Dienstag, 31. Oktober 2017

PINS: Endlich für alle

Der Song stand ja schon eine ganze Weile im Regal, war aber nur via Spotify zu bekommen und so nicht für jedermann zugänglich - das ändert sich jetzt: Die All-Girl-Truppe PINS aus Manchester hat eine neue 7" mit dem schönen Titel "Serve The Rich" und einem noch schöneren Cover draußen, ab sofort gibt es dazu auch einen Videoclip. Nun ist das zwar so eine Sache mit abgefilmten Demos (Kendall Jenner und Pepsi wissen das jetzt auch wieder), das hier scheint aber in Ordnung zu gehen, zumal der Text schwer mißzuverstehen ist. Die vier Damen sind im Übrigen gerade mit den Breeders unterwegs (gewesen), wollen wir hoffen, daß sie sich auch bald noch mal als Headliner aufmachen.

Freitag, 27. Oktober 2017

Decibelles: Die andere Seite

Ganz so unbekannt sollten die Noisegirls Decibelles aus Lyon hierzulande nicht sein, zumindest die Fans der Beatsteaks durften und dürfen sie schon/gerade im Vorprogramm bewundern. Vor ein paar Monaten haben die Damen ja schon die kracherte Debütsingle "Mess" ihres aktuellen Albums "Tight" veröffentlicht, heute nun kommt das etwas sanftere "Witchy Babes" samt Video von Lamson N Guyen hinterher und vermag durchaus zu bezaubern.

27.10.  Bern, Frauenraum Reitschule
02.11.  Köln, E-Werk
03.11.  Duisburg, Topperhouse Studio
04.11.  Wiesbaden, Schlachthof
06.11.  Würzburg, Jugendkulturhaus Cairo
07.11.  Zürich, Volkshaus
08.11.  Frankfurt, Klapperfeld
09.11.  Coesfeld, Fabrik Coesfeld
30.11.  Schaffhausen, Tap Tab
01.12.  Heilbronn, Emma 23
02.12.  Erfurt, Frau Korte



Rhye: Immer näher

Im Gespräch sind die beiden Herren sowieso die ganze Zeit geblieben, zuletzt mischten Michael Milosh und Robin Hannibal aka. Rhye ja kräftig bei Bonobo und dessen vorzüglicher Platte "Migration" mit (und zu dieser Zusammenarbeit ist gerade auch noch ein neues Video erschienen). Nun also deutet sich mehr und mehr etwas Eigenes an, nach den Stücken "Please" und "Summer Days" (hier im Roosevelt-Remix) kommt heute der Track "Taste" daher. Und es ist natürlich keine Überraschung - er ist ebenfalls großartig geraten.

24.03.  Zürich, M4 Music Festival
30.03.  Berlin, Funkhaus
31.03.  Hamburg, Gruenspan



Donnerstag, 26. Oktober 2017

Fever Ray: Aufgetaucht [Update]

Gefühlt hat es eine halb Ewigkeit gedauert, genaugenommen waren es acht Jahre: So lange nämlich liegt das letzte und bislang einzige Soloalbum von Karin Dreijer Andersson unter dem Namen Fever Ray zurück - und es war ein großartiges. Nun hat die schwedische Künstlerin, die ja bekanntermaßen auch eine Hälfte des experimentellen Popduos The Knife ist, mit einem neuen Videoteaser endlich die Hoffnung auf einen Nachfolger genährt - unter dem Titel "Switch Seeks Same" ("A New Friend" ff.) steht der seit kurzer Zeit im Netz, Näheres folgt hoffentlich bald.

Update: Und da ist dann schon das erste vollwertige Video zur Vorauskopplung "To The Moon And Back", Regisseur Martin Falck, der auch schon für The Knife am Drücker war. Warnen muß man vor dem Clip nicht unbedingt, nur sollte man ihn vielleicht nicht auf nüchternen Magen anschauen. Das neue Album wird übrigens "Plunge" heißen und soll in Datenform ab morgen und physisch ab dem 23. Februar bei Mute Records erhältlich sein.





Shopping: Total egal

Natürlich will man, wenn es draußen kalt und kälter wird, keine Bilder von bestens gelaunten Twentysomethings sehen, die sich unter der prallen Sonne am Pool vergnügen - kommt man noch schlechter drauf, wird man neidisch, gar nicht gut. Dem Londoner Post-Punk-Trio Shopping sind solche mimosenhaften Befindlichkeiten offensichtlich schnurzpiepegal, sie haben einen neuen Song namens "The Hype" fertig und läuten damit die Veröffentlichung ihres nächsten Albums "The Official Body" via Fat Cat Records für den 19. Januar ein. Desweiteren wollen Rachel Aggs, Billy Easter und Andrew Milk bald auch gutgelaunt auf Tour gehen und vielleicht färbt ein wenig davon ja auch auf die Besucher ab.

21.11.  Esslingen, Komma
22.11.  Bamberg, TBC
23.11.  Leipzig, Tiff
24.11.  Nürnberg, Desi
25.11.  Berlin, Zukunft am Ostkreuz
26.11.  Hamburg, Goldener Salon
01.12.  Saarbrücken, Das Modul

Mittwoch, 25. Oktober 2017

Morrissey: Ärger mit Ansage [Update]

Also doch: Nachdem sich der alte Mozzer gerade (wieder mal) einen Twitter-Account zugelegt hat, war es nur noch eine Frage der Zeit, wann sich die Gerüchte zur offiziellen Verlautbarung wandeln würden. Jetzt ist es dann soweit - am 17. November wird, erstmals via BMG, Morrisseys neues Album "Low In High School", der Nachfolger zu "World Peace Is None Of Your Business", erscheinen. Das Cover, seit ein paar Tagen schon im Umlauf, gilt nun als sicher (s.u.) und wenn man dem Portal Pitchfork glauben darf, sind wieder reichlich kontroverse Stücke zu erwarten, liest man dort doch von Titeln wie "The Girl from Tel-Aviv Who Wouldn’t Kneel", "Israel" und "Who Will Protect Us From the Police?". Die erste Auskopplung jedenfalls nennt sich "Spent The Day In Bed" - Tourtermine werden sehnlichst erwartet.

Update: Nur der Meister selbst weiß, wie sehr wir uns Sorgen um ihn machen müssen. Hier jedenfalls kommt er nicht auf die Beine und läßt sich im Rollstuhl durch die Gegend fahren/schubsen - das Video zu "Spent The Day In Bed" ... Und heute kommt mit "I Wish You Lonely" ein weiterer Song um die Ecke.



Dienstag, 24. Oktober 2017

New Luna: So und nicht anders

Ein Song macht noch keinen Hype, schon klar. Man muß ja auch nicht gleich übertreiben. Aber die aktuelle Nummer "Optionated" von New Luna, einer vierköpfigen Kapelle aus Manchester, klingt so verteufelt gut nach LCD Soundsystem, daß man sich wenigstens ein bisschen wundern darf. Denn eigentlich wird die Band per Waschzettel zwischen Referenzen wie Interpol, Radiohead und Mogwai einsortiert - nun, davon ist hier im Gegensatz zur letzten EP (2016) ziemlich wenig zu hören. Lassen wir uns deshalb einfach mal von den kommenden Releases überraschen, der Anfang ist schon mal gelungen.

Sonntag, 22. Oktober 2017

Bishop Briggs: Nicht mit ihr

Diese junge Dame gehört zweifellos zu den schillerndsten Figuren in Popbusiness der letzten Monate, mühelos läßt sich mit ihr die Aufzählung nach Halsey, Lorde, Sia, Miya Folick und MØ fortsetzen: Sarah Grace McLaughlin, gebürtige Londonerin, aufgewachsen in Japan und Hongkong, hat unter dem Namen Bishop Briggs schon eine ganze Reihe überaus erfolgreicher und, nicht ganz selbstverständlich, vorzüglicher Popsingles veröffentlicht, zuletzt erschien von ihr die selbstbetitelte EP, die viral erwartungsgemäß durch die Decke ging. Zum eigenwilligen Äußeren und der toughen Attitüde kommt bei ihr eine übergroße Portion Talent, dem sie mit einem Musiktstudium in ihrer jetzigen Heimatstadt Los Angeles weiter auf die Sprünge half - die kräftige Stimme tut ein Übriges. Und so klingt auch ihre aktuelle Single "Dream" nach dem, was allerfeinsten Pop ausmacht. Zu sehen ist sie übrigens aktuell im Vorprogramm von Alt-J und der Band von St.-Vincent-Produzent Jack Antonoff - den Bleachers. Das neue Album, so ist zu lesen, soll dann spätestens im Frühjahr 2018 kommen - wir sind gespannt.

Show Me The Body: Zugebissen

Gerade hatten wir sie erwähnt, als es um eines ihrer letzten Konzerte hier in Deutschland ging und die anstehende Tour von Ho99o9. Nun haben Show Me The Body aus New York City einen neuen Song anzubieten, "K-9" ist die im wortwörtlichen Sinne bissige A-Seite ihrer aktuellen "Challenge Coin"-7", die im November bei ihrem Label Corpus erscheinen soll. Noch eine interessante Note am Rande: In den USA sind Show Me The Body mit Jazzpopper King Krule unterwegs - waghalsige Paarung, das ganze.

Abattoir Blues: Nicht verzockt

Natürlich kann man sich mit so einem wegweisenden Namen auch gehörig verzocken, wenn man sich in der Heimatstadt von Nick Cave nach einem seiner Alben benennt. Insofern hatte man ein wenig Bammel, ob Abattoir Blues aus Brighton auch keine groben Fehler machen (auch wenn man aus denen ja wieder etwas lernt) - bis jetzt jedenfalls sieht es aber so aus, als könnte das wirklich klappen mit den fünfen. Die letzte EP stammt aus dem vergangenen Jahr, nun haben sie via Telharmonium eine weitere angekündigt und von dieser auch gleich den Titelsong "Blinded" mitgebracht. Am 24. November folgt dann der Rest.

Donnerstag, 19. Oktober 2017

FEHM: Unverändert [Update]

Der Satz, nachdem guter Post-Punk immer und überall geht, gilt weiterhin (auch und vor allem nach dem vergangenen schwarzen Sonntag). Demzufolge freuen wir uns ausgiebig über einen neuen Song der Kapelle FEHM aus Leeds, die ja schon im Winter 2016 via Art Is Hard geglänzt hat. Damals ging es um die EP "Circadian Life", nun also eine Doppel-A mit den Stücken "Last Breath/Human Age", ein Debütalbum ist für 2018 angedacht.

Update: Hier kommt dann nicht nur der Vollständigkeit halber die andere Seite - nein, auch weil sie wieder toll klingt.


Dienstag, 17. Oktober 2017

The Desert: Letzte Chance

Das ist schon kurios: Da steht der Song "Playing Dead" von Gina Leonard and Tom Frye aka. The Desert aus dem britischen Bristol samt Video schon über einen Monat bei Youtube in der Auslage und schaffte gerade mal knapp 1.900 Abrufe, nicht viel besser ging es dem etwas eher gestarteten "Just Get High" - ebenso wunderbar zart und kunstvoll verspielt. Man will ja jetzt nicht die ganz große Kritikerkeule schwingen, aber jedes kreuzdumme Katzenvideo, jedes noch so nutzlose Dachgepäckträgertutorial hat mehr Klicks als diese traumhaft schöne Musik. Geht einem nicht in den Kopf. Aber niemand soll ohne eine letzte Chance bleiben, deshalb gibt es an dieser Stelle die komplette "Soulmates"-EP inklusive des Titelsongs, nun bitte Mühe geben - und weitersagen ...





Donnerstag, 12. Oktober 2017

Ho99o9: Eine Frage der Wahrnehmung

Wie unterschiedlich die Wahrnehmungen sind, durfte man in Sachen Musik vor nicht allzu langer Zeit in München erleben: Da nämlich spielte das in den Staaten megamäßig gehypte Hardcore-Trio Show Me The Body, sonst eher die große Festivals und Clubs gewohnt, in einem engen, dunklen Keller und hatte noch immer ausreichend Beinfreiheit - es war ein bisschen traurig. Wollen wir hoffen, daß Gleiches nicht auch dem nicht minder angepriesenen und ebenso krassen Rap-Duo Ho99o9 passiert, es wäre sehr schade, denn die Livequalitäten der beiden Jungs aus New Jersey lassen sich (anhand zahlreicher Aufnahmen) nicht hoch genug schätzen. Jedenfalls ist die Band im Dezember in Deutschland und der Schweiz auf Kurztournee unterwegs. Wir werden sehen.

02.12.  Bern, ISC
04.12.  München, Strom
05.12.  Hamburg, Hafenklang

New Candys: Stimmige Mathematik

New Candys
„Bleeding Magenta“

(Fuzz Club)

Die Formel für den perfekten Popsong ist ja bekanntermaßen mindestens genauso begehrt wie der Heilige Gral, das Bernsteinzimmer oder das Hirn von Donald Trump. Nun, die letzteren drei Dinge existieren nach wissenschaftlicher Meinung  und menschlichem Ermessen überhaupt nicht – bleibt die Musik. Und zumindest für eine spezielle Spielart hat die italienische Band New Candys auf der eigenen Website folgende Rechnung aufgemacht: 33,3 % Rock, 33,3 % Roll, 33,4 % Psychedelia. Eine Rechnung, die bis auf die Nachkommastelle genau beziffert und die, zumindest in diesem Fall, durchaus aufgeht. Das hat vielleicht auch ein Stück weit damit zu tun, daß die Heimatstadt von Stefano Bidoggia, Dario Lucchesi, Diego Menegaldo und Fernando Nuti Venedig ist, hier steht zum einen eines der bekanntesten Museen zu Ehren Leonardo da Vincis, anerkanntermaßen ein Künstler, dessen Werk wie kein zweites mit der Mathematik verbunden ist. Zudem ist Venedig eine Stadt, die durchaus auch trübe Gedanken kennt – die Einwohner werden der Unmasse an Touristen nicht mehr Herr, Geld ist keines vorhanden und die Stadt, so hört man immer öfter, ist so auf absehbare Zeit dem Verfall anheimgegeben.

Viele Gründe also, warum gerade die New Candys ihre düstere Mischung aus Fuzz-Rock, Post-Punk und Psychedelia so perfekt zu spielen vermögen. Ihr drittes Album seit dem Debüt aus dem Jahr 2008 verbeugt sich denn auch auffällig oft vor den dunklen Größen des vergangenen Jahrtausends, Jesus And Mary Chain fallen einem da an erster Stelle ein, dazu auch die Stone Roses, Primal Scream oder die gothy Lords Of The New Church. Die Gitarren schneiden jedes der Stücke auf dem Album gnadenlos entzwei, dazu die dumpfen Drums und Nutis ordnungsgemäß verwaschen hallende Stimme. Alles präzise am richtigen Platz, so halten die vier selbst bei ausufernden Dreiteilern wie „The Outrageous Wedding I-III“ den Spannungsbogen über die komplette Länge. Und wenn mal eine neue Zutat von Nöten ist, wird die problemlos in die Rechnung eingebaut – auf auffälligsten bei dem Song „Sermon“, für welchen nicht nur eine Sitar gelistet ist, sondern auch die österreichische Musikerin Julia Hummer am Mikrofon, die ja als Juleah seit einiger Zeit mit ähnlichem Sound selbst unterwegs ist. Das Gesamtergebnis jedenfalls bekommt die Bestnote, eine Versetzung zum nächsten Album wird ausdrücklich empfohlen. http://newcandys.com/

30.11.  Berlin, Schokoladen
03.12.  Hamburg, Hafenklang
04.12.  Dortmund, Labsal
12.12.  Erfurt, Frau Korte
21.12.  Nürnberg, Z-Bau
22.12.  Linz, Kapu
23.12.  Wien, Das Bach

Mittwoch, 11. Oktober 2017

Wild Ones: Eine Liebeserklärung

Wild Ones
„Mirror Touch“
(Topshelf records)

Unerwiderte Liebeserklärungen sind in der Regel sehr schmerzhaft – jeder, der nicht gleich mit fünfzig auf die Welt gekommen ist, weiß das aus eigener, leidvoller Erfahrung. Bei Bands funktioniert das ein wenig anders, denn hier sind Erwiderungen ein Ding der Unmöglichkeit, woher sollen die Künstler auch wissen, wer sie aus welchen Gründen verehrt und wie ernst er oder sie es meint. Weniger aufrichtig geht es deshalb nicht zu – auch wenn mit einer Antwort auf den leidenschaftlichen Treueschwur nicht zu rechnen ist, verfaßt werden muß er trotzdem. So auch dieser hier: Seit die wunderbare (wir geizen also nicht mit Komplimenten) Danielle Sullivan und ihre Kollegen unter dem Namen Wild Ones mit zarter Stimme und luftig wippenden Popmelodien im Jahr 2013 ihr Debüt „Keep It Safe“ einspielten, haben sie nicht wenige Menschen (einschließlich des Rezensenten) in ihren Bann geschlagen. Die Veröffentlichung der EP „Heatwave“ zwei Jahre später hat diesen Zustand eher noch befördert und es steht zu befürchten, daß mit dem aktuellen Album „Mirror Touch“ die Gemeinde der hoffnungslos Verfallenen erneut anwachsen wird.



Was einerseits verständlich ist, andererseits aber auch etwas verwunderlich, trällert Sullivan schließlich nicht irgendwelche belanglosen Worthülsen, sondern spiegelt – obschon auf sehr behutsame Art und Weise – sehr intime Momente aus Furcht, Enttäuschung und Selbstzweifeln in ihren Liedern. Und das beginnt schon beim Titel der Platte, dem nämlich, so liest man, liegt das sensorisches Phänomen der sog. Mirror-Touch-Synthesia zugrunde, nach welchem manche Menschen Berührungen beobachteter Personen am eigenen Körper spüren können. Was ziemlich wirr klingt, gibt offenbar ein gutes Sinnbild für Sullivans alltägliche Empfindungen ab, denn daraus lassen sich ja durchaus auch Begriffe wie Empathie, Mitleid und selbst Fremdscham ableiten. Ähnlich nähert man sich auch „Paresthesia“, dem ersten der zehn Songs, hier schildert die Sängerin mittlerweile überwundene Angstzustände ihrer Jugend und wie diese das Leben bestimmen und verändern können.

Im Grunde ist es höchst erstaunlich, mit welcher unglaublichen Leichtigkeit die Wild Ones diese doch sehr tiefgründigen und nicht selten traurigen Texte illustrieren. Dem Vernehmen nach gehören neben den Cocteau Twins und En Vogue auch Daft Punk zu den musikalischen Referenzen, was natürlich eine treffliche Erklärung für die mal mächtig pumpenden, mal sanft klackernden Programmloops („Invite Me In“, „Love And Loathing“) abgibt. Ein findiger Kritiker hat für das (natürlich wieder wunderbare) „Standing In The Back Of Your Show“ sogar eine Verwandtschaft mit „Last Christmas“ vom Wham! ausmachen können und liegt damit gar nicht so falsch. Persönlich sollte es sein, nie privat, hat mal ein kluger Mensch gesagt, das hat Sullivan einmal mehr beherzigt, dazu gibt es noch eine gute Portion schrägen Humor („I Wanna Be Your Man“) und natürlich ganz viel Melancholie: „No more Rock and Roll, boys left to charm me, no more Rock and Roll, boys to disarm me. When you're playing on the stereo and your name's on the marquee, I'm forgetting Rock and Roll.“ Das darf sie ruhig sagen – wir jedenfalls werden sie so schnell nicht vergessen …

First Aid Kit: Neue Töne? [Update]

Da steht wohl bald eine neue Platte ins Haus: Zumindest lassen das die Nachrichten ahnen, denn die Geschwister Söderberg, besser bekannt unter dem Namen First Aid Kit, haben einen neuen Song namens "It's A Shame" veröffentlicht und zusätzlich erste Konzertdaten für ausgewählte Städte in den USA bekanntgegeben. Wann genau der Nachfolger des letzten Albums "Stay Gold" kommt, steht noch in den Sternen, nach der letzten Wortmeldung mit klarer politischer Message darf man aber über die Ausrichtung desselben gespannt sein.

Update: Im dazugehörigen Video von Mats Udd zeigen die Schwestern, daß das Leben leider nicht für alle die gleichen Chancen bereithält.

Belle And Sebastian: Die Frage zur Antwort

Jetzt also kein Album, sondern - ganz dem Trend folgend - eine Single-Series-Edition: Die schottische Band Belle And Sebastian hat ja für Anfang des kommenden Jahres eine Hallen-Tour in Aussicht gestellt und kürzlich auch einen ersten neuen Song ("We Were Beautiful") samt Video veröffentlicht, nun gibt es die kompletten Daten zum anstehenden Zyklus als Update. Es wird also eine dreiteilige EP-Staffel erscheinen, eine jede Platte mit fünf neuen Songs und das alles unter dem Namen "How To Solve Our Human Problems". Wem jetzt dazu die Entgegnung von Morrissey "World Peace Is None Of Our Business" einfällt, der ist schon in der richtigen Spur, dann ganz ohne hintersinnigen Humor wird es auch bei Stuart Murdoch nicht abgehen. Am 8. Dezember jedenfalls startet der Verkauf mit dem ersten Teil, weitere folgen am 19. Januar und 16. Februar. Das genaue Tracklisting kann man sich beim Rolling Stone anschauen, den nächsten Song gibt es auch hier schon zu hören - voilá, "I'll Be Your Pilot" von der zweiten 12".

Dienstag, 10. Oktober 2017

Fufanu: Cool ohne Huh!

Für eine isländische Band wie Fufanu, die für ihr aktuelles Album "Sports" schon ein so wunderbares Cover-Artwork ausgewählt hat und noch dazu einen solch coolen Post-Punk spielt, ist ein Video wie das vorliegende wohl nur eine folgerichtige Fingerübung. "White Pebbles", gedreht von Snorri Bros, kommt so unglaublich lässig und abgedreht daher, daß man vor dem Inselvölkchen einmal mehr einen Heidenrespekt hat. Und das ganz ohne "Huh!" PS: Für alle, die das immer noch nicht glauben wollen, gibt's obendrauf noch mal das Video zum Killersong des Albums "Liability".



Django Django: Keine Langeweile

Daß der Name hierzulande leider komplett von Erinnerungen der ganz miesen Art überlagert wird, das konnten die Jungs ja nicht ahnen: Django Django haben die erste Single ihres neuen Albums "Marble Skies", das am 26. Januar erscheinen wird, veröffentlicht und wer bei "Tic Tac Toe" an eines der unterhaltsamsten und einfachsten Mittel gegen Langeweile denkt und nicht gleich zwanghaft "Ich find' dich scheiße" summt, der ist tatsächlich zu beneiden. Diese dunkle Stunde der deutschen Pophistorie samt der Nervgören auszublenden wird allerdings nicht schwer fallen, denn der Song der Briten geht direkt aus dem Ohr ins Blut und dann schnurstracks in die Beine - das lustige Zeitraffer-Video tut ein Übriges. Und wenn der Nachfolger des formidablen "Born Under Saturn" das Versprechen halten kann, ist ihnen ohnehin alles verziehen.

Montag, 9. Oktober 2017

U.S.Girls: Das Lachen im Halse

Das konnte nur einer wie ihr einfallen: Meg Remy, besser bekannt unter ihrem Moniker U.S. Girls, hatte schon vor zwei Jahre mit dem Album "Half Free" alle Lacher, die anschließend im Halse stecken blieben, auf ihrer Seite - radikaler Sarkasmus, der bestens unterhält, was wollte man mehr. Nun ist sie mit einem richtungsweisenden Song zurück, der eingängiger nicht klingen könnte. "Mad As Hell" kommt als lupenreiner Motownsound im neuzeitlichen Gewand daher, gerade so, als hätten Hercules And Love Affair The Supremes mal kräftig aufgepimpt, der Inhalt allerdings ist weniger spaßig und läßt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

The Lumes: Not anywhere

The Lumes
„Envy“

(Crazyinsane Records)

Kaum zu glauben, daß man der renommierten Kulturstadt Rotterdam noch etwas über weiße Flecken erzählen muß. Klassik? Weltorchester, Topdirigent. Jazz? Traditionsfestival, honorigste Gästeliste. Rock/Pop? Nun ja. Da sieht es mit dem Bekanntheitsgrad ein wenig dünne aus. Gerade mußte der Auftritt einer Band (aus leider ebenfalls sehr bekannten Gründen) abgesagt werden, die es deshalb noch nicht einmal bis in die City geschafft hatte. Und ob sich die niederländische Metropole über die Würdigung der britischen Popkapelle The Beautiful South vor gut zwanzig Jahren wirklich gefreut hat, darf man zumindest anzweifeln, hieß es doch in dem Song „Rotterdam (Or Anywhere)“ recht spöttisch: „This could be Rotterdam or anywhere, Liverpool or Rome, 'cause Rotterdam is anywhere, anywhere alone…“ Man könnte also einen gewissen Handlungsbedarf konstruieren oder, noch verwegener, dem Rotterdamer Trio The Lumes eine Art Pioniertat in den Rucksack packen, für ihre Heimatstadt endlich eine Lücke, eine Leerstelle zu schließen.



Das ist natürlich zu viel verlangt, Maxine Prins, Lennard van der Voort und Mitchell Quitz werden an Dinge keinen Gedanken verschwendet haben, seit sie 2014 gemeinsam in klassischer Kombi Gesang/Gitarre/Bass/Schlagzeug anständigen Lärm zusammenmischen. Schon die erste EP mit dem Titel „Lust“ konnte als kraftvolles Amalgam aus Indierock, Noise und Post-Punk überzeugen, die vorliegende „Envy“ steht ihr in nichts nach. Auch hier treibende Drums und scheppernde, zeternde Akkorde (nicht selten zu meterhohen Wänden hochgezogen), die Stimme leidenschaftlich bis wütend, manchmal bewußt verfremdet – die sechs neuen Stücke, allen voran die Auskopplungen „Compulsion“ und „Slow“, machen eindeutig Lust auf mehr. Das abschließende „Who Makes Me Try“ setzt dabei zweifellos den Höhepunkt, nach bedächtigem Beginn zu geloopten Geräuschfetzen steigert sich der Song zu einem tosenden, schwer durchdringlichen und sehr düsteren Monster. Eine Seite, die sich marketingtechnisch vielleicht etwas schwierig bewerben läßt, der Stadt Rotterdam andererseits aber ganz gut zu Gesicht steht. http://crazysanerecords.com/

Donnerstag, 5. Oktober 2017

Boys: Sweet Sixties

Wo wir gerade bei den Schweden sind: Wen ab und zu die Lust auf ein sehr spezielles, sehr entspanntes 60er-Jahre-Gefühl überkommt, dem können wir hier ein feines Angebot machen. Denn Nora Karlsson aus Umeå, besser bekannt unter dem Moniker Boys, hat nach längerer Schaffenspause (die beiden bisherigen EP "Kind Of Hurt" und "Love On Tour" stammen aus den Jahren 2015/2016), wieder neue Musik aufgenommen und das Label PNKSLM wird deshalb am 20. Oktober eine Split 7" gemeinsam mit Magic Potion veröffentlichen, auf der sich das hier vorgestellte "Rabbits" befindet. Und - klar, das Cover hat selbst uns ein leises "süüüßßß..." entlocken können.

Rome Is Not A Town: Lautes Vergnügen

Rome Is Not A Town
„It’s A Dare“

(Startracks)

Dass die Freude am gemeinsamen Musizieren auch in fortgeschrittenem Alter – ganz im Sinne der Gleichberechtigung – beileibe keine Männerdomäne ist, wird schnell klar, schaut man sich ein paar prominente Beispiele aus der Liste der aktiven oder kürzlich reformierten All-Girl-Bands an: Babes In Toyland, L7, Indigo Girls, The Raincoats, The Go-Go’s, Sleater Kinney uvm. Schlimm ist das nicht, solange – wie bei Sleater Kinney zum Beispiel – der Output von anhaltend hoher Qualität ist, schade wäre es nur, würde der Nachwuchs aus- oder auf der Strecke bleiben. Daß damit ebenfalls nicht zu rechnen ist, zeigt das neueste Beispiel aus dem schwedischen Göteborg. Das Quartett Rome Is Not A Town, bestehend aus Kajsa Poidnak, Susanna Brandin, Caroline Kabat und Emma Wättring, hat es immerhin mit seiner allerersten Single „Stupid“ vor zwei Jahren geschafft, die Aufmerksamkeit von NoWave-Ikone Thurston Moore zu gewinnen (seine Tochter Coco Gordon gestaltete das Cover der 7“), ohne seinen Hinweis kommt seitdem kein Artikel über die vier jungen, wütenden Frauen aus. Aber auch von dieser lobenden Umarmung, die ja auch schnell zur Hypothek geraten kann, wird sich die Band aller Voraussicht nach sehr schnell emanzipieren, denn ihr Debütalbum ist keineswegs nur, wie der Titel meint, eine willkommene Herausforderung, sondern vor allem ein großes, lautes und schräges Vergnügen. Den Gitarren kommt hierbei die Hauptrolle zu, alles knirscht, ächzt und kracht ganz wunderbar und wenn man den Lärm, den die Damen in den zehn Stücken auf das Beste zelebrieren, einordnen möchte, fällt über kurz oder lang auch mal der Name Sonic Youth, mithin also ein Grund mehr, weshalb Moore hier besonderen Gefallen dran finden musste. Rotziger, melodiöser Noise also, dazu bissige Alltagsgedanken, ätzende Kommentare für und über mißliebige Taugenichtse – für den Erstling eine erstaunlich runde Sache: It’s a pleasure, word.

Mittwoch, 4. Oktober 2017

King Krule: Weiterzaubern [Update]

Man hat, das wird einem schnell klar, noch lange nicht genug von diesem blassgesichtigen Rotschopf aus London, der sich vor ziemlich genau vier Jahren mit seinem Debütalbum anschickte, der Welt auf smarte Weise und mit einer Stimme, die der Abgrund war, zu zeigen, daß Pose nichts und Können so ziemlich alles ist. "6 Feet Beneath The Moon" hieß die Platte von King Krule damals und wer den Ron Weasley des Jazz-Pop jemals live gesehen hat, der weiß, dass der es wirklich ernst meinte. Nun, es gibt Neues - "Czech One" lautet der Titel eines ersten Songs (vorerst als 7" mit der B-Seite "Dum Surfer" via True Panther) des mittlerweile zum Twentysomething gereiften Musikers Archy Marshall, dazu ein wunderbar surreales Video von Frank Lebon und ein paar Tourdaten.

30.11.  Zürich, Rote Fabrik
01.12.  Köln, Bürgerhaus Stollwerck
03.12.  Hamburg, Uebel und Gefährlich
04.12.  Berlin, Astra

Update: Nun haben wir einen Namen - das Album wird "The Ooz" heißen und am 13. Oktober bei True Panther/XL-Recordings mit neunzehn neuen Stücken erscheinen, zum Song "Dum Surfer" gibt es an dieser Stelle auch noch ein Video ... und noch ein Neuzugang, diesmal der Clip zu "Half Man Half Shark".





Dienstag, 3. Oktober 2017

Royaume: Barbies kicken

Von gutem Pop gibt's nie genug? Stimmt. Erst recht für solchen des Pariser Duos Royaume. Drei Tracks konnte man sich bislang von Yumi und Moon Boy bei Soundcloud anhören ("Blue Asphalt", "Endless Grace" und "Miho Beach"), nun gehen die beiden mit "if We", einem neuen Song samt Video, an den Start. Die beiden Musiker treffen hier auf eine sechsköpfige Mächengang, deren Hauptbeschäftigung es offenbar ist, mit unendlicher Coolness Barbies zu kicken. Auch eine Möglichkeit, sich die träge Zeit zu vertreiben ...

St. Vincent: It's my life [Update]

Okay, wir müssen offensichtlich zunehmend lernen, wichtige von unwichtigen Nachrichten zu trennen, hier also mal eine wirklich wichtige: Annie Clark aka. St. Vincent hat die fehlenden Fakten zu ihrem neuen Album zusammengetragen, einen weiteren Song dazugelegt, aber leider ein paar zusätzliche Konzerttermine vergessen. Sei's drum: "MASSEDUCTION", so der Name des Nachfolgers von "St. Vincent", der am 13.10. bei Loma Vista Recordings mit dreizehn neuen Titeln erscheinen wird, der aktuelle Song heißt "Los Ageless", dem wir hier noch mal das Kitschvideo von "New York" beigeben. Die neue Platte wird, das sagt die Künstlerin selbst, mit den vorangegangenen kaum zu vergleichen sein: "Every record I make has an archetype. Strange Mercy was Housewives on Pills. St. Vincent was Near-Future Cult Leader. MASSEDUCTION is different, it’s pretty first person. You can’t fact-check it, but if you want to know about my life, listen to this record."

26.10.  Berlin, Huxley's Neue Welt

Update: Auch wieder recht farbenfroh - das neue Video zu "Los Ageless".



Breeders: Started with a brick

Ganz ehrlich, fast war man schon so weit, in den nächsten Baumarkt zu rennen und dort bei den Hohlblocksteinen nach näheren Hinweisen zu suchen! Die Breeders haben ja in den letzten Tagen viele kryptische Ziegelfotos und ein paar Soundschnipsel gepostet und damit für maximale Anspannung und Nervosität - nun endlich hat der virale Rätselspaß ein Ende: Das Label 4AD hat nun hochoffiziell mit "Wait In The Car" der erste neue Song der Deal-Schwestern Kim und Kelley veröffentlicht, den Konzerttermin für Berlin gab es ja schon ein paar Wochen zuvor. Doch wie das so ist mit den Süchten - hat man einmal angefangen, will man dringend mehr ... Kommt auch, dieser erste Track wird Teil einer limitierten Single-Edition sein, deren zweiter Teil für den 27. Oktober angekündigt ist, zur VÖ von Teil drei ist noch nichts genaueres bekannt. Wer sich jetzt fragt, was denn die B-Seiten der jeweiligen Kurzformate zieren wird, bekommt auch dafür eine Antwort - die Breeders coverten dafür aktuell Devo's "Gates Of Steel", später gibt's noch Mike Nesmith's "Joanne" und für die letzte 7" Amon Düül II und deren "Archangel's Thunderbird". Von einem ganzen Album ist, Zeitpunkt jetzt, noch keine Rede - leider.

24.10.  Berlin, Heimathafen

Montag, 2. Oktober 2017

Wolf Alice: Alleskönner

Wolf Alice
„Visions Of A Life“
(Dirty Hit)

Puh – was für eine Platte! „We wanted to come out with a big bang“ hatte Ellie Rowsell der Radiomoderatorin Annie Mac in einem Interview verraten und ja, das ist ihnen gelungen. Was jetzt folgt, ist reine Spekulation, aber die Vorstellung, die Aufnahmen des Nachfolgers von „My Love Is Cool“ könnten sich in etwa wie folgt abgespielt haben, ist so reizvoll wie naheliegend: Irgendwie bildet man sich beim Hören des Albums nämlich ein, Rowsell wäre nur mit sehr viel Mühe aus dem Studio zu zerren gewesen. Konventionelle und nicht selten langweilige Rockbands pflegen ja in der Regel einen bestimmten Stil, den sie über die Jahre zu perfektionieren versuchen – nicht so das Londoner Quartett. Schon der Aufschlag mit dem kreissägenbestückten Punkrock von „Yuk Foo“ war ja ein ziemlich sattes Pfund, doch wer glaubte, dass die Marschrichtung damit schon vorgegeben sei, der irrte. Und zwar gewaltig.



Rowsell hatte offenbar vor, neben Intuition und Unerschrockenheit einer weiteren, meistensteils weiblichen Eigenschaft ausreichend Geltung zu verschaffen – dem Multitasking. Und so stellt man sich vor, dass sie jedes Mal, wenn die drei Kollegen einigermaßen erschöpft das Studio verlassen wollten, einen euphorisierten Recall startete und auf eine nächste Kreativitätsprobe drängte. ‘Dreampop können wir doch auch!‘ wird es geheißen haben und flugs wurden „Heavenward“ und „Don’t Delete The Kisses“ eingespielt. Und ‘Hey, Jungs, spaciger Synthpop sollte doch kein Problem für uns sein!?‘ – zack, „Planet Hunter“ und „Sky Musings“ im Kasten. Danach hat sie in einer Pause vielleicht noch ein wenig Primal Scream gehört und so viel Gefallen daran gefunden, dass flugs für „Formidable Cool“ und „Sadboy“ ein nächster, neuer Dreh ausgemacht war.



Und so ging das möglicherweise weiter und weiter, hier ein paar bombastische Gitarrenwände hingezimmert, da wieder zart gezupfte Akustiktakte eingestreut, ein wenig Elektrofolk durfte auch nicht fehlen und gerade, als die Herren dachten, jetzt hätten sie’s endlich geschafft und der wohlverdiente Feierabend wäre zum Greifen nahe, ruft Rowsell für den Titelsong zum großen Psychrock-Finale und lässt in satte acht Minuten alles reinpacken, was bei drei nicht aus dem Aufnahmeraum verschwunden ist. Die Texte begleiten das wilde Auf und Ab mit ähnlicher Wechselhaftigkeit, neben der wütend gebrüllten Abfuhr steht die flauschige Liebesträumerei, auf ein paar entrückte Fantasien aus dem Orbit folgt, an der Grenze zum Kitsch oder schon drüber, die Ode an die verstorbene Lieblingsgranny, gefolgt von kruden Gedanken zu Tod und Weltenende. Klar ist: So eine Platte kann man entweder lieben oder hassen, Platz dazwischen ist nicht vorgesehen.

30.10.  Berlin, Festsaal Kreuzberg
01.11.  Hamburg, Mojo
02.11  Köln, Luxor
10.01.  München, Ampere
12.01.  Zürich, Plaza

Kendrick Lamar: Wahl der Waffen [Update]

Kendrick Lamar
„DAMN.“

(Aftermath/Interscope)

Die Zeit der Gladiatorenkämpfe und Duellanten ist ja gottlob seit langem vorbei – obwohl: Manchmal wünscht man sich diesen zwar sehr brutalen, aber ehrlichen Kampf face to face wieder zurück, wo es kein Auskommen, kein Hintertürchen, keine Zweideutigkeiten gab. Wahl der Waffen, Kurzschwert, Dreizack oder Vorderlader, in den Clinch oder hundert Schritt Abstand – Entscheidung, aus. Kein anonymer Dolchstoß via Hassmail, keine gefakten News, keine Social Bots, sondern nur entweder/oder. Mit solcherlei Gegenüberstellungen ist also in nächster Zeit nicht zu rechnen, insofern war es schon von Interesse, wie schnell und auf welche Weise sich denn der Widerstand gegen den neu gewählten Präsidenten und seine Form der politischen Führung und Auseinandersetzung in den USA formieren würde. Und weil Kendrick Lamar (und eben nicht Kanye West) neuerdings und mit aller Berechtigung als eine der klügsten, kreativsten und prominentesten Stimmen des schwarzen Amerika wahrgenommen wird, war es auch nicht unwichtig zu hören, wie er denn mit der Situation nach dem neuerlichen Black Friday im Januar diesen Jahres auf seinem aktuellen Album umgeht.



Und überraschenderweise gleichen sich hier die Reaktionen. Die intellektuelle Elite scheint, nach anfänglichem Jammergesang und Wutgeheul darauf geeinigt zu haben, zunächst einmal die Reihen zu schließen und besser wohlüberlegt und konstruktiv an der Gegenwehr zu arbeiten. Und auch Lamar greift nicht vorschnell zur groben Keule (die seine Sache ohnehin noch nie war) – wie schon die Geschwister Knowles und die wiedererstarkten Helden von A Tribe Called Quest besinnt er sich auf die Stärken der eigenen Community und führt gegen Dummheit, Angst und Ausgrenzung besser die Vielfalt ins Feld. Musikalisch ist das ungemein spannend, treffen sich doch weißes Establishment der ganz alten Schule (U2), hippe Szenelieblinge (BadBadNotGood, Kaytranada), der dreckige Pop von Rihanna, Saxguru Kamasi Washington und Jungstar Zacari, wechseln HipHop, Reggae, Drone-Beats, Jazz und ganz viel Soul unter der meisterlichen Ägide von Soundbastlern wie Daniel Tannenbaum aka. Bekon, Mark Spears (Sounwave) und Anthony Tiffith (Top Dawg).



Namentlich hervorzuheben: „Element.“, das Lamar gemeinsam mit James Blake geschrieben hat und sein Selbstverständnis, seinen Stolz in Großbuchstaben proklamiert, natürlich der fette Doom der ersten Single „Humble.“, die mit markigen Raps in dieselbe Kerbe schlägt. Unbedingt die rumpelnden Beatschleifen von „Lust.“, angereichert mit trockenen Drums und diversen Jazz-Anleihen, „XXX.“ mit deutlichen Worten zu Gewalt, Patriotismus und Doppelmoral, verbunden mit einem Seitenhieb an all jene, die sich gern über Obama mokiert haben und nun mit der denkbar schlechtesten Alternative klarkommen müssen. Es steckt viel Wut in den Texten, was Wunder, aber sie ist nicht blind, sondern weiß zu differenzieren, kann kunst- und kraftvoll sein, voller Sarkasmus. Stücke wie „DNA.“, „Pride.“ und „Fear.“ arbeiten in selten gehörter Klarheit das komplette schwarze Lebensgefühl dieser Zeit auf, stecken voller Bitternis und Verzweiflung, Selbstkritik und Häme, aber genauso Stolz, Zuversicht und unbedingtem Lebenswillen. In dieser Konsequenz gab es so etwas selten zu hören, so scharf und bissig haben es wenige vor Lamar gebracht. Die Wahl der Waffen hat er also schon mal gewonnen, wie’s weitergeht, wird sich bald zeigen. http://www.kendricklamar.com/

Update: Und hier nun die drei Livetermine für das kommende Jahr...

15.02.  Frankfurt, Festhalle
22.02.  Köln, Lanxess Arena
05.03.  Berlin, Mercedes-Benz Arena