Sonntag, 31. März 2013

Keiner wie alle

Edwyn Collins
“Understated”

(AED/Rough Trade)

Die Versuchung ist groß, eine neue Platte von Edwyn Collins derart mit sentimentalen Attributen zuzukleistern, dass es ganz schnell ganz peinlich werden kann – wir müssten von Demut reden, vom Innehalten, Verweilen, von Achtsamkeit, ja eigentlich von nichts weniger als dem Sinn des Lebens. Das liegt natürlich in erster Linie daran, dass dieses Leben dem ehemaligen Orange-Juice-Frontmann im Jahr 2005 mit zwei Schlaganfällen eine einschneidende Zäsur beschert hat, und dass sich Edwyn Collins danach entschlossen hat, auf alle noch so gutgemeinten Warnungen zu pfeifen und weiterhin das macht, was er wie kaum ein anderer kann: Songs schreiben. „Understated“ ist das dritte Album, welches der Schotte trotz seiner Handicaps verfertigt hat und es ist, ähnlich wie die Vorgänger „Home Again“ und „Loosing Sleep“, ein ganz und gar großartiges und erstaunlich kraftvolles geworden.

Diesmal ohne die pralle Gästeliste der letzten Platte, beeindruckt an „Understated“ einmal mehr die Vielfalt der Stile, die Collins in seinen Songs beackert und die Perfektion, mit der er jedes Stück auf seine Art zu einem runden Abschluss bringt. Schon bei „Dilemma“, dem ganz persönlichen Erweckungslied („Dilemma, that’s me, all over … hopelessly lost, I’m on the main road“), harmonieren Gitarren und swingende Bläser vorzüglich miteinander, „Baby Jean“ wiederum überzeugt mit sattem, erdigem Blues und für „Carry On, Carry On“ gibt’s allerfeinsten Northern Soul aus den 60’s. Country, Folk, gepflegte Streicher oder kratzige E-Gitarre - solche gefühligen Lebensbetrachtungen, wie sie Collins hier präsentiert, mögen bei anderen hölzern oder abgeschmackt erscheinen, ihm dagegen nimmt man sie ohne weiteres ab: Den vertonten Mittelfinger in „31 Years“ („What the heck, I’m living now!“) genauso wie das aufwühlende, wunderbare „Forsooth“ („… I‘m so lucky to be alive, that’s why I‘m living my own truth, and I feel alive, and I feel reborn“) mitsamt Gospelchor – was dem einen zum Kitsch wird, ist für ihn unverstellte Wahrheit.

Wer Edwyn Collins in einer der zahlreichen Radioshows hört, die er für die Promotion seines aktuellen Albums besucht hat, wer also mitbekommt, wie schwer ihm der lockere Smalltalk fällt, wie er nach Worten suchen, wie er deren Intonation dann erzwingen muss, der kann ermessen, wieviel Disziplin und Mühe in einem Album wie diesem steckt. „Love’s Been Good To Me“ singt er zum Schluß und er klingt hier unfreiwillig wie der alte Johnny Cash, der am Ende schon durch Krankheit und körperlichen Verfall gezeichnet war. Es sind große Momente, die Collins dem Hörer schenkt und vielleicht ist es ja wirklich so, dass ihm die Musik nicht nur Anstrengung bereitet, sondern dass sie ihm dringendes Bedürfnis ist, dass er also eine tiefe Befriedigung, seinen Lebenssinn in diesen Liedern finden kann. Und wem das allzusehr nach kritikloser Lobhudelei klingt - nicht weiter schlimm. Dem Mann? Immer! Punkt. http://www.edwyncollins.com/

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