Mittwoch, 30. November 2011

Catchy execution



The Roots „undun“ (Def Jam)
In letzter Zeit liest man ja öfters das Wort „auserzählt“, gern in Verbindung mit Menschen, deren Gesicht und Geschichte man meint der Öffentlichkeit nicht mehr zumuten zu wollen, ohne sie über Gebühr zu langweilen. Die Geschichte der Roots ist nun keineswegs auserzählt, dafür sind die Jungs einfach noch viel zu gut, es ist nur leider so, dass dem Rezensenten bei der Frequenz, mit der die glorreichen Sieben aus Philadelphia Platten von ausgezeichneter Qualität veröffentlichen, so langsam die Worte auszugehen drohen. Ausgeschrieben also? Das ist natürlich kein wirkliches Problem, schon erst recht keines, mit dem sich die Roots herumschlagen müssen, aber es ist dennoch unheimlich, mit welcher Konstanz diese Band, die ja im Nebenberuf auch noch, quasi als geschmackvolle Variante der „Los Zerlettos“, allabendlich für Jimmy Fallon auf der Bühne schwitzt, erstklassiges Material abliefert.

Allein der Anfang von „undun“, welches als Konzeptalbum die Geschichte des fiktiven Charakters Redford Stevens nacherzählt, der Song „Sleep“ ist von so meisterhafter Güte, dass einem der Rest des Albums fast schon egal sein kann – butterweiche Beats, dazu das soulige Timbre von Aaron Livingston, hier beweisen die Roots Mut und unerschütterliches Selbstbewußtsein gleichermaßen. Denn so wie dieser Song ist auch der Rest der Platte von einer warmen, abgedimmten und dunklen Grundstimmung getragen und setzt somit den denkbar stärksten Kontrast zur erwartungsgemäß ziemlich düsteren Story. Auch die monochrom angelegten Videoteaser zu den einzelnen Stücken möchten kaum zu dieser entspannten, souligen Untermalung passen, exemplarisch zu sehen beim Visual zu „Make My“ – catchyness meets execution. Das ganze Konzept ist von einer fesselnden Eigenwilligkeit, die ihresgleichen sucht.

Die Songs ansonsten reduziert und sparsam instrumentiert - Piano, ein paar gezupfte Saiten, lässiger Beat und eine bestechende Gästeliste sorgen für den perfekten Flow: Bilal Oliver croont „The Other Side“ in traumhafte Höhen („We’re all on a journey, down the hall of memories, don’t worry ’bout what you ain’t got, leave with a little bit of dignity...“), für „Stomp“ wird mal etwas derber musiziert und gereimt – das bleibt aber die berühmte Ausnahme. Schon erstaunlich, wie angstfrei The Roots die knarzig rauchigen Monologe von Black Thought Song auf Song („Lighthouse“/“I Remember“/“Tip The Scale“, etc.) in anmutige Melodien verpacken, wie selbstverständlich ihnen mittlerweile der Spagat zwischen dem erwarteten und dem überraschenden Moment gelingt. Die Krönung des Ganzen natürlich zum Schluß: Die letzten vier Stücken mit einer Gesamtspiellänge von gut fünf Minuten belassen sie als kurze Instrumentals mit klassischer, manchmal recht wilder Anmutung, wobei „Redford“ ursprünglich von Sufjan Stevens‘ Album „Michigan“ stammt und für „undun“ vom Schöpfer selbst in Bandbegleitung noch einmal neu eingespielt wurde.

Sollte irgendwer in nächster Zeit noch einmal behaupten, Hip Hop wäre so tot wie der Rock’n’Roll (und selbst der ist ja nur mit dem Rollator unterwegs), dann kann man dem Unbelehrbaren zu den diesjährigen Glanztaten des Wung Tang Clan, von Tyler The Creator, Drake, Kanye, Jay-Z und Spank Rock getrost diese makellose Platte auf die „Must Hear“-Liste setzen, danach möge er für immer die Klappe halten.

Wiederholungstäter/in



Sie klingt noch angenehm nach im Kopf - die letzte Platte "IRM" von Charlotte Gainsbourg, entstanden in Zusammenarbeit mit unserem Liebslingsscientologen Beck Hansen. Ihr Label Elektra legt nun für's Weihnachtsgeschäft nach und veröffentlicht am 13. Dezember das Doppelalbum "Stage Whisper", pickepackevoll mit Liveaufnahmen und bisher Unbekanntem. Dazu gehören unter anderem auch die vier Stücke, die im Oktober auf der EP "Terrible Angels" enthalten waren (Memoir/Terrible Angels, etc.) - und auch der gerade eingenetzte Song "Paradisco", ein wundervoller, dunkler Wave-Schwof, unschwer als abermalige Kollaboration mit Beck zu erkennen. Hören - hier.

Dienstag, 29. November 2011

Auf die Birne



Boys Noize „The Remixes 2004 – 2011“ (BNR)
Remix-Compilationen sind in der Regel keine Sachen, die man sich spätabends am lauschigen Kaminfeuer bei einem Glas heißer Honigmilch zu Gemüte führt. Das gilt im Allgemeinen und für die Heimwerkereien des Hamburgers Alexander Ridha alias Boys Noize im Speziellen. Denn wie nur wenige Kollegen liebt er den fetten, unmißverständlichen Haudrauf-Sound, der immer schön saftig auf die Birne gibt und selten danach fragt, ob die Mischung dem Original sonderlich gut steht. Andererseits gelingt Ridha durch diese nicht eben zimperliche Dekonstruktion auch manch feine Überraschung – so macht er aus Leslie Feists Leichtgewicht „My Moon, My Man“ einen knochenharten Elektrotrack und schraubt den bläßlichen Editors für „You Don’t Know Love“ etwas Groove unter die Haube.

Berührungsängste kennt er keine, von Indie über Hip Hop, Dance und Disko bis hin zum Gruselgoth eines Marylin Manson ist alles dabei, er zerlegt Sebastien Tellier ebenso wie Charlotte Gainsbourg und Chilly Gonzales. Besonders gehaltvoll ist er natürlich dann, wenn schon das Original die nötige Drehzahl aufweist – Paradebeispiel hier das hochgepitchte Vollgasgehechel für Depeche Mode’s „Personal Jesus“. Sein Ruf muß nach wie vor ein guter sein, wiederholt haben ihm zum Beispiel Spank Rock ihre Arbeiten zum finalen Mix überlassen – gerade erst das komplette Album „Everyone Is Boring And Everyone Is A Fucking Liar“. Not bad for a german guy, möchte man meinen.

Bis irgendwann - vielleicht.



Haben sie also doch Recht behalten, die meinten, Sonic Youth hätten am 14. November in Sao Paulo, Brasilien, nach der privaten Trennung von Kim Gordon und Thurston Moore ihr für lange Zeit letztes, gemeinsames Konzert gegeben. Glauben wollte man es ja nicht so recht, doch nun hat Gitarrist Lee Ranaldo im amerikanischen Rolling Stone ein paar Sätze zum Thema beigesteuert, die eventuellen Hoffnungen, man würde sich für eine neue Platte im nächsten Jahr zusammenraufen, leider wenig Spielraum lassen: "It kind of remains to be seen at this point what happens to the future. I think they are certainly the last shows for a while and I guess I'd just leave it at that." Und weiter: "I'm feeling optimistic about the future no matter what happens at this point. I mean, every band runs its course. ... We've been together way longer than any of us ever imagined would happen and it's been for the most part an incredibly pleasurable ride. There's still a lot of stuff we're going to continue to do." Ob's dazu allerdings noch kommt, ist mit dem heutigen Tag mehr als fraglich.

Dann besser Sidolin



An manch mißlungene Coverversion hat man sich notgedrungen schon gewöhnt, und es sind nicht immer die Schlechtesten, die scheitern – wenn allerdings komplette Originalpassagen aus dem Kontext gerissen und, wie bei Sidos aktueller Single „Geboren um frei zu sein“, als kuschelige Tapete für einen gefühlsduseligen Vorweihnachtsfilmteasersong verwurstet werden, dann ist das mehr als ärgerlich. So geschehen mit „Wir müssen hier raus“ von Ton Steine Scherben, im Original auf dem 72’er weißen Album „Keine Macht für niemand“. Kopfschüttelnd liest man über „neu eingespielten Gitarrenlines“ von R.P.S. Lanrue, fragt sich, was das Management der Scherben aka. den Nachlaßverwalter von Rio Reiser dazu getrieben haben mag, solch einem Unsinn zuzustimmen und ist versucht, einen gepfefferten Brief an Claudia Roth, ihres Zeichens selbsternannte und vollumfängliche Interessensvertretung der Apo-Combo, zu stenografieren. Nun, den Kids aus der Platte wird’s gefallen, im Kino wird „Blutzbrüdaz“ (hää?!) garantiert der voll fette Renner und irgendwann ist sicher auch Fielmann zu Stelle, um dem Spacko mit der Brille seine Ehre zu erweisen. Gute Nacht auch.

Montag, 28. November 2011

Götter für alle



Hatten wir das nicht erst erst, das perfekte Wochenende? Und den dazugehörigen perfekten Wochenbeginn? Und hing es nicht erst gerade davon ab, ob man nun in Mainz, Hamburg, München oder Dresden wohnt? Jedenfalls so ungefähr? Egal, der Aufschlag am heutigen Morgen könnte wundervoller nicht sein, verkündet doch pitchfork.com gerade frisch, dass die ikonengleich vergötterten Fugazi schon bald die unglaubliche Anzahl von 800 Liveauftritten von 1987 bis 2003 zum Download anbieten werden. Der Start wird mit am 1. Dezember mit 130 Shows beginnen - "Fugazi Live Series", was kann da noch kommen!? Vielleicht doch noch die Reun..., na, lassen wir das und denken an Vatter Weller und seine weisen Worte. Zahlen kann im Übrigen ein jeder das, was er für nötig hält, das kennt man schon von Radiohead und fand es damals schon recht kommod.

Freitag, 25. November 2011

Oberpollinger 2011 - Longplayer



Erst die Kleinen, jetzt die Großen – was für die Songs des laufenden Jahres galt, lässt sich für die Alben nur sehr eingeschränkt spiegeln. Soll heißen, hier dominieren eher die Etablierten – rein subjektiv, selbstverständlich – Youngster taten sich da, ausgenommen natürlich die grandiosen GIRLS, eher schwer. Wollte man eine Unterteilung in E (wie künstlerischer Anspruch) und U (wie Entertainment auf Dauerschleife) vornehmen, dann war der Ernst eher eine feminine Domäne, siehe Feist, PJ Harvey, Planningtorock, EMA und Marianne Faithfull, einzig Bill Callahan konnte mit seiner „Apocalypse“ in diese Sparte vorstoßen. Die Lacher wiederum kamen von den alten Männern – Beastie Boys, Stephen Malkmus, The Fall und zuletzt Lou Reed eher unfreiwillig komisch. Willkürlich von links nach rechts, mit Anspieltipp dazu – voilá, die Platten des Jahres:

Kitty, Daisy And Lewis "Smoking In Heaven" ("I'm Going Back")
Wugazi "13 Chambers" ("Sweet Release")
Wilco "The Whole Love" ("Art Of Almost")
JAY-Z & Kanye West "Watch The Throne" ("Niggas In Paris")
GIRLS "Father, Son, Holy Ghost" ("Vomit")
Planningtorock "W" ("The Breaks")
Wild Flag "Wild Flag" ("Glass Tambourine")
PJ Harvey "Let England Shake" ("The Glorious Land")

This beer's great, isn't it?



Irgendwo war neulich zu lesen, Mark E Smith sei der netteste Mann, der jemals eine Journalistin geohrfeigt habe. Geschrieben hatte diesen Satz eine Frau, von Beruf - naja, Journalistin. Egal, was sich da nun tiefenpsychologisch herauspulen ließe, Smith jedenfalls gilt generell als Garant für launige Interviews - erfreulich deshalb, dass er sich aus Anlaß der aktuellen Platte mit Kevin Perry von thequietus.com auf das eine oder andere alkoholische Getränk zusammengesetzt hat. So erfährt man einige unterhaltsame Dinge über seines Vaters Lada, Nietzsche und Shakespeare ("very underrated"), Oasis und Manchester, Satans Stimme und weshalb er als Zeitungsleser ein Überzeugungstäter ist. Das Ganze - hier.

Donnerstag, 24. November 2011

Oberpollinger 2011 - Die Einzelteile



In diesem Jahr mal ein geteilter Rückblick und zwar – wie innovativ ist das denn?! – getrennt nach Songs und Alben. Zunächst also die Einzelteile. Ein richtiger Kracher konnte nicht ausgemacht werden, aber sehr wohl einige Perlen, die wiederum, und das ist erfreulich, nicht nur von alteingesessenen Platzhirschen stammen. Die Dodos und Wye Oak haben zu ihren Songs früh im Jahr auch formidable Alben abgeliefert, das deutsch-schweizerische Joint Venture Boy hatte heuer wahrscheinlich die geschmeidigste Platte im Gepäck und Veronica Falls haben, nicht nur mit ihrer Single, wieder einmal den Indierock gerettet. Schätzchen Azealia Banks belegte gerade auf der offiziellen Cool List 2011 des NME den ersten Platz und gibt mit ihren bisher bekannten Songs zu überschwänglichen Hoffnungen berechtigen Anlass. Im Bild von links nach rechts, halblegal verlinkt – bitteschön, die Hits des Jahres:

Bright Eyes „One For Me, One For You“
The Rapture „How Deep Is Your Love“
The Dodos „Black Night“
Boy „Waitress“
Wye Oak „Holy Holy“
Veronica Falls „Found Love In A Graveyard“
Arctic Monkeys „Love Is A Laserquest“
Azealia Banks „212“
Radiohead „Lotus Flower“

Mittwoch, 23. November 2011

Kraftwerky



Soft Metals „Soft Metals“ (Captured Tracks)
Gegen Ende eines jeden Jahres ist natürlich auch der gemeine Blogger bestrebt, penibel Inventur zu machen, um den Laden ordentlich zu übergeben – und wenn’s auch nur an sich selber ist. Soll heißen, der Bestand wird noch einmal überprüft und kontrolliert, ob sich nicht irgendeine Nachlässigkeit eingeschlichen hat und beispielsweise ein Album grob fahrlässig übersehen worden ist. Größere Ausfälle sind auf den ersten Blick nicht zu beklagen, sieht man einmal davon ab, dass manch vorhersehbare Pleite unkommentiert und allzu Mittelmäßiges wachen Sinnes unerwähnt blieb.

Soft Metals aus Portland sollten jedoch keineswegs unter den Tisch fallen, auch wenn das Album schon im Herbst auf den Tisch kam. Das Elektronik-Duo, bestehend aus der Stimme von Patricia Hall und den Tastenanschlägen von Ian Hicks, hat sich nach einigen kleineren Anläufen nun an das größere Format gewagt und mit dem selbst betitelten Debüt einen recht gelungenen Arbeitsnachweis abgeliefert. Auch wenn die beiden in diversen Posts gern in die Wave-Ecke gestellt werden, so nutzen sie in ihren Stücken doch eher die klare, strukturierte Melodik von Vorbildern wie Kraftwerk oder den frühen Depeche Mode als die düster wabernden Stimmungsbilder.

Stücke wie „Voices“, „The Cold World Melts“ oder „Eyes Closed“ sind also durchaus tanzbare Kompositionen, der etwas in den Hintergrund gemischte Gesang macht sie zwar weniger präsent und punktiert im Vergleich zu den Düsseldorfer Vorbildern, verleiht ihnen dafür aber eine angenehm warme und entspannte Grundstimmung. Dass die Nische, in der sich Soft Metals mit ihrem Sound bewegen, überbelegt ist, kann man nun nicht gerade behaupten – in diesem Jahr meldeten sich hier mit den Berlinern Bodi Bill und Sean McBride alias Martial Canterel gerade mal zwei Mitstreiter. Kein Trend also, noch nicht, aber durchaus schon Potential. http://www.myspace.com/softmetals

[Auch gut – sechsminütiges Cover des Throbbing-Gristle-Songs „Hot On The Heels Of Love“ – hier.]

Nachschlag



Von der mutmaßlich besten Band dieses Jahres gibt es noch eine Zugabe zum aktuellen Album: Wild Flag aus Portland haben für den Radiosender WBEZ aus Chicago ihr Set um einen neuen Song mit dem Titel "Nothing" angereichert - Ausschnitte der Sound Opinions Session hier.

Word.


Nicht schön, dass man bei der Freude über jemanden, der unpopuläre Dinge klar beim Namen nennt, unfreiwillig an den blöden BILD-Slogan denken muss, dass die Wahrheit immer jemanden brauche, der sie ausspricht. Schön aber, dass olle Weller Paule auf die Frage von shortlist.com nach dem Sinn des grassierenden Reunionisierens eine deutliche Antwort parat hat: "Money talks, doesn't it?” und "Hopefully I'll never be that skint, mate.”

Noch schöner, dass im März kommenden Jahres das nach “Wake Up The Nation” mittlerweile elfte reguläre Studioalbum von ihm zu erwarten ist. “Sonik Kicks” wird es heißen und den Song “Around The Lake” kann man im Netz schon mal probehören. Eine zwingende Meinung zur eigenen Produktion hat der Mann aus Woking natürlich auch: "I'm going to go out and play a classic album next year, but it'll be my fucking new one. Not one from 20 years ago."

Montag, 21. November 2011

Wiedergefunden



Ein gute Nachricht an dieser Stelle für alle streng orthodoxen Synthie-Traditionalisten: Vince Clarke, bekanntlich Mitgründer und Hutnehmer bei Depeche Mode und Martin Gore, Songschreiber und Kreativpool still on duty, haben sich für ein Technoprojekt mit dem schlichten Namen VCMG zusammengefunden und werden noch am 30. November ein erstes Ergebnis ihrer Zusammenarbeit mit dem Titel "EP1/Spock" vorstellen. Ausführlicher Mailverkehr - hier, Downloadvorbestellung - dort.

Klassik vor Welle



Das wird nicht jedem Fan schmecken, der lieber die extravagante, die spektakuläre Lösung gesehen hätte - trotzdem hat sich der Herzensverein nun doch für die klassische Bauvariante der Gegengerade entschieden. Mutlos? Popelig? Provinziell? Egal - entscheidend ist auf'm Platz und dass die Stimmung passt. Und dann ist es auch schon wieder egal, worauf man steht ...

Zweimal perfekt



Nach einem nahezu perfekten Wochenende - okay, das hing jetzt ganz davon ab, ob man in Hamburg, München, Rostock oder Dortmund wohnt - nun noch ein gelungener Wochenstart: Es wird zwar keine Fugazi-Reunion geben, soviel ist für dieses Jahr sicher, aber deren früherer Leadsänger Ian MacKaye meldet sich zusammen mit Amy Farina zurück, nach zwei Alben von The Evens gibt es zum Jahresausklang die Doppelsingle "2 Songs" mit "Warble Factor" und "Timothy Wright" - anhören: hier.

Freitag, 18. November 2011

For the crowd, for the wall



Leider nur ein einziger Termin und leider, leider wieder nur die Hauptstadt - Radiohead touren 2011 in Europa und spielen am 6. Juli in der Wuhlheide. Schön für Berlin. Stanley Donwood, seines Zeichens Grafiker mit sehr guten und häufigen Geschäftskontakten zur Band um Thom Yorke, hat ein hübsches Plakat zur "Occupy"-Bewegung entworfen und trägt damit quasi den Widerstand von der Wallstreet in die heimischen Wände. Erinnert ein bißchen an den sinnigen Greenpeace-Spruch aus den 90ern, liegt stylistisch aber deutlich weiter vorn.

Neues aus Nashville



Drei Jahre sind vergangen, seit Kurt Wagner und (lt. Selbstauskunft) “Nashville’s most fucked-up country band" Lambchop ihr letztes Album "OH (Ohio)" vorgelegt haben - nun ist für den 21. Februar kommenden Jahres endlich Nachschub angekündigt. "Mr. M" heißt das gute Stück, und auch wenn Wagner verlauten läßt, die Platte werde eine Art "psycha-Sinatra-Sound" (NME) haben, inhaltlich, so meint zumindest die Plattenfirma Merge Records, sind wohl keine wesentlichen Änderungen zu erwarten. Muß ja auch nicht. Eine Hörprobe der ersten Auskopplung "If Not I'll Just Die" hier. Live dabei:

23.02. Berlin - Babylon
24.02. Berlin - Babylon
25.02. Dresden - Beatpol
26.02. Leipzig - Werk 2
29.02. Köln - Kulturkirche
10.03. Frankfurt - Union-Halle
14.03. Dornbirn - Spielboden
16.03. München - Kammerspiele
17.03. Düsseldorf - Zakk
27.03. Hamburg - Fabrik
28.03. Karlsruhe - Tollhaus

Donnerstag, 17. November 2011

Vollwaschgang



Der Mensch neigt ja mit fortgeschrittenem Alter zu verstärkter Selbstbeobachtung, immer öfter scheint er bei sich selbst nie für möglich gehaltene Anzeichen zunehmender Spießigkeit zu entdecken. Wer zum Beispiel folgende drei Fragen mit einem klaren „ja“ beantworten kann, der hat in dieser Hinsicht schon eine gehörige Wegstrecke geschafft und darf sich nicht wundern, wenn nahestehende Menschen diese Entwicklung mit der wenig schmeichelhaften Bemerkung kommentieren „Rock’n’Roll ist das aber nicht ...“:

1. Gehört ein Tischstaubsauger zu deinem Küchenequipment?
2. Ziehst du Tierfilme einem Tatort mit der Begründung vor, das sei schon Aufregung genug?
3. Lehnst du den Besuch von Live-Konzerten grundsätzlich ab, wenn sich keine Sitzplätze buchen lassen?

Das Glastonbury-Festival im englischen Südwesten, als Spießer-Eldorado bei weitem nicht so bekannt wie für sein ausgezeichnetes Line Up und sein konstant mieses Wetter, möchte nun nach Auskunft seines Organisationschefs Melvin Benn und mit Zustimmung des Gründers Michael Eavis der zunehmenden Betagtheit seiner Besucher Tribut zollen und künftig Waschmaschinen auf dem Gelände aufstellen lassen. Zitat: „Older fans are getting far more demanding and we have to respond. That means better toilets and now washing machine facilities.”

Ab dem Jahr 2013 also, dem nächsten Big Bang auf Worthy Farm, darf sich der in die Jahre gekommene Besucher also bedenkenlos im Matsch suhlen, weiß er doch, dass am Ende eines langen Tages ein geeigneter Waschvollautomat, im günstigsten Falle mit integriertem Trockner, die Klamotte wieder auf neu wienert, porentief natürlich und aprilfrisch. Und da wird immer behauptet, für ältere Menschen gäbe es keinerlei erfreuliche Nachrichten mehr ...

How I learned to hate Rock'n'Roll



Kein Zweifel, Bejamin von Stuckrad-Barre, laut Selbstbezichtigung der Welt größter Fan des Duos, wird es irrsinning freuen: Am 6. Februar erscheint eine neue B-Seiten-Compilation der Pet Shop Boys - 38 Stücke aus den Jahren 1996 bis 2009. Heißen wird das Ganze schlicht "Format", bestückt mit so wohlklingenden Titeln wie "How I Learned To Hate Rock'n'Roll", "The Boy Who Coulnd't Keep His Clothes On", "Searching For The Face Of Jesus" und "The Resurrectionist" (komplett - hier). Diese Nachricht soll dann auch gleich als Vehikel dafür dienen, sich in tiefer Dankbarkeit der gelungesten Albumtitel der beiden Edelpopper zu erinnern:

VERYRELEASEDISCOALTERNATIVEYES
POPARTBESIDEPLEASEFUNDAMENTAL

Mittwoch, 16. November 2011

Alte Liebe



The Fall „Ersatz GB“ (Cherry Red)
Mark E Smith und The Fall haben ja bekanntlich eine ebenso treue wie hartnäckige Anhängerschaft, die, wenn sie etwas auf sich halten, so an die knapp 30 Studioalben und über 50 Singles ihrer Helden um die Votivkerzen auf dem heimischen Altar gruppiert haben. Für den folgenden Satz werden mir diese Leute sicher die Rübe runterreißen, aber ich behaupte einmal: Es ist im Grunde überhaupt nicht wichtig, wie eine neue Platte von The Fall klingt, sondern dass sie es tut. Denn in gewisser Weise ist jede von ihnen, ob hörbar oder nicht, ein trostspendendes Relikt mit einem Verweis auf eine Zeit, die von der jetzigen so weit weg scheint wie die Biene Maja (im selben Jahr geboren) von Dragon Ball.

Zum Charme der Biene fehlen Smith natürlich ganz grundsätzlich die Anlagen, eine unstillbare Neugier hat jedoch auch ihn, dessen aktuelle Bandbesetzung gefühlt mindestens um die Hälfte jünger ist als der Meister selbst, stets ausgezeichnet. Schnell wird vergessen, dass The Fall im Laufe ihres 35jährigen Bestehens nicht nur viel veröffentlicht, sondern auch vieles probiert haben – fast folgerichtig tauchte Smith deshalb auch mit „Glitter Freeze“ auf dem letzten Gorillaz-Album „Plastic Beach“ auf, seinem letzten Lebenszeichen nach „Your Future, Our Clutter“.

„Ersatz GB“ hat, neben einem hübschen Titel, eigentlich alles, was auch die vorangegangenen Sachen so ausmachte: das typisch verschwurbelte, immer etwas unentschlossen wirkende Gitarrengequengel über stupidem Schlagwerkgepolter, Smith kreischt, nuschelt oder spuckt seine Lyrics dazu in den Ring – Songs wie „Cosmos 7“, „Nate Will No Return“ oder „Laptop Dog“ sind in dieser Hinsicht fast Klassiker. Dass The Fall im Laufe der Zeit auch poppiger geworden sind, hat Smith selbst schon zähneknirschend feststellen müssen, diesen „Auswüchsen“ wie hier „Taking Off“ oder „Happi Song“ setzt er dann gern garstige Ungetüme entgegen – „Mask Search“ zum Beispiel mit seinem kratzigen Rock’n Roll oder den denkbar schlichten Metal von „Greenway“.

So richtig weiß man zwar trotzdem nicht, warum man sich ganze acht Minuten am Pfeifen und Pfiepen von „Monocard“ erfreut oder den blechernen Krach von „Age Of Chang“ irgendwie reizvoll findet, hier mischen, wie vermutet, Sehnsucht und Bewunderung kräftig mit am eigenen Urteilsvermögen. Der New Yorker schrieb dazu vor einigen Tagen einen Satz, dem man wohl nichts mehr hinzufügen muß: „To love the Fall is to love something that you can never explain, since there is rarely anything as coherent as a topic in a Fall song.”
http://www.visi.com/fall/