Samstag, 24. Oktober 2020

Loma: Viel Zeit zum Wirken

Loma
„Don’t Shy Away“

(Sub Pop)

Die Behauptung, Brian Eno habe sich Zeit seines nunmehr schon gut siebzigjährigen Lebens um die Musik so verdient gemacht wie kaum ein anderer Künstler, ist wahrscheinlich nicht allzu gewagt – allein seine Arbeiten mit und für Roxy Music, die Talking Heads und sein Solowerk im Dienste von Ambient, Art-Rock, Jazz und experimentellem Pop füllen sowohl Plattenschränke als auch Regelmeter an Dissertationen. Dass er sich dieses innovative Wirken bis ins Heute hinein bewahrt hat, will ebenfalls keiner bestreiten, erst kürzlich hat er wie zum Beweis und quasi als Nebenverdienst, das Fortbestehen dieser Band hier gesichert. Loma, also Emily Cross, Dan Duszynski und Jonathan Meiburg, so geht die Geschichte, hatten mit dem Ende ihres um 2017 gestarteten Projektes wegen verschiedenster Wirren und Probleme eigentlich schon abgeschlossen, da erhielt Cross eine Mail, ebenjener Brian Eno hätte in der BBC eine kleine Lobeshymne auf „Black Willow“, ein Stück vom selbstbetitelten Debüt, verfasst. Mit solch einem ehrenwerten Kommentar im Rücken ließen sich offenbar auch bestehende Meinungsverschiedenheiten und Egoismen schneller beiseite schieben und so begann bald die Arbeit an „Don’t Shy Away“, dem zweiten Album.



Und dieses ist, das läßt sich schnell erkennen, die Mühe wert gewesen. War schon der Erstling wegen seiner minimalistischen Grooves und seiner Experimentierfreudigkeit, die dennoch auch den melodiösen Folkpop nicht außen vor läßt, von großem Reiz, schließt das neue Werk nicht nur nahtlos daran an, sondern arbeitet noch einige Facetten mehr dazu aus. Die Art und Weise, wie Loma verschiedenste Jazz-Elemente, insbesondere dronige Bläser-Parts, in die Songs flechten, wie Cross‘ wunderbar warme, sinnliche Stimme den Stücken Halt und Richtung gibt, wie sie diese bewundernswerte Balance aus meditativen und tanzbaren Elementen über die komplette Spiellänge aufbauen und halten können, ist schon erstaunlich. Dabei geht der Blick, den sie von Beginn an zu schärfen gedenken („I Fix My Gaze“) in drei Richtungen – nach innen, zum Gegenüber und in die Natur. Und sinniert dort über die angenehmen wie die schmerzhaften Erfahrungen, die Zweifel und den Sinn und die scheinbare Unabänderlichkeit unserer Existenz. 



Die Bilder dazu sind von großer Kraft, ob es der wundersame, auch widerständige Ocotillo-Strauch ist oder das uralte Gestein, das das Wasser teilt, überall finden sich Allegorien auf das Leben in all seinen Verzweigungen und mit all den Rätseln, die es uns immer wieder auf’s Neue aufgibt. „Don’t Shy Away“ ist ein Psycho-Tripp im besten Sinne, eine Veröffentlichung der Innerlichkeit, ein Hervorwagen. Dass dies Zeit braucht, spürt man hier besonders, deshalb gibt es keine Längen, sondern vielmehr die Einladung, all die Worte, Sounds, Geräusche wirken zu lassen, sie auch in sich selbst zum Klingen und Schwingen zu bringen. Geschmeidig wie „Half Silences“, ungeduldig und nervös wie bei „Given A Sign“, mit den fast schon fernöstlichen Tönen in „Breaking Waves Like A Stone“ oder der mystischen Majestät von „See A Thorn“. Dass Eno ganz zum Schluß sogar noch selbst mit Hand angelegt hat und das entrückte „Homing“ zu einer Art Gastgeschenk an Loma macht, rundet diese ohnehin schon bemerkenswerte Story perfekt ab. Schwer vorstellbar, dass wir hätten darauf verzichten müssen.




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