Montag, 22. Februar 2010

Gehört_107



Johnny Cash „American VI: Ain’t No Grave“ (American)
Wenn ich mir vorgenommen hatte, die Rezension über das aktuelle Album von Johnny Cash mit ein paar sarkastischen, kritischen Worten zur Verkaufspolitik seines Labels zu schmücken, so hatte dieses Vorhaben eine ernüchternd geringe Halbwertzeit – ein paar Takte des ersten Songs, alles dahin. Ich habe recht schnell begreifen müssen, wie sehr mir diese Stimme, diese Songs gefehlt haben und wie unwichtig vor diesem Hintergrund das vielleicht zweifelhafte Gebahren der Plattenfirma erscheint, wirklich jedes noch so unbekannte Stück Cashs aus dem Fundus zu graben und auf ein neues Coveralbum zu pressen. Es ist egal, weil dieser Mann trotz seiner am Ende brüchigen und weniger vollen Stimme noch immer eine solche Würde und Gegenwärtigkeit ausstrahlt, dass einem fast jeder Song gleichsam zu einer Offenbarung, einem gesungenen Trost aus dem Jenseits zu geraten scheint. Gut, ich habe nicht geweint, aber Rührung schlecht verbergen können, wenn der alte Mann „O Death, where is thy sting, o grave, where is thy victory“ intoniert (I Corinthians 15:55). Auch der Titelsong haut einen schlichtweg um, düsteres Stompin’, trauriges Banjo – man möchte meinen, Cash war auch vorher nicht viel besser. Sheryl Crows „Redemption Day“ wächst wie viele Stücke vorher durch seine Adaption und durch die Rubin’sche Reduktion gleichermaßen zu etwas Größerem, anderes wie „For The Good Times“ seines Freundes und Weggefährten Kris Kristofferson hat die erhabene Patina schon und wird im Wissen um die gemeinsame Wegstrecke der beiden zur respektvollen Verbeugung. Hank Snows „I Don’t Hurt Anymore“ aus den Fünfzigern mutet fast beschwingt an, der Text enthält ohnehin viel Aufbauendes für die ewig Zweifelnden. Noch älter „Cool Water“ von Bob Nolan, eine gesungene Meditation aus scheinbar längst vergangenen Zeiten – auch das ein Verdienst Cashs, solche Songs ins Heute zu bringen und sie im besten Sinne zeitgemäß klingen zu lassen. Ein klagendes Cello für ein anrührendes „Last Night …“, bevor sich Johnny Cash mit „Aloha Oe“ versöhnlich und verträumt von uns verabschiedet, wieder einmal, „… until we’ll meet again“. Sicher kann man dieses Album handwerklich auch kritischer beurteilen, mein Part soll das jedoch nicht sein, dafür fehlen mir sowohl Abstand als auch Fachkenntnis. Ich bin einfach nur dankbar für ein paar Worte und Akkorde welche die Seele zum Schwingen bringen – manchmal kann eben auch das Entscheidende so wunderbar einfach sein …
http://www.johnnycash.com/

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ich bin ein großer Cash Fan und werde mir deswegen auf jeden Fall das Album holen... toll, dass immer wieder unveröffentlichtes Material auftaucht, aber irgendwann ist das auch erschöpft. Deswegen freu ich mich schon sehr darauf!