James Blake
„The Colour In Anything“
(Polydor)
Ganz ohne Seitenhiebe geht es offensichtlich nicht, wenn sich Feuilleton und Musikpresse mit James Blake und seinem neuen Album beschäftigen – junge Männer, die ihre Empfindsamkeit derart offensiv zum Markenzeichen erklären, haben also schlechte Karten. Der Standard aus Wien schreibt von „Wimmerkunst“, für Die Welt bleibt Blake eine weinerliche Mimose und selbst die SPEX kann sich mit dem Prädikat „Heulermusik“ eine deutliche Spitze nicht verkneifen. Dabei steht nie die Musik des Londoner Ausnahmekünstlers zur Debatte, es ist der zarte Falsettgesang, der es wohl manchem an „Männlichkeit“ vermissen läßt und schon Künstlern wie Tom Krell (How To Dress Well), Christopher Taylor (SOHN), Justin Vernon (Bon Iver) und Frank Ocean oft als Makel ausgelegt wird. Passenderweise hat Blake die beiden letzteren gleich mit an Bord genommen, als es an die Produktion seines dritten Geniestreichs ging – es hat der Platte weiß Gott nicht geschadet.
“I wouldn't want to be one of those artists that keeps themselves in a perpetual cycle of anxiety and depression just to extract music from that” kontert Blake gleichsam vorauseilend im Interview mit Pirchfork die Kritik an Stil und Mitteln und auch wenn “The Colour In Anything” etwas freundlicher, ja cluborientierter geworden ist als die Vorwerke – es hätte dieser Entschuldigung nicht bedurft. Denn die knapp siebzig Minuten sind von einer deratigen Brillanz und anrührenden Intensität, dass es jedem Nörgler sofort die Schamesröte ins Gesicht treiben müsste. Die Anzahl der Stücke, in denen Blake mit Herzschmerz und Liebeskummer zwischenmenschlicher Zweisamkeit ringt und hadert, ist groß und kaum eines ist dabei, das qualitativ abfällt oder gar enttäuscht. Schon „Radio Silence“, eine der ersten Vorveröffentlichungen, kommt mit seinen mantraartigen Gesangsloops als zärtliche Meditation daher, schon kurz danach schließt sich mit „Love Me In Whatever Way“ die nächste melancholische Großtat an.
Dass Blake (zusammen mit Rick Rubin) noch häufiger träge bis maßvoll beschleunigte Beats in den ohnehin schon vielschichtigen Sound mischt, tut dem Album hörbar gut – „Timeless“ (ohne Kanye West), „I Hope My Life“ und „Noise Above Our Heads“ überzeugen aus dem Stand und man ertappt sich, bislang eher ungewöhnlich, beim verstohlenen Mitwippen. Andere Stücke kommen fast oder gänzlich ohne Extravaganzen aus – allen voran das wunderbare „My Willing Heart“, mitgeschrieben und -gesungen von Frank Ocean. Wenn hier die Suche eines/einer jeden nach dem speziellen Zauber der Liebe zur Sprache kommt, verhandelt der Künstler in „Put That Away From Me“ angeblich seinen Hang zur sanften Droge, wohingegen sich das nicht minder beeindruckende Duett mit Justin Vernon „I Need A Forest Fire“ zur feierlichen Katharsis aufschwingt.
An Klangfarben mangelt es also nicht auf dem Album, gleichwohl geht Blake, ähnlich sein Namensvetter Quentin Blake bei der Aquarell-Illustration des Covers, sehr behutsam zu Werke. Wo passend nutzt der knapp Dreißigjährige auch mal einen Vocoder, um seinem R’n’B etwas mehr künstliche Kühle zu verleihen („Meet You In The Maze“ interpretiert man dabei gern als Hommage an Laurie Andersons „O Superman“), ansonsten halten sich elektronische Texturen mit klassischer Instrumentierung angenehm die Waage, Dominanz wird hier einzig dem Songwriting selbst eingeräumt. Und das ist, gerade für den Titelsong und die erste Vorauskopplung „Modern Soul“, zuweilen erstaunlich aufgeräumt geraten. Könnte also sein, dass der Meister mittlerweile etwas entspannter auf sein Werk schaut, sein Kommentar läßt das vermuten: „With my first two records, as much as I see music I'm very proud of, I also see a headspace I don't want to be in anymore. I’m happy to be sitting out here really enjoying it. It's all in color.“ Wir setzen uns gern dazu. http://jamesblakemusic.com/
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