Nun noch ein guter Rock'n Rotz-Song zur Abendruhe: Das Duo Deap Vally aus Los Angeles hat dieser Tage sein neues, zweites Album angekündigt - auf "Sistrionix" aus dem Jahr 2013 soll am 16. September via Cooking Vinyl "Femejism" folgen und schon in der ersten Single "Smile More" machen Lindsey Troy und Julie Edwards klar, was sie von der handelsüblichen Meinung anderer zu Sachen wie Gewicht, Alter, Sex etc. halten: "I am not ashamed, I am no ones wife!"
Mittwoch, 8. Juni 2016
DJ Shadow: Alpinistik
Von all den neuen Titeln ist das mit Sicherheit der mit dem eigenwilligsten Namen: Wenn DJ Shadow in zwei Wochen sein neues Album "The Mountain Will Fall" herausbringt, wird sich darauf auch ein Track mit dem Namen "Bergschrund" finden. Das Stück, das tatsächlich ziemlich zerklüftet daherkommt, ist eines von zweien, die in Zusammenarbeit mit Nils Frahm entstanden sind und findet sich hier als Stream - dazu gibt es noch ein paar Konzerttermine für die nächsten Tage.
28.06. Berlin, Gretchen
29.06. Köln, Gloria Theater
05.07. Hamburg, Mojo Club
28.06. Berlin, Gretchen
29.06. Köln, Gloria Theater
05.07. Hamburg, Mojo Club
Sofi Tukker: Neues aus der Welt der Tiere
Schwierigkeiten, den Tag in Tritt zu bringen? Kein Problem - helfen wir gern. Wie wäre es zum Beispiel mit einem neuen Track des New Yorker Electro-Duos Sofi Tukker? Zu Beginn des Jahres waren Sophie Hawley-Weld und Tucker Halpern hier schon mit den Stücken "Drinkee" und "Matadora" im Gespräch, liefern wir jetzt "Hey Lion" und das aktuelle "Déjà Vu Affair" nach - die komplette EP "Soft Animals", von der das alles stammt, wird am 8. Juli erscheinen.
Heliotropes: Alles neu
Wie nennt man das: Notwendige, personelle Umstrukturierungsmaßnahmen? Die New Yorker Band Heliotropes schmetterte im Jahr 2013 ihr wunderbares Debütalbum "A Constant Sea" in die Welt - vier jungen Damen, die sich offenkundig einen Dreck um alles und jeden scherten und ordentlich Gas gaben. Nearly perfect also. Nun, drei der vier Damen sind schon wieder von Bord, übriggeblieben allein Sängerin Jessica Numsuwankijkul, die nun den Ton angibt und von drei Männern begleitet wird. Es wird eine neue Platte geben, "Over There That Way" soll sie heißen und die aktuelle Single "Wherever You Live" klingt schon mal ein ganz klein wenig anders als die Songs zuvor, gleiches gilt für "Easy" früherern Datums. Es bleibt spannend.
Dienstag, 7. Juni 2016
Glass Animals: Talking about evolution [Update]
20.06. Berlin, Kantine Berghain
Update: Jetzt neu mit Artwork und offiziellem Video zur Single "Life Itself".
Iggy Pop: Punchlines
Auf den Open-Air-Bühnen ist er gerade wieder dabei, seinen Unkaputtbarkeits-Mythos zu pflegen: Iggy Pop, seit einiger Zeit zusammen mit Josh Homme und Konsorten mit seinem neuen Album "Post Pop Depression" wieder im Ring, hat für die Single "American Valhalla" einen Videoclip nachliefern lassen - gedreht wurde er von Jamie-James Medina und neben der verdeckten Hauptdarstellerin Ruth Bell ist der Boxkampf zwischen Dick Tiger und Gene Fullmer im Nigeria des Jahres 1963 zu sehen.
Montag, 6. Juni 2016
PJ Harvey: Fremdkörper
Zwischen all den quietschbunten Animationsfilmchen anderer Künstler wirken die Videoclips von PJ Harvey in diesen Tagen geradezu wie Fremdkörper, was sicher auch zum Kalkül der Filme gehört: Zusammen mit Seamus Murphy bereiste die Britin bekanntlich für ihr aktuelles Album "The Hope Six Demolition Project" u.a. auf Afghanistan, für die Single "The Orange Monkey" gibt es nun also einen weiteren Ausschnitt aus der Reisedokumentation.
Little Boots: Workout
Erst also die Arbeit, dann ... Little Boots hat ja im vergangenen Sommer eine wirklich sehr hübsche Tanzplatte mit dem Titel "Working Girl" veröffentlicht (und das meint keinesfalls nur die pastellfarbenen Fotomotive) - nun soll bald der Nachfolger in den Handel kommen und auf dem sind wir exakt eine Runde weiter. "Afterhours", so der Titel, ist tatsächlich als eine Art Workout für gestreßte Büropflanzen gedacht oder, wie die Künstlerin dem Magazin Nylon sagte, "the soundtrack for when the photocopier powers down and the office is
locked up, and you want to find somewhere to let your hair down and
forget about the day." Schöne Idee, da kann der Feierabend ja kommen - zunächst kommt aber erst mal der obligatorische Vorabtrack "Staring At The Sun" im Lyric-Video.
Sonntag, 5. Juni 2016
Faces On TV: Rundum gelungen
Sie nennen es Trippop, kommen aus dem belgischen Gent und nennen sich Faces On TV: Jasper Maekelberg, Sander Verstraete, Ruben Vanhoutte und Dienne Bogaerts haben gerade ihre Debüt-EP "Travelling Blind" bei Soundcloud eingestellt. Und natürlich sollte man von dem Quartett mehr in Erinnerung behalten als die lustige Aufnahme des Sängers (s.o.), die man auf dem Facebook-Account der Band finden kann. Die fünf neuen Stücke jedenfalls machen sich schon mal recht überzeugend, ebenso wie das 360-Grad-Video, das sie mit Victor Van Rossem zum Titelsong abgeliefert haben.
Mehmet Scholl: Erfreulich unbelehrbar
Mehmet Scholl
„Miss Milla 2“
(Millaphon)
Erst kürzlich hat ihn die Süddeutsche Zeitung wieder mal gelobt, wenn dem Ganzen auch etwas Gift beigemischt war. Es ging darum, dass der Kapitän der Frankfurter Eintracht in einem entscheidenden Spiel trotz einer gerade diagnostizierten Erkrankung seine Mannschaft unterstützen wollte und also mitspielte und just in dieser Partie mit einem Eigentor für ziemlich lange Gesichter sorgte. Soviel Pech und Dramatik auf einen Haufen und was sagte der sonst so quirlige, um kein Wort verlegene Kommentator Scholl? Nun, er sagte, dass er erst mal nix sagen könne, weil ihm gerade in diesem Moment die Worte fehlen würden. Und genau das, sagte wiederum die Zeitung, mache ihn mal wieder sehr sympathisch. Schöne Geschichte. Sympathisch ist übrigens auch, dass Scholl in schöner Unregelmäßigkeit seine musikalischen Vorlieben auf gänzlich oldschoolhafte Art und Weise dokumentiert und kompiliert – wer bitte kauft sich denn heute noch CD-Sampler, wo man doch jeden Track in lausiger Qualität für lau aus dem Netz saugen kann? Nun, man muß den Unbelehrbaren dafür loben, denn so kommt auch der weltläufigste Auskenner an einen Mix, der die eine oder andere kleine Überraschung bereithält.
Dass die Future Islands und Vampire Weekend diese wie viele andere Playlisten anführen, ist eher keine, dass sich Scholl an Austra wagt, ursprünglich eher dem Darkwave verhaftet und erst in letzter Zeit mit Zug zum Pop, dann aber doch. Die neuseeländischen Chills wiederum entdeckt er spät, aber rechtzeitig genug, um ihr großes Potential zu erkennen. Der Großteil der Auswahl spiegelt aber, man wußte es schon, Scholls Hang zum emotionalen und melancholischen Indierock wieder – alles nicht unbedingt taufrisch, aber durchaus gefällig und hörbar sowieso. We Are Augustines, The Apache Relay, Shearwater, Seaside Hights, Bands, Songs, wie gemacht für die Autofahrt bei offenen Fenstern, wo man unbeobachtet laut und falsch mitsingen kann. Klar lebt der gute Fußball von der Unvorhersehbarkeit, der Finte und der Täuschung, man sollte dem einstigen Instinktkicker dennoch nicht allzu gram sein, dass er sich diese Eigenschaft kaum für die Plattenteller bewahren konnte.
Denn einige Perlen hat er ja schon auf dem Zettel: The Rumour Said Fire aus Dänemark beispielsweise spielen auf ihrer Single „The Balcony“ einen derart ergreifenden Countryrock, dass man sich das Quartett schon mal auf die Liste der Must Haves für die nächste Konzertsaison setzen möchte. Gleiches gilt für die Amerikaner Wild Nothing, aber nur unter der Bedingung, dass sie auch diese wunderbare Coverversion von Kate Bush’s „Cloudbursting“ im Programm haben. Genügend Schönheiten versammelt also, genügend Gründe, weshalb Scholl mit dieser CD auch heute noch aus dem Mannschaftsbus fliegen würde und ihm genau das ein paar Pluspunkte mehr als anderen seiner ehemaligen Kollegen eintragen dürfte. Auf dem Waschzettel zum Silberling stand übrigens geschrieben, Mehmet Scholl würde hier eine Sammlung präsentieren, „die ihm ans Herz geht wie die Hand des Nationalspielers bei der Nationalhymne“ – nun, man könnte vielleicht auch etwas weniger plump und pathetisch behaupten, der Mann habe einfach noch immer Spaß am Hören und Entdecken und zudem genügend Eigensinn, andere daran teilhaben zu lassen.
„Miss Milla 2“
(Millaphon)
Erst kürzlich hat ihn die Süddeutsche Zeitung wieder mal gelobt, wenn dem Ganzen auch etwas Gift beigemischt war. Es ging darum, dass der Kapitän der Frankfurter Eintracht in einem entscheidenden Spiel trotz einer gerade diagnostizierten Erkrankung seine Mannschaft unterstützen wollte und also mitspielte und just in dieser Partie mit einem Eigentor für ziemlich lange Gesichter sorgte. Soviel Pech und Dramatik auf einen Haufen und was sagte der sonst so quirlige, um kein Wort verlegene Kommentator Scholl? Nun, er sagte, dass er erst mal nix sagen könne, weil ihm gerade in diesem Moment die Worte fehlen würden. Und genau das, sagte wiederum die Zeitung, mache ihn mal wieder sehr sympathisch. Schöne Geschichte. Sympathisch ist übrigens auch, dass Scholl in schöner Unregelmäßigkeit seine musikalischen Vorlieben auf gänzlich oldschoolhafte Art und Weise dokumentiert und kompiliert – wer bitte kauft sich denn heute noch CD-Sampler, wo man doch jeden Track in lausiger Qualität für lau aus dem Netz saugen kann? Nun, man muß den Unbelehrbaren dafür loben, denn so kommt auch der weltläufigste Auskenner an einen Mix, der die eine oder andere kleine Überraschung bereithält.
Dass die Future Islands und Vampire Weekend diese wie viele andere Playlisten anführen, ist eher keine, dass sich Scholl an Austra wagt, ursprünglich eher dem Darkwave verhaftet und erst in letzter Zeit mit Zug zum Pop, dann aber doch. Die neuseeländischen Chills wiederum entdeckt er spät, aber rechtzeitig genug, um ihr großes Potential zu erkennen. Der Großteil der Auswahl spiegelt aber, man wußte es schon, Scholls Hang zum emotionalen und melancholischen Indierock wieder – alles nicht unbedingt taufrisch, aber durchaus gefällig und hörbar sowieso. We Are Augustines, The Apache Relay, Shearwater, Seaside Hights, Bands, Songs, wie gemacht für die Autofahrt bei offenen Fenstern, wo man unbeobachtet laut und falsch mitsingen kann. Klar lebt der gute Fußball von der Unvorhersehbarkeit, der Finte und der Täuschung, man sollte dem einstigen Instinktkicker dennoch nicht allzu gram sein, dass er sich diese Eigenschaft kaum für die Plattenteller bewahren konnte.
Denn einige Perlen hat er ja schon auf dem Zettel: The Rumour Said Fire aus Dänemark beispielsweise spielen auf ihrer Single „The Balcony“ einen derart ergreifenden Countryrock, dass man sich das Quartett schon mal auf die Liste der Must Haves für die nächste Konzertsaison setzen möchte. Gleiches gilt für die Amerikaner Wild Nothing, aber nur unter der Bedingung, dass sie auch diese wunderbare Coverversion von Kate Bush’s „Cloudbursting“ im Programm haben. Genügend Schönheiten versammelt also, genügend Gründe, weshalb Scholl mit dieser CD auch heute noch aus dem Mannschaftsbus fliegen würde und ihm genau das ein paar Pluspunkte mehr als anderen seiner ehemaligen Kollegen eintragen dürfte. Auf dem Waschzettel zum Silberling stand übrigens geschrieben, Mehmet Scholl würde hier eine Sammlung präsentieren, „die ihm ans Herz geht wie die Hand des Nationalspielers bei der Nationalhymne“ – nun, man könnte vielleicht auch etwas weniger plump und pathetisch behaupten, der Mann habe einfach noch immer Spaß am Hören und Entdecken und zudem genügend Eigensinn, andere daran teilhaben zu lassen.
Naomi Pilgrim: Stimme mit Gewicht
Dass sie schon für Lykke Li im Background gesungen hat, läßt sich unschwer heraushören, denn auch ihre eigene Musik nimmt Bezug auf den Sound des schwedischen Superstars: Naomi Pilgrim, der Vater von der Antillen-Insel Barbados, die Mutter Schwedin, hat gerade ihre neue EP "Sink Like A Stone" mit drei Tracks veröffentlicht, diese folgt einer Reihe früherer Veröffentlichungen wie "House Of Dreams", "Rainmakers" und "No Gun". Aufgewachsen in sonst so liberal beleumundeten Skandinavien, setzt sich Pilgrim in ihren Songs dezidiert mit dem Erstarken des Rechtspopulismus und Nationalismus in ihrem Land auseinander, die aktuellen Songs bilden zudem eine klangliche Brücke zur Heimat ihres Vaters, die sie vor einiger Zeit nach langer Absenz wieder besuchte.
Freitag, 3. Juni 2016
The Killers vs. Interpol: Frühwerk
Die beiden Bands trennt ein ganzes Jahrtausend. Und dennoch hatten sie mal einiges gemeinsam: Interpol, 1997 in New York City ins Leben gerufen, waren offenbar, wenn man Brandon Flowers Worten glauben schenken darf, für dessen Band The Killers, gestartet 2001 in Las Vegas, eine ungemein wichtige Inspiration. Doch auch wenn sich beide Formationen soundtechnisch früher deutlich näher standen - es geht noch immer zusammen. Davon konnte man sich gerade bei einem Konzert der Killers in Ontario überzeugen, wo Flowers und Kollegen "Obstacle 1", einen Uralthit der Waverocker vom Debütalbum "Turn On The Bright Lights", coverten. Und mal ganz ehrlich - so schlecht machen sie das gar nicht, Chapeau!
Humboldt: Ein bleibendes Rätsel
Der Junge ist zunächst einmal ein Rätsel. Und man hat hat Gefühl, dass er das gern auch bleiben möchte: Der Berliner DJ, Songwriter und Produzent Humboldt hat heute seine EP "Mamihlapinatapai" via Ove Records veröffentlicht und natürlich kommt man nicht umhin, wenigstens die Geschichte des Titels zu erklären. Dieses Wort nämlich bezeichnet in der Sprache der Yaghan, eines Eingeborenenstammes der südamerikanischen Insel Feuerland, den Moment des Blickkontaktes, wenn zwei Menschen sich zwar ihres Begehrens sicher sind, dieses aber nicht artikulieren können. Für das Verständnis seiner Musik hilft das allerdings auch nicht viel weiter, was aber nicht schlimm ist, denn die elektronisch verschränkten Soundcollagen zu brüchiger Stimme transportieren ihre ganz eigenen Reize. Vier Stücke enthält das Kurzformat, neben "Manen" und "Day Night" auch die Tracks "Grounded" und "Form Above", die Humboldt auch hat von der Regisseurin Monica Sender bebildern lassen. Und zwar sehr rästelhaft, was sonst.
Palace Winter: Völlig losgelöst
Palace Winter
„Waiting For The World To Turn“
(Tambourhinoceros)
Vor einem Jahr sind Carl Coleman und Caspar Hesselager alias Palace Winter als dänisch-australisches Duo auf der Bildfläche erschienen, ihre ersten Stücke “Time Machine” und “Menton” und die folgende EP “Medication” überzeugten in Bild und Ton – soll heißen, die melancholisch verträumten Indiepophymnen waren in geschmackvolle Fotokunst verpackt und es war nicht schwer, die Jungs dafür zu mögen. Nun also der nächste große Schritt, das Debütalbum. Die Vorfreude war nicht eben kleiner geworden, denn auch die Vorauskopplungen “Positron”, “Soft Machine” und “H.W. Running” versprachen ähnlichen Hörgenuss und mit der Auswahl der explosiven Covershots vielleicht auch noch ein bisschen mehr. Gehalten haben sie davon zumindest ersteres, denn der Sound der aktuellen Platte ist weiterhin dicht, ungemein melodiös, um nicht zu sagen schwelgerisch. Wollte man die bei Musikkritiken gern benutzte Assoziationskette ergänzen, stünde hier vielleicht Travis meets Pink Floyd meets Don Henley, von den Schotten nämlich haben sich die beiden die wunderbar eingängigen Hooks geborgt, behutsam etwas Psychedelika beigemischt und trotzdem ihr sonniges Gemüt nicht verraten. In Erinnerung bleibt vor allem eben jenes “H.W. Running”, das soft und synthetisch lospluckert und eine sehr entspannte Stimmung verbreitet. Ähnlich Gutes gelingt ihnen später beim überlangen Schlußdoppel “Dependance/Independence”, auch hier federn die Gitarren zu sanften Perkussions – gerade die Ausführlichkeit, die Epik erinnern sehr stark an Adam Granduciel und seine The War On Drugs. Man hätte Coleman und Hesselager am Ende vielleicht etwas mehr Mut gewünscht, im Laufe der Spiellänge des Albums auch mal auszubrechen, den Sound stärker zu variieren, wie sie es ja in Ansätzen bei “Positron” versuchen. Der Kontrast mit den Schlachtmotiven der drei Singles wird nicht aufgelöst und bleibt so leider nur Effekthascherei, der Rest allerdings geht als wohltemperierte Klangkunst allerdings mehr als in Ordnung. http://www.palacewinter.com/
„Waiting For The World To Turn“
(Tambourhinoceros)
Vor einem Jahr sind Carl Coleman und Caspar Hesselager alias Palace Winter als dänisch-australisches Duo auf der Bildfläche erschienen, ihre ersten Stücke “Time Machine” und “Menton” und die folgende EP “Medication” überzeugten in Bild und Ton – soll heißen, die melancholisch verträumten Indiepophymnen waren in geschmackvolle Fotokunst verpackt und es war nicht schwer, die Jungs dafür zu mögen. Nun also der nächste große Schritt, das Debütalbum. Die Vorfreude war nicht eben kleiner geworden, denn auch die Vorauskopplungen “Positron”, “Soft Machine” und “H.W. Running” versprachen ähnlichen Hörgenuss und mit der Auswahl der explosiven Covershots vielleicht auch noch ein bisschen mehr. Gehalten haben sie davon zumindest ersteres, denn der Sound der aktuellen Platte ist weiterhin dicht, ungemein melodiös, um nicht zu sagen schwelgerisch. Wollte man die bei Musikkritiken gern benutzte Assoziationskette ergänzen, stünde hier vielleicht Travis meets Pink Floyd meets Don Henley, von den Schotten nämlich haben sich die beiden die wunderbar eingängigen Hooks geborgt, behutsam etwas Psychedelika beigemischt und trotzdem ihr sonniges Gemüt nicht verraten. In Erinnerung bleibt vor allem eben jenes “H.W. Running”, das soft und synthetisch lospluckert und eine sehr entspannte Stimmung verbreitet. Ähnlich Gutes gelingt ihnen später beim überlangen Schlußdoppel “Dependance/Independence”, auch hier federn die Gitarren zu sanften Perkussions – gerade die Ausführlichkeit, die Epik erinnern sehr stark an Adam Granduciel und seine The War On Drugs. Man hätte Coleman und Hesselager am Ende vielleicht etwas mehr Mut gewünscht, im Laufe der Spiellänge des Albums auch mal auszubrechen, den Sound stärker zu variieren, wie sie es ja in Ansätzen bei “Positron” versuchen. Der Kontrast mit den Schlachtmotiven der drei Singles wird nicht aufgelöst und bleibt so leider nur Effekthascherei, der Rest allerdings geht als wohltemperierte Klangkunst allerdings mehr als in Ordnung. http://www.palacewinter.com/
Beginner: Zurück auf der Karte
Aber klar gefällt uns das! Hamburg ist "wieder auf der Karte" - war es zwar vorher schon, aber wenn die Beginner mitkochen, schmeckt's noch dreimal so lecker. Die Blast Action Heroes sind also wieder am Start und mit ihnen das neue Album "Advanced Chemistry" (kleiner Gruß an die Jungpioniere aus Heidelberg), das am 26. August erscheinen soll. Eher draußen ist die erste Single "Ahnma", aufgenommen gemeinsam mit Gzuz und Gentleman (und irgendwie auch uns Zwerg Uwe Seeler). Die Latte an Liveterminen kann man hier checken, der Rest dann sobald da.
Donnerstag, 2. Juni 2016
Avec Sans: Antipoden
Klar, man muss sich etwas reinhören, aber mit der Zeit entwickelt das Stück seinen ganz eigenen Charme: Avec Sans, das Londoner Electro-Duo, hat nach dem Titelsong seines Debüt-Albums "Heartbreak Hi" einen weiteren Song ausgekoppelt und der wird Alice Fox und Jack St. James vermutlich die ganze Bandbreite an Wortmeldungen zwischen gnadenlosem Verriss und jeder Menge Respekt einbringen. Denn "Perth" stammt im Original vom Folkgenie Bon Iver und seiner zweiten selbstbetitelten Platte aus dem Jahr 2011 (hier das Original). Erwartungsgemäß liegen beide Stücke meilenweit auseinander, der Reiz der Gegensätze wirkt trotzdem.
Blonde Redhead: Männermöbel
Was man nicht alles in diesem Internet lernt - vieles ist schön, manches auch mal etwas unappetitlich. Zum Beispiel "Big Butt Facesitting" - eine Art Fetisch-Kunst, die der Japaner Namio Harukawa in großer Zahl illustriert hat. Diese Bilder wiederum haben den Schauspieler, Comedian und Musiker Eric Wareheim zu seinem Videodreh für ein älteres Stück der Band Blonde Redhead inspiriert - "Dripping" stammt von deren wunderbarem Album "Barragán", das vor zwei Jahren erschienen ist. Der Rest ist Hören, Schauen und Staunen. (Das Original-Video zum Song stammt übrigens von Gene Doe und ist weitaus harmloser.)
Beck: Wortwörtlich
Noch ganz lange warten muss man auf das neue und zehnte Album von Beck - für den 21. Oktober ist das bislang unbetitelte Werk via Capitol Records angekündigt und wenn es nach der ersten Hörprobe, der gerade veröffentlichten Single "Wow", geht, erwartet uns ein durchaus spannendes Werk. Was sonst, sagt da der Fan, der Mann hat noch selten eine Sache zwei mal versucht und nach "Morning Phase" dürfen wir jetzt also auf neue Überraschungen hoffen.
The Avalanches: Sturmwarnung
Seit Tagen glühten die Drähte (war zumindest früher mal so, heutzutage wackelt eher die Cloud) ob der Nachricht, ob und wann denn nun das neue Album kommen wird - nun ist es klar: The Avalanches werden ganze sechzehn Jahre nach ihrem Debüt "Since I Left You" zu uns zurückkehren und "Wildflower", ihren Zweitling, im Gepäck führen. Wie üblich versammelt die Platte eine illustre Gästeschar, bestätigt sind mittlerweile u.a. Toro Y Moi, Father John Misty, Warren Ellis (Bad Seeds) und Danny Brown - die erste Single "Frankie Sinatra" ist schon mal ein klasse Bumper und kommt angemessenerweise mit einem ziemlich durchgeknallten Filmchen daher.
Mittwoch, 1. Juni 2016
Fear Of Men: Veröffentlichung
Fear Of Men
„Fall Forever“
(Kanine Records)
Es sind wohl vor allem die Gegensätze, die an Fear Of Men faszinieren. Aktuell als Trio unterwegs, haben es sich Jess Weiss, Daniel Falvey und Michael Miles offenbar zur Obsession gemacht, ihr Innerstes in aller Öffentlichkeit zu verhandeln. Schon die Songs auf „Loom“, dem Debüt der Band, waren von einer derart zerbrechlichen Zartheit, dass man Sorge hatte, sie würden den ganzen Rummel um sie nicht unbeschadet überstehen können. Nun, es ist ihnen weit mehr als das gelungen, fünf Jahre nach den ersten Gehversuchen präsentieren sie mit „Fall Forever“ ihr zweites Album und haben es nicht nur zum hellsten Stern am Pophimmel ihrer Heimatstadt Brighton, sondern auch zu einiger internationaler Berühmtheit geschafft. Und das mit Stücken, die so gar nicht zum Bild jugendlicher Unbeschwertheit passen möchten, das clevere Marketingstrategen gern samt Weichzeichner und Glanzfolienkaschierung ihrer Kundschaft in die Hand drücken wollen. Wer redet da schon gern von Traumabewältigung, Selbstbehauptungswillen, Einsamkeit und Kontrollverlust?
“I'm like an island, I don't need to feel your arms around me, I'm like an island without a shore”, singt Weiss, “Used to be scared to feel misunderstood, now I don't care if I'm not what you want, used to be scared to feel the stronger one.” Ähnlich wie Elena Tonra von der Londoner Band Daughter scheint auch Weiss in der Veräußerung ihrer intimsten Empfindungen die einzige Chance zu sehen, zu eigener Stärke zurückzufinden. Man muss das deshalb nicht gleich ‘Selbsttherapie’ nennen, beeindruckend und berührend ist es allemal. Das andauernde innere Ringen, im Video zu “Trauma” symbolisch in Szene gesetzt, ist also ein Schlüsselthema dieses Albums, am Ende steht dann im besten Falle, wie bei “Sane”, eine Art von erlösender Freiheit, die aber doch einen bitteren Geschmack in sich trägt: “I possess nothing, I'm free from fear, I'm a monument to myself …”
Was dann aber in kompositorischer Hinsicht erstaunt, ist die häufige Wiederkehr bestimmter Soundmuster, die in fast allen Stücken, wenn auch hier und da leicht abgewandelt, auftauchen: Da ist zum einen Weiss’ glockenhelles Stimmchen, unterlegt mit dronig-düsteren Synthflächen, auf der anderen Seite Miles’ maschinengewehrartiges Schlagwerk, das man so aus diversen Historienschinken zu kennen glaubt – der verschossene Trommler läuft über’s rauchende Schlachtfeld und hämmert selbstvergessen seine Trauer in die Ödnis. Verfehlt sicher nicht seine Wirkung, wird hier aber leider etwas überstrapaziert, die Songs, die aus dem vollen Repertoire schöpfen und ohne diese Selbstbeschränkung auskommen, bleiben (übrigens auch ein kleines Manko des Debüts) so in der Unterzahl. Der Gesamteindruck bleibt dennoch ein guter, es gibt schließlich für jedermann jederzeit genügend Momente im Leben, in denen man solche Musik zum Trost gut brauchen kann. http://www.fearofmen.co.uk/
26.09. Berlin, Kantine Berghain
28.09. Wien, RHIZ
„Fall Forever“
(Kanine Records)
Es sind wohl vor allem die Gegensätze, die an Fear Of Men faszinieren. Aktuell als Trio unterwegs, haben es sich Jess Weiss, Daniel Falvey und Michael Miles offenbar zur Obsession gemacht, ihr Innerstes in aller Öffentlichkeit zu verhandeln. Schon die Songs auf „Loom“, dem Debüt der Band, waren von einer derart zerbrechlichen Zartheit, dass man Sorge hatte, sie würden den ganzen Rummel um sie nicht unbeschadet überstehen können. Nun, es ist ihnen weit mehr als das gelungen, fünf Jahre nach den ersten Gehversuchen präsentieren sie mit „Fall Forever“ ihr zweites Album und haben es nicht nur zum hellsten Stern am Pophimmel ihrer Heimatstadt Brighton, sondern auch zu einiger internationaler Berühmtheit geschafft. Und das mit Stücken, die so gar nicht zum Bild jugendlicher Unbeschwertheit passen möchten, das clevere Marketingstrategen gern samt Weichzeichner und Glanzfolienkaschierung ihrer Kundschaft in die Hand drücken wollen. Wer redet da schon gern von Traumabewältigung, Selbstbehauptungswillen, Einsamkeit und Kontrollverlust?
“I'm like an island, I don't need to feel your arms around me, I'm like an island without a shore”, singt Weiss, “Used to be scared to feel misunderstood, now I don't care if I'm not what you want, used to be scared to feel the stronger one.” Ähnlich wie Elena Tonra von der Londoner Band Daughter scheint auch Weiss in der Veräußerung ihrer intimsten Empfindungen die einzige Chance zu sehen, zu eigener Stärke zurückzufinden. Man muss das deshalb nicht gleich ‘Selbsttherapie’ nennen, beeindruckend und berührend ist es allemal. Das andauernde innere Ringen, im Video zu “Trauma” symbolisch in Szene gesetzt, ist also ein Schlüsselthema dieses Albums, am Ende steht dann im besten Falle, wie bei “Sane”, eine Art von erlösender Freiheit, die aber doch einen bitteren Geschmack in sich trägt: “I possess nothing, I'm free from fear, I'm a monument to myself …”
Was dann aber in kompositorischer Hinsicht erstaunt, ist die häufige Wiederkehr bestimmter Soundmuster, die in fast allen Stücken, wenn auch hier und da leicht abgewandelt, auftauchen: Da ist zum einen Weiss’ glockenhelles Stimmchen, unterlegt mit dronig-düsteren Synthflächen, auf der anderen Seite Miles’ maschinengewehrartiges Schlagwerk, das man so aus diversen Historienschinken zu kennen glaubt – der verschossene Trommler läuft über’s rauchende Schlachtfeld und hämmert selbstvergessen seine Trauer in die Ödnis. Verfehlt sicher nicht seine Wirkung, wird hier aber leider etwas überstrapaziert, die Songs, die aus dem vollen Repertoire schöpfen und ohne diese Selbstbeschränkung auskommen, bleiben (übrigens auch ein kleines Manko des Debüts) so in der Unterzahl. Der Gesamteindruck bleibt dennoch ein guter, es gibt schließlich für jedermann jederzeit genügend Momente im Leben, in denen man solche Musik zum Trost gut brauchen kann. http://www.fearofmen.co.uk/
26.09. Berlin, Kantine Berghain
28.09. Wien, RHIZ
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