetzt seine aktuelle Single "Leave Fast" nachgeschoben, ein anrührendes Stück zu besagtem Thema mit der schönen Chorusline "Leave fast to stay forever". Ein Lied, sich selbst zu erkennen, ein Lied mit viel, viel Herz.
Montag, 18. Juni 2018
Pumarosa: Drohendes Unheil
Ein willkommene Gelegenheit, zu einem der Album-Highlights 2017 zurückzukehren, bieten uns heute die Londoner von Pumarosa. Die Band, deren Sound angenehm zwischen Waverock , Noise und Post-Punk wechselt, hat bekanntlich im vergangenen Jahr ihr Debütalbum "The Witch" veröffentlicht, von diesem stammt auch der Song "Lions' Den", den das Quartett nun mit einem Videoclip veredelt hat. Das Filmchen stammt von Niall Trask und beginnt eigentlich recht idyllisch, bald wird aber klar, daß hier Unheil droht und dieses läßt dann auch mit eindringlichen Bildern nicht lang auf sich warten.
Beach House: Mobile Meditation
Klar, es gibt Autovideos und Autovideos. Das letzte, was einem in Erinnerung ist und das nicht dem üblichen Bling-Bling-Gehabe folgte, war James Blake und sein wunderbares Stück "If The Car Beside You Moves Ahead". In die gleiche Kiste gehören auch Beach House, auch sie handeln weniger mit Stereotypen, auch ihre Musik bezieht ihren Reiz eher aus der Kontemplation, der Versunkenheit. Auf ihrem aktuellen und ziemlich tollen Album "7" befindet sich u.a. auch der Song "Black Car", zu dem die beiden nun einen Clip von Alistair Legrand nachreichen - ein bisschen bedrohlich und deshalb natürlich mit einem schönen Gruß an Elliot Silverstein.
Freitag, 15. Juni 2018
Boys Noize ft. Marteria + Haftbefehl: Rebell Yell
Schnell mal einen Track zwischenposten, weil ja Wochenende ist und wir ja irgendwie auch eine kleine Tradition pflegen müssen - Beats für's Weekend: Marteria hat zusammen mit Boys Noize und Haftbefehl das Stück "Disco Inferno" aufgenommen, der Clip stammt von LILINTERNET, alles beste grobkörnige Plattenästhetik und auch sonst ziemlich aggro. Kickt.
Protomartyr: Weit mehr als ein Trost [Update]
Sie waren ja gerade erst unterwegs und haben dafür (unter manch eigenwilliger Überschrift) großes Lob geerntet. Und damit der Flow anhält (läuft halt), bringen die Detroiter Post-Punks Protomartyr nun am 15. Juni zu ihrem im vergangenen Jahr erschienenen Album "Relatives In Descent" eine neue EP mit dem Titel "Consolation" heraus. Vier Stücke soll das Kurzformat enthalten, zwei davon wurden zusammen mit Kelley Deal von The Breeders eingesungen und wiederum eines davon - "Wheel Of Fortune" - gibt es vorab als Video zu sehen/hören. Gedreht hat übrigens Yoonha Park, der auch schon für die Preoccupations, die Liars, M83 oder Deerhoof arbeitete.
Update: Und hier nun auch der zweite Song, der mit Kelley Deal eingespielt wurde - "You Always Win".
Update: Und hier nun auch der zweite Song, der mit Kelley Deal eingespielt wurde - "You Always Win".
Interpol: Mexikanische Eröffnung [Update]
Ein spätes, aber herzliches Willkommen natürlich noch für das sechste Album von Interpol. Dass etwas in der Luft lag, ließ sich schon anhand der üblichen kryptischen Inschriften und Wortmeldungen erahnen - Häuserwände, Blankoformulare für eine Pressekonferenz und das alles in Mexiko City, wohin die New Yorker ebenso gern verreisen, wie sie in ihre Heimstadt zurückkehren. In einem altehrwürdigen Gemäuer gab es dann auch eine ziemlich feierliche Verlautbarung der Herren Fogarino, Banks und Kessler - natürlich zu allererst über "Marauder", so der Titel der nächsten Studioplatte, Nachfolger des letzten Werkes "El Pintor" aus dem Jahr 2014 und terminiert auf den 24. August via Matador Records. Viel Getöse, man gab sich charmant und konnte selbst kleinere Unterbrechungen wie die innige Liebesbezeugung eines Fans recht locker wegmoderieren. Die erste Single des Albums "The Rover" klingt auf den ersten Durchgang recht kraftvoll und ungewohnt schroff, was von der zweiten Arbeit ohne genialen Bassisten Carlos Dengler sonst noch zu erwarten ist, wird sich weisen. Produziert hat jedenfalls Dave Fridmann, der schon für MGMT, die Flaming Lips und Mogwai an den Reglern saß, das Cover, so darf man erfahren, zeigt den amerikanischen Justizminister Elliott Richardson, der sich in den Siebzigern während der Watergate-Affäre einen passablen, rechtschaffenen Ruf erworben hat.
Update: Tourdaten
25.06. Wien, Arena
23.11. Hamburg, Mehr! Theater
25.11. Berlin, Temprodrom
Update: Tourdaten
25.06. Wien, Arena
23.11. Hamburg, Mehr! Theater
25.11. Berlin, Temprodrom
Wildhart: Wie gehabt [Update]
Dass aus dem schwedischen Göteborg nicht musikalisch Bewundernswertes kommt, das weiß der treue Leser - Baula, Emmecosta, Pale Honey, Agent Blå, Westkust und natürlich Little Dragon, es ist eine lange Reihe, von Zufall kann keine Rede mehr sein. Das gilt natürlich auch für das Duo Wildhart. Ihre erste "EP1" haben wir hier zumindest erwähnt, kurz danach gab es 2016 das Debütalbum "Shine", nun teilen die Ylva Holmdahl und Kiwi Berg ein neuen Song. Und - nicht überraschend - handelt es sich auch bei "New Beginning" wieder um erstklassigen Electropop, er stammt von der künftigen EP "Caught In A Fisheye", zu haben als Stream und Videoclip. Feinkost wie gehabt.
Update: Auch für die zweite Single bleibt es dabei - die beiden Schweden sind immer für ein paar vertrackte Wohlklänge gut - hier also der nächste Track "Every Touch".
Update: Auch für die zweite Single bleibt es dabei - die beiden Schweden sind immer für ein paar vertrackte Wohlklänge gut - hier also der nächste Track "Every Touch".
Donnerstag, 14. Juni 2018
Hotel Lux: In bester Gesellschaft
Diese fünf jungen Herren hatten wir hier auch schon mal (verdientermaßen), da ging es um das Moskauer Hotel und Henkersmahlzeiten. Heute wieder der Ostblock, diesmal widmen sich die ziemlich britischen Hotel Lux der Berliner Mauer. "Berlin Wall" ist die B-Seite ihrer aktuellen Single "Daddy" und klingt wieder mal schnoddrig, lässig, leicht angenervt, eben nach all dem, was einen guten Song von der Insel ausmacht. Hotel Lux veröffentlichen übrigens auf dem Label Big Score, dort also, wo auch die Idles-Lieblinge Lice zu Hause sind - kein Zufall, möchte man meinen.
Chris Liebing: Alte Liebe
Die Neuigkeit, daß Chris Liebing kürzlich bei Mute unterschrieben hat, ist ja nun auch so neu nicht mehr, was aus dieser Liason werden sollte, stand allerdings noch nicht fest. Das hat sich jetzt geändert, denn der Mann hat für den 7. September seinen Einstand bekanntgegeben - "Burn Slow", so der Name des Albums, wird zehn Tracks enthalten und auch die Gästeliste ist mit Polly Scattergood (onDeadWaves), Miles Cooper Seaton, Cold Cave und Aleen erfreulich delikat besetzt. Nach dem ersten Vorgeschmack "Novembergrey" spendiert Liebing auch gleich noch einen zweiten, "Polished Chrome (The Friend Pt.1)" schmückt sich mit der Stimme von Wave-Urgestein Gary Numan, unschwer zu hören, daß die Liebe für den Sound der 80er keine kleine ist.
Mittwoch, 13. Juni 2018
Hope: Begeistertes Entsetzen
Nicht, dass uns die vier nicht auch schon aufgefallen wären. Aber mit dem richtigen Zitat im Rücken geht die Sache noch dreimal schneller durch die Decke. Joe Talbot, Sänger der britischen Kombo Idles aus Bristol (gerade mit der neuen Platte "Joy As An Act Of Resistance" auf den Absprung), hat im vergangenen Jahr sein Herz oder vielmehr seine Ohren für die Berliner Post-Punk-Band Hope entdeckt: "I found Hope to be mesmeric live. They have a soulful integrity, that resides in a pounding resonance with chromatic washes, that cut through a dark, dark black; leaving you aghast. Beautiful music by beautiful people" - kurzum, er war ziemlich begeistert. 2017 ist auch das selbstbetitelte Album des Quartetts erschienen, von diesem stammt die Single "Drop Your Knives", die wiederum gerade mit ein Clip von Ricardo Bernardi auf Sendung ging. Kommt also eins zum anderen - irgendwann.
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