„Silence Yourself“
(Matador)
Um ehrlich zu sein, es würde einen kaum wundern, wenn diese vier Mädchen demnächst mit der Gesichtsbemalung nach Art amerikanischer Footballspieler auf die Bühne träten. Sie sind auf Kriegspfad, ihre Statements, ihre Musik, die Attitüde, alle Zeichen auf Sturm gesetzt: „The world is with me and call me for the fight, I am here, I won’t hide.“ Kampfansage, unmissverständlich. Kaum eine Band hat in letzter Zeit mit so großer Ernsthaftigkeit das mediale Wechselspiel der Branche thematisiert wie die Londoner Savages. Foto- und Filmaufnahmen während der Konzerte bitten sie zu unterlassen, ab und an liest man von Fotografen, denen diese Bitte mittels Androhung einer Tracht Prügel auch schon mal weniger höflich nähergebracht worden ist. Das Manifest auf dem Plattencover, auch dieses läßt keinen Zweifel zu, dass den vieren die Übermacht der digitalen Verfügbarkeit, gespeist aus Verharmlosung, Abgestumpftheit und einem diffusen Drang zur ständigen Präsenz, gehörig suspekt ist, dass sie nicht müde werden, dagegen zu wettern und davor zu warnen.
„We live in an age of many stimulations, if you are focused, you are harder to reach, if you are distracted, you are available…“, liest man auf dem Cover und “…if the world would shut up, even for a while, perhaps we would start hearing the distant rhythm of an angry young tune.” Ihren Rhythmus, ihre Schreie also, die so zornig, so gereizt und so gehetzt aus den Songs des Albums herausbrechen. Beth Jenny, rein äußerlich die weibliche Entsprechung eines Ian Curtis, die Stimme zwischen Siouxsie Sioux, Polly Jean Harvey und Karen O, der dunkel rollende Bass von Ayse Hassan, die agressive Gitarrenchords von Gemma Thompson und das trocken polternde Schlagwerk von Fay Milton, Post-Punk der härteren Sorte, oft schnell, knochig, selten eingängig oder gefällig. Melodien werden fast verschämt versteckt – hier die perlende Hookline im anfangs zitierten „I Am Here“, die unvermittelte, verträumt Passage bei „City’s Full“ oder der irritierend gutgelaunte Beginn von „She Will“, der doch in einer lauten, schmerzhaften Klage über die Unabänderlichkeit, über das, was man gern verharmlosend den „Gang der Dinge“ nennt, enden muss.
„Silence Yourself“ ist voll von diesen schlecht gelaunten, bitterbösen, ja zynischen Stimmungsbildern, das messerscharfe „No Face“, das hyperventilierende, sperrige „Husbands“ und der behäbige, kratzige Beat bei „Strife“ – sie sprachen in den letzten Wochen oft von der Hoffnung, die Energie und Intesität ihrer Liveauftritte in die Studioaufnahmen packen zu können – nun, es scheint ihnen wohl gelungen zu sein. Wo nötig, beschränken sie sich auf knappe zwei oder drei Minuten („Hit Me“, „Husbands“), braucht es mehr, wird schon auch mal ein länger anhaltendes Noisegewitter („Waiting For A Sign“) oder das anrührende Miteinander von Piano und Saxophon („Marshal Dear“) aus der Kulisse gezaubert. Sie werden es, soviel ist klar, nicht einfach haben, sich gegen Vereinnahmungen und mehr oder weniger wohlmeinende Umarmungen zur Wehr zu setzen, zu gut passen sie als Projektionsfläche in die Vermarktungsstrategien allzeit gieriger A+R-Strategen, Weltschmerz verkauft sich schließlich gut da draußen. Wenn sie aber nur halbsogute Kriegerinnen sind, wie ihr Klappentext vermuten läßt, werden ihnen Trotz, Wut und Beharrlichkeit auch weiterhin lohnende Wegweiser sein. http://silenceyourself.savagesband.com/
16. Mai Köln, Gebäude 9
17. Mai Berlin, Lido
19. Mai Frankfurt, Zoom
20. Mai Zürich, Kinski
18. Juni Berlin, Zitadelle (mit Portishead)
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