Dienstag, 28. Mai 2013

Zweifellos zauberhaft

Camera Obscura
„Desire Lines“

(4AD)

Hat sie “schwierig” gesagt? Noch mal hinhören – tatsächlich: Die Aufnahmen zum aktuellen Album, so Tracyanne Campbell, hätten sich schwieriger gestaltet als zuvor, die große Pause zwischen “Desire Lines” und dem Vorgänger “My Maudlin Career” wäre eine neue Herausforderung gewesen, man habe sich schwergetan mit der Platte Nummer 5. Mhhh, ja, wir wollen ihr das glauben. Aber hören, hören tut man das verdammt noch mal an keiner Stelle der gut fünfundvierzig Minuten. Camera Obscura aus dem schottischen Glasgow machen seit 1996 Musik, die offiziell unter dem Label Indiepop firmiert, für ihre Anhänger allerdings gehören Campbell, Lee Thomson, Carey Lander, Kenny McKeeve und Gavin Dunbar zum kleinen, aber auserlesenen Klub der Magiere, Bands also wie Beautiful South, Belle And Sebastian, Standard Fare oder die Veronica Falls, denen es auf schleierhaft einfache Weise gelingt, ein stets schwelgerisches, humorvolles und so warmherzig wie melancholisches Lebensgefühl zu vertonen.

Sie haben sich für dieses Album mit Tucker Martin, einem Produzenten aus Nashville zusammengetan, dem Mann, der schon für R.E.M., Spoon, die Decemberists und Beth Orton gearbeitet hat und – wie zu hören – hat es dem Sound der Schotten nicht geschadet. Auch “Desire Lines” bleibt charmant und unverschämt eingängig, die Stücke in der Mehrzahl zart, einige fordernd und etwas drängender. “Troublemaker” ist ein Song, über dessen nahezu perfektes Arrangement man eigentlich nur den Kopf schütteln kann, Campbell trällert gewohnt unbeschwert über eigene Unzulänglichkeiten und hat, ganz sicher, ein passendes Lächeln dazu. Von ähnlicher Anmut: “New Year’s Resolution”, “William’s Heart” oder auch “Every Weekday”, mal durch eine ungewohnt rockige Gitarrenspur ergänzt, für “Miss Your Party” gibt’s sogar eine bisschen Bigband obendrauf.

Hätte man nicht von den Gastspielen gelesen, man würde kaum merken, dass auch Neko Case und Jim James (My Morning Jacket) bei einigen Liedern im Hintergrund mithelfen, so zum Beispiel beim flotten Swing von “Do It Again”. Zum Abschied setzt man sich für den Titeltrack gemeinsam samt Slide Guitar und verträumtem Georgel ans Lagerfeuer, das Holzknistern und die paar Grillen denkt sich wer will dazu. Nach Deutschland werden sie, soviel ist sicher, so schnell nicht kommen können – Campbell erwartet Nachwuchs: “So that’s another thing to kick us up the arse. Never smooth sailing. But maybe that’s a good thing.” Klingt wieder schwer nach Schwierigkeiten, klingt also so, als sollte es ihnen schon wieder nichts ausmachen. “Desire Lines” jedenfalls ist – Probleme hin oder her – eines ihrer besten Alben geworden, man darf also auch für die Zukunft gespannt sein. http://camera-obscura.net/

Komplettstream des Albums bei NPR

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