Sonntag, 12. Mai 2019

PABST: Für die erste Reihe

Schon klar, der Pop läuft aus dem Ruder, denn mittlerweile rockt es gewaltig: PABST aus Berlin stehen, das darf man gerne sagen, für ein ordentliches Brett. Die drei Herren geben auf der Bühne anständig Gas und auch ihr Album "Chlorine" aus dem Sommer letzten Jahres war eine Freude für die Kopfschüttler in der front row. Und weil sie in den nächsten Tagen und Wochen wieder unterwegs sind, stimmen sie sich und ihre Anhänger mit der Single "Forever O.K." schon mal auf die Reise ein - mehr als okay.

22.05.  Hamburg, Golden Pudel Club
23.05.  Köln, Bumann und Sohn
24.05.  Erfurt, Engelsburg
25.05.  München, Import/Export
31.05.  Leipzig, Noels Ballroom
01.06.  Berlin, Zukunft am Ostkreuz

Freitag, 10. Mai 2019

Björk: Immer ein Ereignis

Es ist nicht wichtig, dass der Song schon älter ist. Ein Video von Björk ist immer ein Ereignis - so auch dieses gerade veröffentlichte zu "Tabula Rasa" vom letzten Album "Utopia" aus dem Jahr 2017. Der Track kann als die beinahe flehentliche Bitte an nachfolgende Generationen, nur nicht die Fehler der Alten zu wiederholen, interpretiert werden. Die beeindruckende visuelle Gestaltung stammt von dem Münchner Künstler Tobias Gremmler, der auch für die aktuelle Show "Cornucopia" der Isländerin im neuen New Yorker Kunstschuppen The Shed verantwortlich zeichnet.

Robert Forster: Seine eigene Coverband

Robert Forster
Hansa 39, München, 9. Mai 2019

Coverbands genießen gemeinhin einen ziemlich miserablen Ruf. Und das nicht zu unrecht. Sie haben alberne Namen, spielen nicht annähernd so gut wie die Originale und der selbstkomponierte Kram kann mit den Songs ihrer Idole so gut wie nie mithalten. Mit dieser hier verhält sich das allerdings etwas anders. Denn sie hat den unschlagbaren Vorteil, daß eines der maßgeblichen Mitglieder der zu covernden Band gleich mit zum Personal gehört – Mr. Robert Forster. Der Mann aus dem australischen Brisbane also, den man qua Erscheinungsbild und Gestik problemlos in eine mild beleuchtete, leicht angestaubte Oxforder Bibliothek stecken könnte, ohne dass er aus der Rolle fiele, dessen Stil und Auftreten auch auf einer Konzertbühne fast urbritisch sind. Bis auf Ehefrau Katrin Bäumer waren die restlichen Musiker seiner Liveband, die zu Teilen aus Schweden und Australien stammen, jedenfalls kaum auf der Welt, als die Go-Betweens zusammenfanden. Und auch wenn es etwas despektierlich klingen mag – der Altersschnitt des Publikums führt einem deutlich vor Augen, dass die Ikonen des Indierocks ja keine Band der frühen 80er, sondern eher der späten 70er waren. Und zu dieser Zeit tatsächlich etwas ganz und gar Neues waren – großartig blieben sie Zeit ihres Bestehens.

Mehr als die Hälfte des umfangreichen Programms wurde also mit Stücken der Kapelle bestritten, die sich 2006 nach dem überraschenden und schmerzhaften Tod des Mitbegründers, Songschreibers und Gitarristen Grant McLennan auflöste, manche davon sehr alt und nur noch selten live aufgeführt wie „Don’t Let Him Come Back“ (1979), „Man O’Sand To Girl O’Sea“ (1984) oder „The Clark Sisters“ vom fabelhaften Album „Tallulah“ aus dem Jahr 1987. Und sie bekommen es gemeinsam überraschend frisch über die Bühne – der Leadgitarrist vermag den Zauber der alten Akkorde recht originalgetrau in die Jetztzeit zu heben, Bäumers Violinenparts geben der Sache wie früher schon zusätzliche Wärme und auch Forster selbst hat es mit knapp über sechzig keineswegs verlernt, mit ein paar knappen Kniffen und Hüftdrehungen den Rock’n Roll auf die Bretter zu zwingen. Geredet wird nicht allzuviel, aber immer mit Pointe, Forster beherrscht als Wahlberliner wohl mehr Deutsch als er zugeben wollte und kann so die eine oder andere humorvolle Ansage wagen.



Zur Ankündigung des herrlich kracherten „Here Comes The City“ bemerkt der sympathische Schlacks beispielsweise, dass dies wohl das einzige Stück sei, das über eine Zugfahrt von seiner früheren Wahlheimatstadt Regensburg nach Frankfurt via Etterzhausen und Würzburg erzähle. Klar fallen einem gleich mehrere triftige Gründe hierfür ein, dennoch dankt ihm sein Publikum das regionale Bonmot mit viel Applaus. Nicht vergessen sollte man (siehe oben) die Tatsache, dass Forsters Solowerk, das er gerade erst um die wunderbare Platte „Inferno“ erweitert hat, den Vergleich mit dem Oevre seiner früheren Band keineswegs scheuen muß, nicht das überhitzte Titelstück, nicht der augenzwinkernd lässige Überlebenskampf von „The Morning“ und schon gar nicht das quasibuddhistische Achsamkeits-Singalong „One Bird In The Sky“ mit seiner zarten, einprägsamen Melodie. Wer wollte, konnte sich nach Ende der Show von Forster allerlei unterschreiben lassen, er signiere im Übrigen nicht nur am Merchstand erworbenes Material, sondern gern auch mitgebrachte Platten von Stephen Malkmus oder anderen. Von den Alten lernen – hier wäre der Hinweis wirklich einmal angebracht.


Floral Shop: Mit Mut zum großen Gefühl [Update]

Und wenn jetzt jemand meint, hierzulande gäbe es nichts dergleichen zu berichten, dann können wir etwas Trost spenden. Obwohl, eigentlich spenden den eher Floral Shop, eine junge Kapelle aus Münster bzw. Köln, die gerade ihre neue Single "ISO" ins Rennen geschickt hat. Vor anderthalb Jahren haben Simon Graefe, Marvin Stecker, Igor Franjics und Marvin Mauelshagen ihre Debüt-Single "Around" veröffentlicht, auch diese schon bezaubernder Gitarrenpop mit Mut zum großen Gefühl. Mit dem aktuellen Stück machen die vier genau dort weiter - die dazugehörige EP "Parasols" wird am 7. Juni erscheinen.

Update: Der Westen liefert nach - mit "Anyplace" teilen Floral Shop einen weiteren Track von der kommenden EP.

Donnerstag, 9. Mai 2019

Big Thief: Besser alles zugleich

Big Thief
„U.F.O.F.“

(4AD)

Nein, in dieser Gemeinschaft hätte man Adrianne Lenker nun wirklich nicht vermutet. Daß also die Frau mit der zarten, zuweilen recht brüchigen Stimme, Texterin und Bandleaderin von Big Thief aus Brooklyn, ihre zweite Passion im Beobachten von extraterrestrischem Leben gefunden hat. Die Anzahl derer, die das besonders gern und oft tun, soll ja gerade in den USA recht hoch sein, doch natürlich führt uns Lenker mit dem Albumtitel, der sie mit dem vierten Buchstaben als „Friend“ von undefinierbaren, fliegenden Objekten ausweist, auf eine falsche Fährte. Denn mit dem Außerirdischen soll hier eher das Unbegreifliche gemeint sein, das außerhalb unseres gesellschaftlich konditionierten Bewußtseins existiert, das uns anrührt, aufwühlt, beunruhigt, den Geist in Bewegung hält. Die Annahme, dass die oft recht persönlichen, nicht selten schmerzhaften Einblicke, die Lenker in den Lyrics ihrer Band (und ebenso in denen ihres letztjährigen Soloalbums „Abyss Kiss“) gewährt, aus den verstörenden Erfahrungen ihrer Kindheit und Jugend herrühren, ist nicht allzu gewagt. Aufgewachsen in einem überaus religiös geprägten Elternhaus, früh mit zwischenmenschlicher, seelischer und wohl auch sexueller Gewalt konfrontiert, mündeten diese prägenden Erlebnisse, kaum verwunderlich, in Depression und Persönlichkeitsstörungen, an denen sie sich nun künstlerisch abarbeitet.

Und wie so oft hat gerade dieses Schicksal dafür gesorgt, dass sich die Musik von Big Thief wohltuend vom oft sehr braven Standard anderer Folkpopbands unterscheidet, bringt die Verletzlichkeit und der Wille zur katharischen Entäußerung jenes spannende Moment ein, der sie abhebt vom bloßen Wohlklang. Man kann sich ihrer nicht sicher sein, schon die beiden Vorgängeralben „Masterpiece“ und „Capacity“ ließen mit überraschenden Klängen und Wendungen aufmerken und auch „U.F.O.F.“ braucht nur einen Song, um hier anzuknüpfen. „Contact“ beginnt mit vorsichtig gezupfter Akustik, Lenker haucht ihre Verse auf fast kindliche Art und singt davon, wie es sich anfühlt, wenn Taubheit und Gefühllosigkeit den eigenen Körper einhüllen. Dann, im letzten Drittel, ein Schreien, das befreiend sein soll (und doch etwas gruselig anmutet), sie stürzt in die Gegenwart, ihre Umwelt ist plötzlich und endlich physisch spürbar und unmittelbar mit ihr verbunden.

Alles, was folgt, handelt von solchen Augenblicken, die dem eigenen Empfinden nachspüren, von den Glückgefühlen in der Natur, aber auch der Vergegenwärtigung von Vergänglichkeit und Tod: „Life is like this one big process of letting go. That’s what makes it so sweet, is that it is finite, that it is passing, so you can just really come into the present”, erzählte Lenker dem Netzportal The Line Of Best Fit, eine eigenwillige, stimmige Sicht, die dennoch schwer umzusetzen ist. Ihr bei diesem Prozeß gleichsam zuzuhören, ist eine sehr intime Erfahrung, die sich einem sonst selten bietet. Seltsame Szenen bebildern da die Texte, meistensteils Frauen kommen zur Sprache: Caroline im traurig tröstlichen „Cattails“, das unablässig wie ein Traditional marschiert, Betsy, die sie mit wehenden, roten Haaren auf einer Rundfahrt durch New York begleitet und nicht zuletzt Jenni, deren körperlich Gegenwart man, begleitet von dronigen, schiefen Gitarrenakkorden, selbst als Zuhörer zu spüren scheint. Wenn dann bei besagtem Song „Betsy“ Lenkers Stimme plötzlich tief, voll und sehr sinnlich klingt, zeigt sie uns Zuhörer eine weitere, neue Seite und wir sind schlicht baff. Platten wie diese, die zugleich so verstörend, aufregend und feinfühlig sind, wird es in diesem Jahr nicht mehr viele geben. https://bigthief.net/

03.06.  Berlin, Lido
04.06.  Zürich, Bogen F

Mittwoch, 8. Mai 2019

Flying Lotus: So geht Gästeliste [Update]

Da machen manche Künstler ein riesiges Bohei, wenn ihnen Promi X oder Star Y aus lauter Langeweile mal einen lauen Furz auf den Anrufbeantworter geschickt hat, nennen das dann ein Featuring und sind stolz wie Bolle. Danke für nichts. Denen sollte man am 24. Mai unbedingt das neue Album von Flying Lotus vorspielen, denn dort zeigt sich, was eine wahre Gästeliste ist, wer sie alle bekommt, ohne zu rufen und die besser daheim versauern läßt, die nicht gebraucht werden. Die Payroll zu "Flamagra", dem sechsten Werk des Mannes aus Los Angeles führt nämlich folgende Personen: Anderson .Paak, George Clinton, Little Dragon, Denzel Curry, Shabazz Palaces, Thundercat, Thierra Whack, Toro Y Moi und Solange - da wird so mancher sicher grün vor Neid beim Buchstabieren. Aber einen haben wir noch, denn für die erste Video- bzw. Singleauskopplung "Fire Is Coming" hat sich auch noch David Lynch unter die Tiermeute gemischt, es wird also verrückt. Ganze siebenundzwanzig Songs finden sich auf der Platte, erscheinen wird sie bei Warp Records.

Update: So, und hier nun eine kleine Sammlung aller darüberhinaus noch vorab geteilten Songs, als das wären "Takashi", "Spontaneous (feat. Little Dragon)" und ganz aktuell "More (feat. Anderson .Paak)"







Cat Power: Tastende Schritte [Update]

Cat Power
„Wanderer“
(Domino Records)

So recht vorstellen kann man sich das nicht. Dass also eine so renommierte Firma wie Matador eine Platte wie diese hier ablehnt. Oder besser zurückschickt mit den Worten, sie gehöre noch einmal gründlich überarbeitet, so jedenfalls ließe sie sich nur schwer verkaufen. Zur Erinnerung: Auf dem gleichen Label sind seit 1996 sämtliche Alben von Chan Marshall alias Cat Power erschienen, die Leute dort sollten eigentlich wissen, mit wem sie es zu tun haben. Ganz gleich, wie genau die Sache nun abgelaufen ist, Marshall hat der New York Times gerade von ihrer Enttäuschung erzählt und auch von der Weigerung, „Wanderer“ in ein poppigeres, hitträchtigeres Format zu zwängen. Sie hatte sich schließlich, so gestand sie weiter, schon 2012 bei „Sun“ zu weitreichenden Korrekturen überreden lassen, mit denen sie im Nachhinein gar nicht glücklich war. Und so ist diese, ihre zehnte Studioveröffentlichung dann eine sehr reduzierte geworden, stripped to the bones sagt man gern in solchen Fällen. Marshall ist eine Meisterin in diesem Metier, es ist nicht ihre erste LoFi-Platte, nicht die erste, die sich zaghaft und fast unsicher ihren Platz sucht und doch so unglaublich starke Momente hat.



Da ist zum Beispiel „Woman“, das wunderbare Duett mit Lana Del Rey – nicht wenige verstehen es als Replik auf die Komplikationen mit Matador und sie hat bislang zumindest nicht widersprochen: „Your money's like a weapon, a tool to get me, you think I'm like the other ones. Well, my money's like a weapon, tool for me, no, I'm not like those other ones.“ Ein Song, der am Ende ironischerweise ein wenig zu dem Hit geworden ist, den die Labelbosse ständig einforderten. Da ist mit „Stay“ wieder eine überaus geglückte Coverversion, hier jedoch ohne jede Schwülstigkeit, ohne den obligatorischen Augenaufschlag und das tragische Schluchzen des Originals von Rihanna (gemeinsam mit Mikky Ekko), die nur von der unbestrittenen Qualität des Songs ablenken. Und schließlich die düsteren Bassdrums, die Innerlichkeit von „Robin Hood“ oder auch die simplen Akkorde von „Me Voy“ auf der Akkustischen und dem Piano, traumwandlerisch sicher getragen von Marshalls Stimme, die vielleicht keine große, aber in ihrer Brüchigkeit eine ehrliche, anrührende geblieben ist.



Blues und Folk bestimmen und begleiten diese Platte, sie ist das beeindruckende Dokument einer Frau geworden, die schon lange als „wayfaring stranger“ (nicht selten auch im eigenen Leben) unterwegs ist, die sich durch Depression, Alkohol und Krankheiten gekämpft hat, die viel und oft an sich gezweifelt hat und immer wieder neu anfangen mußte, auch hier. Sie ist seit einigen Jahren Mutter eines Sohnes (man sieht ihn auf dem Cover der Platte), hat wohl ein Stück weit Frieden mit sich machen können und vielleicht klingen die Songs auf „Wanderer“ deshalb so vorsichtig („I felt like the songs were most direct being as simplistic as possible“, NYT), weil sie sich jeden Schritt tastend überlegen muß, um nicht wieder an den Abgrund zu gelangen – sie kennt ihn zur Genüge. Früher sagte man, Cat Power auf der Bühne zu sehen sei ein zwiespältiges, ein unsicheres Unterfangen – je nach Tagesform konnte das ein unglaublich intensives Erlebnis oder ein kläglicher Reinfall werden. Möglich, dass sich das gerade ändert. Vielleicht ist ja genau dieses Album das erhoffte Zeichen einer nachhaltigen Besserung für sie selbst. Denn so nah bei sich hat man Chan Marshall zuvor noch selten gehört. https://catpowermusic.com/

28.10.  Berlin, Astra Kulturhaus
29.10.  Zürich, X-tra
30.10.  Lausanne, Les Docks
Update
09.07.  Köln, Live Music Hall
15.07.  München, Backstage
16.07.  Lörrach, Stimmen Festival
19.07.  Zürich, Blue Balls Music GmbH

Sonntag, 5. Mai 2019

These New South Whales: Neustart mal zwei

Die australische Punkband These New South Whales ist in ihrer Heimat eine ziemlich bekannte Nummer, was zum einen natürlich an ihrem kompromisslosen Sound, vor allem aber an ihrer TV-Show liegt, die gerade in die zweite Staffel geht und die vier Herren mehr oder weniger distanziert (haha) und humorvoll (eher untertrieben) auf ihren Touren begleitet. Okay, ganz echt ist das alles nicht, vielleicht macht diese Art von Mockumentary deshalb so großen Spaß. Vor einem Jahr jedenfalls ist ganz und gar reell das Debütalbum des Quartetts mit dem Titel "You Work For Us" erschienen, nun haben sie mit "Nerve 2 Reverse" einen neuen Song parat, der dazu auffordert, sich selbst noch heute auf Werkseinstellungen zurücksetzen zu lassen, Neustart also sozusagen.



Bodi Bill: Zum Ursprung

Foto: Katia Wik
Nächste Station der Reise ist Berlin - von hier aus haben Fabian Fenk, Anton Feist und Alex Stolze im Jahr 2011 als Bodi Bill mit "What?" ein überraschend vielgestaltiges Synthpop-Album im Umlauf gebracht, das einige Beachtung gefunden und den Jungs offenbar so reichlich Input verpaßt hat, dass sie die siebenjährige Sendepause für andere Projekte nutzen konnten. Fenk und Feist wandelten unter dem Pseudonym TheDas.TXL auf Techno-Pfaden, während Stolze mit dem Projekt UNMAP befaßt war. Nun also back to the roots, zwei neue Stücke als Double-A stehen für Bodi Bill bislang zu Buche - nach "Kiss Operator" kommt gerade "What If" hinterher, man darf gespannt sein, was noch folgt.

Jehnny Beth vs. Johnny Hostile: Coming Out

Anfang und Ende der sonntäglichen Rundreise ist also London. Dort lebt seit 2006 bekanntermaßen auch Jehnny Beth, die Gründerin und Sängerin der britischen Post-Punk-Kapelle Savages. Ursprünglich stammt Beth, deren Geburtsname Camille Berthomier lautet, allerdings aus dem französischen Städtchen Poitiers, aber das ist eine andere Geschichte. Gerade erst hatten wir ja von einer neuen EP ihrer Bassistin Ayse Hassan berichtet, nun kann auch die Frontfrau, nun wahrlich nicht arm an Beschäftigung, weil sogar mit eigener Radioshow ausgestattet, mit Neuigkeiten aufwarten: Gemeinsam mit ihrem Lebenspartner Johnny Hostile (der gleichzeitig auch Labeleigner und Produzent ist), hat Beth den Soundtrack zu einer TV-Doku über die amerikanische Whistleblowerin Chelsea Manning komponiert, das Werk wird in Kürze unter dem Titel "XY Chelsea" bei Pop Noire erscheinen. Die Geschichte zum Film ist ziemlich komplex, Manning hatte als Mitglied der US Army 2010 wichtige und geheime Militärdokumente zum Irak-Krieg dem Netzwerk Wikileaks zugespielt und war daraufhin verhaftet und unter Anklage gestellt worden. Ursprünglich wurden fünfunddreißig Jahre Haft gefordert, aufgrund des öffentlichen Protestes über bekanntgewordene Schikanen und Haftbedingungen und wegen der Bemühungen des damaligen Präsidenten Barack Obama erfolgte die Freilassung jedoch im Mai 2017. Zusätzliche Brisanz erhielt der Fall 2013 durch die Entscheidung Mannings, zukünftig als Frau leben zu wollen - in die Army war sie noch als Bradley Edward Manning eingetreten. Der hier vorgestellte Song heißt "Let It Out" und handelt von ebenjenem Moment, da Manning beschließt, ihr eigentliches Geschlecht nicht mehr verstecken zu wollen. Nebenbei - kaum auszudenken, was mit Manning ein paar Jahre später passiert wäre, mit einem Donald Trump im Amt.



Slowthai: Mit Spannung [Update]

Das hier wird mit Sicherheit eine der spannendsten Sachen dieses Sommers: Der Rapper Slowthai, hier schon mit zwei seiner aktuellen Songs vorgestellt, hat nun für den 17. Mai sein Debütalbum "Nothing Great About Britain" via Method Records angekündigt. Dem Vernehmen nach sind Skepta und die Slaves mit auf der Gästeliste notiert, man redet auch von Arbeiten zusammen mit Mike Skinner aka. The Streets. Das neueste Stück "Gorgeous" jedenfalls ist schon wieder mal bestens gelungen - ein wirres, taumelndes, verrücktes Monster.

Update: Und hier ist dann das grandiose Video zum Titeltrack "Nothing Great About Britain" - in diesem Sinne, God save the Queen!



Samstag, 4. Mai 2019

MorMor: Traurig schön [Update]

Das ist jetzt wieder mal ein wunderbares Beispiel dafür, dass es sich lohnt, die Playlisten anderer Künstler durchzustöbern. Auf Seth Nyquist alias MorMor wären wir nämlich kaum gekommen, hätte nicht Nilüfer Yanya, gerade für ihr Album "Miss Universe" in höchsten Tönen gelobt, den Jungen ausdrücklich erwähnt. Zuhause im kanadischen Toronto, hat dieser im vergangenen Jahr seine Debüt-EP "Heaven's Only Wishful" veröffentlicht, vor einigen Monaten kam dann mit "Pass The Hours" ein weiterer Track und nun geht der gleichzeitig mit seiner aktuellen Single "Outside" auf Tour durch Europa. Das Stück hat ein Video von Duncan London zu Seite, das trauriger nicht sein könnte und einen ziemlich starken Kontrast zur weichen Stimme des Künstlers bildet. Nyquist zum Song: "Ich habe ihn in einer Zeit geschrieben, in dem ich sehr einsam war. Dieses Fremdheitsgefühl habe ich versucht, in dem Stück einzufangen, es mir zu eigen zu machen."

27.03.  Köln, Bumann und Sohn
29.03.  Berlin, Privatclub

Update: Und hier ist nun die neue EP "Some Place Else" im kompletten Stream zu haben.





Freitag, 3. Mai 2019

Bill Callahan: Vertauschte Rollen

Die Erbsenzähler werden sich jetzt wieder melden und reklamieren, dass es sich hier doch wohl anders verhält: Die Behauptung, Bill Callahan habe gerade sein sechstes Studioalbum angekündigt, sei so nicht haltbar, schließlich habe der Songwriter aus einem Städtchen bei Washington ja schon unter seinem Pseudonym Smog eine große Zahl an Veröffentlichungen vorgelegt und selbst als Solist folgte der Platte "Dream River" aus dem Jahr 2013 noch eine Dub-Version und ein Live-Mitschnitt - nun ja, das ist wohl so. Doch wie immer man es zählt, für den 14. Juni sind via Drag City unter dem Titel "Shepherd In A Sheepskin Vest" ganze zwanzig niegelnagelneue Songs geplant, einen ersten Konzerttermin gibt es für Berlin obendrauf. Ob der verkleidete Hirte da noch was dranhängt, werden wir sicher später erfahren.

08.10.  Berlin, Admiralspalast

Donnerstag, 2. Mai 2019

Element Of Crime: Friedliche Geiselnahme

Element Of Crime
Support: Isolation Berlin
Circus Krone, München, 1. Mai 2019

Da soll keiner behaupten, er kümmere sich nicht um den Nachwuchs. Die Ankündigung, wen das Publikum unter ausverkauften Zirkuskuppel als Vorband erwarten dürfe, machte Sven Regener höchstselbst, neben ein paar mäßig ernst gemeinten Bemerkungen, die Kerle von Isolation Berlin könnten aufgrund ihrer Jugend sowieso alles viel besser als die alten Herren, die ihnen später folgen würden. Tobias Bamborschke revanchierte sich seinerseits mit dem Dank dafür, dass Element Of Crime seine Band auf Tournee begleiten würden. Der Junge ist ja tatsächlich ein großes Versprechen an die Zukunft, er textet und musiziert nicht nur fabelhaft, sondern schreibt mittlerweile auch eigene, lyrische Verse zwischen zwei Buchdeckel. Und man darf annehmen, dass er sich wahnsinnig auf das Engagement als Begleitband gefreut hat. Als wir ihm in einem frühen Interview ein paar Kandidaten als mögliche Vorbilder aufzählten, fielen Rio Reiser und Peter Hein unbeachtet durch, Sven Regener allerdings lobte Bamborschke in allerhöchsten Tönen, ohne ihn, so meinte er, sei sein eigenes Coming Out als Musiker nicht vorstellbar gewesen. Der Meister und der Lehrling an einem Abend, eine schönere Paarung konnte es also gar nicht geben – das Publikum begegnete den jungen und lauten Burschen dann mit wohlwollend freundlicher Reserviertheit, so schnell läßt sich die Elterngeneration nicht aus der Reserve locken.



Ihre Begeisterung heben sie sich natürlich für die Gleichaltrigen auf, nicht wenige kennen Regener und Kollegen seit Mitte der Achtziger, als sie noch ausschließlich englisch sangen (und auch da schon ganz wunderbare Platten machten). Der große Erfolg kam dann mit ihrem ersten deutschsprachigen Album „Damals hinterm Mond“ ans Rennen, seit dieser Zeit haben sie eine solch große Anzahl erinnerungswürdiger Stücke geschrieben, dass selbst Regener mit der Zuordnung mal durcheinandergerät und es sich zudem leisten kann, einen Song wie „Deborah Müller“ als alten Hit anzukündigen, auch wenn der mit seinen zehn Jahren ja noch zu den jüngeren im Gesamtwerk zählt. Es kommen später am Abend mit „Delmenhorst“ und „Weißes Papier“ noch zwei, die mehr auf dem Buckel haben, zu einem Best-Of-Abend lassen sich Element Of Crime aber dankenswerterweise nicht hinreißen. Dafür nämlich ist ihre aktuelle Platte „Schafe, Monster und Mäuse“ viel zu gut gelungen. Auf den ersten Blick mag dies ihr Berlin-Opus sein, neben den liebevollen Erinnerungen ist es aber auch ein Werk des Mahnens und Aufbegehrens, wieder ein großes, dunkles Stück Musik. Wenn Regener in „Ein Brot und eine Tüte“ dem Soziopathen Zucker gibt und zu den Takten von „Immer noch Liebe in mir“ gewohnt ungelenk und ausgelassen tanzt, dann ist das herrlich verschossen, hat sogar etwas von Kirmes-Stimmung und lädt manche/n zum lautstarken Mitgrölen ein.



Auf der anderen Seite werden „Gewitter“ und „Stein, Schere, Papier“, anders als auf dem Tonträger, live zu ziemlich schwergewichtigen Nummern – Regener steht mit seinem ernsten (und plötzlich auch sehr alten) Holzschnitt-Gesicht grell angestrahlt im Zwielicht und die Band baut eine düster dröhnende Soundkulisse auf. Keine zarten Streicher hier, statt Trost ein letzter Toast „auf die gute alte Zeit, denn die ist jetzt vorbei, und bitter schmeckt der Rauch, ein Gewitter kommt auf.“ Er weiß das zu brechen, die Stimmung schlägt zumindest an diesem Abend nicht um. Regener plaudert gern, aber nicht zu viel, kurz erzählt er ein paar Takte über die Filmmusik zu „Robert Zimmermann“, ebenso aber davon, dass es selten lohnt, dem Publikum allzu viele Erklärungen mitzugeben. Das Eintrittsgeld sei ohnehin schon entrichtet, als Geiselnehmer vertraue er im Übrigen auf das Stockholm-Syndrom, nach welchem ihm sein Publikum ohnehin Zuneigung entgegenbringen müsse, auch ohne viele Worte. Recht hat er, die Geiselnahme endet nach mehreren Zugaben erwartungsgemäß friedlich, die Band war vorzüglich, der Chef bei anhaltend guter Stimme und Laune und dass es in den nächsten Tagen draußen wieder kälter wird, dafür kann der Mann mit der Trompete nicht wirklich nichts.

Mittwoch, 1. Mai 2019

Die Ärzte: In den Sonnenuntergang? Iwo!

Nach dem kapitalen Seitenhirsch und der liebevollen Schrottsammlung - ist nun doch alles vorbei? Die Ärzte, bäste Bänd der Wält, am Ände? Nun, man weiß es nicht genau, eher deutet nach viel Rätselei alles auf ein neues Album und eine ausgedehnte Konzertreise hin, jetzt, da die Spuren verwischt und jeder Fan ordentlich durcheinander ist. Vielleicht sollte man also die aktuelle Single "Abschied" trotz Wink-mit-Zaunspfahl-Text nicht allzu wörtlich nehmen, irgendwie glaubt keiner so recht, daß BFR so einfach in den Sonnenuntergang gehen. Besser erst mal die beiden Versionen (eine vegetarische und eine vegane) anhören und dann: Weiterhoffen.

Update: Na also, nix zu Ende. Rückkehr ist angesagt - wann, wohin, womit, erst mal egal. Wichtig ist: Dass. Am heutigen 1. Mai haben Die Ärzte also allen Gerüchten ein Ende gesetzt und "Rückkehr", einen neuen Song gepostet. Und wer gut zuhört, dessen Herz wird jubeln! Der Rest ergibt sich dann irgendwann von ganz von selbst.





Dienstag, 30. April 2019

Violent Femmes: Erneute Widerrede

Selbst die eigene Website kann ihnen offenbar nur schwerlich folgen: Den Violent Femmes ist im Laufe ihres Bestehens schon oft das Ende ihrer nunmehr fast vierzigjährigen Karriere vorausgesagt worden, vorsichtshalber ist unter dem entsprechenden Topic also der Verweis zu finden "new violent femmes bio will be in this space soon" - man weiß ja schließlich nie ... Nun, sie haben es den Schwarzsehern ein jedes Mal gezeigt, von einem Split war bislang nichts zu hören. 2016 ist mit "We Can Do Anything" der letzte programmatische Mittelfinger von Gordon Gano und Brian Ritchie erschienen, ein Feuerwerk an Klamauk, bissigem Witz und ungebremster Spielfreude. Und nun, da das Unken wieder losging, kommt die Nachricht von einer neuerlichen Veröffentlichung, am 26. Juli kommt bei PIAS die Platte "Hotel Last Resort" heraus und für den Titelsong hat kein geringerer als Tom Verlaine von Television die Gitarre gezupft.



Bleached: Wut und Krach reloaded

Okay, viel haben wir noch nicht, aber das Wenige ist Grund genug für einen kleinen Post: Denn Nick, Jennifer und Jessica - nein, das sind nicht die drei Engel für Charlie, sondern die kalifornische Girl-Boy-Girl-Kapelle Bleached, haben sich nach zwei Jahren Sendepause wieder aufgerafft und Pläne für ein neues Album geschmiedet. Das letzte hieß bekanntlich "Welcome The Worms" und war ärgerlich im besten Sinne. Und weil Wut und Krach so gut zusammenpassen, wollen wir auch gern den Nachschub begrüßen - zunächst in der Form der Single "Shitty Ballet" und dem dazugehörigen Video, in dem, nun ja, ein scheußliches Ballet zu sehen ist. Macht natürlich trotzdem Spaß, versprochen. Ein paar einleitende Worte gibt es übrigens ganz unten von der Band selbst zu lesen.

Update: Der komplette Nachschub heißt übrigens "Don't You Think You've Had Enough?" und wird am 12. Juli bei Dead Oceans erscheinen - die nächste Single "Hard To Kill" steht hiermit auch schon ins Haus. Schöner Blondie-Funk. btw.





Montag, 29. April 2019

Die Kerzen: Die wahren Erben

Ja hatten wir nicht gerade auf der Jugendseite (!) der Süddeutschen Zeitung (ja, da schauen wir ab und an mal vorbei) eine Ode an die gute, alte Dorfdisko gelesen - Fortsetzung der ebenso feinen Abhandlung mit dem Motto "Der Partykeller der Eltern ist das Berghain der Dorfjugend"? Und just um diese Zeit schneit eine Nachricht aus dem Anti-Dorf Berlin herein, in welcher die Plattenschmiede Staatsakt verkündet, Die Kerzen aus dem beschaulichen Ludwigslust (merke: Mecklenburg-Vorpommern) setzten zur Veröffentlichung ihres Albums "True Love" (wie wohl sonst) für den 28. Juni an? Nun, seit ihrer EP "Erotik International" wissen wir, dass Fizzy Blizz, Die Katze, Jelly Del Monaco und Super Luci die einzig legitimen Nachfolger von Wham! sein müssen, sie haben uns damals schon verzaubert und werden es, eingedenk ihrer neuen Single "Saigon", wieder tun. Es geht einfach nicht anders. Übrigens, um noch mal auf das Thema Provinz zurückzukommen: Ludwigslust und das brandeburgische Neuruppin liegen bekanntlich nur gute hundert Kilometer auseinander, wäre es nicht denkbar, an einem Abend sowohl Die Kerzen als auch Nord Nord Muzikk auftreten zu lassen, im selben Saal? Mehr Spannbreite, mehr Grenzerfahrung geht nicht ...

05.05.  Köln, c/o Pop Festival
15.05.  Berlin, Musik & Frieden (Support Pool)
16.05.  Hamburg, Schanzenzelt (Support Pool)
22.08.  Berlin, Pop Kultur
18-21.10.  Hamburg, Reeperbahn Festival
18.10.  Berlin, SO 36 (Dialog mit der Jugend)
19.10.  Schorndorf, Manufaktur



Esya: An Tagen wie diesen

Okay, vielleicht hätten wir eher mit der ganz dicken Nachricht, also einem neuen Album der Savages, gerechnet. Das sagen wir aber jetzt nur ganz leise und etwas verschämt, denn eigentlich bewundern wir ja jede der vier Damen der Kapelle gleichermaßen und deshalb ist es uns genauso lieb, wenn zunächst Bassistin Ayse Hassan mit einer neuen EP aufwartet. Im Sommer vergangenen Jahres erschien mit "Absurdity Of Being" ihre erste 12" unter dem Moniker Esya, nun kommt via Bandcamp der Nachfolger "Absurdity Of ATCG (I)" mit fünf neuen Stücken. Diese Nachricht und die erste Kostprobe "Nothing" erreichen uns fast genau auf den Tag, an dem die wohl berühmteste Frau am Bass Kim Gordon ihren Geburtstag feiert - was kann es Schöneres geben.

Drahla: Zeichen der Zeit

Drahla
„Useless Coordinates“
(Captured Tracks)

Wenn die These stimmt, wonach der Zustand einer Gesellschaft daran zu bemessen ist, wie sehr die widerständige Musikszene eines Landes prosperiert und von welcher Qualität sie ist, dann geht es Großbritannien zurzeit wirklich schlecht (und Deutschland btw noch viel zu gut). Wie auch zuvor schon zu Zeiten von Thatcher und Major hält jede Woche mehrere verheißungsvolle und spannende Neuzugänge bereit, die Grime- und Rap-Szene floriert, Rock und Pop ebenso und selbst Nischen wie der Jazz werden plötzlich hell ausgeleuchtet. Nachdem die Liste ordnungsgemäß pöbelnder Punk- und Post-Punk-Kapellen fast täglich aktualisiert werden muß, machen mit Drahla auch die bislang etwas unterrepräsentierten Kunststudenten wieder lauter. Ohne dass man von dem Trio aus Leeds die Parallelen direkt bestätigt bekäme, sind Ähnlichkeiten zwischen ihrem Werdegang und dem der New Yorker No-Wave-Heroen Sonic Youth zu erkennen: Das betont gleichwertige Nebeneinander von zeitgenössischer, bildender Kunst und roher Musikgewalt („The art side of things is equally as important as the music“, Sängerin Luciel Brown im NME), der performative Ansatz ihrer Video- und Liveauftritte und die sorgfältige DIY-Auswahl grafischer Mittel bei der Gestaltung ihrer Veröffentlichungen – das alles rückt Drahla in die Nähe von Gordon, Moore und Co.



Hinzu kommen Ähnlichkeiten bei Stuktur und Sound, auch Drahla favorisieren das Sperrige, Ursprüngliche, auch sie schicken mit Vorliebe repetitive, messerscharfe Gitarrenriffs, atemlos hetzende Sprachbilder und sich stetig überlagernde Noiseattacken in die Runde, gut ist, was laut, schief, unerwartet klingt und somit gegen die gängigen Normen von Wohlklang, Akkordabfolge und Songaufbau arbeitet. Ihr Video zu „Stimulus For Living“ darf dabei als passende Einführung in das Werk gelten – Interviewsequenzen zwecks Ideen-Proklamation, Zerstörung, Dekonstruktion, dadaistische Wortspiele („ideological/rhythm/norm“), in der Verwirrung liegen Reiz, Anziehungskraft und Schönheit. „I think it’s better not to put a genre on something if possible“, meint Brown im NME dazu und weiter: „We’re pretty loud and abrasive, and we try not to stop“. Zehn Mal klirrt es also kalt und kaputt auf „Useless Coordinates“ und neben Mike Ainsley’s treibendem Schlagzeug und Bassist Rob Riggs fast in jedem Song mit dabei ist Chris Duffin am Saxophon.



Einem Instrument also, das in den letzten Jahren wie kein zweites eine regelrechte Wiederauferstehung gefeiert hat, erst durch die Rückkehr klassischer Soul-, Funk- und Jazzklänge in den Fokus der Populärmusik und später als Ausdruck zunehmender Diversifizierung des anhaltenden Post-Punk-Revivals. Und auch hier sorgt es sowohl für die schrägen, atonalen Momente als auch für die das Innehaltens. Obwohl richtige Ruhe auf dem Album, sieht man von ein paar kleineren Verschnaufpausen ab, kaum einkehrt, selbst das zweigeteilte „React/Revolt“ zieht nach der Hälfte deutlich an und stürmt danach furios vorwärts. Brown fragmentarische Lyrics bleiben dabei bewußt vage und interpretationsfähig, es gibt verwirrende Vergleiche des alten Ägyptens mit der Neuzeit („Pyramid Estate“), Verweise auf die gewaltige/gewalttätige Malerei eines Francis Bacon („Serenity“) oder auf Hollywoods überkommene, goldene Zeiten („Gilded Cloud“). Drahla wollen übrigens bald selbst eine eigene Ausstellung kuratieren, fraglos werden sie diese wohl auch entsprechend vertonen. Eine kleine, offenkundige Gemeinsamkeit mit Sonic Youth haben wir dann übrigens doch noch gefunden: Rob Riggs gab in einem Interview mit Fred Perry seiner Verehrung zum Filmemacher Harmony Korine Ausdruck – und dieser hat bekanntlich gemeinsam mit Schauspieler Macauley Culkin das Video zu „Sunday“ gedreht. Was wiederum ein schöner Schlusspunkt ist. https://www.drahla.com/